Entscheidungsdatum: 22.08.2012
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 12. Dezember 2011 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit Raub, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung (Fall II. 1 der Urteilsgründe) verurteilt worden sind,
b) in den Gesamtstrafaussprüchen.
Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit Raub, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie wegen "Wohnungseinbruchsdiebstahls" schuldig gesprochen. Gegen den Angeklagten K. -S. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, gegen den Angeklagten Q. unter Einbeziehung der Geldstrafen aus zwei anderweitigen Verurteilungen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten und gegen den Angeklagten K. , ebenfalls unter Einbeziehung der Strafen aus einer Vorverurteilung, eine solche von drei Jahren und neun Monaten verhängt. Ferner hat es Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet.
Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen, haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Die Verurteilung der Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer im Fall II. 1 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Insoweit hat das Landgericht im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
Die Angeklagten sowie ein unbekannt gebliebener Mittäter befanden sich am Abend des Tattages gemeinsam mit dem Geschädigten im Pkw des Bruders des Angeklagten Q. auf einer Fahrt durch Leipzig; der Angeklagte Q. saß am Steuer. Die Angeklagten warfen dem Geschädigten während der Fahrt vor, seine frühere Freundin belästigt und seinen Hund vernachlässigt und geschlagen zu haben, was dieser vehement abstritt. Als die Beteiligten durch den Stadtteil W. fuhren, begann der unbekannt gebliebene Mittäter, den Geschädigten nach entsprechender Aufforderung durch den Angeklagten Q. mit Faustschlägen in das Gesicht und auf den Oberkörper zu misshandeln. Auch der Angeklagte K. -S. schlug den Geschädigten während der Fahrt mindestens einmal mit der Faust in das Gesicht. Noch bevor die Angeklagten ihr endgültiges Ziel, einen Parkplatz in W. , erreicht hatten, zog der Angeklagte K. schwarze Lederhandschuhe an und forderte den Geschädigten nach einem Halt des Fahrzeugs in einem Wohngebiet mit Billigung seiner Mittäter auf, seine Taschen zu leeren. Aus Angst vor weiteren Schlägen holte dieser aus seinen Taschen ein schwarzes Mobiltelefon, eine ungeöffnete Zigarettenschachtel, einen Schlüsselbund mit seinen Wohnungs- und Haustürschlüsseln sowie zwei bis drei Euro Münzgeld heraus; die Gegenstände wurden ihm von einem der Täter aus den Händen gerissen. Ihnen war dabei bewusst, dass sie auf die dem Geschädigten weggenommenen Gegenstände keinen Anspruch hatten; sie wollten sie gleichwohl für sich behalten. Nach Erreichen des Parkplatzes in W. wurde der Geschädigte aus dem Fahrzeug gezerrt, erneut schwer misshandelt und im Anschluss daran auf dem Parkplatz zurückgelassen.
2. Diese Feststellungen sind nicht geeignet, den Schuldspruch wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer im Sinne des § 316a Abs. 1 StGB zu tragen.
a) Zwar hat das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass neben dem "Führer" eines Kraftfahrzeugs auch der "Mitfahrer" grundsätzlich taugliches Tatopfer im Sinne des § 316a Abs. 1 StGB sein kann (Senatsurteil vom 25. Februar 2004 – 4 StR 394/03, NStZ 2004, 626). Dass sich der Geschädigte als Mitfahrer zum Tatzeitpunkt unfreiwillig in dem Fahrzeug befunden haben mag, stünde der Anwendbarkeit der Vorschrift ebenfalls nicht entgegen (Senatsurteil aaO).
b) Die Feststellungen belegen indes nicht, dass die Angeklagten bei der Begehung der Tat die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt haben.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dieses zusätzliche Tatbestandsmerkmal in der Regel erfüllt, wenn der Angriff im Sinne des § 316a StGB zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem sich der Fahrer mit dem Fahrzeug im fließenden Verkehr befindet (Senatsurteil vom 20. November 2003 – 4 StR 150/03, BGHSt 49, 8, 14 f.; Senatsbeschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 299/04, BGHSt 50, 169, 172 f.). Entsprechendes gilt auch, wenn das Kraftfahrzeug während der Fahrt verkehrsbedingt mit laufendem Motor hält, die Fahrt aber nach Veränderung der Verkehrssituation sogleich fortgesetzt werden soll, das Fahrzeug sich also weiterhin im fließenden Verkehr befindet. In diesen Fällen hat auch der "Mitfahrer", sollte er wegen der Einwirkung durch den oder die Täter zur Flucht entschlossen sein, regelmäßig keine Möglichkeit, sich dem Angriff ohne Eigen- oder Fremdgefährdung – etwa durch Öffnen der Tür oder Ziehen der Handbremse – zu entziehen (Senatsbeschluss vom 28. Juni 2005 aaO). In allen anderen Fällen, insbesondere bei einem nicht verkehrsbedingten Halt, bedarf es zusätzlicher, in den Urteilsgründen darzulegender Umstände, die die Annahme rechtfertigen, dass die Tat unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen worden ist (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2006 – 4 StR 444/05, NStZ-RR 2006, 185; Senatsbeschluss vom 17. Februar 2005 – 4 StR 537/04; zum Ganzen vgl. SSW-StGB/Ernemann, § 316a Rn. 14).
bb) Im vorliegenden Fall hat das Landgericht lediglich festgestellt, dass der Angeklagte K. nach den vorausgegangenen Misshandlungen des Geschädigten und nachdem er sich schwarze Lederhandschuhe angezogen hatte, diesen im Einvernehmen mit seinen Mittätern "nach dem Halt im Wohngebiet" zur Leerung seiner Taschen aufforderte. Zu den näheren Umständen dieses "Halts" in einem Wohngebiet, insbesondere dazu, ob das Anhalten verkehrsbedingt war, verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Der Senat kann daher nicht überprüfen, ob die Täter unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs handelten.
Die Sache bedarf daher insoweit erneuter tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung.
3. Danach können auch die im Fall II. 1 der Urteilsgründe tateinheitlich erfolgte Verurteilung der Angeklagten wegen Raubes, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie die Gesamtstrafaussprüche nicht bestehen bleiben. Im Hinblick auf den Tatbestand des § 249 StGB verweist der Senat auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Anforderungen an die tatrichterliche Darlegung der finalen Verknüpfung zwischen Nötigung und Wegnahme (vgl. dazu Fischer, StGB, 59. Aufl., § 249 Rn. 6 ff., insbes. Rn. 10 m. Rspr.-Nachw.).
II.
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils im Übrigen (Fall II. 2 der Urteilsgründe) hat einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 21. Juni 2012 Bezug genommen. Das Landgericht hat das Tatgeschehen im Ergebnis zutreffend als "Wohnungseinbruchsdiebstahl" bezeichnet (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Soweit es die Strafe gleichwohl dem Strafrahmen des § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB entnimmt, beschwert dies die Angeklagten nicht.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter