Entscheidungsdatum: 14.07.2016
1. Die Abgabe eines Gebots im Zwangsversteigerungsverfahren enthält keine Erklärung des Bietenden gegenüber den Mitbietern.
2. Der die Zwangsversteigerung leitende Rechtspfleger unterliegt regelmäßig keiner Fehlvorstellung über die Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit des Bieters.
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 13. April 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagte R. wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten L. hat es wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten, mit denen diese die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen, haben jeweils mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg. Einer Erörterung der Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.
A.
Verurteilung der Angeklagten R. und L. im Fall II. 1 der Urteilsgründe
I.
Insoweit hat das Landgericht folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Die Angeklagten gründeten im Jahr 2003 die H. GmbH (im Folgenden: H. GmbH) zum Zweck der Errichtung und des Betriebs einer Biogasanlage in E. ; Geschäftsführerin war die Angeklagte R. . Standort der Anlage war ein Teil des Hofgrundstücks des Angeklagten L. , das seit 2005 gesondert unter Blatt im Grundbuch des Amtsgerichts Lemgo von E. eingetragen war und die H. GmbH als Eigentümerin auswies. Zahlreiche Verzögerungen bei der Realisierung dieses Projekts brachten den Angeklagten L. , der persönlich mit Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von mindestens einer Million Euro gegenüber der Sparkasse B. belastet war, in zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten, da die erwarteten Einspeisevergütungen ausblieben. Im Herbst 2007 betrieb die Angeklagte als Geschäftsführerin der H. GmbH daher eine Umschuldung mit dem Ziel, die Verbindlichkeiten des Angeklagten L. gegenüber der Sparkasse B. durch die H. GmbH zu erwerben. Die Sparkasse hatte ihre Zustimmung hierzu für den Fall signalisiert, dass sie – die Bank – einen Betrag in Höhe von zumindest noch einem Drittel ihrer Forderung erhalten würde. Zur Finanzierung des Forderungskaufs seitens der H. GmbH trat die Angeklagte an die Volksbank S. (im Folgenden: „Volksbank“) heran. Diese knüpfte den Abschluss eines (neuen) Darlehensvertrages mit der H. GmbH angesichts der kritischen wirtschaftlichen Lage der GmbH an eine umfassende Prüfung und Bewertung der unübersichtlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse durch einen unabhängigen Rechtsanwalt, den Zeugen G. . Diesen beauftragte die Angeklagte R. für die GmbH mit der Prüfung. Auf der Grundlage von durch die Angeklagte R. zur Verfügung gestellten Unterlagen fertigte der Zeuge G. , der für seine Tätigkeit von der H. GmbH vergütet wurde, seinen zusammenfassenden Bericht und übersandte ihn im März 2008 der Volksbank. Dem Bericht beigefügt war eine von beiden Angeklagten unterschriebene „Bestätigung gegenüber der Volksbank in S. “ (im Folgenden: „Vollständigkeitserklärung“), in der diese erklärten, die in dem Bericht des Zeugen G. vom 7. März 2008 dargestellten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse seien vollständig und richtig. Man werde sich gegenüber der Volksbank auf keinerlei weitere Verträge berufen; solche existierten nicht.
Vor dem Hintergrund des Berichts und der von den Angeklagten abgegebenen Erklärung schätzte die Volksbank die zur Absicherung des Darlehens zur Verfügung stehenden Sicherheiten als werthaltig ein und bewilligte das Darlehen. Als Sicherheiten ließ sie sich „am 30.05.2008 insbesondere Forderungen aus Milchlieferungen gegenüber der Hu. , am 27.05.2009 Forderungen auf Betriebsprämien gegenüber der Landwirtschaftskammer N. sowie die Grundschulden lastend auf dem Grundbesitz Grundbuch von E. Blatt und Blatt von der H. , vertreten durch die Angeklagte R. , vorausabtreten“ (UA 8). Am 8. August 2008 schloss die H. GmbH mit der Sparkasse B. sodann einen Kaufvertrag, wonach die Sparkasse ihre Darlehensforderung gegen den Angeklagten L. in Höhe von 1.011.392,40 € zum Preis von 370.000 € an die H. GmbH veräußerte. In der (irrigen) Annahme, die Vollständigkeitserklärung sei zutreffend und das Sicherheitenpaket daher rechtlich abgesichert und werthaltig, schloss die Volksbank sodann am 28. August 2008 mit der H. GmbH einen Darlehensvertrag über insgesamt 420.000 €, wovon 370.000 € zur Tilgung der Schuld aus dem Forderungskauf gegenüber der Sparkasse B. bestimmt waren. Die Darlehensvaluta wurde am 1. bzw. 3. September 2008 ausgezahlt.
