Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 30.11.2017


BGH 30.11.2017 - 3 StR 385/17

Revision im Strafverfahren wegen Körperverletzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen: Auslegung einer widersprüchlichen Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft mit Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch; Revisionsbeschränkung auf eine Verwarnung mit Strafvorbehalt und die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; tatrichterliche Gefährlichkeitsprognose


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
30.11.2017
Aktenzeichen:
3 StR 385/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:301117U3STR385.17.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Osnabrück, 1. März 2017, Az: 15 KLs 27/16
Zitierte Gesetze
Nr 156 Abs 1 RiStBV
Nr 156 Abs 2 RiStBV

Tenor

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 1. März 2017 wird verworfen.

2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung sowie Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwarnt und die Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 2 € vorbehalten. Von der Anordnung seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat es abgesehen. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und auf den "Rechtsfolgenausspruch" beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich mit der Sachrüge gegen die Anwendung des § 59 StGB und die unterbliebene Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen hatte der bei Urteilsverkündung 42-jährige Angeklagte eine frühkindliche irreparable Hirnschädigung erlitten, auf Grund derer er leicht intelligenzgemindert ist (IQ von etwa 58). Bei einem Unfall im jungen Erwachsenenalter hatte er sich eine Kopfverletzung mit Hirnblutung zugezogen, als deren Folge sich eine organisch-wahnhafte, schizophrenieforme Störung entwickelte.

3

Am 27. Januar 2016 beging der Angeklagte die zwei verfahrensgegenständlichen Taten:

4

a) Gegen Mittag erschien der Zeuge W.     , der Wiedereingliederungsbetreuer des Angeklagten, mit dessen langjähriger Lebensgefährtin sowie einer Mitarbeiterin der Arbeiterwohlfahrt in der von dem Paar gemeinsam genutzten Wohnung. Am Tag zuvor hatte die Lebensgefährtin dem Angeklagten gegenüber erklärt, sie werde sich von ihm trennen und ausziehen. Der Angeklagte, der noch im Bett lag, bat den Zeugen W.      darum, in Ruhe gelassen zu werden, und beantwortete dessen Fragen nicht.

5

Als der Angeklagte hörte, dass darüber gesprochen wurde, einen Krankenwagen zu rufen, einen Facharzt zu kontaktieren oder ihn gegebenenfalls zwangsweise stationär in einer psychiatrischen Klinik unterbringen zu lassen, stand er auf, ging auf den Zeugen W.      zu und schlug mit der Faust in die Richtung dessen Kopfes. Dem körperlich weit überlegenen Wiedereingliederungsbetreuer gelang es, den Schlag abzuwehren und die Hände des Angeklagten festzuhalten. Bei der anschließenden Rangelei fielen beide zu Boden; der Zeuge W.      stürzte auf das Knie. Dies war für ihn schmerzhaft und führte zu einer kurzzeitigen Rötung des Knies, was der Angeklagte für möglich hielt und billigend in Kauf nahm.

6

b) Kurz nachdem der Zeuge W.      die Wohnung verlassen hatte, folgte ihm der Angeklagte nach draußen. Auf der Straße vor dem in einem eng besiedelten Wohngebiet gelegenen Haus, zeigte er in Richtung des Wiedereingliederungsbetreuers den "Hitlergruß".

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2. Das sachverständig beratene Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe bei beiden Taten im Zustand verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB gehandelt. Der festgestellte psychische Defekt, der primär durch die organisch-wahnhafte, schizophrenieforme Störung, sekundär durch die Intelligenzminderung geprägt sei, habe zur Tatzeit seine Fähigkeit erheblich herabgesetzt, nach vorhandener Unrechtseinsicht zu handeln. Von der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat das Landgericht abgesehen, weil es eine Gefährlichkeit des Angeklagten im Sinne des § 63 Satz 1 und 2 StGB verneint hat.

II.

8

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam auf die Anwendung des § 59 StGB sowie die unterbliebene Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB beschränkt.

9

a) Zwar hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründungsschrift eingangs die Beschränkung des Rechtsmittels auf den gesamten Rechtsfolgenausspruch erklärt und abschließend die Aufhebung des angefochtenen Urteils in diesem Umfang beantragt. Hiermit stimmt jedoch der übrige Inhalt der Revisionsrechtfertigung nicht überein. Aus dieser ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin das Urteil allein deshalb für rechtsfehlerhaft hält, weil die Strafkammer darauf erkannt hat, den Angeklagten unter Vorbehalt der verhängten Gesamtgeldstrafe zu verwarnen, und die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt hat. Rechtliche Bedenken gegen die Bestimmung der Höhe der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe sind nicht geltend gemacht. Vielmehr hat die Staatsanwaltschaft - im rechtlichen Ansatz zutreffend - ausgeführt, von einer Beschränkung der Revision allein auf die Nichtanordnung der Maßregel nach § 63 StGB schon deshalb abzusehen, weil dies in Anbetracht des § 59 Abs. 2 Satz 2 StGB nicht in Betracht komme. Die daraus gezogene Konsequenz - Anfechtung des Rechtsfolgenausspruchs insgesamt - geht indes zu weit. Die Möglichkeit einer innerhalb des Strafausspruchs zu erklärenden Rechtsmittelbeschränkung auf die Anwendung des § 59 StGB hat die Beschwerdeführerin ersichtlich nicht bedacht.

