Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 25.03.2010


BVerwG 25.03.2010 - 5 C 15/09

Vermögensrecht: Antrag auf Entschädigung; Versäumung der Antragsfrist; Nachsichtgewährung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
25.03.2010
Aktenzeichen:
5 C 15/09
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend VG Berlin, 17. Oktober 2008, Az: 4 A 390.07, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 1 Abs 3aF EntschG
§ 7a Abs 3b S 5 VermG
§ 7a Abs 3c S 2 VermG

Leitsätze

1. Ein Antrag auf Entschädigung eines im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG Berechtigten, der erst mehr als vier Jahre nach der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG durch das Bundesverfassungsgericht gestellt worden ist, ist verfristet.

2. Die Entschädigungsbehörden mussten die im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG Berechtigten nach der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG nicht gesondert auf die Möglichkeit der Beantragung einer Entschädigung und die Fristgebundenheit eines entsprechenden Antrages hinweisen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt als Erbin ihrer im Jahre 2000 verstorbenen Mutter Entschädigung für einen in der früheren Deutschen Demokratischen Republik durch Eigentumsverzicht aufgegebenen Miteigentumsanteil an einem Miethausgrundstück in Berlin-Mitte.

2

Im September 1986 verzichtete die Mutter der Klägerin aufgrund nicht kostendeckender Mieten und infolgedessen eingetretener Überschuldung auf ihr hälftiges Miteigentum an dem 2 240 qm großen Grundstück, welches daraufhin mit Wirkung zum 1. Januar 1987 in Volkseigentum überführt wurde.

3

Der Antrag der Mutter der Klägerin auf Rückübertragung des Grundstücks wurde im Jahre 1994 bestandskräftig abgelehnt. Zwar sei die Mutter der Klägerin gemäß § 1 Abs. 2 VermG dem Grunde nach anspruchsberechtigt. Eine Rückübertragung scheitere aber an § 3 Abs. 2 VermG, da es einen (vorrangig) Berechtigten im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG gebe.

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Unter dem 12. Februar 2006 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Entschädigung. Mit Bescheid vom 31. Juli 2006 lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Entschädigungsantrag ab, weil dieser nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 7a Abs. 3c VermG, § 12 EntschG gestellt worden sei.

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Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 6. September 2007 zurück. Der Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht § 1 Abs. 3 EntschG erst im Jahre 2001 für nichtig erklärt und damit die Voraussetzungen für die Gewährung einer Entschädigung geschaffen habe, entbinde die Klägerin nicht von der Einhaltung der gesetzlichen Ausschlussfrist. Eine Nachsichtgewährung wegen der versäumten Frist scheide aus. Ein derartiges Begehren sei dem Antrag vom Februar 2006 nicht zu entnehmen.

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Mit Urteil vom 17. Oktober 2008 hat das Verwaltungsgericht die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin habe die Entschädigung entgegen der sich aus § 7a Abs. 3c, § 7a Abs. 3b Satz 5 VermG, § 12 Abs. 1 Satz 4 EntschG ergebenden Verpflichtung nicht bis zum 31. Dezember 1995 bzw. innerhalb von sechs Monaten nach bestandskräftiger ablehnender Restitutionsentscheidung beantragt. Die von der Klägerin begehrte Nachsicht wegen Versäumung der Antragsfrist könne nicht gewährt werden, da bereits kein staatliches Fehlverhalten feststellbar sei. Die zitierte gesetzliche Fristenregelung sei auch nicht verfassungswidrig. Die Beantragung einer Entschädigung bis zum Ablauf des Jahres 1995 habe als sinnlos erscheinen müssen, weil § 1 Abs. 3 EntschG die Entschädigung für Fälle des Eigentumsverzichts kraft Gesetzes ausgeschlossen habe. Doch abgesehen davon, dass die Klägerseite nicht gehindert gewesen sei, ungeachtet des § 1 Abs. 3 EntschG einen Entschädigungsantrag zu stellen, sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet gewesen, eine neue Antragsfrist zu eröffnen. Eine verfassungskonforme Auslegung der zitierten gesetzlichen Fristenregelung dahingehend, dass die Frist jedenfalls für die Klägerin nicht gelte, sei unvertretbar. Bei Außerachtlassung der sonstigen Bedenken könnte eine im Wege der Auslegung zu ermittelnde, für die Klägerin geltende Fristenregelung nur dahin lauten, dass der Entschädigungsantrag spätestens innerhalb von sechs Monaten nach der am 13. Dezember 2001 erfolgten Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2001 im Bundesgesetzblatt zu stellen gewesen sei. Auch diese Frist habe die Klägerin aber nicht gewahrt.