Tatsächlich war die von den Angeklagten abgegebene Vollständigkeitserklärung unzutreffend. Denn die H. GmbH, vertreten durch die Angeklagte R. , hatte schon Anfang November 2007 die „tatsächlich erworbenen Forderungen“ gegenüber dem Angeklagten L. aus dem beabsichtigten (Forderungs-)Kaufvertrag mit der Sparkasse B. zusammen mit den insoweit bestehenden dinglichen Sicherungsrechten – u.a. Grundschulden lastend auf den Grundstücken Blatt und – und möglichen Rückgewähransprüchen an den Sohn der Angeklagten R. , P. , „zur Sicherung der Ansprüche … aus Darlehen und Dienstleistungen“ abgetreten. Ebenfalls an den Sohn der Angeklagten abgetreten waren der Anspruch auf Herausgabe der Grundschuldbriefe „sowie alle Forderungen bekannt oder unbekannt, aus dem gleichen Rechtsgrund betreffend den Forderungskauf L. – Sparkasse B. “. Der Angeklagte L. hatte dieser „globalen Vorausabtretung“ am 3. November 2007 schriftlich zugestimmt. Die Angeklagten verschwiegen dies dem Zeugen G. bewusst, da ihnen klar war, dass die Volksbank den Darlehensvertrag in Kenntnis der zuvor erfolgten Abtretung und der hierdurch eingetretenen „Aushöhlung“ der von der Bank verlangten Abtretung der Grundschulden und anderer Sicherheiten nicht abgeschlossen hätte. Beide wollten jedoch die Auszahlung der Darlehensvaluta unbedingt erreichen. Die Angeklagte R. wollte zudem verhindern, dass die Volksbank bei Eintritt des Sicherungsfalles ihre Sicherheiten würde verwerten können, dem Angeklagten L. ging es auch um die Erhaltung des von seinen Eltern ererbten landwirtschaftlichen Betriebes. Beiden Angeklagten war es dabei gleichgültig, ob das Darlehen jemals zurückgeführt werden würde.
Die H. GmbH war nur kurze Zeit zu einer vollständigen und rechtzeitigen Rückzahlung der Darlehensraten in der Lage. Als die Volksbank nach fristloser Kündigung des Darlehensvertrages am 9. August 2010 wegen Zahlungsverzugs ihre (dinglichen) Sicherheiten verwerten wollte, hielten ihr die Angeklagten, wie von Anfang an geplant, u.a. die verheimlichte Abtretungsvereinbarung von November 2007 mit P. entgegen, wodurch es ihnen gelang, das Vollstreckungsverfahren „längere Zeit zu verhindern“. Es wurde erst 2012 mit der vollständigen Befriedigung der Volksbank aus der Zwangsvollstreckung in das Grundstück Blatt abgeschlossen.
2. Die insoweit gegenüber der Volksbank offenbarungspflichtige Angeklagte R. habe, so die Strafkammer in ihrer rechtlichen Würdigung, die „globale Vorausabtretung“ der u.a. auf dem Grundbesitz Blatt lastenden Grundschulden sowie anderer Forderungen an den Zeugen P. in der Vollständigkeitserklärung bewusst verschwiegen, der Angeklagte L. habe sie dabei durch Unterzeichnung der Vollständigkeitserklärung als Gehilfe unterstützt. Auf Grund des insoweit bei den Entscheidungsträgern der Volksbank entstandenen Irrtums hinsichtlich der Werthaltigkeit der von der H. GmbH abgetretenen Sicherheiten, insbesondere der uneingeschränkten Verwertbarkeit der Grundschulden auf dem Blatt im Vollstreckungsfall, sei es zum Abschluss des Darlehensvertrages und zur Auszahlung der Darlehensvaluta gekommen. Der dadurch eingetretene Vermögensschaden bestehe in einer schadensgleichen Vermögensgefährdung. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der H. GmbH und der Angeklagten sowie der unzureichenden Sicherheiten habe, so das Landgericht, schon zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung ein gesteigertes Ausfallrisiko für einen erheblichen Teil der ausgereichten Darlehenssumme bestanden. Dies habe eine objektive Vermögensminderung auf Seiten der Volksbank bewirkt.
