Entscheidungsdatum: 26.02.2015
Der Umstand, dass die Bundesrepublik Deutschland von ihrem Selbsteintrittsrecht nach der Dublin-II-Verordnung Gebrauch gemacht hat und Asylsuchende, die sich zuvor in Griechenland aufgehalten haben und von dort direkt auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist sind, nicht nach Griechenland zurücküberstellt, lässt die Strafbarkeit eines ihre unerlaubte Einreise unterstützenden Schleusers unberührt.
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 4. Dezember 2013 wird verworfen; jedoch wird der Strafausspruch dahin ergänzt, dass die in dieser Sache in Griechenland erlittene Auslieferungshaft auf die verhängte Freiheitsstrafe im Verhältnis 1 : 1 angerechnet wird.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf mehrere Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts organisierte der Angeklagte seit Ende des Jahres 2011 die Schleusung syrischer Staatsangehöriger, die von Griechenland aus in die Bundesrepublik Deutschland oder andere Zielländer gelangen wollten. Die syrischen Staatsangehörigen waren zuvor „illegal“ über die Türkei nach Griechenland eingereist, hatten dort keinen Asylantrag gestellt und versuchten, sich bis zu ihrer angestrebten Weiterreise in Griechenland ohne Kenntnis der Behörden aufzuhalten. Für seine Tätigkeit handelte der Angeklagte mit den Schleusungswilligen oder deren Angehörigen einen Gesamtpreis aus, der durchschnittlich mehrere Tausend Euro pro Person betrug. Mit dem erwarteten finanziellen Gewinn aus seiner wiederholten Schleusertätigkeit wollte er seinen Lebensunterhalt bestreiten. Keiner der syrischen Staatsangehörigen verfügte über einen gültigen Pass oder einen für die Einreise nach Deutschland erforderlichen Aufenthaltstitel.
1. Im Sommer 2012 sagte der Angeklagte dem syrischen Staatsangehörigen H. R. zu, ihn und seine zehnköpfige Familie gegen ein Entgelt in unbekannter Höhe nach und nach mit dem Flugzeug in die Bundesrepublik Deutschland zu schleusen. Der Schleuserlohn sollte abhängig vom Fortschritt der Schleusungen in Teilbeträgen durch einen bereits in Deutschland lebenden Bruder des H. R. , K. Re. , nach Griechenland überwiesen werden. Im Anschluss daran quartierte der Angeklagte die Familie R. in einer von ihm gemieteten Wohnung in Athen ein und beauftragte mindestens einen unbekannten Mittäter mit der Organisation der Ausreise. In der Folgezeit wurden einzelne Mitglieder der Familie R. in die Bundesrepublik Deutschland eingeschleust und Teilbeträge des Schleuserlohns absprachegemäß an den Angeklagten überwiesen. Mitte August 2012 erhielt der Angeklagte von einem Mittäter die Nachricht, dass auch die zum damaligen Zeitpunkt 16 Jahre alte G. R. und zwei weitere weibliche Familienmitglieder nach Deutschland verbracht werden könnten. Er nahm deshalb am 22. und 23. August 2012 Kontakt zu K. Re. auf und besprach mit ihm die Einzelheiten der Zahlung eines weiteren Teiles des Schleuserlohns in Höhe von 9.000 Euro. Am 30. August 2012 reiste G. R. mit dem Flugzeug von Rhodos nach Frankfurt am Main. Zuvor war ihr von Mittätern des Angeklagten ein gefälschter polnischer Personalausweis übergeben worden. Nach ihrer Ankunft am Frankfurter Flughafen wurde sie im nichtöffentlichen Bereich des Flughafengebäudes von Beamten der Bundespolizei nach ihren Ausweispapieren befragt. Daraufhin zeigte sie den gefälschten polnischen Personalausweis vor und gab an, dass es ihr Ziel gewesen sei, in Deutschland Asyl zu beantragen (Fall III 2 b) aa) (a) der Urteilsgründe).
