Entscheidungsdatum: 04.07.2012
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. Dezember 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) im Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafe im Fall III.1 b und über die Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren,
b) im Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafe im Fall III.2 und über die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, insoweit mit den Feststellungen die Schadenshöhe im Fall III.2 betreffend.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Meineides in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit falscher Verdächtigung und versuchter Strafvereitelung, in einem Fall in Tateinheit mit falscher Verdächtigung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 7. August 2007 und zwei Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. Juli 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es den Angeklagten wegen Diebstahls und Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Es hat schließlich aus den verbleibenden zwei Einzelstrafen aus dem genannten Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) eine dritte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten gebildet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der beiden höchsten Einzelstrafen und der zugehörigen Gesamtstrafen; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die für den vom Angeklagten in Tateinheit mit falscher Verdächtigung und versuchter Strafvereitelung begangenen Meineid (Fall III.1 b) verhängte Einzelstrafe hat aufgrund der unzureichenden Prüfung des minder schweren Falls nach § 154 Abs. 2 StGB keinen Bestand.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sich der zum damaligen Zeitpunkt wegen illegalen Aufenthalts in Deutschland untergetauchte Angeklagte in dem gegen L. wegen eines Tötungsdeliktes geführten Ermittlungsverfahren am 16. Januar 2007 als Entlastungszeuge gemeldet und sich vom sachbearbeitenden Staatsanwalt die Zusage geben lassen, nach seiner Vernehmung trotz angedeuteter Probleme mit der Ausländerbehörde das Gerichtsgebäude wieder verlassen zu können. In der noch am selben Tag durchgeführten richterlichen Zeugenvernehmung hat der Angeklagte bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht und den Tatverdacht des Tötungsdelikts auf einen Alternativtäter gelenkt. Da der bei der Vernehmung ebenfalls anwesende sachbearbeitende Staatsanwalt den Ermittlungsrichter nicht über die Probleme des Angeklagten mit der Ausländerbehörde informiert hatte, fand eine Belehrung des Angeklagten über ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO nicht statt. Im Anschluss an seine Vernehmung wurde der Angeklagte gemäß § 62 Nr. 2, § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO vereidigt.
Die Falschaussage des Angeklagten hinderte eine alsbaldige Mordanklage gegen L. nicht, der trotz wiederholter Falschaussage des Angeklagten in der Hauptverhandlung - unter erneuter Vereidigung in Verkennung des § 60 Nr. 2 StPO - auch anklagegemäß verurteilt wurde.
b) Die für diese Tat verhängte Einzelstrafe von zwei Jahren und acht Monaten hat das Landgericht dem Regelstrafrahmen des § 154 Abs. 1 StGB entnommen und das Vorliegen eines minder schweren Falls abgelehnt. Zwar hat es bei der Strafrahmenwahl zutreffend eine Strafmilderung wegen der unterbliebenen - jedoch objektiv gebotenen - Belehrung gemäß § 55 StPO verneint, weil der zur Aussage entschlossene Angeklagte sich auch durch den Hinweis auf sein Aussageverweigerungsrecht nicht von der Falschaussage hätte abhalten lassen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1991 - 3 StR 342/90, BGHR StGB § 157 Abs. 1 Selbstbegünstigung 4). Es hat zudem rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines Eidesverbots nach § 60 Nr. 2 StPO verneint. Gleichwohl hätte das Landgericht bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall des Meineids nach § 154 Abs. 2 StGB