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Die Revision macht Rechts- und Verfahrensfehler geltend. In erster Linie vertritt sie den Standpunkt, dass diejenigen Zweitgeschädigten, die erst durch die Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG Entschädigungsbegehren geltend machen konnten, im Hinblick auf laufende bzw. abgelaufene gesetzliche Ausschlussfristen anders behandelt werden müssten als andere Zweitgeschädigte, denen eine rechtzeitige Antragstellung möglich gewesen wäre. Zumindest müssten die Regeln über eine Nachsichtgewährung zu ihren Gunsten herangezogen werden.

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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Klägerin mangels fristgerechter Geltendmachung kein durchsetzbarer Entschädigungsanspruch zusteht (1) und ihr wegen Versäumung der Antragsfrist keine Nachsicht zu gewähren ist (2). Die von der Klägerin vorgebrachten Verfahrensrügen haben keinen Erfolg (3).

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1. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 des zum 1. Dezember 1994 in Kraft getretenen Entschädigungsgesetzes (vgl. Art. 1 des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes vom 27. September 1994 ) hat ein Berechtigter im Sinne des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen, dessen Anspruch auf Restitution gemäß § 3 Abs. 2 VermG wegen eines (vorrangigen) Anspruchs nach § 1 Abs. 6 VermG ausgeschlossen ist, einen Anspruch auf Entschädigung, wenn er den Vermögenswert in redlicher Weise erworben hat. Nach der zeitgleich in Kraft getretenen, vom Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich mit Beschluss vom 10. Oktober 2001 - 1 BvL 17/00 - (BVerfGE 104, 74) für nichtig erklärten Vorschrift des § 1 Abs. 3 EntschG sollte für Grundstücke im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG, die durch Eigentumsverzicht in Volkseigentum überführt wurden, keine Entschädigung gewährt werden. Der Entschädigungsanspruch ist nicht rechtzeitig geltend gemacht worden. Dabei kann offenbleiben, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin als Berechtigte im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG, deren Eigentum an einem bebauten Grundstück und Gebäude aufgrund nicht kostendeckender Mieten und infolgedessen eingetretener Überschuldung durch Eigentumsverzicht in Volkseigentum übernommen wurde, trotz der Regelung des § 1 Abs. 3 EntschG bereits mit dem Inkrafttreten des Entschädigungsgesetzes dem Grunde nach einen Entschädigungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 EntschG erworben hat, den sie infolge des § 1 Abs. 3 EntschG zunächst nicht (erfolgversprechend) durchsetzen konnte (1.1) oder ob ihr Entschädigungsanspruch erstmals durch die Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG zur Entstehung gelangt ist (1.2).

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1.1 Die mit Inkrafttreten des Entschädigungsgesetzes am 1. Dezember 1994 entstandenen Entschädigungsansprüche unterlagen unmittelbar der zeitgleich in Kraft getretenen Bestimmung des § 12 Abs. 1 Satz 3 und 4 EntschG (wortgleich mit § 12 Abs. 1 Satz 4 und 5 EntschG in der seit dem 1. Januar 2006 geltenden Fassung). Diese enthielt eine klare und bestimmte Fristenregelung, die mangels einer Differenzierung nach Schädigungstatbeständen für die Geltendmachung aller Entschädigungsansprüche galt. Ein Antrag auf Entschädigung konnte danach nur bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Eintritt der Bestandskraft oder Rechtskraft der Entscheidung nach dem Vermögensgesetz gestellt werden (Ausschlussfrist). Die Antragsfrist endete frühestens mit Ablauf des sechsten Monats nach Inkrafttreten des Gesetzes, d.h. mit dem Ablauf des 31. Mai 1995.