2. An einem nicht mehr näher feststellbaren Tag im Sommer 2012 vereinbarte der Angeklagte mit dem syrischen Staatsangehörigen Kh. A. die Schleusung von dessen Familie in die Bundesrepublik Deutschland. Der vereinbarte Schleuserlohn in unbekannter Höhe sollte von T. Al. , einem bereits in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Bruder des Kh. A. , dem Angeklagten nach Griechenland überwiesen werden. In der Folgezeit brachte der Angeklagte die Familie A. in einer von ihm gemieteten Wohnung in Athen unter und beauftragte mindestens einen unbekannten Mittäter mit der Organisation der Ausreise. Nachdem er von einem Mittäter die Nachricht erhalten hatte, dass der zwölfjährige Ha. K. gemeinsam mit zwei weiteren Kindern von H. R. mit dem Flugzeug nach Österreich gebracht werden könne, teilte er dies T. Al. mit und bat um deren Abholung. Obgleich T. Al. ihm dies nicht zusagen konnte, führte der Angeklagte die Schleusung durch. Daraufhin reisten der mit gefälschten Ausweispapieren versehene zwölfjährige Ha. K. , der zehnjährige R. Re. (R. ) und der achtjährige Ho. Re. (R. ) am 13. September 2012 mit dem Flugzeug von Griechenland nach Wien. Nach ihrer Ankunft wurden sie von einer unbekannten Mittäterin des Angeklagten zum dortigen Westbahnhof verbracht und in einen ICE nach Deutschland gesetzt. Dabei wurden ihnen die gefälschten Ausweispapiere abgenommen. Nach der Durchfahrt des ersten Haltepunkts auf dem Bundesgebiet in Regensburg wurden die drei von einer Zugstreife der Bundespolizei angesprochen, sie führten keine Ausweisdokumente bei sich. Bei seiner Befragung erklärte Ha. K. , dass er nach Deutschland wolle, „weil in Syrien Krieg herrscht“. (Fall III 2 b) aa) (b) der Urteilsgründe).
3. Im Frühjahr 2012 übernahm der Angeklagte gegen ein in der Höhe nicht feststellbares Entgelt die Schleusung der Eheleute Ra. I. und J. M. . Der Schleuserlohn sollte dabei von dem bereits in der Bundesrepublik lebenden Sohn der Familie aufgebracht werden. In der Folgezeit brachte der Angeklagte das Ehepaar in einer von ihm angemieteten Wohnung unter und beauftragte mindestens einen unbekannten Mittäter mit der Organisation der Ausreise. Nachdem mehrere Versuche der Eheleute gescheitert waren, ein Flugticket zu erwerben und ein Flugzeug zu besteigen, verschaffte der Angeklagte ihnen durch die Bestechung von Flughafenmitarbeitern den Zugang zu einem Flugzeug. Dafür hatte er zuvor mit dem Sohn der Eheleute einen Aufpreis auf den Schleuserlohn vereinbart. Am 20. September 2012 reiste das Ehepaar Ra. I. und J. M. von Rhodos mit dem Flugzeug nach München. Nach ihrer Ankunft am Münchener Flughafen wurden sie im nichtöffentlichen Bereich des Flughafengebäudes von Beamten der Bundespolizei nach ihren Ausweispapieren befragt, beide hatten keine Ausweisdokumente bei sich. Im Anschluss daran erklärte Ra. I. gegenüber den Polizeibeamten: „Ich und meine Frau sind vor dem Krieg geflüchtet und um unsere Kinder in Deutschland zu erreichen. Ich will Asylantrag stellen. Für mich und meine Ehefrau“ (Fall III 2) b) aa) (c) der Urteilsgründe).
4. Im Juni/Juli 2012 übernahm der Angeklagte für einen Schleuserlohn von wenigstens 9.000 Euro die Organisation der Weiterreise des zuvor von Unbekannten über die Türkei nach Griechenland eingeschleusten M. S. und seiner Familie (Ehefrau und Tochter) in die Bundesrepublik Deutschland. Der Schleuserlohn sollte von Verwandten und dem bereits in der Bundesrepublik lebenden Sohn der Eheleute entrichtet werden. In der Folgezeit brachte der Angeklagte die Familie in einer von ihm angemieteten Wohnung unter und beauftragte mindestens einen unbekannten Mittäter mit der Organisation der Ausreise. Nach wenigen Tagen wurde die Tochter der Eheleute S. /F. in die Bundesrepublik eingeschleust. Nachdem es den Eheleuten mehrfach nicht gelungen war, in ein Flugzeug nach Deutschland zu gelangen, veranlasste der Angeklagte gegen einen Aufpreis, dass beide durch bestochene Flughafenmitarbeiter in das Flugzeug gebracht werden, und setzte ihren Sohn hiervon am 25. September 2012 in Kenntnis. Noch am selben Tag reisten die Eheleute M. S. und B. F. mit dem Flugzeug von Thessaloniki nach München ein. Nach ihrer Ankunft am Münchener Flughafen wurden sie im nichtöffentlichen Bereich des Flughafengebäudes von Beamten der Bundespolizei nach ihren Ausweispapieren befragt. M. S. legte eine gefälschte bulgarische Identitätskarte vor, B. F. hatte keine Ausweisdokumente bei sich. Auf die Frage nach dem Grund ihrer Reise gab M. S. an: „Meine Kinder befinden sich in Deutschland und weil der Präsident in Syrien die Menschen tötet“. „In der Folgezeit“ stellten beide Asylanträge in der Bundesrepublik Deutschland (Fall III 2 b) aa) (d) der Urteilsgründe).
II.
Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
a) Die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung des in der Hauptverhandlung vom 3. Dezember 2013 gestellten Antrages auf Einvernahme von zehn Beamten der Bundespolizei gegen § 244 Abs. 3 StPO verstoßen, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die dem Antrag beigefügten und ausdrücklich als dessen Bestandteil bezeichneten „Protokolle der Bundespolizei“ nicht vorgelegt werden (vgl. Becker in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 372 mwN). Im Übrigen hat das Landgericht den Antrag zutreffend als Beweisermittlungsantrag angesehen, da er keine Zuordnung der unter Beweis gestellten Tatsachen zu den benannten Zeugen enthält (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1981 – 5 StR 343/81; NStZ 1983, 210 bei Pfeiffer/Miebach).
b) Soweit sich die Revision gegen die Verwertung von drei Telefongesprächen wendet, die der Angeklagte von Griechenland aus mit Teilnehmern im Ausland geführt hat, bleibt ihr der Erfolg schon deshalb versagt, weil ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf der gerügten Gesetzesverletzung beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Das Landgericht hat die beanstandeten Telefongespräche nur bei der Erörterung der Motivlage verwertet, seine Überzeugung, dass der Angeklagte mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat, dabei aber vornehmlich auf dessen – korrigierte – Einlassung in der Hauptverhandlung gestützt. Die in Rede stehenden Telefongespräche wurden lediglich zusammen mit vier weiteren Telefongesprächen und den Angaben der früheren Mitangeklagten zu deren Bestätigung herangezogen. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre, wenn ihm die von der Revision für unverwertbar erachteten Gespräche nicht zur Verfügung gestanden hätten.
2. Auch die Sachrüge bleibt ohne Erfolg.
a) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Angeklagte in vier Fällen anderen unter Verwirklichung von Schleusermerkmalen gewerbsmäßig dazu Hilfe geleistet hat, unerlaubt in das Bundesgebiet einzureisen (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG), und deshalb wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in vier Fällen nach § 96 Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, § 53 StGB strafbar ist.
aa) Alle von dem Angeklagten unterstützten syrischen Staatsbürger – auch die Minderjährigen (vgl. dazu BayObLG, NStZ-RR 2003, 275, 276) – sind ohne den nach § 3 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Pass und ohne den nach § 4 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel (Sichtvermerk) in das Bundesgebiet eingereist. Ihre Einreise war damit unerlaubt im Sinne von § 95 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG.
bb) Art. 16a Abs. 1 GG steht dieser Bewertung nicht entgegen. Denn die von dem Angeklagten unterstützten syrischen Staatsangehörigen sind nicht unmittelbar aus dem Verfolgerstaat (Syrien), sondern aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (Griechenland, Österreich) in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und konnten sich schon deshalb nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht auf das Asylgrundrecht berufen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 2. März 2010 – 4 Ss 1558/09, juris, Rn. 9 m. Anm. Senge, jurisPR-StrafR 20/2010 Anm. 2; OLG Köln, NStZ-RR 2004, 24 f.; BayObLG, BayObLGSt 1998, 172, 173; BVerwG, NVwZ 1992, 682, 684; NVwZ 1984, 591; Schott, Einschleusen von Ausländern, 2. Aufl., S. 183 ff.; Stoppa in: Huber, AufenthG, § 95 Rn. 354 mwN).
cc) Hieran ist auch in Bezug auf die unmittelbar aus Griechenland eingereisten Asylbewerber festzuhalten.
(1) Nach dem vom verfassungsändernden Gesetzgeber in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG gewählten Konzept der sicheren Drittstaaten ist der persönliche Geltungsbereich des in Art. 16a Abs. 1 GG gewährten Asylgrundrechts auf Ausländer beschränkt, die nicht aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat eingereist sind, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S. 560) – Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) – und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 953) sichergestellt ist. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften hat der verfassungsändernde Gesetzgeber in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG selbst zu sicheren Drittstaaten bestimmt. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm wie auch aus der Zielsetzung, die der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Drittstaatenregelung verfolgt, ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten unmittelbar kraft Verfassung sichere Drittstaaten sind. Der zweite Halbsatz in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG („... in dem die Anwendung ... sichergestellt ist“) bezieht sich ausschließlich auf „den anderen Drittstaat“, mithin auf Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass ein Ausländer in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften generell Schutz vor politischer Verfolgung und vor Weiterschiebung in einen Staat finden kann, in dem ihm politische Verfolgung oder sonstige menschenrechtswidrige Behandlung oder Bestrafung droht; nur für andere Staaten ist diese Annahme noch von der vorgängigen Prüfung abhängig, ob dort ein Schutz entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährt wird (BVerfGE 94, 49, Rn. 159; vgl. BT-Drucks. 12/4152, S. 4). Auch für Griechenland als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ergibt sich damit der Status eines sicheren Drittstaates unmittelbar aus der Verfassung.
(2) Der Umstand, dass zur Tatzeit keine Rücküberstellungen nach Griechenland gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II – VO) erfolgen durften, weil dort eine Umsetzung der Schutzmechanismen für Flüchtlinge entsprechend den Standards der Genfer Flüchtlingskonvention nicht mehr gewährleistet war (vgl. EGMR (GK), NVwZ 2011, 413 [Verstoß gegen Art. 3 und 13 EMRK]; EuGH, NVwZ 2012, 417; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – 2 BvR 450/11, juris, Rn. 29; NVwZ 2010, 318; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2010 – V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726, Rn. 26; BVerwG, EZAR NF 65 Nr. 14, S. 3; Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 409) und Deutschland deshalb in Bezug auf aus Griechenland eingereiste Asylbewerber von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II – VO Gebrauch gemacht hat, steht dem nicht entgegen (a.A. Schott-Mehring, ZAR 2014, 142, 146 ff.; Schott, Einschleusen von Ausländern, 2. Aufl., S. 187 f.). Auch wenn Griechenland vor diesem Hintergrund zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Schleusungen nicht mehr uneingeschränkt als „sicherer Drittstaat“ im asylverfahrensrechtlichen Sinn einzuordnen war (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – 2 BvR 450/11, juris, Rn. 29), hat sich dadurch die verfassungsrechtliche Ausgangslage nicht verändert.
(3) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die einer Rücküberstellung entgegenstehenden Defizite im griechischen Asylverfahren und das generelle Ausüben des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II – VO dazu geführt haben, dass die eingeschleusten Ausländer trotz ihres zwischenzeitlichen Aufenthalts in Griechenland als „Flüchtling“ im Sinne von § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK einzustufen sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – 2 BvR 450/11, juris, Rn. 29; siehe auch OLG Köln, NStZ-RR 2004, 24). Zwar geht ein Flüchtling seines Schutzes durch Art. 31 Abs. 1 GFK grundsätzlich nicht schon dadurch verlustig, dass er aus einem Drittstaat einreist und nicht direkt aus dem Herkunftsstaat, sofern er diesen Drittstaat nur als „Durchgangsland“ nutzt und sich der Aufenthalt in diesem nicht schuldhaft verzögert (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – 2 BvR 450/11, juris, Rn. 31 mwN). Durch den Schutz des Art. 31 Abs. 1 GFK entstünde aber lediglich ein den Asylsuchenden betreffender persönlicher Strafaufhebungsgrund, der das bereits verwirklichte Unrecht der unerlaubten Einreise unberührt ließe und deshalb auf die Strafbarkeit des Angeklagten nach § 96 Abs. 1 AufenthG ohne Einfluss wäre (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – 2 BvR 450/11, juris, Rn. 22; BGH, Beschluss vom 25. März 1999 – 1 StR 344/98, NStZ 1999, 409 zu § 92 Abs. 4 AuslG; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 195. Ergänzungslieferung 2013, § 95 AufenthG Rn. 68; Gericke in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 95 AufenthG Rn. 118).
dd) Der Einwand der Revision, die noch im nichtöffentlichen Bereich der Flughäfen Frankfurt und München von der Bundespolizei kontrollierten syrischen Staatsangehörigen G. R. (Fall III 2 b) aa) (a) der Urteilsgründe), Ra. I. und J. M. (Fall III 2) b) aa) (c) der Urteilsgründe) sowie M. S. und B. F. (Fall III 2 b) aa) (d) der Urteilsgründe) seien erlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, weil ihnen die Einreise von den kontrollierenden Bundespolizeibeamten zur Durchführung des Asylverfahrens nach § 18 Abs. 1, § 18a AsylVfG gestattet worden sei (vgl. BeckOK-AuslR/Hohoff, 6. Edition, AufenthG, § 95 Rn. 33; Winkelmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 95 AufenthG Rn. 53), geht fehl.
(1) Für eine grenzpolizeiliche Einreisegestattung nach § 18 Abs. 1 AsylVfG war kein Raum, weil die angeführten Asylbewerber im Zeitpunkt der Kontrolle durch die Beamten der Bundespolizei bereits eingereist waren.
(a) Der Begriff der Einreise bestimmt sich nach der Verordnung (EG) 562/2006 vom 15. März 2006 (Schengener Grenzkodex), die im Rahmen ihres Geltungsbereiches der nationalen Regelung in § 13 AufenthG vorgeht. Nach Art. 20 Schengener Grenzkodex dürfen Binnengrenzen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden. Der damit verbundene Wegfall jedweder Grenzübergangskontrolle und der Abbau aller Grenzübergangsstellen führt dazu, dass sich der Grenzübertritt nicht mehr nach § 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, sondern nach § 13 Abs. 2 Satz 3 AufenthG richtet. Ein Ausländer ist daher an einer Binnengrenze bereits dann eingereist, wenn er die Grenzlinie (physisch) überschritten und das Hoheitsgebiet des Zielstaates betreten hat (vgl. BeckOK-AuslR/Dollinger, 6. Edition, AufenthG, § 13 Rn. 9; Fränkel in HK-AuslR, § 13 AufenthG Rn. 20; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 2014, § 13 AufenthG Rn. 18; Ritter, ZAR 2000, 69; Westphal/Stoppa, NJW 1999, 2137, 2138). Reist der Ausländer mit einem Binnenflug (Art. 2 Nr. 3 Schengener Grenzkodex) ein, gilt nach Art. 2 Nr. 1b Schengener Grenzkodex der „Flughafen“ als Binnengrenze. Dies hat zur Folge, dass der für die Vollendung der Einreise maßgebliche (physische) Grenzübertritt nicht schon mit dem Überfliegen der (geografischen) Grenzlinie stattfindet (so aber Stoppa in Huber, Aufenthaltsgesetz, § 95 Rn. 117), sondern erst mit dem Betreten des Hoheitsgebietes des Zielstaates am Flughafen erfolgt (vgl. OLG München, EZAR NF 57 Nr. 10; GK-Aufenthaltsgesetz/Mosbacher, § 95 Rn. 99). Nicht erforderlich ist es hingegen, dass der Passagier eines Binnenfluges (Art. 2 Nr. 3 Schengener Grenzkodex) auch schon in den öffentlichen Bereich des Flughafengeländes gelangt ist oder den Flughafenbereich verlassen hat. Beide Gesichtspunkte knüpfen an die in § 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG geregelte Grenzsituation an und setzen voraus, dass der Flughafen eine Grenzübergangsstelle ist, an der Grenzübertrittskontrollen stattfinden (vgl. Westphal in Huber, Aufenthaltsgesetz, § 13 Rn. 17). Dies ist aber nur bei ankommenden Flügen aus Drittstaaten der Fall, bei denen der Flughafen als Außengrenze gilt (Art. 2 Nr. 2 iVm Art. 2 Nr. 1b Schengener Grenzkodex) und Grenzübergangsstelle (Art. 2 Nr. 8 Schengener Grenzkodex) ist, nicht aber bei Binnenflügen (zur notwendigen Trennung der Passagierströme aus ankommenden Binnenflügen und Flügen aus Drittstaaten vgl. Anhang VI Nr. 2.1.1 zum Schengener Grenzkodex; Nanz, ZAR 1994, 99, 101; Haas, Die Schengener Abkommen und ihre strafprozessualen Implikationen, 2001, S. 52 f.).
(b) Danach hatten die von dem Angeklagten eingeschleusten G. R. , Ra. I. , J. M. , M. S. und B. F. den Tatbestand der unerlaubten Einreise im Sinne von § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG bereits vollständig verwirklicht, als sie im nichtöffentlichen Bereich der Flughäfen in Frankfurt/Main und München von Bundespolizeibeamten angetroffen wurden und erstmals ein Asylersuchen anbrachten.
(2) Der Hinweis der Revision auf das sog. Flughafenverfahren nach § 18a AsylVfG verfängt ebenfalls nicht. Dieses Verfahren ist als Asylverfahren vor der Entscheidung über die Einreise konzipiert (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93, NVwZ 1996, 678, 680 f.) und kommt nicht mehr in Betracht, wenn – wie hier – die Einreise bereits vollendet ist (OLG München, EZAR NF 57 Nr. 10; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 2014, § 18a AsylVfg Rn. 42; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze 195. Ergänzungslieferung 2013, § 18a AsylVfG Rn. 3).
(3) Der Umstand, dass die Beamten der Bundespolizei in allen Fällen nach der Feststellung der pass- und aufenthaltstitellosen Einreise keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen (Zurückschiebung nach § 18 Abs. 3 iVm Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG, § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) veranlasst haben, hat den aufgrund ihrer Einreise aus einem sicheren Drittstaat von der grundrechtlichen Asylgewährung nach Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossenen Ausländern zwar nach § 26a Abs. 1 Satz 3 iVm § 18 Abs. 4 Nr. 2 AsylVfG einen einfachgesetzlichen Zugang zum Asylrecht eröffnet (vgl. Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 26a AsylVfG Rn. 10; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 195. Ergänzungslieferung 2013, § 26a AsylVfG Rn. 8; Schmidt-Sommerfeld in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 26a AsylVfG Rn. 2). An der zu diesem Zeitpunkt bereits vollendeten unerlaubten Einreise ändert dies aber nichts (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 – V ZB 213/09, NVwZ 2010, 1510 Rn. 8).
b) Der vom Landgericht rechtsfehlerfrei bestimmte Anrechnungsmaßstab für den im Ausland erlittenen Freiheitsentzug war gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2012 – 2 StR 520/11, Rn. 6; Beschluss vom 6. Februar 2002 – 2 StR 489/01, Rn. 6). Die weitere Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin