Entscheidungsdatum: 06.12.2016
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 26. Februar 2016 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle 1 bis 4 der Anklage) unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dorsten vom 27. Mai 2014 in der Fassung des Berufungsurteils des Landgerichts Essen vom 5. September 2014 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen (Fälle 6, 10, 11, 13 und 15/16 der Anklage) sowie wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall 2 der Anklage sowie die Gesamtstrafen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die weiter gehende Revision verworfen. Das Landgericht hat im zweiten Rechtsgang das Verfahren in der Hauptverhandlung hinsichtlich Fall 2 der Anklage nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und aus den verbleibenden bereits rechtskräftigen Einzelstrafen für die Fälle 1, 3, 4, 6, 10 und 11 der Anklage unter Einbeziehung der Strafe aus dem oben genannten Urteil eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und aus den ebenfalls rechtskräftigen Einzelstrafen für die Fälle 13 und 15/16 sowie für das Waffendelikt eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren gebildet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf mehrere Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO verstoßen, weil eine Mitteilung über ein vor der Hauptverhandlung geführtes Gespräch der Vorsitzenden mit dem Staatsanwalt unterblieben sei, das die Möglichkeit einer Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich Fall 2 der Anklage zum Gegenstand gehabt habe, greift nicht durch.
Der Senat lässt offen, ob der Rechtsprechung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs, wonach Gespräche von Richtern mit der Staatsanwaltschaft über eine Teileinstellung des Verfahrens in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO Transparenz- und Dokumentationsregeln unterliegen, die den aus § 243 Abs. 4 und § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO zu entnehmenden Vorgaben entsprechen, zu folgen ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 - 2 StR 139/14, NStZ 2016, 171 Rn. 18 f. mit ablehnenden Anmerkungen Schneider, NStZ 2016, 174 und Niemöller, JR 2016, 146, 148 ff.). Wie sich aus den dienstlichen Erklärungen der Beteiligten ergibt, hat der Vertreter der Staatsanwaltschaft im Vorfeld der Hauptverhandlung auf eine entsprechende Anfrage der Vorsitzenden hin lediglich in Aussicht gestellt, in der Hauptverhandlung hinsichtlich Fall 2 der Anklage einen Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO zu stellen. Eine für eine Verständigung gemäß § 257c StPO typische Verknüpfung von Handlungsbeiträgen der Verfahrensbeteiligten unter Einschluss des Angeklagten lag danach nicht vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 2016 - 2 BvR 1422/15, NStZ 2016, 422, 424 mwN; Niemöller, JR 2016, 146, 148 f.; Schneider, NStZ 2016, 174, 175). Auch wurde das den Besprechungsgegenstand bildende prozessuale Verhalten nicht in einen Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2883/10, NStZ 2013, 295 Rn. 85).
Dessen ungeachtet kann ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf der unterbliebenen Mitteilung beruht (zum Maßstab vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2016 - 1 StR 315/15 Rn. 17 ff. mwN). Eine für das Verfahrensergebnis oder den Prozessverlauf relevante Einwirkung auf das Aussageverhalten des Angeklagten konnte die Mitteilung nicht mehr haben, denn mit Ausnahme von Fall 2 der Anklage waren schon zu Beginn der Hauptverhandlung alle weiteren Schuldsprüche und Einzelstrafen rechtskräftig. Dies hatte zur Folge, dass auch die zugrunde liegenden Feststellungen, zu denen auch die strafzumessungsrelevanten Feststellungen zur Person zählen, bindend geworden und nur noch ergänzende Feststellungen möglich waren (vgl. BGH, Beschluss vom 8. April 2015 - 4 StR 585/14, NStZ 2015, 600 f.). Nach der noch vor der Sacheinlassung des Angeklagten erfolgten Teileinstellung, auf die der Angeklagte keinen Einfluss nehmen konnte und deshalb auch nicht angehört zu werden brauchte (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 1994 - 4 StR 765/93, NStZ 1995, 18 bei Kusch; Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl., § 154 Rn. 16), waren schließlich alle Schuldsprüche und alle Einzelstrafen rechtskräftig. Auch die Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die verhindern soll, dass „sachfremde das Licht der Öffentlichkeit scheuende Umstände auf das Gericht und damit auf das Urteil Einfluss gewinnen“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 2055/14, NStZ 2015, 172, 173 mwN), ist gewahrt geblieben. Die Strafkammer hat in der Hauptverhandlung noch vor der von der Vorsitzenden angeregten Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO den Tenor und die Feststellungen aus dem Urteil im ersten Rechtsgang sowie den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. November 2015 in die Hauptverhandlung eingeführt. Damit waren die maßgeblichen Gesichtspunkte für die sich anschließende Teileinstellung offengelegt und der gerichtliche Entscheidungsprozess auch für die nicht über das Vorgespräch informierte Öffentlichkeit durchschaubar (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 - 2 StR 139/14, NStZ 2016, 171, 174).
2. Die Rüge, das Landgericht habe § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO verletzt, weil der Angeklagte vor seiner Sacheinlassung nicht über sein Schweigerecht belehrt worden sei, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Wie sich bereits aus dem Revisionsvortrag selbst ergibt, war dem Angeklagten sein Schweigerecht bekannt (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 1981 - 3 StR 88/81, NStZ 1983, 208, 210 bei Pfeiffer; Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl., § 243 Rn. 39). Die Auffassung der Revision, dass in der erneuten Hauptverhandlung im zweiten Rechtsgang „eine besondere, möglicherweise sogar erweiterte Hinweispflicht“ bestand, wonach der Angeklagte an seine Entscheidung zur Ausübung des Schweigerechts im ersten Rechtsgang nicht gebunden sei, findet im Gesetz keine Stütze.
3. Die weiteren Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen erfolglos.
4. Die Sachrüge erschöpft sich, soweit eine fehlerhafte Anwendung des § 31 BtMG geltend gemacht wird, in urteilsfremdem Vorbringen. Eine zulässige Aufklärungsrüge ist nicht erhoben. Auch im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund des Revisionsvorbringens keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
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