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Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, ob die Frist des § 12 Abs. 1 Satz 3 und 4 EntschG nach dem Grundsatz der Spezialität von der durch das Gesetz zur Anpassung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften vom 4. Juli 1995 (BGBl I S. 895) mit Wirkung zum 9. Juli 1995 eingefügten Ausschlussfrist des § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 4 und 5 VermG (vgl. hierzu Beschluss vom 1. Februar 2006 - BVerwG 3 B 90.05 - Buchholz 428 § 7a VermG Nr. 8) verdrängt worden ist, weil Letztere ausdrücklich den Personenkreis erfasst, der nach § 3 Abs. 2 VermG wegen eines Anspruchs nach § 1 Abs. 6 VermG von der Rückübertragung ausgeschlossen ist. Denn beide Vorschriften normieren im entscheidungserheblichen Kern übereinstimmende Antragsfristen. Auch nach § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 4 VermG ist der Antrag auf Entschädigung vorbehaltlich des § 7a Abs. 3b Satz 5 VermG nur bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung, mit der die Rückübertragung nach § 3 Abs. 2 VermG abgelehnt wird, zulässig. Nach § 7a Abs. 3b Satz 5 VermG endete die Antragsfrist - mit Rücksicht auf das im Vergleich zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 spätere Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften vom 4. Juli 1995 - frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 1995.

13

Die Fristbestimmungen des § 12 Abs. 1 Satz 3 EntschG bzw. des § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 4 VermG sind indessen bezüglich der Berechtigten im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG, die bis zur Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG keinen Antrag auf Entschädigung gestellt haben, wegen des gesetzlich angeordneten Ausschlusses einer Entschädigung während der gesamten Zeit des Fristenlaufs mit Rücksicht auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskonform einzuschränken. Im Hinblick auf die erst später festgestellte Verfassungswidrigkeit des Anspruchsausschlusses ist deswegen für den Beginn der Ausschlussfrist die Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG durch das Bundesverfassungsgericht maßgebend. Der Bürger muss sich grundsätzlich auf die Geltung der erlassenen Gesetze verlassen dürfen und sein Verhalten nicht an deren (später festgestellten) Verfassungswidrigkeit ausrichten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1980 - 1 BvR 127, 679/78 - BVerfGE 53, 115 <130>). Angesichts des Ausgleichszwecks der Entschädigungsleistung ist es nicht gerechtfertigt, die Folgen der festgestellten Verfassungswidrigkeit des Ausschlusstatbestandes nur jenen Betroffenen zu Gute kommen zu lassen, die bereits fristgerecht einen Antrag gestellt haben. Gleiches muss vielmehr auch für die hier zu beurteilende Fallkonstellation gelten. Es darf sich nicht zu Lasten der Adressaten des § 1 Abs. 3 EntschG auswirken, wenn diese bis zur Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG durch das Bundesverfassungsgericht von der Beantragung einer Entschädigung abgesehen haben, die wegen des gesetzlich angeordneten Anspruchsausschlusses als aussichtslos erscheinen musste. Sie sind vielmehr durch das Hinausschieben des für den Fristbeginn maßgeblichen Zeitpunkts den Personen gleichzustellen, die ihren Anspruch auf Entschädigung infolge eines zum Zeitpunkt der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossenen vermögensrechtlichen Verfahrens noch verfolgen konnten bzw. können. Die Herstellung der Gleichheit wird dadurch gewährleistet, dass die Antragsfrist für die betreffenden Personen frühestens mit Ablauf des sechsten Monats nach der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG endet. Dabei bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner abschließenden Klärung, ob insoweit auf den Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (10. Oktober 2001) oder den Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (13. Dezember 2001 ) abzustellen ist. Denn der Entschädigungsantrag der Klägerin ist erst über vier Jahre später am 12. Februar 2006 und damit in keinem Fall fristgerecht gestellt worden.