vorliegt, strafmildernd berücksichtigen müssen, dass bereits die Voraussetzungen für eine Vereidigung des als Zeugen vernommenen Angeklagten nach der seit 1. September 2004 geltenden Neuregelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, wonach die Nichtvereidigung eines Zeugen der Regelfall und die Vereidigung die Ausnahme ist, bei zutreffendem Rechtsverständnis nicht vorlagen. Denn die Aussage des Angeklagten war für das Ermittlungsverfahren, das anschließend ohne Verzögerung gegen L. weiterbetrieben wurde, schon damals absehbar nicht von ausschlaggebender Bedeutung; auch lassen die Feststellungen nicht erkennen, dass eine Vereidigung zur Herbeiführung einer wahren Aussage notwendig gewesen wäre (vgl. Ignor/Bertheau in LR, 26. Aufl., § 59 Rn. 6 ff.). Angesichts einer aus Rechtsgründen nicht angezeigten, mithin objektiv verfahrensfehlerhaften Vereidigung lag für das Landgericht die Annahme eines minder schweren Falls auf der Hand (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 1960 - 1 StR 609/59, BGHSt 17, 128, 136, Fischer, StGB, 59. Aufl., § 154 Rn. 19 mwN). Zwar hatte die Bestrafung strenger auszufallen als die im Fall III.1 c - bei Annahme eines minder schweren Falls und unter Zubilligung eines Aussagenotstands (§ 157 StGB) - zugemessene Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Der Senat kann jedoch angesichts des anzuwendenden beträchtlich milderen Strafrahmens des § 154 Abs. 2 StGB nicht ausschließen, dass das Landgericht auf eine geringere Einzelfreiheitsstrafe als die verhängte erkannt hätte.
Die Aufhebung der Einzelstrafe führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Da lediglich Wertungsfehler vorliegen, können sämtliche Urteilsfeststellungen zu diesem Fall bestehen bleiben.
2. Auch die für den vom Angeklagten verübten Einbruchsdiebstahl vom 24. April 2010 (Fall III.2) verhängte Einzelstrafe von drei Jahren und sechs Monaten hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen der Strafkammer entwendeten der Angeklagte und seine Mittäter bei dieser Tat diverse Gegenstände, darunter aus vier Werkzeugschränken Werkzeuge und "je etwa 1.000 - 2.000 Bohrer und Fräser, wodurch ein Schaden von 245.837,76 € entstand" (UA S. 20). Als Gesamtschaden hat das Landgericht einen Betrag von 466.488,56 € angenommen. Den Schadensumfang hat es dabei auf die Bekundungen des Geschädigten gestützt, der den Schaden freilich im Rahmen einer im Ermittlungsverfahren abgegebenen Schätzung noch auf etwa 120.000 € beziffert hatte (UA S. 20, 70).
Die mehrdeutigen Angaben zur Anzahl der entwendeten Werkzeuge tragen die Feststellungen zur Schadenshöhe nicht. Dies gilt schon deswegen, weil sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, ob die Strafkammer bei der Strafzumessung den Mindestschaden zugrunde gelegt hat. Ferner verhalten sich die Urteilsgründe nicht zu dem Umstand, dass der Zeuge ursprünglich von einem beträchtlich geringeren Schaden ausgegangen war und - aufgrund noch nicht erfolgter Regulierung durch die Versicherung - keine weiteren objektiven Anhaltspunkte zur Schadenshöhe vorlagen. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Bewertung der Schadenshöhe. Da die Schadenshöhe ein wesentlicher Strafschärfungsgrund war, kann der Senat nicht ausschließen, dass die Einzelstrafe ungeachtet sämtlicher weiterer Strafschärfungsgründe niedriger ausgefallen wäre. Nur zur Schadenshöhe werden neue Feststellungen zu treffen sein.
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Abgesehen von den Feststellungen zur Schadenshöhe im Fall III.2 wird das neue Tatgericht der Beurteilung sämtliche sonstigen bestehenbleibenden Feststellungen zugrunde zu legen haben.
Die Gesamtstrafbildung in Anwendung der Prinzipien des § 55 StGB erweist sich als insgesamt rechtsfehlerfrei, so dass neben den beiden geringeren Einzelfreiheitsstrafen auch die dritte Gesamtfreiheitsstrafe bestehen bleibt.
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