II.
Die Feststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten R. wegen Betruges und des Angeklagten L. wegen Beihilfe hierzu nicht, weil die Urteilsgründe nicht ergeben, dass bei der Volksbank ein Vermögensschaden im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB eingetreten ist.
1. Der Betrug ist eine Vermögensstraftat. Nicht die Täuschung an und für sich, sondern die vermögensschädigende Täuschung ist strafbar. Ein Vermögensschaden tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten unmittelbar zu einer nicht durch einen Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung). Maßgeblich ist dafür der Vergleich des Vermögenswertes unmittelbar vor und nach der Verfügung.
Ob die Hingabe eines Darlehens in Fällen der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners einen Vermögensschaden bewirkt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daher durch einen für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe anzustellenden Wertvergleich mit dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgläubigers zu ermitteln. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert der bestellten Sicherheiten bestimmt. Ein Schaden entsteht daher nur, wenn die vorgespiegelte Rückzahlungsmöglichkeit nicht besteht und auch gegebene Sicherheiten wertlos oder minderwertig sind. Auch bei einer eingeschränkten oder fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Schuldners entsteht demnach kein Schaden, wenn und soweit der getäuschte Gläubiger über werthaltige Sicherheiten verfügt, die sein Ausfallrisiko abdecken und mit unerheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand, namentlich ohne Mitwirkung des Schuldners und ohne Gefährdung durch ihn, sofort nach Fälligkeit, realisierbar sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Mai 2014 – 4 StR 143/14, wistra 2014, 349, 350; Beschluss vom 4. Juni 2013 – 2 StR 59/13, NStZ-RR 2014, 13, jeweils mwN; vgl. auch SSW-StGB/Satzger, 2. Aufl., § 263 Rn. 250).
Ein eventueller Minderwert des im Synallagma Erlangten ist im Verfügungszeitpunkt nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen. Dabei ist der Vermögensschaden unter Berücksichtigung banküblicher Bewertungsansätze konkret festzustellen und zu beziffern (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229 zu § 266 StGB; Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47 zu § 263 StGB; vgl. dazu Senatsbeschluss vom 20. Mai 2014 aaO mwN; zur Schadensberechnung bei Übersicherung vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 1994 – 1 StR 468/94, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 43).
2. Gemessen daran ist das Landgericht im Ansatz zwar zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Bestimmung eines betrugsrelevanten Schadens auf den Zeitpunkt der Vermögensverfügung, hier also der Auszahlung der Darlehensvaluta ankommt. Die Urteilsgründe lassen aber nicht erkennen, ob die Volksbank zu diesem Zeitpunkt tatsächlich einen Vermögensschaden erlitten hat. Zwar kann den Feststellungen noch entnommen werden, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der H. GmbH im Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages am 28. August 2008 und der Ausreichung des Darlehens zumindest erheblich eingeschränkt war. Über welche Sicherheiten die getäuschte Volksbank zu diesem Zeitpunkt tatsächlich verfügte und welchen Wert diese hatten, ist aber nicht ausreichend festgestellt.
So ist es bereits unklar, welche Grundschulden zu welchem Zeitpunkt von der H. GmbH an die Volksbank zur Sicherung ihrer Ansprüche abgetreten wurden. Sollte die Volksbank – was nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe naheliegt – bereits am 28. August 2008 im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrags Gläubigerin der Grundschulden, die im Grundbuch von E. auf Blatt und Blatt eingetragen waren, gewesen oder geworden sein, hätte sie erhebliche Sicherheiten erlangt, die der Annahme eines Vermögensschadens entgegenstehen könnten. Die Urteilsfeststellungen (UA 8 oben) lassen den Zeitpunkt der Abtretungen dieser Grundschulden an die Volksbank indes nicht klar erkennen. Dass auch die auf dem Grundstück E. Blatt lastende Grundschuld Gegenstand der Vorausabtretung an den Zeugen P. war, ergeben die Feststellungen gerade nicht (UA 8). Auch zur Werthaltigkeit der gegebenenfalls schon im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrags an die Volksbank abgetretenen Grundschulden verhält sich das Urteil nicht.