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1.2 Im Ergebnis gilt nichts Anderes, wenn der Entschädigungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 EntschG erst mit der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG entstanden ist. Zwar sind Ausschlussfristen - wie § 12 Abs. 1 Satz 3 EntschG bzw. des § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 4 VermG -, deren Nichteinhaltung zum Verlust einer materiellrechtlichen Rechtsposition führt, regelmäßig einer analogen Anwendung nicht zugänglich. Vielmehr muss eine solche Frist grundsätzlich vom Gesetzgeber bestimmt werden (vgl. z.B. Urteil vom 22. Oktober 1993 - BVerwG 6 C 10.92 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 111). Dies gilt jedoch nach den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16. Januar 1980 - 1 BvR 127 und 679/78 - (a.a.O.) aufgestellten Maßstäben nicht für die hier zu beurteilende Fallkonstellation.

15

Der hier vorliegende Fall ist in Bezug auf die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in eine unbefristete Antragstellung mit der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16. Januar 1980 (a.a.O.) entschiedenen Sachlage vergleichbar. Die Beschwerdeführer jenes Verfahrens hatten die Ausschlussfrist des § 190a Abs. 1 Satz 1 Bundesentschädigungsgesetz - BEG - zur Substantiierung (vgl. § 190a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 189 Abs. 3 BEG) von Entschädigungsansprüchen der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung nicht gewahrt, weil ihnen ihr Anspruch auf Entschädigung nach dessen Anmeldung durch die Neufassung des § 150 BEG rückwirkend entzogen wurde und sie im Vertrauen auf die Gültigkeit dieser Vorschrift eine Substantiierung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist unterließen. Als § 150 BEG für nichtig erklärt wurde, war die Substantiierungsfrist des § 190a Abs. 1 Satz 1 BEG bereits abgelaufen. Das Bundesverfassungsgericht legte die Vorschrift des § 190a BEG dahingehend aus, dass sie die vorstehende Fallgestaltung nicht erfasse, sondern insoweit von einer durch die Fachgerichte zu schließenden Gesetzeslücke auszugehen sei. Es führte aus, es würde den Zielen des Wiedergutmachungsrechts widerstreiten, durch die Fristenregelung eine beschleunigte Abwicklung der geltend gemachten Ansprüche und einen endgültigen Abschluss der Wiedergutmachung innerhalb eines vertretbaren Zeitraums zu ermöglichen, wenn für die Substantiierung der in Rede stehenden Ansprüche mangels unmittelbarer Anwendbarkeit des § 190a Abs. 1 Satz 1 BEG keinerlei Frist gelte. Es sei daher verfassungsrechtlich unbedenklich, eine Substantiierung binnen angemessener Frist nach der Nichtigerklärung des § 150 BEG zu verlangen. Die Frage, welche Frist angemessen sei, sei von den Fachgerichten zu beantworten, wobei es naheliege, sich an die Fristenregelungen des Bundesentschädigungsgesetzes anzulehnen.

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Diese Überlegungen sind hier übertragbar. Die Möglichkeit einer unbefristeten Antragstellung in Fällen der vorliegenden Art widerspräche den Zielen des Entschädigungsrechts. Die Ausschlussfristen für die Anmeldung von Rückübertragungs- und Entschädigungsansprüchen dienen in vergleichbarer Weise wie die Fristen des Bundesentschädigungsgesetzes dem Interesse, die vermögens- und entschädigungsrechtlichen Verfahren innerhalb eines vertretbaren Zeitraums abzuschließen. Hinsichtlich der Entschädigungsansprüche soll damit auch dem fiskalischen Interesse Rechnung getragen werden, angesichts der angespannten Haushaltslage zum Zweck der Finanzplanung einen möglichst genauen Überblick über bestehende Entschädigungsansprüche zu erhalten und den Umfang der zu leistenden Entschädigungen für den Bund absehbar zu machen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 2000 - 1 BvR 1398/99 - NJW 2000, 1480 = ZOV 2000, 87). Dieser (unveränderte) Gesetzeszweck darf nicht dadurch in sein Gegenteil verkehrt werden, dass diejenigen, die bis zur Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG durch das Bundesverfassungsgericht von der Beantragung einer Entschädigung abgesehen haben, ihr Entschädigungsbegehren im Anschluss an die verfassungsgerichtliche Entscheidung ohne jegliche Fristbindung geltend machen können. Der mit der Fristgebundenheit bezweckten Rechtsklarheit und Rechtssicherheit gebührt vielmehr mit Blick auf die Besonderheiten des Vermögens- und Entschädigungsrechts der Vorrang vor dem Prinzip der materiellen (Einzelfall-) Gerechtigkeit in Form der Teilhabe an den staatlichen Entschädigungsleistungen für sogenannte "kalte" Enteignungen eines Miethausgrundstücks nach § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 EntschG.

