Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 14.11.2013


BVerwG 14.11.2013 - 5 C 25/12

Jugendhilfe; Kostenerstattungsanspruch; örtliche Zuständigkeit


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
14.11.2013
Aktenzeichen:
5 C 25/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 27. Februar 2012, Az: 12 A 2478/11, Urteilvorgehend VG Köln, 6. Oktober 2011, Az: 26 K 1053/11, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 112 SGB 10

Leitsätze

1. Der Anwendungsbereich des § 89a Abs. 2 SGB VIII (juris: SGB 8) ist im Wege der Analogie auf die Fälle zu erstrecken, in denen dem nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewordenen örtlichen Träger gegen einen anderen örtlichen Träger ein Kostenerstattungsanspruch nach § 89a Abs. 3 SGB VIII zusteht.

2. Bei der in § 86 Abs. 5 Satz 3 SGB VIII angeordneten entsprechenden Geltung des § 86 Abs. 4 SGB VIII ist auf die Aufenthaltsverhältnisse des Kindes oder Jugendlichen vor Beginn der Leistung abzustellen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Rückerstattung eines Betrages von 33 313,11 €, den er an die Beklagte für die einem Kind gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege in der Zeit vom 23. Oktober 2003 bis zum 22. Mai 2008 gezahlt hat.

2

Das Kind, dessen Mutter drogenabhängig war, wurde am 16. November 1995 in einem Krankenhaus in M. geboren. Wegen Entzugserscheinungen wurde es dort bis zum 19. Februar 1996 stationär behandelt. Am 20. Februar 1996 brachte es die Beklagte in einer in seinem Bereich lebenden Pflegefamilie unter. Hierfür leistete sie bis zum 16. September 2008 Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege.

3

Die allein personensorgeberechtigte Mutter hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Beklagten. Vom 23. Oktober 2003 bis zum 29. August 2007 war sie unbekannten Aufenthalts mit Ausnahme des Zeitraums vom 13. August 2004 bis zum 28. Dezember 2004, wo sie sich wieder im Gebiet der Beklagten aufhielt. Ab dem 30. August 2007 war sie dort erneut gemeldet. Sie starb am 23. Mai 2008. Der Vater des Kindes, dessen Vaterschaft mit Urteil vom 22. Mai 1997 gerichtlich festgestellt wurde, wohnte während der gesamten Zeit in M.

4

Mit Beschluss vom 19. Mai 2004 stellte das Amtsgericht das Ruhen der elterlichen Sorge gemäß § 1674 Bürgerliches Gesetzbuch fest. Die Vormundschaft wurde zuerst auf das Jugendamt der Beklagten und dann auf die Pflegemutter übertragen.

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Auf Verlangen der Beklagten erstattete ihr der Kläger die im Zeitraum vom 23. Oktober 2003 bis zum 22. Mai 2008 für die Unterbringung des Kindes aufgewendeten Kosten.

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Später zog er sein Anerkenntnis zurück und machte einen Rückerstattungsanspruch nach § 112 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - geltend. Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe weder einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 89 SGB VIII noch nach § 89a SGB VIII. Die Beklagte trat dem Rückerstattungsbegehren entgegen. Der Durchgriff auf den Kläger als überörtlicher Träger nach § 89a Abs. 2 SGB VIII setze nicht notwendig voraus, dass ihr ein Kostenerstattungsanspruch nach § 89a Abs. 1 SGB VIII gegen einen anderen örtlichen Träger zustehe. Für den Durchgriff auf den überörtlichen Träger sei allein entscheidend, dass der die Erstattung begehrende örtliche Träger - so wie sie - Aufwendungen nach § 86 Abs. 6 SGB VIII erbracht habe. § 89a Abs. 2 SGB VIII diene dazu, dass Erstattungsansprüche, die ohne die Anwendung der Sonderregelung nach § 86 Abs. 6 SGB VIII bei einer Hilfegewährung aufgrund einer bestehenden bzw. fiktiv gegebenen Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII bestünden, erhalten blieben und unmittelbar gegen den insoweit erstattungspflichtigen Träger geltend gemacht werden könnten, nachdem die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII begründet worden sei. Dementsprechend müsse der Durchgriff entsprechend § 89a Abs. 2 SGB VIII auch in den Fällen möglich sein, in denen der Pflegestellenort mit dem zuvor nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII zuständigen örtlichen Träger identisch sei und als solcher vor dem Wechsel der für seine Zuständigkeit maßgeblichen Rechtsgrundlage gegen den überörtlichen Träger einen Erstattungsanspruch gehabt habe. Ferner sei der Durchgriff auf den überörtlichen Träger entsprechend § 89a Abs. 2 SGB VIII zulässig, wenn während der Leistungsgewährung des Pflegestellenortes bei Anwendung des § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII ein anderer örtlicher Träger fiktiv zuständig geworden wäre und seinerseits gegen den überörtlichen Träger einen Anspruch gehabt hätte.

