Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 28.09.2017


BVerwG 28.09.2017 - 5 C 13/16

Ausnahme der schwerbehindertenrechtlichen Ausgleichsabgabe von der jugendhilferechtlichen Förderung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
28.09.2017
Aktenzeichen:
5 C 13/16
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:280917U5C13.16.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 21. Juni 2016, Az: 4 A 547/15, Urteilvorgehend VG Dresden, 2. September 2015, Az: 1 K 764/13
Zitierte Gesetze
§ 77 SGB 9 vom 14.12.2012
§ 71 Abs 1 SGB 9 vom 14.12.2012

Leitsätze

Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Ermittlung der Höhe der Förderung nach § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII (juris: SGB 8) die von einem freien Träger in Ansatz gebrachte schwerbehindertenrechtliche Ausgleichsabgabe nicht als zuwendungsfähige Ausgabe anerkennt, um zu verhindern, dass deren Antriebsfunktion leerläuft.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer weiteren Zuwendung für ein Kinder- und Jugendhaus in Höhe der dafür anteilig zu entrichtenden schwerbehindertenrechtlichen Ausgleichsabgabe.

2

Die Klägerin ist eine gemeinnützige GmbH, die als Trägerin der freien Jugendhilfe neben vier Kindertagesstätten das Kinder- und Jugendhaus "P." betreibt. Für dieses beantragte sie für das Jahr 2013 die Bewilligung eines Personal- und Sachkostenzuschusses in Höhe von insgesamt 232 532,54 €. Mit Bescheid vom 22. Februar 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf das mit Beschluss des Jugendhilfeausschusses zur Förderung 2012 festgeschriebene Verfahren zur Verteilung der begrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel eine Zuwendung in Höhe von 193 158,32 €. Des Weiteren stellte sie fest, dass die Zuwendung als Projektförderung in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschusses als Festbetrag gewährt werde. Die anteilig auf das Kinder- und Jugendhaus umgelegten Ausgaben für die schwerbehindertenrechtliche Ausgleichsabgabe in Höhe von 350,00 € schloss sie mit der Begründung von der Förderung aus, damit werde keine Leistung der Jugendhilfe erfüllt. Die Ausgleichsabgabe sei zu entrichten, wenn der Arbeitgeber nicht die im Sozialgesetzbuch Neuntes Buch gesetzlich vorgeschriebene Zahl von Schwerbehinderten beschäftige. Sie gehe zulasten der Klägerin, weil diese die gesetzlichen Vorgaben zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen nicht erfülle. Die Abgabe stehe auch in keinem Zusammenhang mit dem geförderten Jugendhilfeprojekt und sei nicht notwendig, um den Zuwendungszweck zu erfüllen. Den beschränkt auf den Ausschluss der Zuwendungsfähigkeit der schwerbehindertenrechtlichen Ausgleichsabgabe erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit wortgleicher Begründung zurück.

3

Die Klage auf Gewährung einer weiteren Zuwendung in Höhe von 350,00 € für das Kinder- und Jugendhaus hat in erster und zweiter Instanz keinen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung nach § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sei fehlerfrei. Für eine Ermessensreduzierung auf "Null" bestünden keine Anhaltspunkte, ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten sei nicht ersichtlich. Die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass eine Übernahme der Ausgleichsabgabe der Antriebsfunktion des § 77 SGB IX zuwider laufe. Da die Ausgleichsabgabe nicht zu den generell erstattungsfähigen Kosten zähle, habe die Beklagte in ihrer Ermessensentscheidung zutreffend geprüft, ob ein Zusammenhang mit dem geförderten Jugendhilfeprojekt vorliege und dies mit richtigen Erwägungen verneint. Es handele sich um Kosten, die wegen der Nichterfüllung der Verpflichtung der Klägerin aus § 71 Abs. 1 SGB IX zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen entstanden seien und ihre Ursache nicht in dem Betrieb des Kinder- und Jugendhauses hätten. Ein Anspruch auf Erstattung der Ausgleichsabgabe stehe der Klägerin auch nicht aus § 74 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 SGB VIII zu. Das Kinder- und Jugendhaus und die von der Klägerin betriebenen Kindertageseinrichtungen stellten keine gleichartigen Maßnahmen dar, weil Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen einer Förderung unterschiedlich ausgestaltet seien.

