Entscheidungsdatum: 03.03.2016
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 28. Mai 2015 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) in den Aussprüchen über die wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verhängte Einzelstrafe sowie über die Gesamtfreiheitsstrafe und
b) soweit die Strafkammer von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1.000 € angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die „auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte“, auf die Sachrüge gestützte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft.
I.
1. Das Landgericht hat in der Sache im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Am 7. Oktober 2014 erwarb der Angeklagte ca. 1 kg Metamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 60 % Metamphetamin-Base. Hiervon verkaufte der Angeklagte in der Folge zu einem um 15 € über seinem Einkaufspreis liegenden Verkaufspreis insgesamt 800 g an drei Abnehmer; weitere 198,4 g sowie 32,5 g verwahrte er zum gewinnbringenden Verkauf in dem von ihm genutzten Pkw und in seiner Umhängetasche. Die Betäubungsmittel erwarb, veräußerte und verwahrte der Angeklagte, um seinen und den Lebensbedarf seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter sowie seinen Drogen- und Alkoholkonsum zu finanzieren.
Am 17. Oktober 2014 ließ sich der Angeklagte mit dem Pkw, in dem die Betäubungsmittel versteckt waren, zur Erfüllung einer Meldeauflage zum Polizeirevier in M. fahren. Hierbei führte er die Umhängetasche mit dem darin befindlichen Metamphetamin bei sich. Auf dem Polizeirevier hatte kurz zuvor einer der Abnehmer des Angeklagten, der wegen des Verdachts, einen räuberischen Diebstahl begangen zu haben, festgenommen worden war, unter anderem mitgeteilt, dass der Angeklagte vor wenigen Tagen 1 kg Metamphetamin erworben habe und mit Drogen im Kilogramm-Bereich Handel treibe. Der unter Einfluss von Metamphetamin und Cannabinoiden stehende Angeklagte, der aufgrund des Verhaltens des Polizeibeamten befürchtete, dass die Drogen in seiner Umhängetasche aufgefunden würden, entschloss sich zur Flucht, wozu er den Polizeibeamten wegstieß, der anschließend zu Boden fiel und sich verletzte. Drei anderen Polizeibeamten gelang es jedoch, den Angeklagten festzunehmen; dem widersetzte er sich durch Schläge und Tritte.
2. Nach den weiter von der Strafkammer getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte bereits im Alter von 12 bis 14 Jahren mit dem Konsum von Alkohol und Drogen begonnen, wobei er zunächst Marihuana, schon bald aber LSD zu sich nahm. Mit 15 oder 16 Jahren stieg er auf den Konsum von Kokain und Amphetamin um, seit 2009 war Metamphetamin seine „vorherrschende Droge“. Nach dem Abbruch der Schule war der Alltag des im Zeitpunkt der tatrichterlichen Hauptverhandlung 32-jährigen Angeklagten vom „massiven Konsum illegaler Drogen und, zu deren Finanzierung, durch Kriminalität geprägt“. Er wurde mehrmals insbesondere wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz und Körperverletzungsdelikten – auch zu vollstreckten Freiheitsstrafen – verurteilt. Zuletzt wurde gegen ihn am 11. Juli 2014 unter anderem wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verhängt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Diese Maßregel wird seit dem 21. Mai 2015 vollstreckt.
3. Die Strafkammer hat – sachverständig beraten – beim Angeklagten eine Abhängigkeitserkrankung festgestellt, die als schwere andere seelische Abartigkeit zu bewerten sei. Diese führe aber ebenso wenig wie eine beim Angeklagten ferner gegebene „emotional-labile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ“ und eine dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung oder deren „Zusammenschau“ zu einer erheblichen Verminderung der Einsichts- oder der Steuerungsfähigkeit. Deshalb sei hinsichtlich des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge deren erhebliche Beeinträchtigung oder Aufhebung nicht gegeben. Bezüglich der Tat vom 17. Oktober 2014 sei jedoch von einer erheblichen Verminderung des Steuerungsvermögens des Angeklagten infolge des Einflusses von Metamphetamin und Cannabinoiden in Zusammenwirken mit der Persönlichkeitsstörung und den dissozialen Zügen auszugehen.
4. Das Landgericht hat für das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten und für die (vorsätzliche) Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte eine solche von sieben Monaten verhängt und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten gebildet. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es wegen fehlender Erfolgsaussichten nicht angeordnet.
II.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist zulässig beschränkt auf die Einzelstrafe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, die Gesamtfreiheitsstrafe und die Nicht-Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt.
