Entscheidungsdatum: 08.12.2010
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 18. März 2010 - 6 Sa 69/09 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Die klagende Bundesagentur für Arbeit nimmt die Beklagte als Hauptunternehmerin wegen der Leistung von Insolvenzgeld aus übergegangenem Recht nach § 1a Arbeitnehmer-Entsendegesetz in der vom 1. April 2006 bis zum 30. Juni 2007 bzw. 1. Juli 2007 bis zum 23. April 2009 geltenden Fassung (im Folgenden: AEntG aF) in Anspruch.
Die Beklagte ist ein Bauunternehmen und führte das Bauvorhaben „E“ durch. Sie betraute die B mit der Ausführung des Gewerks Stahlfaserbetonsohle. Über das Vermögen der B wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 16. Juli 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Klägerin gewährte ua. dem bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer P Insolvenzgeld und meldete am 2. August 2007 übergegangene Ansprüche auf Arbeitsentgelt iHv. insgesamt 300.000,00 Euro zur Tabelle an. Mit Schreiben vom 4. September 2008 machte sie gegenüber der Beklagten einen Anspruch nach § 1a AEntG iHv. 1.689,50 Euro geltend.
Mit ihrer am 6. November 2008 eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der Arbeitnehmer P sei im Insolvenzgeldzeitraum auf dem Bauvorhaben „E“ beschäftigt gewesen. Dessen Anspruch gegen die Beklagte aus § 1a AEntG aF sei nach § 187 SGB III auf sie übergegangen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.440,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. |
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Haftung nach § 1a AEntG aF gehe nicht auf die Bundesagentur für Arbeit über. Das ergebe sich aus dem Schutzzweck der Vorschrift und aus ihren Grundrechten. Zudem hat sie sich auf den Verfall der Ansprüche berufen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, es könne dahingestellt bleiben, ob der Arbeitnehmer der B, dem die Klägerin Insolvenzgeld gewährte, gegen die Beklagte einen Anspruch nach § 1a AEntG aF habe. Dieser Anspruch sei jedenfalls nicht nach § 187 Satz 1 SGB III auf die Klägerin übergegangen. Das ergebe eine verfassungskonforme Auslegung der Norm. Den Gesetzesmaterialien seien keine Hinweise dafür zu entnehmen, der Gesetzgeber habe den Fall der Insolvenz des Nachunternehmers bedacht bzw. die wirtschaftliche Entlastung der Bundesagentur für Arbeit als Zielsetzung erwogen. Sinn und Zweck der Regelung sprächen dafür, das Insolvenzrisiko des Nachunternehmers dem Hauptunternehmer nur im Falle seiner Inanspruchnahme durch die beim Nachunternehmer beschäftigten Arbeitnehmer aufzuerlegen, nicht aber bei einer Inanspruchnahme durch die Bundesagentur für Arbeit aus übergegangenem Recht. Anderenfalls eröffne sich der Bundesagentur für Arbeit eine Möglichkeit zur Refinanzierung des Insolvenzgelds, die mit einer zusätzlichen Belastung des (Bau-)Hauptunternehmers verbunden wäre. Für eine Ungleichbehandlung der Unternehmen der Bauwirtschaft gegenüber Unternehmen anderer Branchen, die Nachunternehmen einsetzten, seien im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG keine verfassungsrechtlich hinreichenden sachlichen Gründe erkennbar.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis.
1. Der Anspruch eines Arbeitnehmers des Nachunternehmers gegen den Hauptunternehmer nach § 1a AEntG aF - sein Bestehen auch in der Insolvenz des Nachunternehmers zugunsten der Klägerin unterstellt - geht weder unmittelbar nach § 187 Satz 1 SGB III noch iVm. §§ 412, 401 Abs. 1 BGB auf die Klägerin über.
a) Gemäß § 187 Satz 1 SGB III gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit über die Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen. Das ist der (Mindest-)Lohnanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber (vgl. § 183 Abs. 1 SGB III; Krodel in Niesel SGB III 4. Aufl. § 183 Rn. 61), nicht aber die Haftung nach § 1a AEntG aF. Letztere begründet keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Soweit die Entscheidungen des Senats vom 12. Januar 2005 (- 5 AZR 617/01 - zu IV 2 b bb (1) und IV 2 c dd (4) der Gründe, BAGE 113, 149 und - 5 AZR 279/01 - zu V 2 b bb (1) und V 2 c dd (4) der Gründe, EzAÜG AEntG § 1a Nr. 7) dahingehend verstanden werden könnten, der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Hauptunternehmer aus § 1a AEntG aF gehe nach § 187 Satz 1 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit über, hält der Senat daran nicht fest.
b) Der Übergang der Haftung nach § 1a AEntG aF vollzieht sich auch nicht aufgrund von §§ 412, 401 Abs. 1 BGB. Nach § 412 BGB findet auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes ua. die Vorschrift des § 401 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung. Danach gehen mit der abgetretenen Forderung die Hypotheken, Schiffshypotheken oder Pfandrechte, die für sie bestehen, sowie die Rechte aus einer für sie bestellten Bürgschaft auf den neuen Gläubiger über.
Die Haftung nach § 1a AEntG aF ist keine iSd. § 401 Abs. 1 BGB bestellte Bürgschaft, sondern eine gesetzlich angeordnete Bürgenhaftung (vgl. BAG 2. August 2006 - 10 AZR 688/05 - Rn. 14, BAGE 119, 170; Mohr in Thüsing AEntG § 14 Rn. 3). Es ist zwar allgemein anerkannt, dass die Aufzählung in § 401 Abs. 1 BGB nicht abschließend ist und die analoge Anwendung der Vorschrift auf nicht ausdrücklich genannte Nebenrechte im Gesetzgebungsverfahren als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift erfasst sie auch andere unselbständige Sicherungsrechte sowie Hilfsrechte, die zur Durchsetzung der Forderung erforderlich sind (BGH 7. Dezember 2006 - IX ZR 161/04 - ZInsO 2007, 94; 19. März 1998 - IX ZR 242/97 - BGHZ 138, 179; ähnlich BAG 23. Januar 1990 - 3 AZR 171/88 - zu III 2 b der Gründe, BAGE 64, 62). Die Haftung nach § 1a AEntG aF ist aber im Verhältnis zum Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber nicht als ein solches Nebenrecht anzusehen (aA, jedoch ohne Begründung, Däubler/Lakies TVG 2. Aufl. Anh. 2 zu § 5 TVG Rn. 14; Koberski/Asshoff/Hold AEntG 2. Aufl. § 1a Rn. 25; Ulber AEntG § 14 Rn. 23; Voelzke in Hauck/Noftz SGB III Stand Dezember 2010 § 187 Rn. 27). Zur Durchsetzung des Mindestlohnanspruchs des Arbeitnehmers ist der Übergang der gesetzlich angeordneten Bürgenhaftung nicht erforderlich, denn mit dem Insolvenzgeld ist dem Arbeitnehmer in diesem Umfange die Erfüllung seines Anspruchs gewiss.
Zudem ergibt sich dieses Ergebnis aus den Normzwecken des § 1a AEntG aF. § 401 Abs. 1 BGB bezweckt, dass bei der Übertragung einer Forderung die mit ihr verbundenen rechtlichen Vergünstigungen und Vorteile auch dem neuen Gläubiger erhalten bleiben (MünchKommBGB/Roth 5. Aufl. § 401 BGB Rn. 1). Bei der Abtretung der Hauptforderung gehen deshalb solche Nebenrechte auf den neuen Gläubiger über, die zwar nicht in § 401 Abs. 1 BGB ausdrücklich genannt sind, aber gleichwohl der Verwirklichung und Sicherung der Hauptforderung dienen (Staudinger/Busche Neubearbeitung 2005 § 401 BGB Rn. 28). Über den Zweck des § 401 Abs. 1 BGB geht die Haftung des Hauptunternehmers nach § 1a AEntG aF jedoch hinaus. Sie ist kein bloßes Hilfsrecht zur Durchsetzung des Mindestlohnanspruchs aus dem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Nachunternehmer, sondern verschafft dem Arbeitnehmer einen weiteren Schuldner, den er unmittelbar in Anspruch nehmen kann. Die Haftung nach § 1a AEntG aF dient nicht nur der Sicherung des Lohnanspruchs des Arbeitnehmers gegen den Nachunternehmer als seinem Arbeitgeber. Sie soll zwar auch sicherstellen, dass die Arbeitnehmer des Nachunternehmers unabhängig von den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen den rechtlich garantierten Mindestlohn tatsächlich durchsetzen können und tatsächlich erhalten, sie verfolgt aber zugleich präventive Zwecke. Seine Haftung nach § 1a AEntG aF soll den Hauptunternehmer veranlassen, bei der Vergabe von Aufträgen an Nachunternehmer verstärkt auf deren Zuverlässigkeit zu achten und so dazu beizutragen, dass zwingende Mindestarbeitsbedingungen eingehalten werden (BVerfG 20. März 2007 - 1 BvR 1047/05 - zu IV 2 b bb (2) (b) der Gründe, EzAÜG GG Nr. 9). Außerdem wollte der Gesetzgeber damit Schwarzarbeit in der Bauwirtschaft verhindern, mehr Arbeitsplätze schaffen und Schmutzkonkurrenz unterbinden, die kleinere und mittlere Betriebe in der Vergangenheit vom Markt gedrängt hatte (vgl. BVerfG 20. März 2007 - 1 BvR 1047/05 - zu IV 2 b bb (1) (a) der Gründe, aaO; BT-Drucks. 14/45 S. 17; BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 617/01 - zu IV 2 b bb (1) der Gründe, BAGE 113, 149). Das verbietet es, die Haftung des Hauptunternehmers nach § 1a AEntG aF als bloßes Nebenrecht zum Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers gegen den Nachunternehmer anzusehen und schließt die analoge Anwendung des § 401 Abs. 1 BGB aus.
2. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Haftung des Hauptunternehmers nach § 1a AEntG aF entsprechend dem Gesetzeswortlaut auch im Falle der Insolvenz des Nachunternehmers besteht oder dem Art. 12 Abs. 1 GG entgegensteht (ausdrücklich offengelassen in BVerfG 20. März 2007 - 1 BvR 1047/05 - zu IV 2 b bb (4) (b) der Gründe, EzAÜG GG Nr. 9).
III. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
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Müller-Glöge |
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Laux |
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Biebl |
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Feldmeier |
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Mandrossa |