Dass die Volksbank Anfang September 2008 über ausreichende Sicherheiten verfügte, erscheint auch unter Berücksichtigung der zu ihren Gunsten erfolgten Abtretung von Forderungen aus Milchlieferungen der H. GmbH gegen die Hu. am 30. Mai 2008 zumindest möglich. Da das Landgericht selbst davon ausgeht (UA 16 oben), dass die Ansprüche der H. GmbH gegen die Hu. sicherheitshalber wirksam an die Volksbank abgetreten werden konnten, hätte Anlass bestanden, die Werthaltigkeit dieser Forderungen bei der Schadensbestimmung zu erörtern. Das ist nicht geschehen; die Urteilsgründe verhalten sich dazu nicht. Dass die Forderungen insgesamt wertlos waren, ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen.
3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Der neue Tatrichter wird zur Frage eines den Angeklagten zuzurechnenden täuschungsbedingten Irrtums und einer darauf beruhenden Vermögensverfügung eingehendere Feststellungen treffen müssen. Dies gilt insbesondere für Inhalt und Umfang der bei den Entscheidungsträgern der Volksbank zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages möglicherweise bestehenden Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der vorhandenen Sicherheiten.
b) Im Hinblick auf die sicherungshalber abgetretenen Forderungen aus Milchlieferungen gegen die Hu. wird genauer als bisher geschehen zu prüfen und in den Urteilsgründen darzulegen sein, wem diese Forderungen zustanden. Das angefochtene Urteil lässt diese Frage offen (UA 16 oben).
B.
Verurteilung der Angeklagten R. im Fall II. 2 der Urteilsgründe
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts im Fall II. 2 der Urteilsgründe war die H. GmbH u.a. auch Eigentümerin des Grundbesitzes „M. “, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Lemgo von E. , Blatt . Nach fristloser Kündigung des mit der GmbH am 28. August 2008 abgeschlossenen Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs am 9. August 2010 durch die Volksbank (s.o. Fall II. 1) wurde auf deren Antrag vom Amtsgericht Lemgo die Zwangsversteigerung dieses Grundstücks angeordnet, das mit einer Grundschuld über 100.000 € zu Gunsten der Volksbank belastet war. Am 12. Dezember 2012 beteiligte sich die Angeklagte R. , die zuvor die erforderliche Sicherheitsleistung in Höhe von 18.223 € geleistet hatte, an der Zwangsversteigerung und gab Gebote ab, mit denen sie die anderen Bieter um jeweils 5.000 oder 10.000 € überbot. Mit einem Gebot von 370.000 €, mehr als dem Doppelten des Verkehrswertes, erhielt die Angeklagte letztlich den Zuschlag. Weder für den Rechtspfleger, der die Versteigerung durchführte, noch für die anderen Bieter war in irgendeiner Weise erkennbar, dass die Angeklagte ihre Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft nur vortäuschte. Tatsächlich verfügte diese aber weder über die finanziellen Mittel zur Begleichung des Zuschlagspreises noch hatte sie überhaupt die Absicht, diesen Betrag zu zahlen. Daher entrichtete sie den restlichen Kaufpreis in Höhe von 351.777 €, wie von Anfang an beabsichtigt, bis zum Verteilungstermin am 8. Februar 2013 nicht. Dass die der Zwangsvollstreckung zu Grunde liegende titulierte Forderung der Volksbank in Höhe von 100.000 € deshalb über einen längeren Zeitraum nicht beglichen werden würde, war ihr gleichgültig. Sie wollte lediglich erreichen, dass das Eigentum an dem zu versteigenden Grundstück weiterhin ihrem Zugriff unterlag. Erst in der Wiederversteigerung am 7. November 2013 gelang es, den Grundbesitz zu veräußern. Das Zuschlagsgebot belief sich auf 380.000 €.