Zwar hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung beantragt, „den Rechtsfolgenausspruch“ aufzuheben und hierauf auch ausdrücklich ihr Rechtsmittel beschränkt. Anschließend teilt sie aber mit, dass sie sich gegen das Urteil wende, „soweit keine Unterbringung in eine Entziehungsanstalt angeordnet wurde und gegen die Höhe der ausgeurteilten Gesamtstrafe“; sodann erhebt sie Einwendungen gegen die Einzelstrafe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, die Gesamtfreiheitsstrafe und die Nicht-Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt.
Angesichts dieser Widersprüche hat der Senat den tatsächlichen Anfechtungsumfang durch Auslegung zu ermitteln. Danach wendet sich die Staatsanwaltschaft – wie die Ausführungen zu den einzelnen Angriffen belegen – (lediglich) gegen die Einzelstrafe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, die Gesamtfreiheitsstrafe und die Nicht-Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt.
III.
Insofern hat das Rechtsmittel Erfolg.
1. Die Einzelstrafe für das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und die Gesamtfreiheitsstrafe haben keinen Bestand.
a) Aus dem Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ folgt für die Strafgerichte das in § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB verankerte Gebot schuldangemessenen Strafens im Einzelfall (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. Oktober 1996 – 2 BvR 1851/94 u.a., BVerfGE 95, 96, 140; vom 27. Dezember 2006 – 2 BvR 1895/05, StraFo 2007, 369; vom 23. September 2014 – 2 BvR 2545/12, juris Rn. 9 f.; vgl. ferner BVerfG, Beschlüsse vom 1. August 2008 – 2 BvR 1001/08, juris Rn. 3; vom 15. März 2012 – 2 BvL 8/11 u.a. Rn. 45 mwN). Während somit die Strafe dem Schuldausgleich dient und sich das Strafmaß in jedem einzelnen Fall am Maßstab des Schuldprinzips messen lassen muss, dienen die in § 61 Nr. 1 bis 6 StGB aufgezählten Maßregeln jeweils der Besserung und Sicherung des Angeklagten. Sie übernehmen damit diejenigen insbesondere individualpräventiven Funktionen, die die Strafe wegen ihrer Bindung an die Schuld des Täters gerade nicht übernehmen kann (BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133, 173 f.; Beschluss vom 1. August 2008 – 2 BvR 1001/08, juris Rn. 3 mwN; vgl. zum „zweispurigen Sanktionensystem“ auch BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 4 StR 124/13, BGHSt 59, 56, 61 ff.). Hieraus folgt, dass – nicht anders als hinsichtlich einer Strafschärfung aus generalpräventiven Erwägungen (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 4. April 2002 – 3 StR 405/01; Beschlüsse vom 1. Juli 2005 – 5 StR 192/05; vom 23. November 2010 – 3 StR 393/10) – eine Strafmilderung aus individualpräventiven Gründen nur im Rahmen der schuldangemessenen Strafe in Betracht kommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 1965 – 2 StR 282/65, BGHSt 20, 264, 267; zu § 35 BtMG auch BGH, Urteil vom 3. Mai 2011 – 1 StR 100/11, NStZ-RR 2012, 183, 184; vgl. ferner BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321; sowie BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133, 179; Frisch, NStZ 2013, 249, 251 mwN).
b) Der Senat kann offen lassen, ob die vom Landgericht für das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verhängte Einzel- sowie die Gesamtstrafe schon deshalb einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten, weil sie insbesondere im Hinblick auf die früheren Verurteilungen (auch) wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz sowie das Gewicht der hier abgeurteilten Tat, die der Angeklagte weniger als drei Monate nach einer einschlägigen Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe begangen hat, nicht mehr geeignet sind, einen gerechten Schuldausgleich herbeizuführen. Rechtsfehlerhaft ist die Strafzumessung nämlich jedenfalls deshalb, weil die Ausführungen des Landgerichts zur Bemessung sowohl der Einzelstrafe für das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als auch der Gesamtfreiheitsstrafe besorgen lassen, dass die Strafkammer das Gebot schuldangemessenen Strafens missachtet und stattdessen diese Strafen nach individualpräventiven Erwägungen bestimmt hat.
Denn die Ausführungen der Strafkammer zum gesamten Rechtsfolgenausspruch sind davon geprägt, „spezialpräventiven Gesichtspunkten ... absoluten Vorrang“ einzuräumen und sowohl die Einzelstrafe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als auch die Gesamtstrafe „unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention“ so zu bemessen, dass sie „unter Berücksichtigung der anzurechnenden Untersuchungshaft sich noch in einer Größenordnung ... (halten), deren Vollstreckung im Fall eines erfolgreichen Abschlusses der derzeit vollzogenen Maßregel und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen gemäß § 35 Abs. 3 Ziff. 2 BtMG zurückgestellt werden könnte“.