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Zur Bestimmung einer angemessenen Frist in der hier zu beurteilenden Fallgestaltung liegt es nahe, in Anlehnung an § 12 Abs. 1 Satz 3 EntschG bzw. § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 4 VermG zu verlangen, dass der Entschädigungsanspruch innerhalb von sechs Monaten nach der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG geltend zu machen ist. Letztlich bedarf diese Frage aber keiner abschließenden Entscheidung, da jedenfalls ein Zeitraum - wie hier - von über vier Jahren nach der Nichtigerklärung des gesetzlichen Anspruchsausschlusses durch das Bundesverfassungsgericht (unabhängig davon, ob man auf den Erlasszeitpunkt des Beschlusses oder auf den Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt abstellt) nicht mehr als angemessene Frist angesehen werden kann.

18

Ob hier außerdem die Voraussetzungen für eine Verwirkung des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs vorliegen, bedarf bei dieser Sachlage keiner weiteren Erörterung und Entscheidung.

19

2. Das Verwaltungsgericht hat auch das Vorliegen der Voraussetzungen einer sogenannten Nachsichtgewährung wegen Versäumung der materiellen Ausschlussfrist im Ergebnis zu Recht verneint. Eine solche Nachsichtgewährung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter anderem ein für die Versäumung der Frist kausales staatliches Fehlverhalten voraus (vgl. Urteile vom 29. Juli 2009 - BVerwG 8 C 8.08 - LKV 2009, 564; vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 sowie Beschluss vom 17. März 2000 - BVerwG 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier.

20

Es bedarf keiner abschließenden Klärung, ob die zur Nachsichtgewährung entwickelten Grundsätze bei Fristversäumung aufgrund staatlichen Fehlverhaltens auch für den Gesetzgeber gelten und in dem Erlass der mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Vorschrift des § 1 Abs. 3 EntschG ein die Nachsichtgewährung rechtfertigendes staatliches Fehlverhalten zu sehen ist. Denn es fehlt insoweit in jedem Fall an der erforderlichen Kausalität. Das objektiv verfassungswidrige Verhalten des Gesetzgebers wird bereits durch die vorstehend dargelegte Verschiebung des Fristbeginns auf den Zeitpunkt der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG korrigiert. Mit der Nichtigerklärung wurde gerade das nach Ansicht der Klägerin für eine fristgerechte Antragstellung bestehende Hindernis der Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 3 EntschG beseitigt. Für eine zusätzliche Nachsichtgewährung neben der Verschiebung des Fristbeginns bestünde weder Anlass noch Raum.

21

Ein etwaiges behördliches Fehlverhalten ist weder dargetan noch ersichtlich. Die Vermögens- bzw. die Entschädigungsbehörde waren nicht verpflichtet, die Klägerin nach der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG darauf hinzuweisen, dass sie für die erlittene vermögensrechtliche Schädigung nunmehr eine Entschädigung beantragen konnte und der entsprechende Antrag von ihr innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen war. In Anbetracht der großen Beachtung, die die Regelungen des Vermögensgesetzes und des Entschädigungsgesetzes in den Medien und in der öffentlichen Diskussion gefunden haben, müssen sich die Antragsberechtigten entgegenhalten lassen, dass ihnen nicht nur die Antragsabhängigkeit des Restitutions- bzw. Entschädigungsanspruchs, sondern auch die Fristgebundenheit dieser Anträge bekannt sein konnte (vgl. zum Vermögensrecht Beschluss vom 5. Mai 2000 - BVerwG 7 B 220.99 - Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 18 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 2000 a.a.O.). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der hier in Rede stehende Entschädigungsanspruch erstmals deshalb mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden konnte, weil und nachdem das Bundesverfassungsgericht den gesetzlichen Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 3 EntschG für nichtig erklärt hat. Denn spätestens durch die Veröffentlichung dieser Entscheidung im Bundesgesetzblatt (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 2 und 3 BVerfGG) erhielten die von § 1 Abs. 3 EntschG Betroffenen die Möglichkeit, vom geltenden Recht verlässlich und zumutbar Kenntnis zu nehmen. Insoweit gilt nichts anderes als bei der jedem Bürger zuzurechnenden Möglichkeit der Kenntnisnahme des Inkrafttretens von Rechtsvorschriften, die ebenfalls nur im jeweiligen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet werden. Die Veröffentlichung der durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG in Verbindung mit dem früher zugegangenen unangreifbaren Bescheid über die Ablehnung der Rückübertragung wegen einer vorrangigen Erstschädigung bot der Klägerin rechtsstaatlich hinreichenden Anlass und Gelegenheit, sich um die Verfolgung des Entschädigungsanspruchs zu kümmern und das hierfür Erforderliche zu unternehmen.

22

3. Die erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

23

Die Rüge des Verstoßes gegen § 88 VwGO steht mit ihren dazu gemachten Ausführungen in offenkundigem Widerspruch zum Sitzungsprotokoll (vgl. § 105 VwGO in Verbindung mit §§ 159 bis 165, §§ 415, 418 ZPO). Danach hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 17. Oktober 2008 ausdrücklich erklärt, die Klage zu erweitern und sie auch gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten. Er hat in Bezug auf den Beklagten einen isolierten Anfechtungsantrag auf Aufhebung der Bescheide vom 31. Juli 2006 und vom 6. September 2007 sowie - ausschließlich - in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland einen Verpflichtungsantrag gestellt. Ein zulässiger Gegenbeweis gegen die inhaltliche Richtigkeit dieser protokollierten Erklärungen ist nicht geführt worden. Nach Abtrennung der die Bundesrepublik Deutschland betreffenden Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren gegen das beklagte Land Berlin somit zu Recht und im Einklang mit § 88 VwGO nur über den von der Klägerin gestellten (isolierten) Anfechtungsantrag entschieden.

24

Die Rüge, die Voraussetzungen des § 93 VwGO für eine Abtrennung der gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Verpflichtungsklage hätten nicht vorgelegen, muss bereits daran scheitern, dass die Entscheidung über die Trennung von Verfahren nach § 146 Abs. 2 VwGO mit der Folge unanfechtbar ist, dass sie nicht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (§ 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO).

25

Das Vorbringen der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe im Rahmen der Nachsichtgewährung einen wichtigen Aspekt völlig übersehen, weil es nicht geprüft habe, ob ein staatliches Fehlverhalten auch in dem Erlass einer verfassungswidrigen Vorschrift wie hier des § 1 Abs. 3 EntschG liegen könne, genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO an die insoweit geltend gemachte Rüge der Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sowie der Aktenwidrigkeit. Der Sache nach zielen die Ausführungen der Klägerin in der äußeren Form einer Verfahrensrüge vielmehr auf eine inhaltliche Kritik der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht und setzen dieser eine eigene Würdigung entgegen, ohne jedoch Anhaltspunkte für eine willkürliche oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßende Tatsachenwürdigung zu benennen.

26

Eine den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO entsprechende Darlegung fehlt auch hinsichtlich der im Zusammenhang mit den Ausführungen zur (fehlenden) sachlichen Zuständigkeit der Beklagten erhobenen Rüge der Verletzung der richterlichen Hinweispflicht und eines daraus resultierenden Verstoßes gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör. Abgesehen davon kann das angefochtene Urteil auf den gerügten Verfahrensfehlern nicht beruhen, da die Frage der sachlichen Zuständigkeit für das Verwaltungsgericht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 EntschG i.V.m. § 37 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Satz 1 VermG nicht entscheidungserheblich war.