Entscheidungsdatum: 22.09.2015
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 3. März 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer anderweit verhängten Geldstrafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren drei Monaten und einer Woche verurteilt; ferner hat es Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit dieser verurteilt worden ist.
I.
Nach den dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen beschleunigte der Angeklagte seinen Pkw VW Sharan auf öffentlichen Straßen in Mönchengladbach auf eine Fahrtgeschwindigkeit von mindestens 99 km/h. Neben ihm saß die nicht angegurtete Nebenklägerin auf dem Beifahrersitz. Im weiteren Verlauf der Fahrt bremste der Angeklagte sein Fahrzeug heftig ab und steuerte es im Wege einer kontrollierten Lenkbewegung leicht nach rechts. Er fuhr gezielt auf das Heck eines am Straßenrand geparkten anderen Autos auf. Hierbei verfolgte er die Absicht, die Nebenklägerin zu töten. Die Kollisionsgeschwindigkeit betrug mindestens 60 km/h. Die Front des Fahrzeugs des Angeklagten und das Heck des am Straßenrand abgestellten Pkw überdeckten sich zu ca. 70 %, sodass im Wesentlichen die Beifahrerseite des VW Sharan von der Kollision betroffen war. Während der Angeklagte nur geringfügige Verletzungen erlitt, war die Nebenklägerin unmittelbar nach dem Aufprall eine Zeit lang nicht ansprechbar, wenn auch durchgängig bei Bewusstsein. Mehrere durch die Kollisionsgeräusche auf das Geschehen aufmerksam gewordene Zeugen alarmierten die Polizei. Eine dem Angeklagten knapp eine Stunde nach der Tat entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,97 ‰.
II.
Die - ersichtlich nur gegen die Verurteilung gerichtete - Revision des Angeklagten hat Erfolg.
1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags gemäß §§ 212, 22, 23 Abs. 1 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch nicht geprüft hat, obwohl die getroffenen Feststellungen hierzu drängten.
Zwar wären Erörterungen zum Rücktritt entbehrlich, wenn ein fehlgeschlagener Versuch vorliegen würde. Die Feststellungen tragen indes eine solche Annahme nicht.
a) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allerdings Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont; vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 - 4 StR 560/14, Rn. 6, vom 22. März 2012 - 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240, und vom 2. November 2007 - 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393). Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsvorgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH, Beschlüsse vom 21. April 2015 - 4 StR 92/15, NJW 2015, 2898, 2899, vom 22. März 2012, aaO, und vom 26. September 2006 - 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91). Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, sodass sich das Geschehen aus der Perspektive eines Dritten nicht mehr als ein einheitlicher Lebenssachverhalt darstellen würde (BGH, Beschlüsse vom 4. August 2015 - 1 StR 329/15, vom 21. April 2015, aaO, vom 9. September 2014 - 4 StR 367/14, NStZ 2015, 26, und vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 232; Urteile vom 8. Februar 2007 - 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399, und vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369).
b) Zu der Vorstellung des Angeklagten nach dem Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs - nach der Kollision mit dem am rechten Fahrzeugrand abgestellten Pkw - enthält das Urteil keine konkreten Feststellungen. Der Senat kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen, dass der Angeklagte im Rücktrittshorizont eine Vollendung der Tat mit anderen Mitteln nicht mehr für möglich hielt. Zwar hatten mehrere Zeugen infolge des Kollisionsgeräuschs die Polizei gerufen. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift indes mit Recht ausführt, muss davon ausgegangen werden, dass eine gewisse Zeit bis zum Eintreffen der Polizei verstrich. In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt hält es der Senat daher nicht für fernliegend, dass der Angeklagte seinen Tötungsvorsatz noch hätte weiterverfolgen können, wenn er dies noch gewollt hätte.
2. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung betrifft auch die tateinheitlich erfolgten Verurteilungen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und gefährlicher Körperverletzung (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 3 StR 231/11, NJW 2012, 325, Rn. 25; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12). Sie zieht zudem die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und der auf §§ 69, 69a StGB gestützten Maßregelanordnung nach sich.
III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird Gelegenheit haben, die vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift erhobenen Bedenken gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil in seine Erwägungen einzubeziehen.
2. Die dortige Verwertung des anfänglichen Schweigens des Angeklagten, der sich erst in der Hauptverhandlung substantiiert eingelassen hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 - 3 StR 196/14, NStZ 2014, 666, 667; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 261 Rn. 18 mwN). Die nur fragmentarischen Angaben des Angeklagten noch am Tatort gegenüber der Zeugin PK’in H. , er sei gefahren, bulgarischer Staatsangehöriger und die Nebenklägerin sei eine Bekannte von ihm, begründen kein der Verwertung zugängliches Teilschweigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 2015 - 2 StR 48/15 und vom 16. Dezember 2010 - 4 StR 508/10, NStZ-RR 2011, 118; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 17 mwN).
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