Entscheidungsdatum: 12.10.2017
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 18. April 2017 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg.
1. Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte wahrscheinlich seit 2011, aber auf jeden Fall seit 2015 an einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10: F 60.30). Wegen psychischer Störungen, zunächst wegen Angststörungen, war er seit 2010/2011 wiederholt in Behandlung eines niedergelassenen Psychiaters, der bei ihm eine schwere Depression diagnostizierte und ihn medikamentös therapierte. Im Jahr 2008 fiel der Angeklagte erstmals durch Gewalttätigkeiten gegen seine mittlerweile geschiedene Ehefrau auf. Wegen weiterer gewalttätiger Übergriffe im Mai 2009 und im Januar 2010 sowie auch nach der Trennung ihr gegenüber geäußerter Beleidigungen und Bedrohungen wurde er im Jahr 2014 unter anderem wegen Körperverletzung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Vor dem Hintergrund seiner Persönlichkeitsstörung, die sich dahin auswirkt, „dass sich der Angeklagte, gegebenenfalls auch aus nichtigem Anlass, in eine kaum mehr beherrschbare Spirale an Aggression hineinsteigert“ (UA S. 9), beging er die beiden Anlasstaten:
Im August 2015 griff er zunächst verbal eine Mitarbeiterin der städtischen Verkehrsüberwachung an, die den verbotswidrig und behindernd geparkten Pkw eines Bekannten des Angeklagten abschleppen lassen wollte. Dann „schrie der wild gestikulierende Angeklagte nur noch unverständlich herum“ und stieß die Zeugin gegen die Schulter. Er beruhigte sich nicht, als drei uniformierte Polizeibeamte eintrafen. Gegen einen Platzverweis setzte er sich brüllend zur Wehr. Als ein Polizist ihn wegzuführen versuchte, schlug er mit der Faust nach diesem. Weiteren Beamten gelang es, dem sich heftig wehrenden Angeklagten Handschellen anzulegen und ihn in einen Streifenwagen zu bringen. Auf der Fahrt zur Dienststelle trat er um sich, wobei zwei der ihn begleitenden Polizeibeamten leicht, ein weiterer erheblich verletzt wurden.
Im April 2016 griff der Angeklagte einen Bruder seiner früheren Ehefrau sowie deren neuen Lebensgefährten an. Er konnte die Trennung von seiner Ehefrau nicht überwinden und war verärgert darüber, dass ihre Familie ihre neue Beziehung zu G. billigte. Am Tattag brachte er in Erfahrung, dass sich Teile ihrer Familie und ihr neuer Lebensgefährte in einem Café aufhielten. Nachdem er einen Bruder seiner früheren Ehefrau bereits vor dem Café geschlagen hatte, folgte er diesem in den Gastraum und entdeckte dort den Zeugen G. . Unvermittelt zog er einen Schraubendreher, den er zufällig dabei hatte, und „fuchtelte“ damit vor dessen Oberkörper hin und her. Dabei fügte er ihm eine oberflächliche Wunde auf der Brust zu. Der körperlich überlegene G. wehrte sich. Der Angeklagte wurde von weiteren Gästen aus dem Café gedrängt, schlug jedoch von außen gegen die Fensterscheiben, so dass sich G. mit einigen Gästen vor die Tür begab. Obwohl G. drohte, den Angeklagten mit einem Holzbrett zu schlagen, stürmte dieser mit dem Schraubendreher auf den Zeugen zu und fügte ihm damit weitere oberflächliche Wunden zu. Erst nachdem G. ein Messer aus dem Café geholt hatte, dessen Einsatz er dem Angeklagten androhte, ergriff dieser die Flucht. Im Rahmen eines nicht verfahrensgegenständlichen Nachtatgeschehens kam es kurz darauf zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen einem weiteren Bruder der früheren Ehefrau und dem Angeklagten, in dessen Verlauf der Angeklagte den Bruder mit dem Schraubendreher in den Rumpf stach.