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Das Verwaltungsgericht hat der auf Rückerstattung gerichteten Klage in der beantragten Höhe stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Kläger habe der Beklagten die Kosten zu Unrecht erstattet. Der Beklagten stehe kein Erstattungsanspruch analog § 89a Abs. 2 SGB VIII zu.

8

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 89a Abs. 2 SGB VIII sowie des § 86 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 SGB VIII.

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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit es eine Erstattungspflicht des Klägers gegenüber der Beklagten in analoger Anwendung des § 89a Abs. 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) bzw. vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) - SGB VIII - verneint. Auf dieser Rechtsverletzung beruht die Entscheidung.

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Der Kläger hat gegen die Beklagte nach § 112 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl I S. 130) - SGB X - keinen Anspruch auf Rückzahlung des geltend gemachten Betrages. Nach dieser Vorschrift sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Kläger der Beklagten die von ihr in der Zeit vom 23. Oktober 2003 bis zum 22. Mai 2008 für die Vollzeitpflege des Kindes aufgewendeten Kosten in Höhe von 33 313,11 € erstattet hat. Diese Kostenerstattung ist indessen nicht zu Unrecht erfolgt. Der Kläger ist der Beklagten insoweit zwar nicht nach § 89 SGB VIII kostenerstattungspflichtig gewesen (1.). Ebenso wenig ist eine Erstattungspflicht des Klägers in unmittelbarer (2.) oder analoger (3.) Anwendung des § 89a Abs. 2 i.V.m. § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII anzunehmen. Der Kläger ist aber nach § 89a Abs. 2 analog i.V.m. § 89a Abs. 3 SGB VIII verpflichtet gewesen, der Beklagten die aufgewendeten Kosten zu erstatten (4.).

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1. Nach § 89 SGB VIII steht dem örtlichen Träger der Jugendhilfe gegen den überörtlichen Träger, zu dessen Bereich er gehört, ein Anspruch auf Erstattung der aufgewendeten Kosten zu, wenn für seine Zuständigkeit nach den §§ 86, 86a oder 86b SGB VIII der tatsächliche Aufenthalt maßgeblich ist. Diese Voraussetzungen sind im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erfüllt gewesen.

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Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten bestimmte sich vom 23. Oktober 2003 bis zum 22. Mai 2008 nicht nach dem tatsächlichen Aufenthalt, sondern gemäß § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Pflegeperson. Das Oberverwaltungsgericht ist auf der Grundlage seiner gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Beklagte vom 20. Februar 1998 bis zum 16. September 2008 nach § 86 Abs. 6 SGB VIII für die Gewährung der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gemäß §§ 27, 33 SGB VIII örtlich zuständig war. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

14

2. Ebenso wenig ist der Kläger der Beklagten in unmittelbarer Anwendung des § 89a Abs. 2 i.V.m. § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zur Erstattung der aufgewendeten Kosten verpflichtet gewesen.

