Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 24.09.2012


BVerwG 24.09.2012 - 5 B 30/12

Ablehnung eines Beweisantrags wegen mangelnder Substantiierung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
24.09.2012
Aktenzeichen:
5 B 30/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 9. Februar 2012, Az: 11 A 4791/04, Urteil
Zitierte Gesetze

Gründe

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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Der geltend gemachte Verfahrensfehler rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

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Die Beschwerde rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und der gerichtlichen Amtsermittlungs- bzw. Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), weil das Oberverwaltungsgericht den hilfsweise gestellten Beweisantrag der Klägerin in den Gründen des angefochtenen Urteils abgelehnt hat. Mit diesem Antrag hat sie begehrt, zum Beweis dafür, dass sie mit ihrem Vater und auch mit den unmittelbaren Nachbarn bis zu ihrem vierten Lebensjahr überwiegend Deutsch gesprochen habe und sich zu diesem Zeitpunkt auch auf Deutsch habe unterhalten können und zum Beweis dafür, dass bis zum Tode des Vaters in der Familie neben Russisch gelegentlich auch Deutsch gesprochen worden sei, was dazu geführt habe, dass sie damals und aufgrund des in der Familie Vermittelten auch im maßgeblichen Zeitpunkt ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache habe führen können, ihre Schwester als Zeugin zu vernehmen. Die Ablehnung dieses Beweisantrags führt jedoch nicht zur Zulassung der Revision.

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a) Das Prozessgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG wird zwar auch dann verletzt, wenn das Gericht einem (nur) hilfsweise gestellten Beweisantrag nicht nachgeht, obgleich dies im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerfG, Beschlüsse vom 22. September 2009 - 1 BvR 3501/08 - juris und vom 20. Februar 1992 - 2 BvR 633/91 - NVwZ 1992, 659 <660>; BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 1999 - BVerwG 9 B 81.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302). Dass Beweisanträge nicht unbedingt gestellt sind, entbindet das Gericht lediglich von der verfahrensrechtlichen Pflicht des § 86 Abs. 2 VwGO, über sie vorab durch Gerichtsbeschluss zu entscheiden, nicht aber von den sonst für die Behandlung von Beweisanträgen geltenden verfahrensrechtlichen Bindungen, wenn sie sich als erheblich erweisen (BVerfG, Beschluss vom 22. September 2009 a.a.O.). Der von der Beschwerde erhobene Vorwurf, dass die Ablehnung des (Hilfs-)Beweisantrages durch das Oberverwaltungsgericht keine Stütze im Prozessrecht finde, trifft jedoch nicht zu.

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Dabei kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht den Beweisantrag der Klägerin im Hinblick auf das Merkmal der familiären Vermittlung der deutschen Sprache (§ 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG) zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt hat, es handle sich um einen unzulässigen Beweisermittlungs- bzw. Ausforschungsbeweisantrag, weil die als Zeugin benannte Schwester einen Sachverhalt bestätigen solle, den die Klägerin nicht schlüssig bzw. widersprüchlich vorgetragen habe (UA S. 15). Selbst wenn insoweit eine rechtsfehlerhafte Ablehnung des Beweisantrags vorläge, könnte das Urteil des Oberverwaltungsgerichts auf diesem Fehler nicht beruhen.

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Liegt nämlich ein Verfahrensfehler wie etwa ein Gehörsverstoß vor, der sich auf einzelne tatsächliche Festsstellungen oder einzelne Rechtsfragen - wie hier die Frage der familiären Vermittlung der deutschen Sprache im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG - bezieht und der sich nicht auf das ganze Urteil auswirken kann, so ist dessen Aufhebung und die Zurückverweisung des Rechtsstreits (vgl. § 133 Abs. 6, § 144 Abs. 4 VwGO) nicht gerechtfertigt (Urteil vom 2. September 1999 - BVerwG 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <285>). Gleiches gilt für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Ist ein Urteil nebeneinander auf mehrere je selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa Beschlüsse vom 28. Dezember 2010 - BVerwG 5 B 22.10 - juris Rn. 12 und vom 26. Oktober 1989 - BVerwG 9 B 405.89 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 212). Das ist hier nicht der Fall.

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Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Aufnahmebescheides verneint, weil die Voraussetzungen der als entscheidungstragend herangezogenen Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG aus seiner Sicht in zwei Punkten nicht erfüllt gewesen sind. Es hat sich - jeweils selbständig tragend - zum einen darauf gestützt, dass die Klägerin in dem nach seiner Ansicht maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über ihren Aufnahmeantrag im Jahre 2000 ein einfaches Gespräch auf Deutsch nicht habe führen können und dass der Klägerin zum anderen die deutsche Sprache nicht ausreichend familiär vermittelt im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG worden sei (UA S. 9 ff., 13 ff.).

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Soweit das Oberverwaltungsgericht sein Urteil - selbständig tragend - darauf gestützt hat, dass die Klägerin die Anforderungen des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG insoweit nicht erfüllte, als sie im maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über ihren Aufnahmeantrag im Jahre 2000 nicht in der Lage gewesen sei, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen, hat die Beschwerde nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass dem Oberverwaltungsgericht insoweit durch die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags, die Schwester der Klägerin zu der vorgenannten Frage als Zeugin zu vernehmen, ein Verfahrensfehler unterlaufen ist. Vielmehr finden seine Ablehnungsgründe jedenfalls insoweit im Prozessrecht eine Stütze. Das Oberverwaltungsgericht hat den vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten (Hilfs-)Beweisantrag mit der Begründung (UA S. 15) abgelehnt, dass der Vortrag der Klägerin, ihre Schwester könne bestätigen, dass sie im Jahr 2000 ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache habe führen können, unsubstantiiert sei, weil in dem Beweisantrag als "Tatsache" nur der Gesetzeswortlaut wiederholt worden und zudem nicht ersichtlich sei, dass die Schwester, die am 8. Juni 1999 selbst kein einfaches Gespräch auf Deutsch habe führen können, mit der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt überhaupt deutsch gesprochen habe und die damaligen Sprachkenntnisse der Klägerin habe beurteilen können. Darin liegt entgegen der Beschwerde weder eine unzulässige Vorwegnahme der Beweisaufnahme noch eine Überspannung der Anforderungen an die Substantiierung von Beweisanträgen.

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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass das Tatsachengericht unsubstantiierten Beweisangeboten nicht nachgehen muss (stRspr, vgl. Beschluss vom 29. März 1995 - BVerwG 11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266; ebenso etwa auch BFH, Beschluss vom 1. Februar 2007 - VI B 118/04 - NJW 2007, 1615 <1616>). Um die Erheblichkeit eines Beweisantrags beurteilen zu können, ist es unerlässlich, dass er konkrete Beweisbehauptungen enthält und zudem dargelegt wird, weshalb das benannte Beweismittel hierüber Erkenntnisse zu vermitteln vermag (vgl. Beschlüsse vom 28. Dezember 2010 a.a.O. und vom 4. Dezember 1998 - BVerwG 8 B 187.98 - Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1). Dementsprechend bezieht sich die Pflicht zur Substantiierung eines Zeugenbeweisantrags (§ 98 VwGO, § 373 ZPO) zum einen auf das Beweisthema, also die Bestimmtheit der Beweistatsachen und deren Wahrheit, und zum anderen darauf, welche einzelnen Wahrnehmungen der angebotene Zeuge in Bezug auf das Beweisthema (also in Bezug auf die Beweistatsachen oder auf die zu deren Ermittlung dienenden Hilfstatsachen oder Indiztatsachen) selbst gemacht haben soll. Nur auf der Grundlage solcher Angaben kann das Gericht prüfen, ob die beantragte Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts beitragen kann und deshalb entweder im Rahmen der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Aufklärungspflicht oder mangels Vorliegens eines prozessrechtlich zulässigen Ablehnungsgrundes durchzuführen ist (Beschlüsse vom 29. Juni 2001 - BVerwG 1 B 131.00 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 63 und vom 28. Oktober 2002 - BVerwG 5 B 225.02 - BA S. 14 jeweils m.w.N.).

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Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs hat das Berufungsgericht den (Hilfs-)Beweisantrag der Klägerin in prozessrechtlich nicht zu beanstandender Weise wegen mangelnder Substantiierung abgelehnt. Mit der Formulierung ihres Beweisantrags und ihrem sonstigen Vortrag hat die Klägerin - wie das Berufungsgericht zu Recht moniert hat - schon nicht aufgezeigt, aufgrund welcher eigenen Wahrnehmungen ihre Schwester - trotz der Feststellung des Berufungsgerichts, dass diese wegen Nichtbestehens eines Sprachtestes am 8. Juni 1999 ein einfaches Gespräch auf Deutsch selbst nicht führen konnte - über diese Fähigkeit der Klägerin zu dem nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichts entscheidungserheblichen Zeitpunkt im Jahr 2000 eine tatsachengestützte Bewertung hätte abgeben können. Allein die in dem Hilfsbeweisantrag enthaltene, den Gesetzeswortlaut wiederholende pauschale Behauptung der Klägerin, ihre Schwester werde aussagen, dass sie, die Klägerin, zum genannten Zeitpunkt in der Lage gewesen sei, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen, genügt - bei der vorliegenden Sachlage - den Substantiierungsanforderungen nicht. Bei dieser Sachlage wäre dazu etwa erforderlich gewesen, dass die Klägerin dem Oberverwaltungsgericht tatsächliche Anhaltspunkte dazu vermittelt hätte, aufgrund welcher eigenen Beobachtungen die Schwester etwas über ihre, der Klägerin, Kenntnisse und Sprachfähigkeiten vermitteln konnte (etwa wann und wo sie mit der Klägerin Deutsch gesprochen bzw. diese hat Deutsch sprechen hören und aus welchem Anlass Deutsch gesprochen wurde) und wie die Schwester diese Sprachfertigkeiten - trotz des negativen Ausgangs ihres eigenen Deutschtests - hat beurteilen können.

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b) Das Oberverwaltungsgericht hat im Hinblick auf das vorgenannte Beweisthema (Fähigkeit der Klägerin, zum maßgeblichen Zeitpunkt ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können) durch die genannte Ablehnung des hilfsweise gestellten Beweisantrags auch nicht gegen den Aufklärungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen. Der Vorwurf einer Verletzung der Aufklärungspflicht ist bei der Ablehnung eines Hilfsbeweisantrags nur dann begründet, wenn sich dem Gericht, namentlich im Hinblick auf die hilfsweise angeregte Beweiserhebung, eine weitere Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen (vgl. etwa Beschlüsse vom 12. März 2010 - BVerwG 8 B 90.09 - juris Rn. 19 und vom 10. Juni 1999 a.a.O. m.w.N.). Dies war hier jedoch nicht der Fall. Dem Oberverwaltungsgericht musste sich, weder aufgrund des hinreichend substantiierten Beweisantrags noch aufgrund der Aktenlage eine weiter gehende Beweiserhebung durch Vernehmung der Schwester der Klägerin zu dem vorgenannten Beweisthema aufdrängen.

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2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).