Aufgrund seiner psychischen „Erkrankung“ war der Angeklagte nach Auffassung des sachverständig beratenen Landgerichts zum Zeitpunkt der Taten „massiv eingeschränkt, sein Verhalten zu modulieren und seine Aggressivität zu kontrollieren“. Er steigerte sich weiter in eine Aggression hinein, „die nicht zielführend sein konnte“ (UA S. 17). Dies führte dazu, dass seine Steuerungsfähigkeit zu den Tatzeitpunkten erheblich vermindert war.
2. Der Maßregelausspruch hält einer sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.
Die Anordnung nach § 63 StGB bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Den danach zu erhebenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
Die Sachverständige und ihr folgend das Landgericht ordnen die beim Angeklagten diagnostizierte Persönlichkeitsstörung dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung des § 20 StGB zu. Derartige Defekte sind jedoch am Merkmal der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ zu messen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. November 2013 - 2 StR 463/13, NStZ-RR 2014, 72, und vom 21. Juli 2015 - 2 StR 163/15; SSW-StGB/Kaspar, 3. Aufl., § 20 Rn. 71, 79 ff.). Dieses Eingangsmerkmal wird allein durch den Befund einer Persönlichkeitsstörung nicht belegt. Erforderlich ist bei einer nicht pathologisch begründeten Persönlichkeitsstörung, dass sie in ihrem Gewicht einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt. Dabei sind der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters von Bedeutung. Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist im Allgemeinen maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des Deliktes zu Einschränkungen des sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (vgl. zum Ganzen BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 und vom 1. Juli 2015 - 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319 f.; Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 5 StR 398/07, NStZ-RR 2008, 104).
Hierzu verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Es wird lediglich die Einschätzung der Sachverständigen wiedergegeben, dass es sich bei der emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung um eine schwere Störung der charakterlichen Konstitution und des Verhaltens handele, die „zumeist“ mit persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einhergehe (UA S. 18). Ob und inwieweit dies beim Angeklagten der Fall ist, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Die vor 2015 aufgetretenen Auffälligkeiten (Aggressionstaten zum Nachteil der Ehefrau; Konsultationen eines niedergelassenen Psychiaters wegen Angststörungen) müssen insoweit außer Betracht bleiben, da das Landgericht erst beginnend mit dem Jahr 2015 das sichere Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung festgestellt hat.
b) Zur Bejahung eines dauernden Zustands im Sinne von § 63 StGB reicht die auf eine Persönlichkeitsstörung zurückzuführende Disposition nicht aus, in bestimmten Belastungssituationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2008 - 4 StR 595/07 mwN). Dies hat das Landgericht im Grundsatz erkannt und gestützt auf die entsprechende Beurteilung der Sachverständigen - darauf abgestellt, dass für den Angeklagten bereits alltägliche Situationen ausreichende Anreize „für einen erneuten krankheitsbedingten Aggressionsschub mit gewalttätigem Verhalten“ böten (UA S. 43). Allerdings ist diese Einschätzung der Sachverständigen und des Landgerichts bislang lediglich durch die Anlasstat vom August 2015 und damit unzureichend belegt.
3. Da über die Voraussetzungen des § 21 StGB neu entschieden werden muss, war auch der Strafausspruch aufzuheben. Unabhängig hiervon hätte er einer rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten. Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass im Fall 1 die Widerstandshandlung von erheblicher Brutalität gekennzeichnet war und weit über das hinausgegangen sei, was Polizeibeamte „an Widerstandshandlungen üblicherweise erleiden“ müssten. Im Fall 2 hat es negativ berücksichtigt, dass der Angeklagte den Zeugen G. mehrfach attackierte. Diese Umstände sind jedoch nach den Urteilsausführungen (UA S. 30 f.) gerade durch die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten bedingt. Sofern diese sich im Sinne des § 21 StGB schuldmindernd ausgewirkt hat, durften sie dem Angeklagten jedenfalls nicht uneingeschränkt strafschärfend angelastet werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1961 - 4 StR 373/61, BGHSt 16, 360, 364; Beschlüsse vom 25. Oktober 2012 - 5 StR 512/12; vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 454/96, NStZ-RR 1997, 66 mwN).
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