Entscheidungsdatum: 17.02.2011
Die Anträge des Angeklagten vom 27. September 2010 und vom 7. Dezember 2010 werden als unbegründet verworfen.
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 5. Juli 2010 wirksam zurückgenommen ist.
Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 5. Juli 2010 wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger des Angeklagten am 8. Juli 2010 Revision eingelegt. Der Angeklagte hat mit einem am 20. September 2010 beim Landgericht eingegangenen Schreiben [Bd. V Bl. 10] mitgeteilt, dass er die Revision nicht durchführen wolle. Nach Kenntnisnahme von diesem Schreiben hat der Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 27. September 2010 [Bd. V Bl. 114] die Ansicht vertreten, dass die Revision nicht wirksam zurückgenommen sei, und beantragt, eine Entscheidung des Revisionsgerichts dazu einzuholen.
Mit Beschluss vom 4. Oktober 2010 hat das Landgericht eine Entscheidung über die Kosten des zurückgenommenen Rechtsmittels nach § 473 Abs. 1 StPO getroffen [Bd. V Bl. 126]. Hiergegen hat der Verteidiger fristgerecht Kostenbeschwerde erhoben; zugleich hat er seine Rechtsansicht wiederholt, dass die Revision nicht wirksam zurückgenommen sei [Bd. V Bl. 142 = SH 37]. Das OLG Naumburg hat mit Beschluss vom 2. November 2010 festgestellt, dass eine Entscheidung über die Kostenbeschwerde erst dann veranlasst ist, wenn über die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme entschieden ist [Bd. V Bl. 152-154]. Daraufhin hat das Landgericht mit Beschluss vom 26. November 2010 entschieden, dass die Revision vom Angeklagten wirksam zurückgenommen sei [Bd. V Bl. 159, 160]. Hiergegen hat der Angeklagte mit Schreiben seines Verteidigers vom 7. Dezember 2010 "sofortige Beschwerde" eingelegt [Bd. V Bl. 167 = SH 46], die als - erneuter - Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts anzusehen ist.
Die Anträge auf Entscheidung des Revisionsgerichts vom 27. September 2010 und vom 7. Dezember 2010 sind zulässig, haben aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Wird die Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme von einem Verfahrensbeteiligten in Zweifel gezogen, so ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Sache des Revisionsgerichts, hierüber eine feststellende Erklärung zu treffen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. April 1991 - 3 StR 354/90, BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 8; vom 20. Juli 2004 - 4 StR 249/04, NStZ 2005, 113; und vom 20. September 2007 - 4 StR 297/07, NStZ 2009, 51; vgl. auch KK-Paul, StPO, 6. Aufl., § 302 Rn. 14a). Zwar wird die Auffassung vertreten, dass bis zum Eingang der Akten beim Revisionsgericht insoweit die Zuständigkeit des index a quo gegeben ist (Löwe/Rosenberg-Hanack, StPO, 25. Aufl., § 302 Rn. 76; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 302 Rn. 11a). Ob dies auch dann gelten kann, wenn von einem Verfahrensbeteiligten die Wirksamkeit der Rücknahme bereits in Zweifel gezogen war, mag dahinstehen. Jedenfalls ist nach einer Entscheidung durch den iudex a quo und bei Fortbestehen des Streites das Rechtsmittelgericht zur abschließenden Entscheidung über die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme berufen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2004 - 4 StR 249/04, NStZ 2005, 113; und vom 8. März 2005 - 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211).
2. Die Revision ist wirksam zurückgenommen.
Dabei ist ohne Bedeutung, dass sie vom Verteidiger des Angeklagten eingelegt worden war, denn auch ein vom Verteidiger eingelegtes Rechtsmittel kann vom Angeklagten zurückgenommen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2005 - 1 StR 563/04, BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 10; vgl. auch Meyer-Goßner aaO § 302 Rn. 4 m.w.N.).
Die Rücknahme konnte durch das im Auftrag des Angeklagten von einem Mitgefangenen geschriebene und von ihm persönlich unterschriebene Schreiben erfolgen, da für die Rücknahme eines Rechtsmittels dieselben Formerfordernisse gelten wie für dessen Einlegung. Eine eigenhändige Abfassung des Schriftstücks ist nicht erforderlich.
In diesem an das Landgericht gesandten Schreiben hat der Angeklagte - ungeachtet der ungelenken Wortwahl - klar zum Ausdruck gebracht, dass er sein Rechtsmittel zurücknimmt. Dies hat er gegenüber einem Mitarbeiter der JVA Halle I am 28. September 2010 auch nochmals bekräftigt [SH 36; Bd. V Bl. 130, 131].
Anhaltspunkte dafür, dass sich der Angeklagte der Bedeutung und Tragweite seiner Erklärung nicht bewusst war, bestehen nicht. Der Angeklagte ist zwar Analphabet und steht unter umfassender Betreuung [UA 8]. Nach dem vom Landgericht eingeholten psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S liegt bei ihm zudem eine leichte Intelligenzminderung vor, die zu Defiziten in den sozialen und zwischenmenschlichen Fertigkeiten führt [UA 23]. Er war aber in der Hauptverhandlung in der Lage, sich mündlich verständlich zu machen, auf Fragen adäquat zu antworten und dem Verhandlungsablauf zu folgen [SH 43].
Darauf, dass der Angeklagte am 24. September 2010 bei einem Gespräch mit seinem Verteidiger in Gegenwart der Berufsbetreuerin auf Grund der mehrfachen Nachfrage des Verteidigers letztlich seine Zustimmung dazu erklärt hat, dass die Revision durchgeführt werden soll, kommt es nicht an. In diesem Zeitpunkt war das Revisionsverfahren bereits durch die wirksame Rücknahme des Rechtsmittels abgeschlossen. Die Rücknahmeerklärung ist nach ständiger Rechtsprechung unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner aaO § 302 Rn. 9 und 10). Ein Fall, in dem ausnahmsweise die Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung angenommen werden könnte (vgl. KK-Paul aaO § 302 Rn. 13 m.w.N.), liegt ersichtlich nicht vor.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Mutzbauer