Entscheidungsdatum: 16.12.2015
Wird über zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können, gleichzeitig entschieden, so ist nur ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen.
Wird über zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können, gleichzeitig entschieden, so ist nur ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen.
I.
1. Das Amtsgericht Bielefeld hat den Betroffenen am 24. November 2014 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu der Geldbuße von 160 Euro und wegen einer weiteren Tat der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt. Daneben hat es gesondert für beide Taten jeweils ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene mit einem PKW die Bundesautobahn A 2 in einem Bereich, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit 100 km/h betrug, am 24. April 2014 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 160 km/h und am 13. Juni 2014 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 150 km/h.
Gegen das Urteil des Amtsgerichts hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt und hilfsweise einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Sache dem mit drei Richtern besetzten Bußgeldsenat zur Entscheidung übertragen. Dieser hat sie durch Beschluss vom 30. April 2015 gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
2. Das Oberlandesgericht Hamm ist der Auffassung, dass bei zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können, auch dann, wenn über sie gleichzeitig zu urteilen ist, hinsichtlich jeder Ordnungswidrigkeit gesondert ein Fahrverbot verhängt werden kann, so dass die Verurteilung des Betroffenen zu Recht erfolgt und die Rechtsbeschwerde zu verwerfen sei.
An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Oberlandesgericht Hamm durch die Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 21. November 1995 – 1 ObOWi 595/95, des Oberlandesgerichts Bamberg vom 16. September 2013 – 2 Ss OWi 743/13, des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Mai 2002 – 2 Ss (OWi) 16 B/02, VRS 106, 212, und vom 5. März 2013 – (2 B) 53 Ss-OWi 74/13 (41/13), VRS 124, 346 f.; des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. November 1997 – 5 Ss (OWi) 281/97 – (OWi) 170/97 I, NZV 1998, 298, 299, des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 6. September 2001 – 2 Ss OWi 222/01, SchlHA 2002, 177, und des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 1995 – 1 Ss 541/95, NZV 1996, 159, 160, gehindert.
Das vorlegende Oberlandesgericht Hamm ist der Auffassung, der Ausschluss der Verhängung mehrerer Fahrverbote in derselben gerichtlichen Entscheidung widerspreche der gesetzlich vorgegebenen Systematik und der Entscheidung des Gesetzgebers, als Rechtsfolge der Verwirklichung mehrerer Ordnungswidrigkeiten keine Gesamtgeldbuße vorzusehen. Es erscheine als wenig überzeugend, hinsichtlich der Hauptrechtsfolge (Geldbuße) das Kumulationsprinzip anzuwenden, hinsichtlich der Nebenfolge jedoch das Asperationsprinzip. Da zudem im Fall einer getrennten Aburteilung mehrerer Ordnungswidrigkeiten mehrere Fahrverbote ausgesprochen werden, widerspreche es dem Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit, wenn die Verhängung der Rechtsfolgen von Ordnungswidrigkeiten von der weitgehend zufälligen Verfahrenslage abhänge.
3. Das Oberlandesgericht Hamm hat deshalb dem Bundesgerichtshof folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
„Kann bei zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen, die jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können und über die gleichzeitig zu urteilen ist, stets lediglich ein einheitliches Fahrverbot verhängt werden oder ist es möglich, hinsichtlich jeder Ordnungswidrigkeit gesondert ein Fahrverbot – mithin zwei Fahrverbote nebeneinander – zu verhängen?“
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Stellungnahme beantragt, die Vorlegungsfrage entsprechend der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Hamm im Sinne der Möglichkeit der Verhängung mehrerer Fahrverbote zu bejahen.
II.
Die Vorlegungsvoraussetzungen des § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG sind erfüllt. Die Vorschrift des § 121 Abs. 2 GVG ist gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG für die Rechtsbeschwerde entsprechend heranzuziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. September 2013 – 4 StR 503/12, BGHSt 59, 4, 8, und vom 23. September 2014 – 4 StR 92/14, BGHSt 59, 311, 313). Das Oberlandesgericht Hamm kann nicht seiner Absicht gemäß entscheiden, ohne von den vorgenannten Beschlüssen anderer Oberlandesgerichte (vgl. oben I. 2.) abzuweichen.
III.
Der Senat beantwortet die vorgelegte Rechtsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.