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die Strafkammer die von ihr festgesetzten Strafen rechtsfehlerhaft nicht nach der Schuld, sondern unter Zugrundelegung der individualpräventiven Wirkung einer nicht von ihr verhängten Rechtsfolge bemessen hat, und dass sie dabei auch Fragen der Strafvollstreckung unzulässig mit denjenigen der Strafzumessung vermengt hat (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 4. März 2009 – 2 StR 37/09, NStZ 2009, 441). Anders als in dem der Entscheidung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 3. Mai 2011 (1 StR 100/11, NStZ-RR 2012, 183, 184) zugrunde liegenden Fall hat das Landgericht mit seinen Erwägungen daher nicht nur die gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB zu berücksichtigenden „Wirkungen der Strafe“ für das künftige Leben des Angeklagten in der Gesellschaft (mit-)berücksichtigt, sondern seine Schuld und die sich insbesondere aus § 46 Abs. 2 Satz 2 sowie § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB ergebenden weiteren Strafzumessungskriterien diesen individualpräventiven Erwägungen in rechtsfehlerhafter Weise nach- und untergeordnet.
2. Auch die Nicht-Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat keinen Bestand.
a) Das Landgericht stützt diese Entscheidung darauf, dass – bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen – „eine nochmalige Anordnung der Maßregel im hiesigen Verfahren sich aller Voraussicht nach so negativ auf die Motivation des Angeklagten, eine Therapie durchzustehen, auswirken werde, dass eine neuerlich angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete“. Vielmehr sei eine erneute Anordnung der Maßregel „kontraproduktiv für den Motivationsprozess“, da zwar die bereits angeordnete Maßregel entfallen würde (§ 67f StGB), der Angeklagte aber die erst vor kurzem begonnene Therapie abbrechen müsste und die im Urteil vom 11. Juli 2014 verhängte Gesamtfreiheitsstrafe „mit hoher Wahrscheinlichkeit vollständig“ vollstreckt werden würde, bevor er erneut in den Maßregelvollzug aufgenommen werden könnte. Demgegenüber habe der Angeklagte ohne erneute Unterbringungsanordnung angesichts der gegenwärtig positiv zu bewertenden Motivation „die Chance, die begonnene Therapie etwa binnen zwei Jahren erfolgreich abzuschließen, sodann die Reststrafaussetzung ... (ersichtlich hinsichtlich des Urteils vom 11. Juli 2014) zu erwirken und – bei entsprechender Bemessung der hier zu verhängenden Gesamtstrafe – eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 2 BtMG zu erreichen“.
b) Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die Strafkammer bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten einen falschen Maßstab zugrunde legt.
aa) Nach der Umgestaltung des § 64 StGB in eine Sollvorschrift ist die Anordnung der Maßregel bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen zwar nicht mehr zwingend. Jedoch kommt ein Absehen von der Unterbringungsanordnung – auch nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 16/5137 S. 10, 16/1344 S. 12) – nur in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 13. November 2007 – 3 StR 452/07, NStZ-RR 2008, 73 f.; vom 29. Juni 2010 – 4 StR 241/10, NStZ-RR 2010, 307; vom 9. September 2015 – 4 StR 335/15; vom 7. Januar 2008 – 5 StR 425/07; vom 10. November 2009 – 5 StR 413/09, NStZ-RR 2010, 42, 43).
Voraussetzung der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist unter anderem, dass eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Süchtigen zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB; vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 25. Juli 2008 – 2 BvR 573/08 [juris Rn. 2]; vom 5. Juli 2013– 2 BvR 708/12 [juris Rn. 28] jeweils mwN). Dabei erfordert die Prognoseentscheidung über den Behandlungserfolg eine Gesamtwürdigung, die auch die Persönlichkeit des Täters, die Art und das Stadium seiner Sucht sowie bereits eingetretene physische und psychische Veränderungen und Schädigungen in den Blick zu nehmen hat (BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2012– 4 StR 453/12; vom 26. Februar 2014 – 4 StR 577/13). Insbesondere in der Persönlichkeit und den Lebensumständen des Angeklagten müssen sich daher konkret zu benennende Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass es innerhalb eines zumindest „erheblichen“ Zeitraums nicht (mehr) zu einem Rückfall kommen wird (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 16. Januar 2014 – 4 StR 496/13, NStZ 2014, 203, 205 mwN). Maßgeblich sind insofern die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Verhandlung vor dem Tatrichter (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 – 3 StR 98/12). Dies gilt auch für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Maßregel (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 4 StR 65/12; siehe auch BGH, Beschluss vom 7. Januar 2008 – 5 StR 425/07).
bb) Im Zeitpunkt der Hauptverhandlung war der Angeklagte indes therapiemotiviert und das Landgericht hat – unter Außerachtlassung gewichtiger prognoseungünstiger Faktoren (etwa der „schweren Suchterkrankung“ aufgrund langjährigen „enormen Konsums“ von Betäubungsmitteln, die unter anderem zu einer Persönlichkeitsstörung und raschen Rückfällen geführt hat; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 21. April 2015 – 4 StR 92/15, NStZ 2015, 571, 572) – der derzeit durchgeführten Behandlung hinreichende Erfolgsaussichten beigemessen. Diese – im maßgeblichen Zeitpunkt mithin positive – Prognose allein deshalb in Frage zu stellen, weil es – gestützt nicht auf eine entsprechende Einlassung des Angeklagten, sondern auf lediglich allgemeine Ausführungen des Sachverständigen zum „Motivationsprozess ... als dynamischem Geschehen“ – an einer derzeit beim Angeklagten bestehenden Therapiebereitschaft später fehlen könne, lässt besorgen, dass die Strafkammer die mit der Prognose verbundene Wahrscheinlichkeitsaussage nicht mehr aufgrund konkreter, im Zeitpunkt der tatrichterlichen Hauptverhandlung gegebener Anhaltspunkte vor allem in der Persönlichkeit und den Lebensumständen des Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48, 49) und damit auf einer tragfähigen Grundlage, sondern wesentlich beeinflusst von Mutmaßungen und daher rechtsfehlerhaft getroffen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2008 – 5 StR 425/07).
Hinzu kommt, dass Therapieunwilligkeit lediglich ein Indiz für das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht ist. Besteht sie, bedarf es regelmäßig der Prüfung, ob die konkrete Aussicht besteht, die Therapiebereitschaft für eine erfolgversprechende Behandlung auch mit therapeutischen Mitteln zu wecken (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2014 – 2 StR 132/14; Beschlüsse vom 18. Mai 2000 – 4 StR 127/00, Blutalkohol 2001, 183 f.; vom 10. Mai 2011 – 4 StR 178/11, StraFo 2011, 323 f. mwN). Ob der Schluss vom Mangel an Therapiebereitschaft auf das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Behandlung gerechtfertigt ist, lässt sich nur aufgrund einer – vom Landgericht nicht vorgenommenen – Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und der Gründe und Wurzeln des Motivationsmangels beurteilen (BGH, Beschluss vom 22. September 2010 – 2 StR 268/10, NStZ-RR 2011, 203; ähnlich BGH, Beschlüsse vom 24. März 2005 – 3 StR 71/05; vom 15. Dezember 2009– 3 StR 516/09; vom 10. November 2009 – 5 StR 413/09; vom 3. Juli 2012 – 5 StR 313/12, NStZ-RR 2012, 307 jeweils mwN).
Fehlende Erfolgsaussichten der Unterbringung nach § 64 StGB können auch nicht allein darauf gestützt werden, dass andere Maßnahmen erfolgversprechend oder ins Auge gefasst sind (vgl. für § 35 BtMG etwa BGH, Urteil vom 26. November 2014 – 2 StR 132/14; Beschlüsse vom 10. März 2010 – 2 StR 34/10, StV 2010, 678; vom 10. August 2011 – 4 StR 345/11 jeweils mwN; zu einer bereits begonnenen Therapie auch BGH, Beschluss vom 7. Januar 2008 – 5 StR 425/07). Auch hieran hat sich nach der Umgestaltung des § 64 StGB zu einer „Soll-Vorschrift“ nichts geändert (BGH, Beschlüsse vom 10. März 2010 – 2 StR 34/10, StV 2010, 678; vom 10. Mai 2011 – 4 StR 178/11, StraFo 2011, 322 f.). Zwar kann der zwischenzeitlich bereits erzielte Behandlungserfolg einer bereits begonnenen Therapie ausnahmsweise die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB entbehrlich machen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2008 – 5 StR 425/07, juris Rn. 8). Dass ein solcher Behandlungserfolg – wie erforderlich (vgl. BGH, aaO, juris Rn. 5) – mittlerweile tatsächlich eingetreten ist, hat das Landgericht aber nicht festgestellt.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin