Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 23.10.2014


BGH 23.10.2014 - 4 StR 377/14

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Bewertungseinheit bei Vermischung sukzessive erworbener Betäubungsmittelmengen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
23.10.2014
Aktenzeichen:
4 StR 377/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Münster, 27. März 2014, Az: 10 KLs - 210 Js 205/13 - 14/13
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten M.    S.    wird das Urteil der Strafkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 27. März 2014 im Ausspruch über den Verfall mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.

2. Auf die Revision des Angeklagten E.    S.    wird das vorgenannte Urteil, auch soweit es den Mitangeklagten A.    S.    betrifft, dahin geändert, dass

a) der Angeklagte E.    S.    wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit zwei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt ist,

b) der Angeklagte A.    S.    wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit zwei Fällen der Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt ist.

3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

4. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten M.    S.    wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 5.000 € angeordnet. Den Angeklagten E.    S.    hat es wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten A.    S.    hat das Landgericht wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten und den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 5.000 € erkannt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben, auch bezüglich des Mitangeklagten A.    S.   , den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

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1. Die den Angeklagten M.    S.    betreffende Verfallsanordnung hat keinen Bestand.

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Das Landgericht hat die Anordnung wie folgt begründet: "Der Angeklagte M.    S.    hat, als er allein gehandelt hat, für 2.000,00 € Kokain erworben und gemeinsam mit dem Angeklagten P. jeweils für 3.700,00 €. Es erscheint angemessen, dass auch insoweit zumindest ein Betrag in Höhe von 5.000,00 € gemäß §§ 73, 73a StGB dem Verfall unterliegt". Diese Ausführungen lassen auch im Zusammenhang mit den sonstigen Urteilsfeststellungen nicht erkennen, wie das Landgericht den Verfallsbetrag ermittelt hat, ob er auf einer Berechnung oder auf einer Schätzung (§ 73b StGB) beruht. Zwar hat das Landgericht im Fall 2 festgestellt, dass der Angeklagte das für 2.000 € erworbene Kokain mit einem Gewinn von ca. 300 bis 400 € verkauft hat; in diesem Fall dürfte er 2.300 bis 2.400 € erlangt haben. Im Fall 9 der Urteilsgründe wurde hingegen das gemeinsam mit dem Mitangeklagten P.  für 3.700 € erworbene Kokain teilweise von P.  gewinnbringend verkauft; der Gewinn betrug ca. 700 € pro Person.

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Diese Ausführungen lassen auch unter Berücksichtigung der geständigen Einlassung des Angeklagten nicht erkennen, ob er in diesem Fall an dem gesamten Erlös Mitverfügungsgewalt hatte - in diesem Fall würden der Angeklagte und der Mitangeklagte P. trotz einer möglichen späteren Aufteilung für den Gesamtbetrag als Gesamtschuldner haften (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 129/11 Rn. 15, StraFo 2011, 413, 414; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 73 Rn. 16) - oder in welcher Höhe er ihm tatsächlich zugeflossen ist. Im Fall 10 der Urteilsgründe wurde das gemeinsam mit dem Mitangeklagten P. für 3.700 € erworbene Kokain sichergestellt. Der Begründung des Landgerichts lässt sich auch nicht entnehmen, ob es bei der Bestimmung des Verfallsbetrages etwa von der Härteregelung des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB Gebrauch gemacht hat, was voraussetzen würde, dass der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist. Über den Verfall muss daher neu entschieden werden.

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2. Die Annahme materiell-rechtlich selbständiger Taten in den Fällen 5 und 6 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

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Nach den Feststellungen begab sich der Angeklagte E.    S.    am 9. August 2013 auf Weisung des Mitangeklagten A.    S.    zu dem Lieferanten "Ab." in die Niederlande und erhielt dort 195 g Kokain, das A.    S.    zuvor mit der Absicht gewinnbringenden Weiterverkaufs bestellt hatte. Der Angeklagte E.    S.    brachte das Kokain nach B.    , verkaufte weisungsgemäß 100 g an verschiedene Abnehmer und lagerte 95 g zu Hause (Fall 5 der Urteilsgründe). Am 14. August 2013 begab er sich erneut im Auftrag von A.    S.     nach D. in den Niederlanden, wo er weitere 100 g Kokain von "Ab." entgegennahm. Er brachte es nach B.     zu sich nach Hause und streckte es zusammen mit den noch vorrätigen 95 g Kokain auf ca. 300 g (Fall 6 der Urteilsgründe). A.    S.    versuchte in der Folgezeit, teils erfolgreich, Teilmengen dieses Gemischs zu verkaufen.

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Nach den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätzen zur Bewertungseinheit ist bei dieser Sachlage durch die (teilweise) Vermischung der Rauschgiftmengen zur gemeinsamen Abgabe eine einheitliche Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge des Mitangeklagten A.    S.    und wegen der Akzessorietät der Beihilfe auch bei E.    S.    nur eine Tat der Beihilfe im Rechtssinne gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 99/12, NStZ-RR 2013, 147, 148; Beschluss vom 27. September 2011 - 4 StR 421/11, NStZ-RR 2012, 24, 25 jeweils mwN). Die (einheitliche) Beihilfe des Angeklagten E.    S.    steht mit beiden Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit und verbindet diese zu einer einheitlichen Tat (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 99/12, NStZ-RR 2013, 147, 148).

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Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die vom Landgericht für angemessen erachtete Gesamtstrafe hat als Strafe für das einheitliche Delikt Bestand. Der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer bei umfassender Annahme von Tateinheit das Unrecht der Tat oder die Schuld des Angeklagten geringer bewertet hätte.

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3. Gemäß § 357 StPO erstreckt sich die Änderung des Schuldspruchs auf den Haupttäter, den Mitangeklagten A.    S.   . Der infolge der Bewertungseinheit nur einmal verwirklichte Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie die zweimalige Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge stehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zueinander in Tateinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. November 1993 - 2 StR 534/93, NStZ 1994, 135; vom 22. Oktober 1996 - 1 StR 548/96, NStZ 1997, 136).

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Mit der Schuldspruchänderung entfällt die von der Strafkammer festgesetzte Einzelstrafe im Fall 6 von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Die Einzelstrafe im Fall 5 der Urteilsgründe von drei Jahren und sechs Monaten sowie die Gesamtstrafe können bestehen bleiben. Der rechtsfehlerfrei bewertete Unrechts- und Schuldgehalt der Taten wird von der Änderung des Schuldspruchs nicht berührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht vor dem Hintergrund der verbleibenden Einzelstrafen von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe und zwei Mal zwei Jahren Freiheitsstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

11

Die Schuldspruchänderung lässt die den Angeklagten A.    S.    betreffende Verfallsanordnung nach §§ 73, 73a StGB unberührt.

12

4. Der geringfügige Erfolg der Rechtsmittel gibt keinen Anlass, die Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und ihren Auslagen gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise zu entlasten.

Sost-Scheible                          Roggenbuck                        Franke

                        Mutzbauer                             Bender