Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 06.06.2018


BGH 06.06.2018 - 5 StR 135/18

Darlegungsanforderungen bei Unterbringung wegen Körperverletzung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
06.06.2018
Aktenzeichen:
5 StR 135/18
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:060618B5STR135.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Frankfurt, 6. November 2017, Az: 22 KLs 16/17
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 6. November 2017 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zur Anlasstat bestehen.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung freigesprochen und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Die gegen die Unterbringung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts arbeitete der Angeklagte, der unter einer bipolaren affektiven Störung sowie einer Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch leidet, während seiner früheren Maßregelunterbringung im Rahmen von Lockerungen in einer gemeinnützigen Einrichtung. Dabei lernte er die dort ebenfalls beschäftigte und wegen einer psychischen Erkrankung berentete Nebenklägerin kennen. Zwischen beiden entstand zunächst ein von gegenseitiger Sympathie getragenes Verhältnis. Nach seiner Entlassung aus dem Maßregelvollzug am 1. Februar 2017 trafen sie sich mehrfach im Haus der Nebenklägerin oder in der Wohnung des Angeklagten, wobei es wiederholt zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr kam.

3

Als der Angeklagte die Nebenklägerin in der Nacht zum 20. Februar 2017 erneut in ihrem Haus aufsuchte, verhielt er sich ihr gegenüber zunehmend aggressiv. Als sie sich im weiteren Verlauf der Nacht nackt ausgezogen hatten und im Schlafzimmer waren, warf der Angeklagte die Nebenklägerin plötzlich auf das Bett. Er setzte sich rittlings auf ihren Brustkorb, so dass sie kaum noch Luft bekam. Ihre wiederholte Bitte, von ihr herunterzugehen, ignorierte er. Stattdessen schlug er ihr mit der flachen Hand zweimal heftig auf die Ohren, forderte sie auf, sich bei ihm zu entschuldigen, und hielt ihr drohend eine Faust vor das Gesicht. Danach ließ der Angeklagte von ihr ab und schlief ein. Die Nebenklägerin erlitt eine Schwellung des Thorax im unteren Rippenbereich sowie eine posttraumatische Belastungsstörung.

4

2. Der Angeklagte hat bestritten, der Nebenklägerin in der Nacht zum 20. Februar 2017 Gewalt angetan zu haben. Sie hätten eine Beziehung geführt, in der es auch zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen sei. In jener Nacht seien sie beide zu müde für Sex gewesen und hätten sich zu Bett begeben und geschlafen. Am nächsten Morgen sei die Nebenklägerin nach dem Aufwachen aus ihm unbekanntem Grund völlig „ausgerastet“, weshalb er ihr - um „eine weitere psychische Dekompensation zu verhindern“ und sie zu beruhigen - eine Ohrfeige gegeben habe. Er habe sich auf ihre Hüfte gesetzt, insofern aber in „Notwehr“ gehandelt.

5

Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der festgestellten Anlasstat auf die teilgeständige Einlassung des Angeklagten und die Bekundungen der Nebenklägerin, deren Angaben sachverständig aussagepsychologisch begutachtet wurden und deren Aussagetüchtigkeit wegen ihrer psychischen Erkrankung Gegenstand eines psychiatrischen Zusatzgutachtens war. Die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung Tätlichkeiten des Angeklagten in der Tatnacht den Feststellungen entsprechend geschildert. Zum Anklagevorwurf einer Vergewaltigung, von der sie in ihren polizeilichen Vernehmungen berichtet hatte, hat sie einerseits geäußert, zu möglichem Oral-, Vaginal- oder Analverkehr keine sicheren Erinnerungen mehr zu haben, andererseits angegeben, hierzu sei der Angeklagte in dieser Nacht viel zu erschöpft und im Übrigen zu sehr mit seinen Handgreiflichkeiten beschäftigt gewesen.

6

Das Landgericht ist dem Gutachten der aussagepsychologischen Sachverständigen gefolgt, wonach sich bei der Vernehmung der Geschädigten in der Hauptverhandlung deutliche Widersprüche ergeben hätten zum Inhalt des bis dahin geschilderten Kerngeschehens zu den sexuellen Handlungen des Angeklagten, und zwar insbesondere erhebliche Unsicherheiten bezüglich der Art und des Zeitpunkts dieser Handlungen. Sie habe keine tragfähige Erklärung für dieses den bisherigen Angaben in den polizeilichen Vernehmungen und während der Exploration widersprechende Aussageverhalten der Geschädigten, weshalb sie in deren Schilderung die Details der sexuell motivierten Handlungen des Angeklagten nicht als verlässlich einstufen könne. Dies berühre jedoch nicht die weiteren Einzelheiten des von der Geschädigten konstant geschilderten Handlungsablaufes. Das Landgericht ist danach zu dem Schluss gelangt, dass die bei ihr in der Hauptverhandlung aufgetretenen Erinnerungsunsicherheiten einem Tatnachweis hinsichtlich des Vergewaltigungsvorwurfs entgegenstehen, „so dass es bei dem Vorwurf der körperlichen Gewalttätigkeiten gegen die Zeugin verblieb“ (UA S. 27).

II.

7

Die durch das Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung zu den gewalttätigen Übergriffen des Angeklagten hält aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen revisionsgerichtlicher Prüfung stand. Hingegen begegnet die Gefährlichkeitsprognose durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

8

Angesichts des erheblichen Eingriffs, der mit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verbunden ist, hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Angeklagten nicht hinreichend begründet. Es ist davon ausgegangen, dass wegen der „nicht schweren Anlasstat“ § 63 Satz 2 StGB zur Anwendung kommt. Den danach geltenden verschärften Darlegungsanforderungen an die Prognoseentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2017 - 3 StR 385/17, NStZ-RR 2018, 86, 87 mwN) ist es indes nicht gerecht geworden. Das Landgericht hat seine - dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen folgende - Einschätzung nicht hinreichend konkret belegt, wonach aufgrund des inzwischen fortgeschrittenen Krankheitszustandes des Angeklagten und seiner krankheitsbedingt bestehenden Impulsivität schwerste Gewalttaten zu erwarten seien, wozu sexuell motivierte Gewalttaten, aber auch für die Allgemeinheit hochgefährliche Brandstiftungsdelikte gehören würden. Zu den zwei Verfahren wegen Körperverletzungsdelikten während der früheren Unterbringung des Angeklagten, von denen das erste 2009 wegen Schuldunfähigkeit eingestellt wurde und das zweite 2014 mit der Verurteilung zu einer Geldstrafe endete, lässt sich den Urteilsgründen Näheres nicht entnehmen. Dies gilt auch, soweit das Landgericht zum Beleg der Gefährlichkeit des Angeklagten weitere - zeitlich nach der verfahrensgegenständlichen Tat im Rahmen der einstweiligen Unterbringung stattgefundene - Vorfälle anführt, in denen dieser sich aggressiv und pyromanisch verhalten habe (UA S. 29, 33).

9

Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Anlasstat einschließlich derjenigen zur Schuldunfähigkeit des Angeklagten können bestehen bleiben. Neue Feststellungen hierzu können getroffen werden, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

Mutzbauer     

        

Sander     

        

Schneider

        

König     

        

Berger