2. Die Angeklagte habe, so das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung, bei der Abgabe des Höchstgebots im Zwangsversteigerungstermin den Rechtspfleger über ihre Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft getäuscht, indem sie mitgeboten und fortlaufend höhere Gebote abgegeben habe. Jedenfalls im Sinne eines sachgedanklichen Mitbewusstseins mache sich der Rechtspfleger bei der Zwangsversteigerung Gedanken über die Zahlungsbereitschaft und die Zahlungsfähigkeit der Bieter. Denn im Falle einer ihm bekannten Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit oder bei für ihn erkennbar nicht ernst gemeinten Geboten müsse der Rechtspfleger das betreffende Gebot als rechtsmissbräuchlich zurückweisen. Die aufgrund dieser Fehlvorstellung vorgenommene Vermögensverfügung durch den Rechtspfleger bestehe in der Übertragung des Grundbesitzes auf die Angeklagte durch Hoheitsakt. Damit sei der Volksbank als Gläubigerin in diesem Zeitpunkt auch ein Vermögensschaden entstanden. Sie habe ihre Sicherungsrechte an dem Grundstück durch den Zuschlagsbeschluss verloren; dem habe kein gleichwertiger Vermögenswert gegenübergestanden. Die Volksbank als Gläubigerin habe sich nicht ohne weiteren finanziellen und zeitlichen Aufwand aus dem Grundstück befriedigen können, sondern habe das Grundstück mit allen damit verbundenen Unsicherheiten, Kosten und zeitlichen Verzögerungen in die Wiederversteigerung bringen müssen.
Auch die übrigen Bieter seien von der Angeklagten über ihre ernsthafte Erwerbsabsicht und ihre Zahlungsfähigkeit getäuscht worden und einem entsprechenden Irrtum unterlegen.
II.
Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte R. habe sich insoweit des Betrugs schuldig gemacht, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Im Hinblick auf die anderen Bieter hat die Angeklagte durch ihre Teilnahme an der Versteigerung schon keine Erklärung abgegeben.
Gemäß § 66 Abs. 2 ZVG sind die Gebote gegenüber dem Vollstreckungsgericht abzugeben; insoweit ist der Rechtspfleger als gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. i RPflG funktionell zuständiges Vollstreckungsorgan ausschließlicher Adressat der mit dem jeweiligen Gebot verbundenen Erklärung. Der einzelne Bieter ist als solcher nicht Beteiligter des Vollstreckungsverfahrens (arg. e § 9 ZVG; vgl. Stöber, ZVG, 21. Aufl., § 67 Rn. 2.2) und daher auch nicht berechtigt, von einem Mitbieter nach Abgabe des Gebots gemäß § 67 ZVG eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Kommt sein Gebot wegen des Übergebotes eines anderen Bieters nicht zum Zuge, erlischt seines nach Maßgabe von § 72 Abs. 1 bis 3 ZVG ohne nachteilige Folgen.
2. Die Erwägungen, auf die das Landgericht seine Annahme gestützt hat, der die Versteigerung leitende Rechtspfleger habe sich im Versteigerungstermin – zumindest in Form eines sachgedanklichen Mitbewusstseins – Vorstellungen über die Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft der Angeklagten R. als Bieterin gemacht, begegnen ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Ein Irrtum im Sinne des Betrugstatbestandes ist jeder Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung (des Getäuschten) und der Wirklichkeit (BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215). Dabei kommt es grundsätzlich zwar nicht darauf an, was der Getäuschte hätte verstehen müssen, sondern was er tatsächlich verstanden hat (BGH, Urteil vom 5. März 2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2598). Ein Irrtum kann aber auch in den Fällen gegeben sein, in denen die täuschungsbedingte Fehlvorstellung in der Abweichung eines „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ von den tatsächlichen Umständen besteht. Danach ist insbesondere der Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte von als selbstverständlich angesehenen Erwartungen geprägt, die zwar nicht in jedem Einzelfall bewusst aktualisiert werden, jedoch der vermögensrelevanten Handlung als hinreichend konkretisierte Tatsachenvorstellung zugrunde liegen (BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216). In solchen Fällen bedarf es auch nicht stets der Feststellung der tatsächlichen individuellen Vorstellungen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, NStZ 2014, 98, 100; Urteil vom 12. Februar 2015 – 2 StR 109/14, NStZ 2015, 341, 342). Vielmehr kann das Tatgericht bereits aus den Indizien des äußeren Ablaufs darauf schließen, dass der Betreffende aufgrund seines normativ geprägten Vorstellungsbildes – wie alle in seiner Situation – ein entsprechendes „sachgedankliches Mitbewusstsein“ hatte und daher irrte (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 2 StR 109/14, aaO). Findet die Kommunikation – wie im vorliegenden Fall – im Rahmen eines geregelten Verfahrens statt, wird der Inhalt einer in diesem Zusammenhang abgegebenen Erklärung und die auf ihr möglicherweise beruhende (Fehl-)Vorstellung beim Adressaten daher maßgeblich durch die diesem Verfahren zu Grunde liegenden Vorschriften geprägt (BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 4 StR 292/13, BGHSt 59, 68, 71). Dies sind hier die Bestimmungen des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG).