4

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der angegriffene Bescheid verletze § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, weil die Zuwendungsfähigkeit der Ausgleichsabgabe nicht mit dem Hinweis abgelehnt werden könne, deren Förderung liefe dem Sinn und Zweck des § 77 SGB IX zuwider, weil deren Antriebsfunktion dadurch wirkungslos werde. Darüber hinaus erstatte die Beklagte die Ausgleichsabgabe im Rahmen der institutionellen Förderung der von ihr, der Klägerin, betriebenen Kindertagesstätten, obwohl sie davon ausgehe, dass dies dem Zweck der Ausgleichsabgabe widerspreche. Sie, die Klägerin, bezweifle ohnehin, ob die feste strukturelle Einrichtung des Kinder- und Jugendhauses lediglich ein Projekt darstelle. In die Abwägung sei außerdem einzubeziehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Unternehmen überhaupt in der Lage sei, zur Vermeidung der Ausgleichsabgabe Menschen mit Behinderung dauerhaft zu beschäftigen. In den 18 Jahren, in denen sie jugendhilferechtliche Einrichtungen führe, habe es noch keine einzige Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen als pädagogische Fachkraft gegeben. Die für das Unternehmen erhobene Ausgleichsabgabe werde auf die von ihr betriebenen Einrichtungen umgelegt, so dass sowohl ein sachlicher als auch ein direkter Zusammenhang mit dem geförderten Jugendhilfeprojekt bestehe.

5

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung über die Höhe der Förderung fehlerfrei sei.

7

Die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 74 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3464), auf Bewilligung einer weiteren Zuwendung in Höhe von 350,00 € für das Jahr 2013.

8

Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die freiwillige Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe unter näher bezeichneten Voraussetzungen fördern. Liegen diese Voraussetzungen vor, entscheidet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe über die Art und Höhe der Förderung im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII). Die Beteiligten gehen - wie mit ihnen in der mündlichen Verhandlung erörtert - übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin dem Grunde nach für das Jahr 2013 für die von ihr in Gestalt des Kinder- und Jugendhauses angebotene offene Jugendarbeit im Sinne von § 11 SGB VIII eine Förderung beanspruchen kann. Streitig ist zwischen ihnen allein, ob die Beklagte ihr Ermessen gemäß § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII fehlerfrei ausgeübt hat. Die Ermessensentscheidung der Beklagten über die Art der Förderung ist gerichtlich nicht überprüfbar (1.). Die Ausübung des Ermessens über die Höhe der Förderung lässt keinen Rechtsfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO erkennen (2.).

9

1. Soweit die Klägerin die Förderung der festen strukturellen Einrichtung des Kinder- und Jugendhauses als Projekt in Frage stellt, ist es dem Senat verwehrt, diese Entscheidung der Beklagten auf etwaige Ermessensfehler zu überprüfen. Insoweit ist der Zuwendungsbescheid vom 22. Februar 2013 in Bestandskraft erwachsen.

10

Der unter Ziffer 1.3 dieses Bescheides enthaltene Ausspruch, die Zuwendung werde als Projektförderung in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschusses als Festbetrag gewährt, stellt eine selbständige Regelung dar. Insoweit hat die Klägerin keinen Widerspruch eingelegt. Ausweislich ihres Widerspruchsschreibens vom 8. März 2013 wandte sie sich gegen die ursprüngliche Vernachlässigung der Ausgaben für die Künstlersozialkasse und dagegen, dass die Beklagte die schwerbehindertenrechtliche Ausgleichsabgabe von der Förderung ausgeschlossen hat. Mit allen anderen Festlegungen des Bescheids erklärte sie sich ausdrücklich einverstanden.

11

2. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Entscheidung der Beklagten, der Klägerin für das Kinder- und Jugendhaus im Jahr 2013 eine Zuwendung in Höhe von 193 158,32 € zu gewähren, den Anforderungen an eine sachgerechte Ermessensentscheidung genügt. Diese Entscheidung unterliegt mit Blick auf § 114 Satz 1 VwGO grundsätzlich nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Zu überprüfen ist lediglich, ob sich die Beklagte in den gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens gehalten und von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ein Anspruch auf eine Förderung in bestimmter Höhe besteht nur ausnahmsweise im Fall einer entsprechenden Ermessensreduktion "auf Null", also wenn keine andere Entscheidung ermessensfehlerfrei wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 C 25.08 - BVerwGE 134, 206 Rn. 28 m.w.N.). Die für einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer weiteren Zuwendung erforderliche Ermessensreduzierung ist nicht gegeben (a). Die Ermittlung des Förderbetrages unter Außerachtlassung des von der Klägerin im Antragsformular in Ansatz gebrachten Anteils der schwerbehindertenrechtlichen Ausgleichsabgabe ist auch im Übrigen nicht ermessensfehlerhaft (b).

12

a) Das Ermessen der Beklagten war nicht in der Weise reduziert, dass die auf das Kinder- und Jugendhaus umgelegte schwerbehindertenrechtliche Ausgleichsabgabe bei der Bestimmung der Höhe der Förderung zwingend zu berücksichtigen gewesen wäre. Eine derartige Ermessensreduzierung lässt sich - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht damit begründen, dass diese Abgabe bei der institutionellen Förderung der von der Klägerin betriebenen Kindertagesstätten als zuwendungsfähige Ausgabe zugrunde gelegt wurde.

13

Die Beklagte vermag sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg auf § 74 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII zu berufen. Nach dieser Bestimmung, die den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG konkretisiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2010 - 5 CN 1.09 - Buchholz 436.511 § 74a KJHG/SGB VIII Nr. 1 Rn. 21), sind bei der Förderung gleichartiger Maßnahmen mehrerer Träger unter Berücksichtigung ihrer Eigenleistungen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen. Es kann hier dahinstehen, ob die Bestimmung - wie die Vorinstanz meint - für die Förderung gleichartiger Maßnahmen desselben Trägers entsprechend anwendbar ist. Ihr Anwendungsbereich ist hier schon deshalb nicht eröffnet, weil mit dem Kinder- und Jugendhaus einerseits und den Kindertagesstätten andererseits keine gleichartigen Maßnahmen verfolgt werden.

14

Die Gleichartigkeit der genannten Maßnahmen ist hier bereits mit Blick auf die unterschiedliche Art ihrer Förderung zu verneinen. Für das streitgegenständliche Jahr hat die Beklagte, wie dargelegt, bestandskräftig und damit nicht mehr abänderbar festgelegt, das Kinder- und Jugendhaus als Projekt zu fördern. Die Projektförderung beinhaltet in der Regel und so auch hier (vgl. Ziffer 3.2 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie zur Gewährung von Zuwendungen aus dem Haushalt der Landeshauptstadt Dresden vom 21. Juni 2000 - Rahmenrichtlinie - RRl) Zuwendungen zur Deckung von Ausgaben für einzelne, zeitlich und inhaltlich abgrenzbare Vorhaben des Zuwendungsempfängers. Für die Kindertagesstätten wurde demgegenüber eine institutionelle Förderung bewilligt. Bei einer solchen Förderung wird die Zuwendung zur Deckung der Ausgaben des Zuwendungsempfängers insgesamt oder eines nicht abgrenzbaren Teils seiner Ausgaben gewährt (vgl. Ziff. 3.1 Abs. 1 RRl). Gefördert wird also der Zuwendungsempfänger als solcher.

15

An der Gleichartigkeit der Maßnahmen fehlt es auch deshalb, weil diese auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen. Während das Kinder- und Jugendhaus ein Angebot der Jugendarbeit im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII darstellt, werden Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen unter § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII als eigenständige Leistungsart der Kinder- und Jugendhilfe genannt. Die beiden Leistungsarten unterscheiden sich nicht nur begrifflich, sondern sind in § 11 SGB VIII bzw. §§ 22 ff. SGB VIII auch unterschiedlich ausgestaltet. Insbesondere räumt § 24 SGB VIII dem Kind - abhängig vom Alter unter bestimmten Voraussetzungen - ein subjektives Recht auf Förderung in einer Tageseinrichtung ein, während nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zwar eine Verpflichtung des Staates besteht, jungen Menschen die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen, aber kein subjektiver Anspruch auf die Bereitstellung eines bestimmten Angebots begründet wird.

16

Die Maßnahmen unterscheiden sich außerdem im Hinblick auf den Handlungsspielraum, der der Beklagten bei der Förderentscheidung eingeräumt ist. Die Entscheidung über die hier nur noch überprüfbare Höhe der Förderung des Kinder- und Jugendhauses als einem Angebot der freien Jugendarbeit steht nach § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII im Ermessen der Beklagten. Dagegen ist der Beklagten bei der Entscheidung über die Förderung der Kindertagesstätten der Klägerin nach der gemäß § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindenden Auslegung des insoweit maßgeblichen Landesrechts (vgl. § 74a Satz 1 SGB VIII i.V.m. §§ 14, 15 des Sächsischen Gesetzes zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. Mai 2009 ) durch das Oberverwaltungsgericht kein Ermessen eingeräumt.

17

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich nichts anderes.

18

b) Die Beklagte hat das ihr nach § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hinsichtlich der Höhe der Förderung eingeräumte Ermessen auch ansonsten nach Maßgabe des § 114 VwGO fehlerfrei ausgeübt.

19

Sie hat in dem Zuwendungs- und in dem Widerspruchsbescheid die Übernahme der streitigen Abgabe abgelehnt, weil mit ihr "keine Leistung erfüllt" werde, sie in keinem Zusammenhang mit den geförderten Jugendhilfeprojekten stehe und sie auch nicht notwendig sei, um den Zuwendungszweck zu erfüllen. In dem Klageverfahren hat sie diese Erwägungen in Bezug genommen und "ergänzend" dargelegt, es widerstreite der mit der Ausgleichsabgabe verfolgten Antriebsfunktion, sie als förderungsfähige Ausgabe zu bewerten und über Fördermittel zu finanzieren. Es kann dahingestellt bleiben, ob der zuletzt genannte Gesichtspunkt in der Sache bereits im Verwaltungsverfahren erwogen worden war. Jedenfalls ist er im Klageverfahren von der Beklagten in ihre Ermessensentscheidung eingestellt worden. Er ist vom Senat auch dann zu berücksichtigen, wenn er im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben worden sein sollte. Daran war die Beklagte weder nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht noch nach materiellem Recht oder prozessrechtlich (§ 114 Satz 2 VwGO) gehindert (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 32 m.w.N.). Die hier in Rede stehende Begründung erweist sich als ermessensfehlerfrei. Insbesondere trägt sie dem Zweck der Ermächtigung hinreichend Rechnung.

20

Die grundsätzliche Förderungspflicht nach § 74 SGB VIII, die dem allgemeinen Gebot der Förderung nach § 4 Abs. 3 SGB VIII Rechnung trägt, beruht auf der Entscheidung des Gesetzgebers für die "Pluralität der Jugendhilfe" (vgl. § 3 Abs. 1 SGB VIII). Die Förderung der freien Träger der Jugendhilfe soll die Pluralität der Träger und die Pluralität der Inhalte, Methoden und Arbeitsformen ermöglichen, unterstützen und effektiv gewährleisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2010 - 5 CN 1.09 - Buchholz 436.511 § 74a KJHG/SGB VIII Nr. 1 Rn. 31; vgl. auch Kern, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Aufl. 2017, § 74 Rn. 1 und Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 74 Rn. 1). Die Ermessensermächtigung des § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII bezweckt, dass dem mit der Förderungspflicht verfolgten Zweck auch bei der Entscheidung über die Art und Höhe der Förderung Geltung verschafft wird. Die Ausübung des von § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII eingeräumten Ermessens muss diesen Zweck wahren. Unter dem Zweck einer Ermächtigung nach § 114 Satz 1 VwGO ist aber nicht nur deren isoliert betrachtete Zielsetzung im engeren Sinn zu verstehen. Berücksichtigt werden können auch andere in der Rechtsordnung zum Ausdruck kommende Zwecke (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 1992 - 10 C 2.91 - BVerwGE 91, 159 <163> m.w.N.), wenn und soweit sie dem Zweck der Ermächtigung im engeren Sinn nicht widerstreiten. So verhält es sich hier mit dem von der Beklagten in die Ermessensausübung auch eingestellten Zweck des § 77 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2012 (BGBl. S. 2597).

21

Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB IX entrichten Arbeitgeber, die die vorgeschriebene Anzahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen eine Ausgleichsabgabe. Diese Abgabe verfolgt auch den Zweck, die Arbeitgeber anzuhalten, schwerbehinderte Menschen einzustellen (Antriebsfunktion) (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Mai 1981 - 1 BvL 56/78 u.a. - BVerfGE 57, 139 <167 ff.>; BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 5 C 20.12 - Buchholz 436.62 § 77 SGB IX Nr. 1 Rn. 22). Es läuft dem Zweck des § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII nicht zuwider, wenn die Beklagte annimmt, bei Einbeziehung der Ausgleichsabgabe in die Förderung liefe der mit der Abgabe verfolgte Zweck leer, weil der geförderte Träger auf die Beschäftigung der vorgeschriebenen Anzahl schwerbehinderter Menschen verzichten könne, ohne dass er im Ergebnis durch die Abgabe belastet werde (vgl. auch BAG, Urteil vom 11. März 1998 - 5 AZR 567/96 - BAGE 88, 151 <156 f.> zur Entnahme der Ausgleichsabgabe aus dem gesetzlich für den Personalaufwand bestimmten Spielbank-Tronc). Es stellt insofern keinen Ermessensfehler dar, wenn die Beklagte, um dies zu verhindern, die schwerbehindertenrechtliche Ausgleichsabgabe bei der Ermittlung der Förderungshöhe nicht als zuwendungsfähige Ausgabe anerkennt. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn eine konkrete Jugendhilfemaßnahme mit der Anerkennung der Ausgleichsabgabe als zuwendungsfähig steht und fällt. Dafür besteht angesichts der Höhe der umgelegten Ausgleichsabgabe hier kein Anhaltspunkt.

22

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die hier in Rede stehende Ermessenserwägung ohne Rücksicht darauf Bestand, ob und in welchem Umfang die Klägerin über geeignete Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen verfügt und ihr entsprechende Bewerbungen unterbreitet worden sind. Die Ausgleichsabgabe ist auch von dem Arbeitgeber zu entrichten, der aus betrieblichen Gründen keine schwerbehinderten Menschen einstellen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2001 - 5 C 26.01 - BVerwGE 115, 312 <318 f.>). Nichts anderes gilt für die an dem Zweck der Ausgleichsabgabe ausgerichtete Ermessenserwägung der Beklagten.

23

Mithin kann dahingestellt bleiben, ob die anderen von der Beklagten angestellten Ermessenserwägungen fehlerfrei sind. Denn für die Rechtmäßigkeit einer auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützten Ermessensentscheidung genügt es, dass - wie hier - einer dieser Gründe rechtlich fehlerfrei ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10 S. 12 f. m.w.N.).

24

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.