Entscheidungsdatum: 29.08.2018
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 22. Februar 2018 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen hielten sich der unter dem Einfluss von Amfetamin stehende Angeklagte und der Nebenkläger am 20. August 2017 gemeinsam in der Wohnung des Angeklagten auf. Dabei kam es zu „Provokationen“ seitens des Nebenklägers, bei denen er den Angeklagten unter anderem einen „Spasti“ nannte. Der zunehmend erregte Angeklagte forderte den Nebenkläger daraufhin auf, seine Wohnung zu verlassen. Als der Nebenkläger dieser Aufforderung nicht unmittelbar nachkam und sagte, „halt die Fresse, sonst klatsch ich Dir eine“, stach ihm der Angeklagte ein Küchenmesser mit einer spitzen, etwa 10 Zentimeter langen und scharfen Klinge unterhalb der linken Achsel seitlich in den Oberkörper. Damit wollte der Angeklagte den Nebenkläger dazu bringen, seine Wohnung zu verlassen, ohne ihm lebensgefährliche Verletzungen zuzufügen. Der Nebenkläger erlitt eine sechs Zentimeter tiefe Stichwunde mit Eröffnung der linken Brusthöhle. In der Folge kam es zu einem Pneumothorax. Konkrete Lebensgefahr bestand nicht.
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 und Nr. 5 StGB gewertet. Dabei ist es davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Amfetaminkonsums bei Tatbegehung im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war.
2. Der Rechtsfolgenausspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil dem Landgericht bei der Wahl des Strafrahmens und der konkreten Strafbemessung Rechtsfehler unterlaufen sind.
aa) Die Strafkammer hat die Strafe dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB entnommen. Die Annahme eines minder schweren Falls im Sinne des § 224 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB hat sie unter Bezugnahme auf die bei der konkreten Strafbemessung angestellten Erwägungen abgelehnt und besonders auf die Schwere der Verletzung des Nebenklägers hingewiesen.
Diese Begründung ist rechtsfehlerhaft, weil sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt hat, ob hier mit Blick auf das Tatvorgeschehen die Voraussetzungen des § 213 Alternative 2 StGB gegeben sind. Zwar führt dies bei Körperverletzungsdelikten - anders bei Tötungsdelikten - noch nicht zwingend zur Annahme eines minder schweren Falls, doch ist dessen Zubilligung regelmäßig geboten, sofern nicht erschwerende Gründe im Einzelfall entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 2018 - 1 StR 67/18, Rn. 26; Beschluss vom 27. März 2012 - 5 StR 103/12, NStZ-RR 2012, 277; Urteil vom 17. März 2011 - 5 StR 4/11, StraFo 2012, 24 mwN; siehe auch Beschluss vom 15. Dezember 2016 - 3 StR 417/16, Rn. 4). Daran gemessen reicht es nicht aus, dass das Landgericht durch seine Bezugnahme auf die bei der konkreten Strafbemessung angestellten Erwägungen auch die dort angesprochene ohne nähere Bewertung erwähnte Provokation des Nebenklägers pauschal bei der Strafrahmenwahl mit herangezogen hat.
Rechtsfehlerhaft ist es vorliegend auch, dass sich die Strafkammer nicht erkennbar damit auseinandergesetzt hat, ob ein minder schwerer Fall gemäß § 224 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB unter Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB zu bejahen war (zur Prüfungsreihenfolge vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2017 - 3 StR 516/16, NStZ 2017, 524 mwN). In diesem Fall hätte sich eine deutlich niedrigere Strafrahmenobergrenze ergeben.
bb) Schließlich ist auch zu beanstanden, dass das Landgericht dem Angeklagten bei der konkreten Strafzumessung und durch die allgemeine Bezugnahme auch bei der Strafrahmenwahl die Verwirklichung von zwei Varianten des § 224 Abs. 1 StGB angelastet hat. Denn in Bezug auf den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, dass der Angeklagte die Umstände erkannt hat, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit seines Tuns für das Leben des Nebenklägers in der konkreten Situation ergab (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2015 - 4 StR 442/14, NStZ-RR 2015, 172, 173; Urteil vom 29. Januar 1952 - 1 StR 767/51, BGHSt 2, 160, 163; st. Rspr.). Dies versteht sich hier auch nicht von selbst. Zwar hat der Angeklagte objektiv eine lebensgefährliche Gewalthandlung begangen, doch ist das Landgericht mit Rücksicht auf die Amfetaminintoxikation und die Übermüdung des Angeklagten an anderer Stelle (bei der Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes) selbst davon ausgegangen, dass er sich der Gefährlichkeit seines Handelns möglicherweise nicht in vollem Umfang bewusst war (UA 15). Unter diesen Umständen hätte es im Hinblick auf § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB - anders als bei dem gleichzeitig bejahten § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB - näherer Ausführungen zur subjektiven Tatseite bedurft.
b) Auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB kann nicht bestehen bleiben.
Zwar hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen das Vorliegen eines Hangs und eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang und der Tatbegehung bejaht. Das Vorliegen einer hangbedingten Gefährlichkeit ist aber nicht hinreichend belegt. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft. Die von ihm begangene Gewalttat geht maßgeblich auf eine Provokation des Nebenklägers zurück. Auch wenn die von § 64 Satz 1 StGB geforderte Gefahr allein durch die Anlasstat begründet werden kann und durch eine hangbedingte schwere Gewalttat regelmäßig hinreichend belegt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2006 - 5 StR 31/06, NStZ-RR 2006, 204 [Ls] mwN), hätte es hier mit Rücksicht auf die festgestellte Provokationslage und den sich daraus ergebenden besonderen Situationsbezug näherer Ausführungen dazu bedurft, warum mit einer Wiederholung zu rechnen ist. Die allgemeine Erwägung der Strafkammer, wonach die Ausgangsbedingungen der Tat jederzeit reproduzierbar seien, reicht dafür nicht aus, zumal es nach den Feststellungen auch schon in der Vergangenheit zu kleineren Streitigkeiten zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger gekommen war und sich beide auch noch zwei Tage vor der Tat gestritten hatten, ohne dass der Angeklagte deshalb gewalttätig geworden wäre (UA 4).
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