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§ 89a Abs. 2 SGB VIII räumt dem nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewordenen örtlichen Träger der Jugendhilfe einen (Durchgriffs-)Anspruch gegen u.a. den überörtlichen Träger ein, wenn ein nach § 89a Abs. 1 SGB VIII kostenerstattungspflichtig werdender örtlicher Träger vorhanden ist und dieser Träger während der Gewährung einer Leistung selbst einen Kostenerstattungsanspruch gegen den überörtlichen Träger hat oder hätte. Hier fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung. Der nach § 89a Abs. 1 SGB VIII kostenerstattungspflichtig werdende örtliche Träger muss - entgegen der Auffassung der Beklagten - ein anderer Leistungsträger (vgl. § 12 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung vom 4. November 1982 - SGB I -) sein als der nunmehr nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewordene örtliche Träger (a). Hier hatte die Beklagte keinen Kostenerstattungsanspruch gegen einen anderen örtlichen Träger (b).

16

a) Die Durchgriffserstattung nach § 89a Abs. 2 SGB VIII setzt ein Kostenerstattungsverhältnis im Sinne des § 89a Abs. 1 SGB VIII voraus. Dies ergibt sich bereits klar aus dem Wortlaut der Bestimmung. Nur ein örtlicher Träger, gegen den nach § 89a Abs. 1 SGB VIII ein Anspruch besteht, kann im Sinne des § 89a Abs. 2 SGB VIII nach Absatz 1 kostenerstattungspflichtig werden. Nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen, die auch im öffentlichen Recht Geltung beanspruchen, kann ein Anspruch nicht gegen sich selbst entstehen oder bestehen. Insoweit ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz in § 194 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - enthalten, der den Anspruch definiert als das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Ein Schuldverhältnis setzt also voraus, dass Gläubiger und Schuldner verschiedene Personen sind. Ist dies nicht der Fall, entsteht kein Anspruch. Treffen Gläubiger und Schuldner einer Forderung nach der Entstehung eines Anspruchs zusammen, führt dies in der Regel zum Erlöschen der Forderung (vgl. etwa Grüneberg, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, Überbl. vor § 362 Rn. 4 m.w.N.).

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Auch die systematische Stellung des § 89a Abs. 2 SGB VIII weist deutlich in diese Richtung. Der Durchgriff nach § 89a Abs. 2 SGB VIII baut auf dem in Absatz 1 geregelten Erstattungsanspruch auf. Bezogen auf § 89a Abs. 1 SGB VIII ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass dieser Erstattungsanspruch einen Wechsel des örtlich zuständigen Trägers im Zeitpunkt der Aufnahme der Leistungsgewährung nach § 86 Abs. 6 SGB VIII erfordert (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 25.11 - BVerwGE 145, 257 Rn. 22 m.w.N.).

18

Die mit § 89a Abs. 2 SGB VIII verfolgte Zielsetzung spricht ebenfalls dafür, dass die Vorschrift das Bestehen eines durch eine Trägerverschiedenheit gekennzeichneten Kostenerstattungsverhältnisses im Sinne von § 89a Abs. 1 SGB VIII voraussetzt. § 89a Abs. 2 SGB VIII soll bei Erstattungsketten unter Beteiligung eines nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewordenen örtlichen Trägers Erstattungen in Folge verhindern. Solche stehen nur zu erwarten, wenn der nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewordene örtliche Träger nach § 89a Abs. 1 SGB VIII einen Anspruch gegen einen anderen örtlichen Träger hat, der seinerseits einen Erstattungsanspruch gegen einen anderen örtlichen oder den überörtlichen Träger besitzt. Für diesen Fall wird dem nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewordenen Träger unter Verkürzung der Erstattungskette ein unmittelbarer Anspruch gegen den dritten Jugendhilfeträger eingeräumt (vgl. Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 = Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 10 jeweils Rn. 33). An einer solchen Erstattungskette fehlt es jedoch, wenn der nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewordene örtliche Träger und der örtliche Träger, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre, identisch sind.

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b) In Anwendung der dargelegten rechtlichen Vorgaben hat das Oberverwaltungsgericht die Erstattungspflicht des Klägers nach § 89a Abs. 2 i.V.m. § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zu Recht verneint, weil die Beklagte bereits vor Eintritt der Voraussetzungen des § 86 Abs. 6 SGB VIII für die Gewährung der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege örtlich zuständig gewesen ist.