10

Folglich widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründungsschrift. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 9; vom 18. Dezember 2014 - 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; vom 22. Februar 2017 - 5 StR 545/16, juris Rn. 10, jeweils mwN). Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 1, 2 RiStBV ist das Revisionsvorbringen dahin zu verstehen, dass die Staatsanwaltschaft die Höhe der festgesetzten Strafen nicht angreifen will.

11

b) Die Beschränkung der Revision auf den Ausspruch der Verwarnung mit Strafvorbehalt und die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist rechtswirksam.

12

Entgegen verbreiteter Ansicht (grundlegend OLG Celle, Beschluss vom 9. Juni 1976 - 2 Ss 229/76, MDR 1976, 1041; s. auch Fischer, StGB, 65. Aufl., § 59 Rn. 11; LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 318 Rn. 99; LK/Hubrach, StGB, 12. Aufl., § 59 Rn. 25) kann die Revision grundsätzlich auch auf die Anwendung des § 59 StGB beschränkt werden, ohne dass die Strafzumessung im Übrigen angegriffen werden müsste. Es ist kein Grund ersichtlich, die Verwarnung mit Strafvorbehalt insoweit anders zu behandeln als die Strafaussetzung zur Bewährung (ebenso - allerdings unter Bezugnahme auf mittlerweile überholte Rechtsprechung bezüglich § 56 StGB - OLG Celle, Beschluss vom 9. Juni 1976 - 2 Ss 229/76, aaO). Eine isolierte Anfechtung einer Bewährungsentscheidung ist grundsätzlich zulässig, es sei denn, die hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte sind so eng mit den Strafzumessungserwägungen verknüpft, dass das Rechtsmittel notwendig den ganzen Strafausspruch erfasst, oder es besteht die Gefahr, dass das nach einem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamturteil nicht mehr frei von inneren Widersprüchen bliebe (vgl. BGH, Urteile vom 6. April 1982 - 4 StR 666/81, NStZ 1982, 285, 286; vom 9. Februar 1983 - 3 StR 493/82, NJW 1983, 1624; Beschluss vom 15. Mai 2001 - 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35; BayObLG, Urteil vom 15. Juli 2004 - 5 St RR 182/04, NStZ-RR 2004, 336, 337; ferner Fischer aaO, § 56 Rn. 27; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 40; KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 12; LR/Gössel aaO, Rn. 96; S/S-Stree/Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 56 Rn. 65; BeckOK StPO/Wiedner, § 344 Rn. 25, 25.2). Entsprechendes hat für die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Frage der Anwendung des § 59 StGB zu gelten.

13

Eine Ausnahmekonstellation, die der innerhalb des Strafausspruchs isolierten Anfechtung der Verwarnungs- und Vorbehaltsentscheidung entgegenstünde, ist hier nicht gegeben. Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich eine untrennbare Verknüpfung der Erörterungen zu dieser Frage mit denjenigen zur Schuld- und sonstigen Straffrage ergibt; auch innere Widersprüche infolge der Teilanfechtung sind - unabhängig vom Erfolg des Rechtsmittels - nicht zu besorgen. Insbesondere wendet sich die Beschwerdeführerin nicht gegen die (getroffene bzw. unterlassene) Feststellung oder Bewertung doppelrelevanter Tatsachen.

14

2. Die sachlichrechtliche Überprüfung der Entscheidungen, den Angeklagten gemäß § 59 StGB unter Vorbehalt der festgesetzten Gesamtgeldstrafe zu verwarnen und die Maßregel des § 63 StGB nicht anzuordnen, hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben.

15

a) Die von der Strafkammer ausgesprochene Verwarnung mit Strafvorbehalt kann bestehen bleiben.

16

aa) Im Hinblick auf die Höhe der Gesamtgeldstrafe ist der Anwendungsbereich des § 59 Abs. 1 Satz 1 StGB eröffnet. Die Vorschrift ist auch nicht deshalb gemäß § 59 Abs. 2 Satz 2 StGB unanwendbar, weil daneben auf Maßregeln der Besserung und Sicherung zu erkennen gewesen wäre (dazu im Einzelnen unten b).

17

bb) Des Weiteren hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei die in § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 StGB normierten tatbestandlichen Voraussetzungen mit Blick auf den ihr zustehenden Bewertungsspielraum bejaht und das ihr eingeräumte gesetzliche Rechtsfolgeermessen ausgeübt (UA S. 15 ff.).

18

Soweit die Revision ausführt, die Strafkammer habe verkannt, dass § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB "besondere Umstände in der Tat und der Persönlichkeit des Täters" verlange, gibt sie den Gesetzeswortlaut nicht zutreffend wieder. Denn die Vorschrift setzt das Vorliegen besonderer Umstände "nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Täters" voraus. Gegen die Annahme solcher besonderen Umstände auf Grund wertender Betrachtung ist hier revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

19

b) Das Absehen von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei eine Gefährlichkeit des Angeklagten im Sinne des § 63 Satz 1 und 2 StGB verneint.

20

aa) Für eine negative Gefährlichkeitsprognose muss nach § 63 Satz 1 StGB eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln; sie muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Angeklagten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist der Tatrichter auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5; vom 29. April 2014 - 3 StR 171/14, juris Rn. 5; vom 16. September 2014 - 3 StR 372/14, juris Rn. 4; vom 21. Dezember 2016 - 1 StR 594/16, juris Rn. 10; vom 21. Februar 2017 - 3 StR 535/16, StV 2017, 575, 576).

21

Liegen - wie hier - nur geringfügige Anlasstaten vor, gelten gemäß § 63 Satz 2 StGB verschärfte Darlegungsanforderungen; die besonderen Umstände im Sinne dieser Vorschrift müssen die schmale Tatsachenbasis infolge der anders gelagerten Anlassdelikte ausgleichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2017 - 3 StR 535/16, aaO, S. 577; vom 7. März 2017 - 5 StR 609/16, NStZ-RR 2017, 171; vom 5. September 2017 - 3 StR 329/17, juris Rn. 5).

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bb) Gemessen daran hält die vom Landgericht getroffene Prognoseentscheidung rechtlicher Nachprüfung stand.

23

(1) Dass die Gefahr künftiger erheblicher rechtswidriger Taten als gering einzustufen ist, hat die Strafkammer im Wesentlichen wie folgt begründet:

24

Mit dem psychiatrischen Sachverständigen sei auszuschließen, dass der Angeklagte die Taten in einer den Realitätsbezug aufhebenden psychotischen Episode mit halluzinatorischen Erlebnisweisen begangen habe. Zwar träten bei ihm immer wieder solche Episoden auf, die mit einer ausgeprägten Angstsymptomatik sowie psychomotorischer Unruhe und Agitiertheit einhergingen, wodurch stationäre psychiatrische Behandlungen erforderlich würden. Auch sei in der Vergangenheit, mit Urteil vom 5. Juni 2007, wegen wahnbedingter Delikte die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung angeordnet worden. Im Mai 2006 habe der Angeklagte in einem akuten psychotischen Schub der wahnhaft-organischen, schizophrenieformen Störung Wahnvorstellungen entwickelt und - ohne Unrechtseinsicht - aus Angst den Willen eines imaginären "Stefan" vollzogen gehabt, indem er insbesondere zwei Messerattacken auf Unbeteiligte ausgeführt gehabt habe. Anders als damals habe der Angeklagte jedoch zur hiesigen Tatzeit wegen der regelmäßigen medikamentösen Versorgung nicht unter Wahnvorstellungen gelitten. Vielmehr habe er "in der Tatsituation extremen Stress empfunden", womit er auf Grund seiner Krankheit nur schwer habe umgehen können; deshalb sei er "raptusartig entgleist" (UA S. 10 f.).

25

Mit - ein erhöhtes Deliktsrisiko bergenden - Wahnvorstellungen sei auch künftig nicht zu rechnen, weil der Angeklagte krankheitseinsichtig sei und zuverlässig seit Langem eine Depotmedikation in Anspruch nehme. Die medikamentöse Behandlung habe der Angeklagte fortgesetzt, auch als die entsprechende Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht (s. § 67b Abs. 2, § 68 Abs. 2, § 68b Abs. 2 Satz 1, 2 StGB) ab dem 10. Juli 2012 nicht mehr bestanden habe. Er sei seit den früheren Taten im Mai 2006 und wieder seit den verfahrensgegenständlichen Taten im Januar 2016 nicht durch körperliche Gewalt gegenüber Dritten aufgefallen, abgesehen von "Rangeleien", die bei zwangsweisen Einweisungen in die psychiatrische Klinik stattgefunden hätten und die für die dort Bediensteten Routine seien. Er habe die Taten in einer emotionalen Ausnahmesituation (Trennungserklärung der Lebensgefährtin am Tag zuvor) und stressbelasteten Konfliktsituation (In-Aussicht-Stellen eines stationären Aufenthalts in der psychiatrischen Klinik) begangen, wobei er zur Konfliktentstehung nichts beigetragen habe, vielmehr generell Auseinandersetzungen meide, indem er sich zurückziehe. Die Möglichkeit einer vergleichbaren tatauslösenden Ausgangslage sei "eher fernliegend" (UA S. 18 ff.).

26

(2) Diese Erwägungen sind frei von Rechtsfehlern. Die Strafkammer hat insbesondere darauf abstellen dürfen, dass der Angeklagte über lange Zeit strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist (zum Kriterium der Vordelinquenz vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. August 2017 - 3 StR 249/17, juris Rn. 20 mwN), und dabei geringfügigen körperlichen Auseinandersetzungen anlässlich zwangsweiser Einweisungen in die psychiatrische Klinik eine zu vernachlässigende Bedeutung beimessen dürfen (zum minderen Gewicht deliktischen Verhaltens innerhalb von Betreuungs- und Behandlungseinrichtungen vgl. nur BGH, Beschluss vom 5. September 2017 - 3 StR 329/17, juris Rn. 5 mwN). Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das Landgericht die überdauernde Krankheitseinsicht, verbunden mit einer langjährigen zuverlässigen Medikamenteneinnahme, risikomindernd in die gebotene umfassende Würdigung eingestellt hat.

27

Soweit die Beschwerdeführerin unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip meint, das Landgericht habe die Nichtanordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht (auch) mit der regelmäßigen Medikamenteneinnahme begründen dürfen, sondern diesen Gesichtspunkt erst im Rahmen der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung gemäß § 67b Abs. 1 Satz 1 StGB berücksichtigen dürfen, ist dem nicht zu folgen. Zwar weist die Revision im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Senats dieses Prinzip grundsätzlich nur für die Frage der Vollstreckung, nicht für die Frage der Anordnung gilt (vgl. Urteile vom 23. Februar 2000 - 3 StR 595/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 28; vom 14. Februar 2001 - 3 StR 455/00, juris Rn. 8; vom 11. Dezember 2008 - 3 StR 469/08, NStZ 2009, 260, 261; Beschluss vom 8. Januar 2015 - 3 StR 590/14, StV 2016, 730, 731). Jedoch nimmt die Beschwerdeführerin nicht hinreichend darauf Bedacht, dass das Subsidiaritätsprinzip das Verhältnis der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung zu minder einschneidenden Maßnahmen außerhalb dieser Maßregeln (zivilrechtliche oder verwaltungsrechtliche Unterbringung, Auflagen und Weisungen nach Strafaussetzung zur Bewährung, Betreuerbestellung etc.) betrifft. Derartige Maßnahmen waren hier nicht zu veranlassen, um die Gefährlichkeit des Angeklagten weiterhin auszuschließen.

28

Soweit der Bundesgerichtshof darüber hinaus in einigen Entscheidungen eine konsequente medizinische Behandlung als für die Maßregelanordnung unerheblich erachtet hat (vgl. Urteile vom 20. Februar 2008 - 5 StR 575/07, juris Rn. 14; vom 31. Mai 2012 - 3 StR 99/12, juris Rn. 10; vom 6. September 2012 - 3 StR 159/12, juris Rn. 8), lagen dem Fälle zugrunde, in denen der langjährig psychisch erkrankte Beschuldigte erst nach der Tat - während der einstweiligen Unterbringung (§ 126a StPO) oder einer zwangsweise durchgesetzten Therapie - erstmals bzw. erneut medikamentös eingestellt worden war und deshalb nicht auf eine wirksame Kontrolle dieser Behandlung mittels drohenden Bewährungswiderrufs gemäß § 67g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB verzichtet werden konnte. Hiermit ist hingegen keineswegs eine allgemeingültige Aussage dergestalt verbunden, dass bei der Gefährlichkeitsprognose eine überdauernde Krankheitseinsicht, verbunden mit einer langjährigen zuverlässigen Medikamenteneinnahme, als protektiver Faktor grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hätte.

29

cc) Da das Landgericht mit rechtsfehlerfreier Begründung den Angeklagten als nicht gefährlich im Sinne des § 63 StGB erachtet hat, kommt es nicht darauf an, inwieweit - was der Generalbundesanwalt auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen für zweifelhaft hält - ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem psychischen Defekt und einer solchen Gefährlichkeit gegeben wäre.

Becker          

      

Schäfer          

      

Spaniol

      

Berg          

      

Hoch