Entscheidungsdatum: 27.01.2016
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 18. März 2015 hinsichtlich sämtlicher Angeklagter jeweils unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Das Landgericht hat die Angeklagten des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, die Angeklagten G. und M. darüber hinaus der Verabredung eines schweren Raubes in Tateinheit mit versuchtem schwerem Bandendiebstahl schuldig gesprochen. Den Angeklagten G. hat es deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten, den Angeklagten M. unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren aus einem anderen Strafurteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten A. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Gegen das Urteil richten sich auf die Strafaussprüche beschränkte und mit der Sachrüge geführte Revisionen der Staatsanwaltschaft. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten M. und A. hat der Senat mit Beschluss vom 25. November 2015 – 5 StR 387/15 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen festgestellt:
Spätestens im Sommer 2013 schlossen sich die Angeklagten mit einem weiteren Beteiligten zu einer Raubbande zusammen. Sie hörten sich in ihrem Bekanntenkreis nach lohnenden Einbruchsobjekten um, die sie gegebenenfalls aufwendig observierten. Die Einbrüche begingen sie bewusst in Anwesenheit der Opfer, weil sie diese unter Anwendung von Gewalt zwingen wollten, etwaige Aufbewahrungsorte von Bargeld preiszugeben und auf diese Weise Zeit zu sparen.
a) Nach diesem Muster brachen sie – insoweit nicht Gegenstand der Anklage – in der Nacht des 27. September 2013 in ein Wohnhaus ein. Unter Vorhalt einer ungeladenen Gaspistole und unter Durchschneiden der Strecksehnen beider Hände des von ihnen gefesselten Opfers erreichten sie, dass dieses sein Geldversteck offenbarte. Sie erbeuteten mehrere zehntausend Euro.
b) Am 3. November 2013 etwa gegen 4 Uhr drangen die maskierten und bewaffneten Angeklagten in das Haus des allein lebenden 69-jährigen Nebenklägers ein, das sie zuvor an mindestens zehn Tagen beobachtet hatten. Sie traten die Schlafzimmertür mit so großer Wucht ein, dass die Halterung des die Tür sichernden Metallriegels aus der Wand brach. Zu dritt stürzten sie sich auf den gerade erwachenden Nebenkläger und schlugen massiv mit Fäusten auf ihn ein. Der Angeklagte M. hielt ihm eine Gaspistole an den Kopf. Der Nebenkläger wurde an Händen und Füßen gefesselt. Der Angeklagte A. sagte, sie wüssten, dass er 300.000 € im Haus habe. Wenn er ihnen das Geld gebe, verschwänden sie wieder. Der Nebenkläger antwortete, dass er so viel Geld nicht habe. M. drückte ihm die Pistole an die Schläfe. Ferner wurde ihm ein Tuch über den Kopf gelegt. Der Nebenkläger benannte ein Geldversteck mit 700 €.
Die Angeklagten waren unzufrieden. Die Pistole wurde hörbar durchgeladen und es wurden dem Nebenkläger weitere Faustschläge vor allem auf den Hinterkopf und in den Nierenbereich versetzt. Außerdem wurde ihm ein Kissen ins Gesicht gedrückt, bis er in Atemnot geriet. Der Nebenkläger verriet drei Geldverstecke mit insgesamt 4.000 €.
Auch damit wollten sich die Angeklagten nicht begnügen. Sie drohten, den Nebenkläger zu töten, wenn keine 100.000 € gefunden würden. Um mehr Geld zu erlangen, verübten sie im weiteren Verlauf unter fortwährenden Todesdrohungen eine Vielzahl von Gewalthandlungen, in deren Zuge der Nebenkläger ein Geldversteck mit 40.000 € benannte. So wurde der Nebenkläger vor bzw. nach der Preisgabe des Verstecks mit einer Krawatte geknebelt, an der ihm der Kopf immer wieder nach hinten gezogen wurde. Mehrfach wurde ihm mit der Folge von Atemnot ein Kissen ins Gesicht gedrückt. Mit einem Messer wurden ihm Schnitte und „Anstichelungen“ auf der Rückseite des linken Oberschenkels, im Bereich der Unterschenkel und an den Füßen beigebracht. Der Angeklagte G. goss dem erschöpften und möglicherweise kurz in Bewusstlosigkeit verfallenen Nebenkläger Sprudel über den Kopf, um ihn „für weitere Befragungen zu beleben“. Der Angeklagte M. verursachte mit einem aufgeheizten Bügeleisen an den Fußsohlen und Unterschenkeln des Nebenklägers Verbrennungen 2. und 3. Grades. Als der Nebenkläger kaum noch reagierte, verließen die Angeklagten gegen 6:20 Uhr mit 44.700 € das Haus.