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Beginn der Leistung im Sinne des § 86 SGB VIII war hier das tatsächliche Einsetzen der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege am 20. Februar 1996. Die Beklagte war zu diesem Zeitpunkt nach § 86 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 SGB VIII örtlich zuständig. Denn die Vaterschaft war zu diesem Zeitpunkt weder anerkannt noch gerichtlich festgestellt, sodass es allein auf die Mutter ankam, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Beklagten hatte.

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Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft am 22. Mai 1997 warf zwar die Zuständigkeitsfrage neu auf, führte aber nicht zu einem Trägerwechsel. Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene und vom Oberverwaltungsgericht offengelassene Frage, ob der Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 SGB VIII eröffnet ist, wenn die Elternteile - wie hier - bereits vor Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte hatten, der Aufenthalt des Vaters aber durch die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft nach Leistungsbeginn erstmals zuständigkeitsrechtlich zu berücksichtigen ist, kommt es nicht an. Wäre die Anwendung des § 86 Abs. 5 SGB VIII zu bejahen, ergibt sich die örtliche Zuständigkeit der Beklagten aus dessen Satz 1. Denn hier war allein die Mutter personensorgeberechtigt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft und darüber hinaus im Bereich der Beklagten hatte. Wäre § 86 Abs. 5 SGB VIII nicht anwendbar, ist die örtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII begründet, wonach ebenfalls der gewöhnliche Aufenthalt des personensorgeberechtigten Elternteils maßgeblich ist.

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3. Die Erstattungspflicht des Klägers gegenüber der Beklagten folgt auch nicht aus § 89a Abs. 2 i.V.m. § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII analog.

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Eine analoge Anwendung des § 89a Abs. 1 SGB VIII auf Fälle, in denen der Träger, der nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig wird, mit dem Träger, der zuvor nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII zuständig war, identisch ist, scheidet aus. Die Analogie setzt eine Gesetzeslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus, die plangemäß durch die herangezogene Norm geschlossen werden kann (vgl. Urteile vom 12. September 2013 - BVerwG 5 C 35.12 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen Rn. 27 m.w.N. und vom 15. November 2012 - BVerwG 3 C 12.12 - LKV 2013, 78 Rn. 19). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

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Es fehlt bereits an der Planwidrigkeit der Regelungslücke. Die von § 89a Abs. 2 SGB VIII in Bezug genommene Regelung des § 89a Abs. 1 SGB VIII dient nicht dem Ausgleich zwischen Pflegestellenorten und überörtlichen Trägern, sondern dem Ausgleich zwischen örtlichen Trägern. Die Vorschrift bezweckt den Schutz der Pflegestellenorte, die Kinder oder Jugendliche aus dem Zuständigkeitsbereich anderer Jugendhilfeträger aufnehmen. Es ging dem Gesetzgeber insbesondere darum, dass die Bereitschaft von Landkreisen im Umfeld großer Städte, Pflegefamilien zu finden und zu vermitteln, nicht wegen drohender Kostennachteile verloren geht (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 25.11 - BVerwGE 145, 257 Rn. 21 unter Bezugnahme auf BTDrucks 12/2866 S. 24). Demzufolge erkennt § 89a Abs. 1 SGB VIII nur denjenigen als Pflegestellenorte nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig werdenden Trägern, die nicht ohnehin nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII örtlich zuständig wären, einen Erstattungsanspruch gegen einen anderen örtlichen Träger zu. § 89a Abs. 2 SGB VIII dient in Ergänzung dieser Regelung dazu, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung Erstattungsketten abzukürzen. Beide Vorschriften bezwecken mithin nicht den Schutz der Pflegestellenorte, die - wie hier - Kinder oder Jugendliche aus dem eigenen Zuständigkeitsbereich betreuen.

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Entgegen der Ansicht der Beklagten geht der Zweck des § 89a SGB VIII nicht dahin, die Pflegestellenorte in allen Fällen von den Kosten freizustellen. Anderes könnte nur angenommen werden, wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung getroffen hätte, wonach sich der Pflegestellenort, sofern kein (anderer) örtlicher Träger kostenerstattungspflichtig ist, immer an den überörtlichen Träger halten kann. Eine solche Regelung hat der Gesetzgeber jedoch in § 89a SGB VIII gerade nicht vorgesehen, während er in § 89b Abs. 2, § 89c Abs. 3 und § 89e Abs. 2 SGB VIII ausdrücklich normiert hat, dass in den dortigen Fällen die Kosten vom überörtlichen Träger zu erstatten sind, wenn ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger nicht vorhanden ist. Daraus ist zu schließen, dass der Gesetzgeber die Problematik der (hilfsweisen) Inanspruchnahme des überörtlichen Trägers auch im Bereich der Pflegestellenorte gesehen, dort aber eine andere, diese nicht umfassend absichernde (bzw. von Kosten freistellende) Regelung getroffen hat.

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Dies mag zwar vor dem Hintergrund der Befürchtung der Beklagten, dass es in bestimmten Konstellationen für einen örtlichen Träger finanziell günstiger sein könnte, den Sorgeberechtigten eines Kindes oder Jugendlichen im eigenen Zuständigkeitsbereich Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung anstatt der Vollzeitpflege zu gewähren, zu bemängeln sein. Diese rechtspolitische Erwägung rechtfertigt jedoch angesichts der geltenden Rechtslage keine andere Beurteilung. Entsprechende Änderungen vorzunehmen, obliegt nicht der Rechtsprechung, sondern ist dem Gesetzgeber vorbehalten.

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4. Der Kläger war der Beklagten allerdings in analoger Anwendung des § 89a Abs. 2 i.V.m. § 89a Abs. 3 SGB VIII erstattungspflichtig.

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Der Anwendungsbereich des § 89a Abs. 2 SGB VIII ist im Wege der Analogie auf die Fälle zu erstrecken, in denen dem nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewordenen örtlichen Träger gegen einen anderen örtlichen Träger ein Kostenerstattungsanspruch nach § 89a Abs. 3 SGB VIII zusteht (a). Die Beklagte hat für die streitgegenständliche Zeit nach § 89a Abs. 3 SGB VIII gegen die Stadt M. einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die sie aufgrund ihrer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII für die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege aufgewendet hat (b). Die Stadt M. hätte während der Gewährung der Leistung selbst einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89 SGB VIII gegen den Kläger gehabt (c).

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a) Die für eine analoge Anwendung des § 89a Abs. 2 SGB VIII erforderliche Gesetzeslücke liegt vor (aa). Die Fälle des Kostenerstattungsanspruchs nach § 89a Abs. 3 SGB VIII sind auch mit dem von § 89a Abs. 2 SGB VIII erfassten Fall des § 89a Abs. 1 SGB VIII sachlich vergleichbar (bb).

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(aa) Die Regelung des § 89a Abs. 2 SGB VIII erweist sich insoweit als lückenhaft, als sie nicht auf die Vorschrift des § 89a Abs. 3 SGB VIII Bezug nimmt. Mit der Bestimmung des § 89a SGB VIII verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Pflegestellenorte von den Kosten zu entlasten, die durch die Aufnahme von Kindern oder Jugendlichen aus dem Zuständigkeitsbereich eines anderen örtlichen Trägers verursacht werden, und hierdurch die finanziellen Rahmenbedingungen für die Sicherstellung eines ausreichenden Angebotes an Pflegestellen zu schaffen sowie im Falle einer möglichen Erstattungskette einen Durchgriff zu ermöglichen. Diesem Ziel liefe es zuwider, örtliche Träger, die zunächst nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII leistungspflichtig waren und infolge der Vermittlung eines Kindes oder Jugendlichen in eine Pflegestelle innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereiches nach § 86 Abs. 6 SGB VIII leistungspflichtig blieben, bei einem bestehenden Kostenerstattungsanspruch nach § 89a Abs. 3 SGB VIII von dem Anwendungsbereich des § 89a Abs. 2 SGB VIII auszunehmen und ihnen damit die Finanzierungslast für einen Zeitraum aufzubürden, in dem sie - ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII - wegen der Änderung des nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalts nicht mehr zur Leistung verpflichtet wären (vgl. zu § 89a Abs. 3 SGB VIII bereits Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 25.11 - BVerwGE 145, 257 Rn. 21).

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(bb) In Anbetracht des angestrebten weitreichenden Schutzes der Pflegestellenorte (für die Fälle der Trägerverschiedenheit) entspricht es dem Plan des Gesetzgebers, die von ihm in § 89a Abs. 2 SGB VIII angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt zu erstrecken. Vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Wertung, die Pflegestellenorte vor einer unangemessenen Kostenbelastung zu schützen, besteht kein sachlicher Unterschied, ob im Zeitpunkt der Begründung der Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII ein Kostenerstattungsanspruch nach § 89a Abs. 1 SGB VIII entsteht, oder ob ein Erstattungsanspruch nach § 89a Abs. 3 SGB VIII während der Leistungsgewährung nach § 86 Abs. 6 SGB VIII begründet wird. In beiden Fällen rechtfertigt der Grundgedanke, dass der nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständige Träger nach der Vorstellung des Gesetzgebers von den Kosten zu befreien ist, die er - ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII - in Anknüpfung an den nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalt nicht zu tragen hätte, den Erstattungsdurchgriff nach § 89a Abs. 2 SGB VIII.

32

b) Nach § 89a Abs. 3 SGB VIII wird, wenn sich während der Gewährung der Leistung nach Absatz 1 der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt ändert, der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre. Die Vorschrift setzt daher - vergleichbar mit § 89a Abs. 1 SGB VIII - ebenfalls voraus, dass es sich bei dem nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständigen Pflegestellenort und einem später fiktiv nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII zuständig werdenden Träger um verschiedene Träger handelt. Das ist hier der Fall. Die Stadt M. wurde am 23. Oktober 2003 der nach § 86 Abs. 6 SGB VIII weiterhin leistungsverpflichteten Beklagten kostenerstattungspflichtig (aa). Die Kostenerstattungspflicht der Stadt M. ist bis zum 22. Mai 2008 nicht entfallen (bb).

33

(aa) Maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII war bis zum Eintritt der Voraussetzungen des § 86 Abs. 6 SGB VIII - unabhängig von der hier nicht zu entscheidenden Frage, ob die Zuständigkeit der Beklagten mit der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft am 22. Mai 1997 ihre Rechtsgrundlage in § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII oder § 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII fand - der gewöhnliche Aufenthalt der allein personensorgeberechtigten Mutter. Als diese am 23. Oktober 2003 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Beklagten aufgab, ohne nachweislich andernorts einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen, wäre ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII die Stadt M. örtlich zuständig geworden. Es kann dahinstehen, ob die (fiktive) Zuständigkeit der Stadt M. zu diesem Zeitpunkt nach § 86 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII oder nach § 86 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zu bestimmen gewesen wäre. Tatbestandlich greift die Zuständigkeitsregelung des § 86 Abs. 4 SGB VIII ein, wenn die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder hat, oder ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar ist, oder sie verstorben sind. In diesen Fällen richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen vor Beginn der Leistung (Satz 1). Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält (Satz 2).

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Das Oberverwaltungsgericht hat unter Verletzung von Bundesrecht angenommen, dass nach § 86 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 SGB VIII die örtliche Zuständigkeit nach dem (gewöhnlichen oder tatsächlichen) Aufenthalt zu bestimmen ist, den das Kind oder der Jugendliche bei Eintritt eines der in Absatz 4 erfassten Sachverhalte hat. Denn auch bei der in § 86 Abs. 5 Satz 3 SGB VIII angeordneten entsprechenden Geltung des § 86 Abs. 4 SGB VIII ist - wie die Beklagte zu Recht geltend macht - auf die Aufenthaltsverhältnisse des Kindes oder Jugendlichen vor Beginn der Leistung abzustellen ((1)). Das Kind hatte vor Beginn der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege nur einen tatsächlichen Aufenthalt im Krankenhaus in M. ((2)).

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(1) Für eine unveränderte Übertragung der in § 86 Abs. 4 SGB VIII angeordneten Rechtsfolge im Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 Satz 3 SGB VIII spricht in gewichtiger Weise bereits der Gesetzeswortlaut. Entsprechende Geltung bedeutet, dass die örtliche Zuständigkeit nach dem Maßstab der herangezogenen Norm zu bestimmen ist. Nach § 86 Abs. 4 SGB VIII ist dies der Ort des gewöhnlichen oder tatsächlichen Aufenthalts des Kindes oder Jugendlichen vor Beginn der Leistung.

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Die klare Tendenz der Wortlautauslegung wird durch gesetzessystematische und teleologische Erwägungen gestützt. § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII knüpft die örtliche Zuständigkeit, ausgehend davon, dass ein Kind oder Jugendlicher aus rechtlicher und pädagogischer Sicht im Zusammenhang mit den Personen zu sehen ist, die für es oder ihn die Erziehungsverantwortung innehaben, grundsätzlich an den gewöhnlichen Aufenthalt(sort) der Eltern bzw. des maßgeblichen Elternteils (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII lässt darüber hinaus die örtliche Zuständigkeit dem Grundsatz der dynamischen Verweisung entsprechend im Regelfall mit den Eltern bzw. dem maßgeblichen Elternteil "mitwandern", wenn diese bzw. dieser ihren bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt wechseln bzw. wechselt. Denn die Eltern bzw. der maßgebliche Elternteil vermitteln bzw. vermittelt im Regelfall auch die Nähe zur Lebenswelt des Kindes oder Jugendlichen. Die Vorschrift des § 86 Abs. 6 SGB VIII unterstreicht dieses Regelungskonzept, indem sie anerkennt, dass sich bei einer fortdauernden Vollzeitpflege ab einem bestimmten Zeitpunkt die psychosoziale Realität ändert und nicht mehr die Eltern oder der maßgebliche Elternteil die Nähe zur Lebenswelt des Kindes oder Jugendlichen vermitteln, sondern die Pflegeperson, und infolgedessen die örtliche Zuständigkeit an den gewöhnlichen Aufenthalt der Pflegeperson und dessen Veränderungen knüpft (vgl. Urteil vom 1. September 2011 - BVerwG 5 C 20.10 - BVerwGE 140, 305 = Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 14 jeweils Rn. 14 m.w.N.). Ist eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern bzw. des maßgeblichen Elternteils oder einer etwaigen Pflegeperson nicht möglich, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen vor Leistungsbeginn (vgl. § 86 Abs. 2 Satz 4, § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 SGB VIII). Dementsprechend ist auch für den Fall, dass die Eltern oder der nach § 86 Abs. 1 bis 3 SGB VIII maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder hat oder ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar ist oder sie verstorben sind, für die örtliche Zuständigkeit der gewöhnliche oder tatsächliche Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen vor Beginn der Leistung maßgeblich (§ 86 Abs. 4 SGB VIII). Nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 86 SGB VIII kommt somit dem (gewöhnlichen oder tatsächlichen) Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen nach Beginn der Leistung für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit keine Bedeutung zu.

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Dem widerspricht die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, bei § 86 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 SGB VIII auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Zeitpunkt der Veränderung (hier der Nichtfeststellung des gewöhnlichen Aufenthalts der Mutter im Inland) abzustellen. Sie führt der Sache nach dazu, dass § 86 Abs. 4 SGB VIII entgegen dem ausdrücklichen Gesetzesbefehl in § 86 Abs. 5 Satz 3 SGB VIII nicht entsprechend angewandt wird. Denn sie misst dem nach Leistungsbeginn durch die Hilfeleistung des Jugendhilfeträgers bedingten Ortswechsel des Kindes oder Jugendlichen im Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 Satz 3 SGB VIII eine zuständigkeitsbestimmende Wirkung bei. Gewichtige Gründe, die dies rechtfertigten, bestehen nicht. Vielmehr ist die gesetzgeberische Entscheidung, auf den Aufenthalt vor Beginn der Leistung abzustellen, auch wenn sie nicht allen Anliegen gerecht zu werden vermag, als solche zu respektieren.