b) Aus diesen Regelungen lässt sich ein normativ geprägtes Vorstellungsbild des eine Zwangsversteigerung leitenden Rechtspflegers in Bezug auf die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit eines Bieters indes nicht herleiten.
aa) Den Regelungen des ZVG liegt die Erwägung zugrunde, dass das zu versteigernde Grundstück in einem geregelten Verfahren zu einem seinem Wert entsprechenden Gebot zugeschlagen und auf diese Weise eine wertrichtige Deckung der auf ihm ruhenden Lasten erreicht wird (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2007 – V ZB 83/06, BGHZ 172, 218, Rn. 21 mwN). Da mithin das Versteigerungsverfahren schon als solches grundsätzlich dazu geeignet ist, seinen Zweck zu erreichen, sofern das im ZVG geregelte Verfahren gewahrt wird, beschränkt sich die vom Rechtspfleger von Amts wegen vorzunehmende Prüfung im Versteigerungstermin im Wesentlichen auf die Einhaltung der gesetzlichen Verfahrensvorschriften (zum Prüfungsumfang bei Abgabe der Gebote vgl. etwa Hk-ZV/Stumpe, 3. Aufl., § 71 ZVG Rn. 9 ff.). Schon deshalb liegt es nicht nahe, dass sich der im Zwangsvollstreckungsverfahren tätige Rechtspfleger etwa im Sinne eines sachgedanklichen Mitbewusstseins Vorstellungen zur Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit eines Bieters macht.
bb) Die Vorschriften des ZVG bieten auch für sich betrachtet keinen Anhalt für die vom Landgericht angenommene auf einem sachgedanklichen Mitbewusstsein beruhende Fehlvorstellung des Rechtspflegers.
(1) Dies gilt zunächst für die Vorschriften über die im Fall der Abgabe von Geboten vorgesehene Möglichkeit einer Sicherheitsleistung (§§ 67 ff. ZVG).
Das Verlangen nach Leistung einer Sicherheit durch einen Bieter steht gemäß § 67 Abs. 1 ZVG ausschließlich einem Beteiligten im Sinne des § 9 ZVG zu, mithin dem Gläubiger, dem Schuldner oder anderen im Einzelnen aufgeführten Rechtsinhabern. Der Rechtspfleger hat über ein solches Verlangen eines Beteiligten sofort zu entscheiden (§ 70 Abs. 1 ZVG). Die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherheitsleistung sind in § 67 ZVG abschließend geregelt. Liegen diese vor, ist die Sicherheitsleistung anzuordnen; ein Ermessen ist dem Rechtspfleger insoweit nicht eröffnet (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 – V ZB 147/05, Rpfleger 2006, 211, 212). Ohne Belang für diese Entscheidung ist die Bonität eines Bieters (vgl. Böttcher, ZVG, 6. Aufl., §§ 67-70 Rn. 20; Stöber, ZVG, 21. Aufl., § 70 Rn. 2.1; Bachmann in Depré, Zivilprozess-, Vollstreckungs- und Zwangsversteigerungsrecht, 2014, § 70 ZVG Rn. 4), so dass sich aus dieser Entscheidungsbefugnis ein diesbezügliches sachgedankliches Begleitwissen des Rechtspflegers nicht herleiten lässt.
(2) Auch der Umstand, dass der Rechtspfleger nach § 71 Abs. 1 ZVG verpflichtet ist, ein unwirksames Gebot zurückzuweisen, vermag die Schlussfolgerung der Strafkammer nicht zu tragen.