1. Die Beantwortung der Frage, ob im Fall der gemeinsamen Verhandlung über mehrere Ordnungswidrigkeiten, von denen jede die Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigt, auf eines oder mehrere Fahrverbote zu erkennen ist, ergibt sich allerdings nicht bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Die Regelung über die Tatmehrheit in § 20 OWiG ist nach ihrem Wortlaut auf die Festsetzung von Geldbußen beschränkt. Darüber, wie im Fall der Tatmehrheit hinsichtlich der Nebenfolgen zu verfahren ist, verhält sich der Gesetzeswortlaut des § 20 OWiG nicht (vgl. Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212, 213: Die Erstreckung auf das Fahrverbot wäre eine Analogie; BayObLG, Beschluss vom 21. November 1995 – 1 ObOWi 595/95: Dass trotz zweier Handlungen nicht auf zwei gesonderte Nebenfolgen, sondern nur auf ein Fahrverbot zu erkennen sei, ergebe sich aus einer „verfassungskonformen Auslegung des § 20 OWiG hinsichtlich der darin nicht ausdrücklich erwähnten Nebenfolgen“; vgl. auch Widmaier, NJW 1971, 1158, 1159; anders wohl Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Aufl., § 20 Rn. 18, § 19 Rn. 4). Gleiches gilt für den Wortlaut des § 25 StVG. Die dortige Formulierung („Wird … wegen einer Ordnungswidrigkeit … eine Geldbuße festgesetzt, so kann ihm … das Gericht … verbieten …“), entspricht der üblichen Formulierung des Gesetzes für den Grundfall der Begehung einer Tat, wie sie etwa auch in § 44 Abs. 1 Satz 1 StGB zu finden ist, obwohl im Strafrecht die Verhängung zweier Fahrverbote in demselben Verfahren nicht in Betracht kommt (§ 53 Abs. 4 i.V.m. § 52 Abs. 4 Satz 2 StGB). Eine Aussage über die Rechtsfolgen bei Vorliegen mehrerer Taten lässt sich diesem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen (vgl. Widmaier, NJW 1971, 1158, 1159: „allzu wörtliche Auslegung des § 25 Abs. 1 StVG“).
2. Die Entstehungsgeschichte des § 20 OWiG und des § 25 StVG spricht dafür, dass in diesen Fällen – entsprechend der Rechtslage im Strafgesetzbuch (§ 53 Abs. 4 i.V.m. § 52 Abs. 4 Satz 2 StGB; vgl. RGSt 36, 88, 89; BGH, Urteile vom 30. September 1958 – 1 StR 310/58, BGHSt 12, 85, 87, und vom 22. Juni 1960 – 2 StR 221/60, BGHSt 14, 381, 382; LK-StGB/Geppert, 12. Aufl., § 44 Rn. 77; MüKoStGB/Athing, 2. Aufl., § 44 Rn. 14) – nur auf ein einheitliches Fahrverbot zu erkennen ist. Hingegen lassen sich aus der Entstehungsgeschichte dieser Normen keine Anhaltspunkte dafür herleiten, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Verhängung mehrerer Fahrverbote in demselben Ordnungswidrigkeitenverfahren in Betracht käme.
a) Durch das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 (BGBl. I S. 481) erhielt das OWiG einen eigenen Allgemeinen Teil, dessen § 16 aF – wie schon § 16 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952 (BGBl. I S. 177) – dem heutigen § 20 OWiG entspricht und sich wie dieser auf „Geldbußen“ beschränkte. Auch die Gesetzesmaterialien treffen ausschließlich Aussagen über die zu verhängenden Geldbußen (vgl. BT-Drucks. V/1269, S. 53 f.).
b) Die Vorschrift über das Fahrverbot gemäß § 25 StVG wurde durch das Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG), das ebenfalls am 24. Mai 1968 erlassen wurde (BGBl. I S. 503, 513), in das Straßenverkehrsgesetz eingefügt. Der Bundesgesetzgeber hat gleichzeitig mit dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ein Einführungsgesetz erlassen, das in § 25 StVG ein Fahrverbot als Nebenfolge der für die Praxis quantitativ bedeutsamsten Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG vorsah. Wenn der Gesetzgeber gleichwohl mit der Regelung in § 16 OWiG aF lediglich für die Geldbuße das Kumulationsprinzip eingeführt hat, nicht aber für die zeitgleich – sei es auch in einem selbständigen (Einführungs-)Gesetz – eingeführte Nebenfolge des Fahrverbots, so spricht dies gegen einen gesetzgeberischen Willen, die Regelung in § 20 OWiG (§ 16 OWiG aF) auf die Nebenfolge des Fahrverbots zu erstrecken. Bei der Beschränkung des Wortlauts auf „Geldbußen“ handelte es sich auch nicht um ein Redaktionsversehen. Vielmehr zeigen die Erwägungen in der Gesetzesbegründung zum EGOWiG, dass dem Gesetzgeber der Umstand, dass es sich beim Fahrverbot um eine Nebenfolge handelt, für deren Verhängung gegebenenfalls besondere Regelungen gelten, bewusst war (vgl. BT-Drucks. V/1319, S. 90 f.). Hätte der Gesetzgeber in Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach im Strafrecht bei mehreren tatmehrheitlich zusammentreffenden Straftaten, von denen jede die Nebenstrafe rechtfertigt, nur auf eine Nebenstrafe zu erkennen ist (vgl. bereits RGSt 36, 88, 89; BGH, Urteile vom 30. September 1958 – 1 StR 310/58 und vom 22. Juni 1960 – 2 StR 221/60, jeweils aaO), entgegen dieser Rechtslage für das Ordnungswidrigkeitenrecht auch für die Nebenfolge des Fahrverbots das Kumulationsprinzip einführen wollen, so wäre eine ausdrückliche Regelung zu erwarten gewesen (vgl. auch RGSt 36, 88, 90), an der es jedoch fehlt.
Eine solche Regelung ist auch im Folgenden nicht erlassen worden, was angesichts der nach Inkrafttreten der §§ 16 OWiG aF, 25 StVG einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. BayObLG, VRS 51, 221, 222 f.; Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212; OLG Stuttgart, NZV 1996, 159, 160; OLG Düsseldorf, NZV 1998, 512; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 25 StVG Rn. 27; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 25 StVG Rn. 38; Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 20 Rn. 6, § 66 Rn. 24; Bohnert, OWiG, 3. Aufl., § 20 Rn. 8; Hentschel, Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot, 10. Aufl., S. 418, 474; Hentschel/Krumm, Fahrerlaubnis, Alkohol, Drogen, 6. Aufl., S. 462; Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl., 2014, S. 481; Zopfs, DAR 2015, 538; kritisch KK-OWiG/Mitsch, 4. Aufl., § 20 Rn. 8; ders., Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Aufl., S. 186) und angesichts des auf Geldbußen beschränkten Wortlauts des § 20 OWiG zu erwarten gewesen wäre, wenn nach dem Willen des Gesetzgebers das Kumulationsprinzip auch für das Fahrverbot hätte gelten sollen.
Aus der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze (BT-Drucks. 13/6914, S. 104) lässt sich entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm nichts für die von ihm vertretene Auffassung herleiten. Die Stellungnahme des Bundesrates geht davon aus, dass gegen einen Betroffenen gleichzeitig mehrere Fahrverbote wirksam sein können. Zu der Frage, ob diese Fahrverbote auch in demselben Verfahren angeordnet werden können, verhält sie sich nicht (vgl. Zopfs, DAR 2015, 538, 539). Der Gegenäußerung der Bundesregierung auf die Stellungnahme des Bundesrates liegt hingegen – im Gegenteil – ersichtlich die Auffassung zugrunde, dass eine Verhängung mehrerer Fahrverbote in demselben Verfahren nicht möglich ist (BT-Drucks. 13/6914, S. 119: „Die Verhängung eines Fahrverbotes, das die Höchstfrist von drei Monaten überschreitet, ist auch in den Fällen nicht möglich, in denen in einem Verfahren mehrere Zuwiderhandlungen, die jeweils die Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigen, geahndet werden“).
Schon die Entstehungsgeschichte der §§ 20 OWiG, 25 StVG spricht daher gegen die vom Oberlandesgericht Hamm befürwortete Möglichkeit, in demselben Verfahren mehrere Fahrverbote gemäß § 25 StVG gegen den Betroffenen zu verhängen.
3. Für die ganz überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, wonach in diesen Fällen vielmehr nur ein Fahrverbot zu verhängen ist (vgl. oben III. 2. b)), spricht weiterhin die Gesetzessystematik.
a) Im Rahmen der Vollstreckung des Fahrverbots ist anerkannt, dass mehrere Fahrverbote, deren Geltungsdauer sich ganz oder teilweise überschneidet, nebeneinander und nicht nacheinander vollstreckt werden. Es erfolgt also keine Addition überschneidender Fahrverbote (vgl. BT-Drucks. 13/8655, S. 14; BayObLG, NZV 1993, 489; LG Münster, NJW 1980, 2481; LK-StGB/Geppert, 12. Aufl., § 44 Rn. 82; MüKoStGB/Athing, 2. Aufl., § 44 Rn. 18 jeweils mwN; aA AG Saarbrücken, zfs 2015, 591; AG Stuttgart, NZV 2006, 328; kritisch Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 25 StVG Rn. 28 mwN). Anders verhält es sich nur im Fall des § 25 Abs. 2a Satz 2 StVG (vgl. BT-Drucks. 13/8655, S. 14: „Satz 2 bestimmt, daß in diesen Fällen in Abweichung von der sonst gültigen Regelung ausnahmsweise die Fahrverbotsfristen addiert werden“). Die dort angeordnete sukzessive Vollstreckung soll verhindern, dass der Betroffene mehrere kurz hintereinander verhängte Fahrverbote missbräuchlich „zusammenlegt“ (Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212, 213; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 25 StVG Rn. 30). Die Existenz dieser gesetzlichen Ausnahmevorschrift belegt indes gerade, dass im Regelfall keine Nacheinandervollstreckung von Fahrverboten erfolgt (vgl. BT-Drucks. 13/8655, S. 14; Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212, 213; Zopfs, DAR 2015, 538).
Diese Auffassung teilt auch das vorlegende Oberlandesgericht Hamm. Es wäre aber „sinnlos“ (OLG Hamm, NZV 2010, 159, 160; Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212, 213; vgl. BayObLG, VRS 51, 221, 223; OLG Celle, NZV 1993, 157), mehrere Fahrverbote zu verhängen, wenn eines der angeordneten Fahrverbote aufgrund der Parallelvollstreckung letztlich nicht zum Tragen käme. Dies würde jedenfalls für den Regelfall gelten, dass zwei Fahrverbote, die in demselben Verfahren angeordnet würden, auch gleichzeitig rechtskräftig werden.
b) Gegen die Verhängung zweier Fahrverbote in demselben Verfahren spricht weiterhin der gesetzessystematische Vergleich mit dem strafrechtlichen Fahrverbot (Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212, 213; BayObLG, VRS 51, 221, 222 f.; OLG Düsseldorf, NZV 1998, 298, 299; NZV 1998, 512, 513; OLG Stuttgart, NZV 1996, 159, 160; Schleswig-Holsteinisches OLG, SchlHA 2002, 177). Es besteht Einigkeit, dass im Fall der Tatmehrheit gemäß § 53 StGB auch dann nur auf ein Fahrverbot nach § 44 StGB zu erkennen ist, wenn dieses neben mehreren Einzelstrafen in Betracht käme (vgl. § 53 Abs. 4 i.V.m. § 52 Abs. 4 Satz 2 StGB; BayObLG, VRS 51, 221, 222; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 53 Rn. 30; MüKoStGB/Athing, 2. Aufl., § 44 Rn. 14).
Wenn im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts etwas anderes gelten sollte, so wäre zum einen eine gesetzliche Regelung zu erwarten gewesen, die jedoch in § 20 OWiG gerade nur für die Geldbuße erfolgt ist. Zum anderen hat sich aber der Gesetzgeber hinsichtlich der Nebenfolge des Fahrverbots ausweislich der Gesetzesmaterialien gerade nicht gegen das im Strafrecht geltende Asperationsprinzip entschieden, sondern sich – im Gegenteil – an der strafrechtlichen Rechtslage orientiert (vgl. BT-Drucks. V/1319, S. 90; BayObLG, VRS 51, 221, 223). Zweck der Schaffung des § 25 StVG war es demnach, das als § 37 aF in das StGB eingeführte Fahrverbot auch in das (Verkehrs-)Ordnungswidrigkeitenrecht zu „übernehmen“ (BT-Drucks. V/1319, S. 90). Dass das Fahrverbot im Bußgeldverfahren in der Regel von einer Verwaltungsbehörde und grundsätzlich in einem summarischen Verfahren verhängt wird, steht dieser Übernahme nach den ausdrücklichen Erwägungen des Gesetzgebers nicht entgegen (BT-Drucks. V/1319, S. 90). Abweichungen von der strafrechtlichen Rechtslage sollten nur insoweit erfolgen, als das ordnungswidrigkeitenrechtliche Fahrverbot an die zusätzliche Voraussetzung der „groben oder beharrlichen“ Pflichtverletzung geknüpft wurde und die in § 44 Abs. 1 Satz 1 StGB genannten Taten „im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs“ für die Verhängung des Fahrverbots nach § 25 StVG nicht ausreichen sollten (BT-Drucks. V/1319, S. 90). Auch die Dauer des Fahrverbots wurde an die strafrechtliche Bestimmung angelehnt. Zudem wurden in Abs. 2 des § 25 StVG in der Fassung des Entwurfs eines EGOWiG ausdrücklich „ergänzende Regelungen“ zu § 37 StGB aF getroffen, die sich auf den Beginn und die Berechnung der Dauer des Fahrverbots, seine Eintragung in ausländischen Fahrausweisen sowie die Verwahrung und Beschlagnahme von Fahrausweisen bezogen. Der Gesetzgeber hat sich damit ausdrücklich an den Regelungen des Strafgesetzbuchs orientiert (vgl. BayObLG, VRS 51, 221, 223) und abweichende Regelungen (lediglich) dort getroffen, wo es ihm geboten erschien. Eine vom Strafrecht abweichende Regelung hinsichtlich der dort geltenden Rechtsfolgen bei Anordnung eines Fahrverbots bei mehreren Taten hat er indes gerade nicht vorgenommen.
Schließlich bleibt bei Zugrundelegung der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm unklar, was hinsichtlich der Verhängung der Nebenfolge(n) gelten soll, wenn in einem Verfahren straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliches Fahrverbot zusammentreffen (vgl. Zopfs, DAR 2015, 538; zur bisherigen Auffassung, dass auch in diesem Fall nur ein Fahrverbot verhängt werden kann: OLG Celle, NZV 1993, 157; LK-StGB/Geppert, 12. Aufl., § 44 Rn. 79; MüKoStGB/Athing, 2. Aufl., § 44 Rn. 14).
Bereits mit der dargelegten Gesetzessystematik und Entstehungsgeschichte der entscheidungserheblichen Normen wäre daher eine Auslegung unvereinbar, die ohne Rückhalt im Wortlaut des § 20 OWiG die Verhängung zweier Fahrverbote in demselben Verfahren wegen mehrerer Ordnungswidrigkeiten desselben Betroffenen ermöglichen würde.
4. Darüber hinaus spricht aber auch der Sinn und Zweck der Regelung über das Fahrverbot dafür, dass bei mehreren Ordnungswidrigkeiten in demselben Verfahren nur auf ein Fahrverbot zu erkennen ist. Denn das Fahrverbot soll als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme spezialpräventiv wirken (vgl. BT-Drucks. 13/6914, S. 119; BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2001 – 5 StR 439/01, wistra 2002, 57, 58; OLG Celle, NZV 1993, 157). Dies verlangt eine Gesamtbetrachtung aller abzuurteilenden Taten und eine Bemessung der Dauer des Fahrverbots entsprechend dem sich aus dieser Gesamtbetrachtung ergebenden Einwirkungsbedarf auf den Betroffenen (vgl. OLG Stuttgart, NZV 1996, 159, 160; OLG Düsseldorf, NZV 1998, 298, 299; NZV 1998, 512, 513; Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212, 213; VRS 124, 346, 347; BayObLG, VRS 51, 221, 223; Widmaier, NJW 1971, 1158, 1159). Diesen Erfordernissen des spezialpräventiven Charakters der Nebenfolge und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird die Verhängung eines einheitlichen Fahrverbotes gerecht, während die vom vorlegenden Oberlandesgericht befürwortete wechselseitige Berücksichtigung des jeweils anderen Fahrverbots im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfungen gerade in einem auf rasche Erledigung angelegten Bußgeldverfahren als wenig zweckmäßig erscheint (vgl. Zopfs, DAR 2015, 538).
Gegen die Verhängung eines einheitlichen Fahrverbots spricht schließlich auch nicht der Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit. Zwar hängt nach den vorherigen Ausführungen die Frage, ob gegen den Betroffenen wegen mehrerer Ordnungswidrigkeiten eines oder mehrere Fahrverbote angeordnet werden, davon ab, ob diese Ordnungswidrigkeiten in einem Gerichtsverfahren verhandelt werden oder aber ausschließlich im Verwaltungsverfahren bzw. in unterschiedlichen Gerichtsverfahren. Dies stellt indes zum einen keine Besonderheit dar. So verbleibt es auch im Strafrecht bei den in getrennten Verfahren festgelegten Sanktionen, wenn eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 460 StPO) vor der vollständigen Vollstreckung aller für eine Gesamtstrafenbildung in Betracht kommender Strafen nicht erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2014 – 3 StR 245/14, NStZ-RR 2015, 20). Zum anderen wird der Umstand, ob eine gemeinsame Verhandlung mehrerer Ordnungswidrigkeiten erfolgt oder nicht, oftmals gerade nicht lediglich auf Zufall beruhen. Eine gemeinsame Verhandlung wird etwa regelmäßig dann nahe liegen, wenn zwischen den Ordnungswidrigkeiten ein zeitlicher oder örtlicher Zusammenhang besteht (so auch in dem der Vorlage zugrunde liegenden Fall). In solchen Fällen spricht aber der Sinn und Zweck des § 25 StVG für die Verhängung eines einheitlichen Fahrverbots (vgl. Zopfs, DAR 2015, 538, 539).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin