Entscheidungsdatum: 25.04.2013
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. November 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. Insoweit wird die weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz unter Einbeziehung von Geldstrafen aus zwei amtsrichterlichen Straferkenntnissen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, der die Nichtanordnung der Maßregeln nach §§ 63 und 64 StGB von seinem Revisionsangriff ausnimmt. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Die Schuldfähigkeitsprüfung des Landgerichts hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Nach den durch die sachverständig beratene Strafkammer getroffenen Feststellungen litt der Angeklagte seit Jahren an einem drogeninduzierten paranoiden Zustandsbild (ICD 10: F 22.0), aufgrund dessen er aggressiv gestimmte Wahnideen namentlich gegenüber dem Zeugen D. entwickelte und sich von diesem verfolgt sowie bedroht fühlte. Er war zumindest zur Tatzeit und zuvor der - haltlosen - Auffassung, D. habe mit Mittätern zahlreiche junge Frauen, unter anderem auch Bekannte des Angeklagten, unter Drogen gesetzt, vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen. Nach der durch das Landgericht den Feststellungen nicht zugrunde gelegten Einlassung des Angeklagten kündigte ihm D. am Tattag an, zu einer Freundin des Angeklagten nach Stuttgart fahren zu wollen, und bedrohte diesen mit einer Pistole.
b) Unter solchen Vorzeichen wäre das Landgericht gehalten gewesen, sich nicht nur mit einer etwaigen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit, sondern auch mit der - gegebenenfalls ersichtlich nicht verschuldeten - Aufhebung der Unrechtseinsicht des Angeklagten aufgrund des diagnostizierten Wahnsyndroms und damit der Aufhebung der Schuldfähigkeit nach § 20 StGB zu befassen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. November 1990 - 1 StR 514/90, BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 3, BGH, Beschluss vom 24. September 1990 - 4 StR 392/90, NStZ 1991, 31, 32).
c) Auch die Ausführungen zur Steuerungsfähigkeit ermöglichen nicht die Nachprüfung, ob das Landgericht zu Recht nur die Voraussetzungen des § 21 StGB angenommen hat. Das gilt schon deswegen, weil das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen sowie die in den Urteilsgründen angesprochenen Vorbegutachtungen nur im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung mitgeteilt werden. Die allein wiedergegebene Erwägung des Sachverständigen, die durch den Angeklagten vor der Tat gegen D. erstatteten Strafanzeigen würden belegen, dass der Angeklagte zu „legalen Handlungsalternativen“ imstande gewesen sei, kann die Beurteilung nicht tragen. Denn nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe beruhten gerade die - offensichtlich unberechtigten - Strafanzeigen ihrerseits auf dem Wahnsyndrom. Dementsprechend wurden einige Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten, die falsche Verdächtigungen zum Gegenstand hatten, wegen Schuldunfähigkeit eingestellt (UA S. 3, 5, 7).
2. Der Rechtsfehler führt zur Urteilsaufhebung auch insoweit, als von der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) bzw. in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen worden ist. Die durch den Angeklagten hierzu vorgenommene Rechtsmittelbeschränkung ist unwirksam. Der Schuldspruch und eine mögliche Maßregelanordnung sind hier mit Rücksicht auf eine denkbare Schuldunfähigkeit des Angeklagten so eng miteinander verknüpft, dass das Unterbleiben der Maßregelanordnung nicht von der Anfechtung ausgenommen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2002 - 2 StR 335/02, BGHR StPO § 318 Maßregel 1; siehe auch BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 - 2 StR 139/11, StV 2012, 72). Entsprechendes gilt bereits im Hinblick auf § 72 StGB für die Frage der Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2009 - 2 StR 509/08, NStZ-RR 2009, 170). Das neu entscheidende Tatgericht wird deswegen namentlich eingehend darzulegen haben, ob und aus welchen Gründen der Angeklagte - auch eingedenk im angefochtenen Urteil angenommener fehlender Erfolgsaussicht einer Drogentherapie - tatsächlich dauerhaft von seiner wahnhaften Störung geheilt ist. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB wird es zu erörtern haben, ob die Aussicht besteht, dass die Therapiebereitschaft des Angeklagten geweckt werden kann (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 64 Rn. 20 mit zahlreichen Nachweisen).
3. Hingegen ist das äußere Tatgeschehen rechtsfehlerfrei festgestellt und daher von der Aufhebung nicht betroffen.
4. Sollte das neu entscheidende Tatgericht abermals zu der Auffassung gelangen, dass der Angeklagte lediglich im Zustand verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB gehandelt hat, so wird es im Rahmen der Strafzumessung zu beachten haben, dass gerade wegen der wahnbedingten Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens die Tatmodalitäten, aber auch die Rückfallgeschwindigkeit und der Bewährungsbruch nur nach dem Maß der verminderten Schuld zum Nachteil des Angeklagten herangezogen werden dürfen (zur Art der Tatausführung: st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 - 3 StR 453/11, NStZ-RR 2012, 169 mwN). Entsprechendes gilt für die im angefochtenen Urteil erörterte Warnwirkung bislang im Zusammenhang mit dem Wahnsyndrom ergriffener hoheitlicher Maßnahmen gegen den Angeklagten. Soweit dort strafschärfend ausdrücklich der 2006 erfolgte, mithin Jahre zurückliegende Freispruch wegen Schuldunfähigkeit verwertet wird, begegnet dies jedenfalls ohne Mitteilung näherer Details, etwa zum seinerzeitigen Vorstellungsbild des Angeklagten, Bedenken.
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