(2.1) Das Recht zur Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin soll jedem Erwerbsinteressenten die Möglichkeit verschaffen, als Meistbietender den Zuschlag zu erhalten und Eigentümer des Grundstücks zu werden (§§ 81 Abs. 1, 90 Abs. 1 ZVG). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist daher anerkannt, dass die Zurückweisung eines Gebots im Zwangsversteigerungstermin wegen Unwirksamkeit (§ 71 Abs. 1 ZVG) in Gestalt missbräuchlicher Rechtsausübung dann in Betracht kommt, wenn es in der Absicht abgegeben worden ist, Vorschriften des ZVG über den Schuldnerschutz zu unterlaufen, beispielsweise entgegen Sinn und Zweck von § 85a Abs. 1 und 2 ZVG einen neuen Versteigerungstermin ohne Bindung an die Voraussetzungen des § 74a Abs. 1 ZVG herbeizuführen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 17. Juli 2008 – V ZB 1/08, BGHZ 177, 334, Rn. 8). Die Ausübung des Rechts, im Verfahren Gebote abzugeben, ist aber auch dann rechtsmissbräuchlich, wenn ein weder zahlungsfähiger noch zahlungswilliger Bieter andere, ebenfalls verfahrensfremde Zwecke verfolgt, etwa wenn er durch sein Gebot die Verwertung des Grundstücks manipulieren oder hintertreiben will (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2007 aaO, Rn. 14 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Februar 2013 – V ZB 18/12, BGHZ 196, 243, Rn. 25 mwN; zur Vermutung der Rechtsmissbräuchlichkeit eines Eigengebots des Gläubigers BGH, Beschluss vom 24. November 2005 – V ZB 98/05, NJW 2006, 1355 f.).
(2.2) Gleichwohl hat der Rechtspfleger über die insoweit gebotene, an die engen Voraussetzungen von § 71 ZVG gebundene Prüfung hinaus keinen Anlass, der Abgabe eines Gebots – und sei es auch nur in Gestalt eines sachgedanklichen Mitbewusstseins – die Erklärung des Bietenden zu entnehmen, er werde die erforderliche Summe aufbringen können und wollen. Denn er muss den Eigengesetzlichkeiten der Zwangsversteigerung Rechnung tragen und daher jedes Gebot sofort auf seine Wirksamkeit überprüfen, da es durch ein darauffolgendes Übergebot unmittelbar erlöschen kann. Zur Prüfung eines möglichen Missbrauchs steht ihm keine Möglichkeit einer Beweisaufnahme offen. Auch ist der Bieter seinerseits nicht verpflichtet, seine mit dem Gebot verfolgte Absicht zu offenbaren (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2007 aaO, Rn. 35). Eine Zurückweisung wegen Rechtsmissbrauchs ist daher auf Ausnahmefälle beschränkt. Ein eine Zurückweisung von Geboten rechtfertigendes rechtsmissbräuchliches Verhalten muss durch offenkundige Umstände, die an konkrete, sogleich erkennbare Tatsachen anknüpfen, eindeutig ausgewiesen sein (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2007 aaO; ebenso OLG Nürnberg, Rpfleger 1999, 87; Stöber, ZVG, 21. Aufl., § 71 Rn. 2.10).
(2.3) Danach fehlt es im vorliegenden Fall für eine diesbezügliche Fehlvorstellung auch in Gestalt des vom Landgericht angenommenen sachgedanklichen Mitbewusstseins des Rechtspflegers bei Entgegennahme der Gebote der Angeklagten an einer ausreichenden Grundlage. Für eine ohne weiteres vom Rechtspfleger erkennbare Offenkundigkeit des rechtsmissbräuchlichen Zwecks des von der Angeklagten abgegebenen Höchstgebots fehlt nach den Urteilsfeststellungen ebenfalls jeglicher Anhalt.
3. Die Sache bedarf daher auch im Hinblick auf den Fall II. 2 der Urteilsgründe neuer Verhandlung und Entscheidung. Der dazu berufene Tatrichter wird prüfen müssen, ob die Angeklagte R. nach ihrer Vorstellung zur Täuschung des Rechtspflegers unmittelbar angesetzt (§ 22 StGB) und damit den Tatbestand des (untauglichen) versuchten Betruges verwirklicht hat.
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