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(2) Das Kind hat vor Beginn der Leistung lediglich einen tatsächlichen Aufenthalt in M. gehabt.

39

Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ob und wo danach eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist für jede Person einzeln zu bestimmen. Dies gilt auch für Kinder und Jugendliche, die einen von ihren Eltern oder einem Elternteil abweichenden gewöhnlichen Aufenthalt haben können. Zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ist ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich. Es genügt, dass der Betreffende sich an dem Ort oder in dem Gebiet bis auf Weiteres im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat. Die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts setzt nach dem Wortlaut des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I zudem voraus, dass der Betreffende an dem Ort, an dem er einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen will, zumindest kurzfristig auch tatsächlich Aufenthalt genommen hat. Der tatsächliche Aufenthalt ist zwar nicht hinreichende, aber notwendige Bedingung für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts. Dies gilt auch für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts bei minderjährigen Kindern, der rechtlich selbstständig und gegebenenfalls unabhängig von dem der Eltern zu bestimmen ist. Der physische Aufenthalt am Ort des (zu begründenden) gewöhnlichen Aufenthalts kann nicht durch den bloßen Willen der Eltern bzw. des personensorgeberechtigten Elternteils, an diesem Ort einen gewöhnlichen Aufenthalt für das Kind zu begründen, oder entsprechende objektive Vorbereitungshandlungen (etwa Anmietung und Einrichtung einer Wohnung; melderechtliche Anmeldung) ersetzt werden. Durch die Eltern bzw. den maßgeblichen Elternteil kann allenfalls der Wille ersetzt werden, an einem bestimmten Ort einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen, den selbstständig zu bilden zumindest ein Kleinkind auch tatsächlich nicht in der Lage ist. Die tatsächliche Aufenthaltsnahme ist daher unabhängig von allen weiteren Indizien und dem Willen, an einem bestimmten Ort einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen, der frühest denkbare Zeitpunkt der Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts (vgl. Urteile vom 26. September 2002 - BVerwG 5 C 46.01 - Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 2 f. und vom 7. Juli 2005 - BVerwG 5 C 9.04 - Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 3 Rn. 16).

40

Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat sich das Kind hier in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze vor Beginn der Leistung in M. tatsächlich aufgehalten. Ein gewöhnlicher Aufenthalt im Haushalt ihrer allein personensorgeberechtigten Mutter im Bereich der Beklagten scheitert daran, dass das Kind dort zu keinem Zeitpunkt gewesen ist. Der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Krankenhaus in M. steht entgegen, dass ihre stationäre Behandlung nur vorübergehend bis zum Abklingen ihrer Entzugserscheinungen angelegt war.

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bb) Die gerichtliche Feststellung vom 19. Mai 2004, dass die elterliche Sorge nach § 1674 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - ruht, hat die Kostenerstattungspflicht der Stadt M. gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII nicht entfallen lassen. Denn damit wäre kein Wechsel der (fiktiven) örtlichen Zuständigkeit verbunden gewesen. Unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt für die Bestimmung der (fiktiven) örtlichen Zuständigkeit auf § 86 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII, § 86 Abs. 3 i.V.m. § 86 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII oder auf § 86 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 86 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 86 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII abzustellen ist, wäre die Stadt M. örtlich zuständig geblieben. Denn alle Rechtsgrundlagen schreiben im Ergebnis die örtliche Zuständigkeit am Ort des tatsächlichen Aufenthalts des Kindes vor Beginn der Leistung fest.

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c) Der Kläger wäre der Stadt M. während der Gewährung der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege aufgrund der Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII nach § 89 SGB VIII kostenerstattungspflichtig gewesen. Denn für die (fiktive) Zuständigkeit der Stadt M. im streitgegenständlichen Zeitraum wäre nach allen insoweit in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen stets der tatsächliche Aufenthalt maßgeblich gewesen.