Der Nebenkläger wurde wegen seiner zahlreichen Verletzungen fünf Wochen stationär behandelt. Er kann nicht mehr länger als zehn Minuten schmerzfrei gehen und muss nochmals operiert werden. Zudem ist er massiv traumatisiert.
c) In der Nacht auf den 21. Februar 2014 versuchten die abermals maskierten und mit einer Pistole bewaffneten Angeklagten G. und M. sowie weitere Mittäter, in das Haus der Eheleute H. einzubrechen. Aufgrund erneut durchgeführter eingehender Beobachtung wussten sie, dass die Eheleute anwesend waren. Sie vermuteten im Haus 150.000 €. Die Täter hebelten die äußere Tür auf und gelangten zu einem Vorbau. Jedoch vermochten sie die stabile Innentür nicht aufzubrechen. Sie kletterten auf das Vordach, von wo aus sie das Küchenfenster erreichten. Mit dem Versuch, den Rollladen hochzustemmen, scheiterten sie. Da sie keine Möglichkeit mehr sahen, in das Haus zu gelangen, mussten sie ihr Vorhaben aufgeben.
2. Hinsichtlich des Angeklagten G. hat die Strafkammer die Strafe wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers dem nach §§ 46b, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB entnommen und eine Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren verhängt. Für Tat 2 hat sie den nach §§ 46b, 30 Abs. 1, 2, § 49 Abs. 1 StGB doppelt gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB angewendet und eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten ausgeurteilt. § 250 Abs. 2 StGB hat die Strafkammer deswegen verneint, weil sie es als nicht nachweisbar erachtete, dass die Angeklagten die Pistole zum Zweck ihres Einsatzes bei der Tat bewusst mit sich geführt hätten.
Den Angeklagten M. hat das Landgericht aus dem Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB wegen der ersten Tat zu einer Einzelfreiheitsstrafe von acht Jahren und wegen der zweiten Tat aus dem nach § 30 Abs. 1, 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB zu einer solchen von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.
Die Einzelfreiheitsstrafen hat das Landgericht jeweils „angesichts des engen motivischen Zusammenhangs beider Taten“ zugunsten der Angeklagten auf Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren und vier Monaten für den Angeklagten G. und von neun Jahren und sechs Monaten für den Angeklagten M. „zurückgeführt“ (UA S. 64 und 67). Beim Angeklagten M. hat es dabei eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen eines unter Waffengewalt und Misshandlung des Opfers verübten besonders schweren Raubes aus einem anderen Strafurteil einbezogen.
Die Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten gegen den Angeklagten A. hat das Landgericht dem Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB entnommen.
3. Sämtliche Strafaussprüche halten trotz des im Bereich der Strafzumessung eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes (vgl. etwa BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 10. April 1987– GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 mwN) rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Die Bemessung der Einzelfreiheitsstrafen gegen alle Angeklagten für die Tat zum Nachteil des Nebenklägers ist in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.
aa) Die Tat ist – was die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung nur in Bezug auf die Verwendung des Bügeleisens für den Angeklagten M. im Ansatz erörtert (UA S. 65) – durch eine den Durchschnitt sonstiger Fälle weit übersteigende Brutalität und Menschenverachtung über einen längeren Zeitraum hinweg gekennzeichnet. Die Revisionen weisen mit Recht darauf hin, dass die von den Angeklagten geschaffene Bemächtigungslage rund zwei Stunden dauerte. Während des gesamten Zeitraums war der Nebenkläger grausamen Folterungen durch die Angeklagten ausgesetzt, mit denen sie ihr Ziel verfolgten, ihr Opfer zur Preisgabe weiterer Geldverstecke zu zwingen und so immer mehr Geld zu erlangen. Diesen die Tat prägenden und deshalb bestimmenden Strafzumessungsgrund hat die Strafkammer bei der konkreten Strafzumessung nicht ausdrücklich gewichtet. Namentlich in Anbetracht dessen, dass ein nach den Feststellungen ferner gegebenes Verbrechen des erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a StGB von der Strafkammer wohl übersehen worden ist (vgl. insoweit den Senatsbeschluss vom 25. November 2015 in der vorliegenden Sache), vermag der Senat auch bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht diesen Umstand bei der Festsetzung der Strafen aus dem Blick verloren hat.
bb) Ferner hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass die Begehung mehrerer (schwerer) Straftaten Schlüsse auf die innere Einstellung des Täters gegenüber den geschützten Rechtsgütern zulässt und damit eine erhöhte Vorwerfbarkeit anzeigen kann (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271; Beschluss vom 3. Juni 1997 – 1 StR 183/97, BGHSt 43, 106, 108; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 650 ff. mwN). Sind die Taten – wie hier – Ausdruck einer besonders rechtsfeindlichen Einstellung und verbrecherischen Energie, so kann es erforderlich sein, die Häufung von Straftaten bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen erschwerend zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteile vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, aaO; vom 19. Dezember 2002– 3 StR 401/02, NStZ-RR 2003, 110; vom 21. März 2006 – 1 StR 61/06, NStZ-RR 2007, 72; Beschluss vom 21. Oktober 1987 – 2 StR 516/87, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 4; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO Rn. 653, 1209).
Dieser Gesichtspunkt trifft auf sämtliche Angeklagten zu. Alle Angeklagten waren an dem gleichfalls unter exzessiver Gewaltausübung durchgeführten Raubüberfall vom 27. September 2013 beteiligt. Dass diese prozessordnungsgemäß festgestellte Tat nicht Anklagegegenstand des hiesigen Verfahrens ist, steht deren Berücksichtigung dabei nicht entgegen (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 29. September 1997 – 5 StR 363/97, NStZ-RR 1998, 207). Der Angeklagte G. ist darüber hinaus – bei der Aburteilung noch nicht rechtskräftig – wegen eines im angefochtenen Urteil nicht näher beschriebenen weiteren besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden, der Angeklagte M. wie ausgeführt wegen eines bewaffneten Raubüberfalls in einem Einkaufsmarkt im Beisein eines 12-jährigen Kindes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Alle Angeklagten waren ferner an einem vor der hiesigen Tat versuchten, aber letztlich fehlgeschlagenen Einbruchsversuch in das Haus des Nebenklägers beteiligt. Die Angeklagten G. und A. hatten bereits im Jahr 2012 Einbrüche begangen (UA S. 17).
Das Landgericht hat diese schulderhöhenden Gesichtspunkte hinsichtlich der Angeklagten G. und M. nicht in der gebotenen Weise, hinsichtlich des Angeklagten A. überhaupt nicht gewürdigt. Die Ausführungen zur Festsetzung der Gesamtstrafen betreffend die Angeklagten G. und M. erweisen im Gegenteil, dass es den Seriencharakter der Tat als mildernden Zumessungsgrund angesehen hat. Denn es hat die jeweilige Einsatzstrafe unter Berufung auf einen „engen motivischen Zusammenhang beider Taten“ „zugunsten der Angeklagten“ nur in sehr geringem Maße erhöht.
b) Die Einzelfreiheitsstrafen für die durch die Angeklagten G. und M. begangene Tat zum Nachteil der Eheleute H. können schon aus den zuletzt angeführten, hierfür gleichermaßen geltenden Erwägungen nicht bestehen bleiben. Überdies hat das Landgericht maßgebend zugunsten der Angeklagten gewertet, dass „angesichts der zur fraglichen Zeit laufenden polizeilichen Observation die Strafverfolgungsbehörden jedenfalls Kenntnis davon hatten, dass im Bereich der Wohnung möglicherweise eine Straftat begangen werden könnte“ (UA S. 63). Auch hiergegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Zwar ist insbesondere für Betäubungsmittelstraftaten anerkannt, dass eine Observation mit anschließender Sicherstellung der Drogen wegen der dann geringeren Gefährlichkeit der Tat einen bestimmenden Zumessungsgrund zum Vorteil des Angeklagten darstellen kann (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 – 4 StR 169/13, NStZ 2013, 662; vom 28. Oktober 2009– 5 StR 443/09 Rn. 16; jeweils mwN). Demgegenüber erschließt sich nicht, aus welchem Grund ein vager polizeilicher Verdacht der zukünftigen Begehung einer Straftat aufgrund einer – vom Landgericht nicht annähernd konkretisierten – Observation bzw. eine „– im weiteren Sinne – polizeiliche Präsenz im Tatumfeld“ (UA S. 66) für den Unrechts- und Schuldgehalt dieser Tat Bedeutung erlangen könnte.
c) Der Senat kann nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei zutreffender Wertung höhere Einzelfreiheitsstrafen verhängt hätte. Die Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafen entzieht zugleich den Gesamtfreiheitsstrafen gegen die Angeklagten G. und M. die Grundlage. Diese hätten jedoch aufgrund des rechtsfehlerhaft zugunsten der Angeklagten in Ansatz gebrachten „engen motivischen Zusammenhangs beider Taten“ auch für sich genommen keinen Bestand haben können. Beim Angeklagten M. kommt hinzu, dass nicht zwei, sondern drei Taten zu würdigen waren. Bei dieser Sachlage muss der Senat nicht entscheiden, ob – wofür vieles spricht – sich die außerordentlich milden Strafen von ihrer Bestimmung gelöst haben, gerechter Schuldausgleich zu sein.
d) Da Wertungsfehler in Frage stehen, können die der Strafzumessung zugrunde liegenden Feststellungen aufrechterhalten werden. Das neu entscheidende Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bestehenden nicht widersprechen.
4. Die Revisionsführerin hat die Rechtsmittel auf den Strafausspruch beschränkt. Der Senat hatte deshalb nicht zu prüfen, ob sich das Landgericht hätte gedrängt sehen müssen, die Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 2 StGB) gegen die Angeklagten G. und M. zu erwägen.
Sander Dölp König
Berger Bellay