Entscheidungsdatum: 22.11.2018
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12. Januar 2018 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ausdrücklich abgelehnt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte, wirksam auf die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt beschränkte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1. Nach den Feststellungen verstieß der Angeklagte im Tatzeitraum von Juli 2015 bis August 2016 in fünf Fällen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Er litt an einer Cannabisabhängigkeit und wollte mit den Verkäufen von Marihuana und Amphetamin auch seine Sucht finanzieren. Nach der Durchsuchung seiner Wohnung am 1. August 2016 nahm er davon Abstand, weiter Marihuana oder Amphetamin zu konsumieren (UA 5).
Eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat die sachverständig beratene Strafkammer abgelehnt. Sie geht von einem Hang im Sinne des § 64 StGB aus und bejaht auch einen „motivationalen Zusammenhang“ zwischen dem Hang und den Taten. Ferner bestehe die Gefahr, dass der Angeklagte wiederholt Straftaten von erheblichem Gewicht „zur Finanzierung seiner Cannabisabhängigkeit“ begehe. Zwar sei die Gefahr nach den Ausführungen des Sachverständigen gering, sie könne aber nicht ausgeschlossen werden (UA 18). Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sei jedoch nicht verhältnismäßig, da es mildere, „gleichsam“ effektive Mittel gebe, um den Angeklagten zu therapieren. Eine ambulante Therapie, namentlich die vom Angeklagten begonnene Behandlung bei der Drogenberatung der C. , sei eine geeignete Alternative zur stationären Therapie.
2. Die zulässige Revision ist unbegründet.
a) Das Rechtsmittel ist - ungeachtet des Antrags, das Urteil „im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch aufzuheben“ - auf die Frage einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB beschränkt. Denn ausweislich der Revisionsbegründung beanstandet die Staatsanwaltschaft ausschließlich die Ablehnung dieser Maßregel (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2018 - 4 StR 269/18 mwN).
Die Beschränkung ist wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 1 StR 416/17, Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 318 Rn. 25 i.V.m. 24).
b) Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt.
aa) Insoweit kommt es nicht darauf an, dass dem Landgericht bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 62 StGB) ein Rechtsfehler unterlaufen ist: Es hat die vom Angeklagten begonnene Therapie bei der Drogenberatung der C. lediglich in Beziehung zu einer stationären Therapie gesetzt und insoweit allein eine „geschlossene Unterbringung“ in den Blick genommen (UA 17 f.). Da das Gewicht des mit der Unterbringungsanordnung einhergehenden Eingriffs maßgeblich von der Frage der Vollstreckung der Maßregel abhängt, hätte die Strafkammer jedoch vorrangig prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung nach § 67b Abs. 1 StGB vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 4 StR 291/10, NStZ 2010, 692).
bb) Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten gemäß § 64 StGB hält gleichwohl im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Feststellungen und Wertungen des Landgerichts belegen nämlich, dass die Voraussetzungen einer solchen Unterbringung nicht vorliegen: Die Strafkammer geht im Anschluss an die Ausführungen des von ihr gehörten Sachverständigen davon aus, dass die Wiederholungsgefahr gering sei, aber nicht ausgeschlossen werden könne. Für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hingegen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die „begründete“ Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer erheblicher Straftaten erforderlich (BGH, Urteil vom 21. September 1993 - 4 StR 374/93, NStZ 1994, 30, 31; ebenso Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 64 Rn. 12; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Mai 1991 - 1 StR 141/91); es muss mit einer Wiederholung „zu rechnen“ (BGH, Beschluss vom 29. August 2018 - 4 StR 248/18), dies muss „konkret (zu) besorgen“ sein (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 148/08, NStZ-RR 2008, 234; OLG Koblenz, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 2 Ss 170/10). Die bloße Wiederholungsmöglichkeit genügt nicht (BGH, Urteil vom 21. September 1993 aaO; Urteil vom 11. Dezember 1990 - 1 StR 611/90, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 3; Beschluss vom 6. Dezember 1996 - 2 StR 608/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 6). Auch in der Literatur wird eine „nahe liegende“ bzw. bestimmte Wahrscheinlichkeit weiterer hangbedingter Straftaten gefordert (Schöch in LK-StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 84; MünchKomm-StGB/van Gemmeren, 3. Aufl., § 64 Rn. 55; SSW-StGB/Kaspar, 3. Aufl., § 64 Rn. 29; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 64 Rn. 5). Dem genügt eine „geringe“ Wahrscheinlichkeit nicht. Daher kommt es nicht mehr darauf an, ob die Formulierung der Strafkammer, die einerseits eine geringe Wahrscheinlichkeit feststellt, sie andererseits aber lediglich nicht ausschließen kann, nicht schon in sich widersprüchlich ist.
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