Entscheidungsdatum: 26.02.2015
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 16. Dezember 2013 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützte der Angeklagte zusammen mit unbekannt gebliebenen Mittätern sich in Griechenland aufhaltende syrische Staatsangehörige bei der Weiterreise in ihre eigentlichen Zielländer (unter anderem die Bundesrepublik Deutschland). Die syrischen Staatsangehörigen waren zuvor ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel "illegal" über die Türkei nach Griechenland eingereist, hatten dort keinen Asylantrag gestellt und versuchten, sich bis zu ihrer angestrebten Weiterreise in Griechenland ohne Kenntnis der dortigen Behörden aufzuhalten. Für die Schleusung handelte er mit den Schleusungswilligen oder deren Angehörigen einen Gesamtpreis aus, der durchschnittlich mehrere Tausend Euro pro Person betrug. Durch den erwarteten finanziellen Gewinn aus seiner wiederholten Schleusertätigkeit wollte der Angeklagte seinen Lebensunterhalt bestreiten. Keiner der syrischen Staatsangehörigen verfügte über einen gültigen Pass oder einen für die Einreise nach Deutschland erforderlichen Aufenthaltstitel.
1. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt Ende März/Anfang April 2012 sagte der Angeklagte dem syrischen Staatsangehörigen Z. C. in Athen für einen Schleuserlohn in Höhe von 4.000 Euro pro Person zu, ihn und seine Familie bei der Weiterreise in die Bundesrepublik Deutschland zu unterstützen. In der Folge quartierte er die Familie in einer von ihm angemieteten Wohnung in Athen ein und verschaffte ihnen über Mittäter gefälschte Ausweise. Ende April 2012 wurden zunächst die Ehefrau und die vier Kinder des Z. C. auf dem Luftweg nach Frankreich verbracht und anschließend von dort aus im Auftrag des Angeklagten mit dem Pkw nach Deutschland eingeschleust. Z. C. reiste Anfang Mai 2012 in die Schweiz. Von dort verbrachte ihn ein von dem Angeklagten beauftragter Mittäter mit dem Pkw über die deutsche Grenze. Sämtliche Mitglieder der Familie des Z. C. haben "mittlerweile" Asylanträge in Deutschland gestellt (Fall 2 b) aa) (a) der Urteilsgründe).
2. Ende April oder Anfang Mai 2012 unterstützte der Angeklagte für einen Schleuserlohn von insgesamt 5.000 Euro die Einreise des syrischen Staatsangehörigen S. , indem er ihm Unterkunft in einer seiner zu diesem Zweck angemieteten Wohnungen verschaffte und über Mittäter mit einem gefälschten ägyptischen Reisepass und einer gestohlenen griechischen Aufenthaltserlaubnis versorgte. Am 26. Mai 2012 reiste S. mit einem Linienflug von Athen nach München. Als er im Ankunftsbereich des Flughafengebäudes von Bundespolizisten angetroffen und kontrolliert wurde, wies er sich mit dem verfälschten Reisepass und der gestohlenen Aufenthaltserlaubnis aus. Weitere Ausweispapiere führte er nicht mit. Im Anschluss an die polizeiliche Feststellung stellte er Asylantrag (Fall 2 b) aa) (b) der Urteilsgründe).
3. Im Mai 2012 unterstützte der Angeklagte für einen Schleuserlohn von insgesamt 10.000 Euro im Auftrag des in Deutschland lebenden M. A. die Weiterreise der bereits nach Griechenland eingeschleusten syrischen Staatsangehörigen B. I. und A. J. , indem er sie in Athen in seinen Wohnungen unterbrachte, mit den erforderlichen Informationen versorgte und sie dazu veranlasste, Lichtbilder für von Mittätern zu fälschende Ausweise anzufertigen. Am 6. Juni 2012 reisten beide mit einem Linienflug von Athen nach Frankfurt (Main), wo sie im Ankunftsbereich des Flughafens von Bundespolizisten angetroffen und kontrolliert wurden. Beide führten keine Ausweispapiere mit sich. "Zwischenzeitlich" haben sie in der Bundesrepublik Deutschland jeweils einen Asylantrag gestellt (Fall 2 b) aa) (c) der Urteilsgründe).
4. Anfang Juni 2012 reiste der nicht näher identifizierte syrische Staatsangehörige "O. " mit einem Linienflug von Griechenland aus in die Schweiz und wurde am 9. Juni 2012 durch den gesondert Verfolgten H. im Auftrag des Angeklagten mit dem Pkw von Basel nach Freiburg verbracht. Dabei führte O. keine Ausweisdokumente bei sich (Fall 2 b) aa) (d) der Urteilsgründe).
5. Im Mai/Juni 2012 unterstützte der Angeklagte für einen in der Höhe nicht feststellbaren Schleuserlohn den syrischen Staatsangehörigen Z. Si. und dessen Familie bei der Weiterreise in die Bundesrepublik Deutschland, indem er sie in Athen in verschiedenen Wohnungen unterbrachte. Außerdem wurden von Mittätern des Angeklagten gefälschte Pässe beigebracht und Z. Si. mit einer gestohlenen griechischen Aufenthaltserlaubnis versorgt. Die Ehefrau und die Kinder des Z. Si. reisten in der Folge mit den gefälschten Pässen auf dem Luftweg nach Frankreich und wurden von dort aus mit dem Pkw in das Bundesgebiet geschleust. Am 24. Juli 2012 reiste Z. Si. als Passagier eines Linienflugzeugs von Athen nach Rom. Im Auftrag des Angeklagten fuhr der gesondert Verfolgte H. den Z. Si. sodann am 25. Juli 2012 mit dem Pkw über die Schweiz nach Deutschland. Kurz nach dem Grenzübertritt bei Weil am Rhein wurde das Fahrzeug einer Polizeikontrolle unterzogen. Hierbei wies sich Z. Si. mit einem verfälschten ägyptischen Reisepass und der gestohlenen griechischen Aufenthaltserlaubnis aus, die er in Athen erhalten hatte. Im Anschluss an die polizeiliche Feststellung stellte er einen "Asylantrag" (Fall 2 b) aa) (e) der Urteilsgründe).
6. Im Juli 2012 übernahm der Angeklagte für einen Schleuserlohn von 5.500 Euro die Organisation der Weiterreise des zuvor von Unbekannten über die Türkei nach Griechenland eingeschleusten Y. in die Bundesrepublik Deutschland. In der Folge vermittelte er Y. eine Unterkunft in Athen, versorgte ihn mit den benötigten Informationen und leitete ein Passbild für die Anfertigung eines gefälschten Ausweises an Mittäter weiter. Am 26. Juli 2012 wurde Y. von Mittätern des Angeklagten zum Flughafen gebracht und mit einem gefälschten ägyptischen Reisepass sowie einer gestohlenen griechischen Aufenthaltserlaubnis versehen. Anschließend reiste er mit einem Linienflug nach Rom. Noch am selben Tag wurde er von dem gesondert Verfolgten H. im Auftrag des Angeklagten über die Schweiz nach Deutschland gebracht. Bei einer nach seiner Einreise über die schweizerisch-deutsche Grenze durchgeführten Kontrolle durch eine Streife der Bundespolizei auf der Tankanlage Bremgarten/Hartheim an der Bundesautobahn A 5 wies sich Y. mit dem verfälschten ägyptischen Reisepass und der gestohlenen griechischen Aufenthaltserlaubnis aus. Im Anschluss an die polizeiliche Feststellung stellte er einen "Asylantrag" (Fall 2 b) aa) (f) der Urteilsgründe).
II.
Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Angeklagte in sechs Fällen anderen unter Verwirklichung von Schleusermerkmalen gewerbsmäßig dazu Hilfe geleistet hat, unerlaubt in das Bundesgebiet einzureisen (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) und deshalb wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in sechs Fällen nach § 96 Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, § 53 StGB strafbar ist.
a) Alle von dem Angeklagten unterstützten syrischen Staatsbürger - auch die Minderjährigen (vgl. dazu BayObLG, NStZ-RR 2003, 275, 276) -sind ohne den nach § 3 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Pass und ohne den nach § 4 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel (Sichtvermerk) in das Bundesgebiet eingereist. Ihre Einreise war damit unerlaubt im Sinne von § 95 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG.
b) Soweit die von dem Angeklagten unterstützten syrischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland um Asyl nachgesucht haben, steht Art. 16a Abs. 1 GG dieser Bewertung nicht entgegen. Denn die Asylbewerber sind jeweils nicht unmittelbar aus dem Verfolgerstaat (Syrien), sondern aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (Frankreich, Griechenland) oder aus der Schweiz in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und konnten sich schon deshalb nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht auf das Asylgrundrecht berufen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 2. März 2010 - 4 Ss 1558/09, juris, Rn. 9 m. Anm. Senge, jurisPR-StrafR 20/2010 Anm. 2; OLG Köln, NStZ-RR 2004, 24 f.; BayObLG, BayObLGSt 1998, 172, 173; BVerwG, NVwZ 1992, 682, 684; NVwZ 1984, 591; Schott, Einschleusen von Ausländern, 2. Aufl., S. 183 ff.; Stoppa in: Huber, AufenthG § 95 Rn. 354 mwN).
c) Dies gilt auch für die auf dem Luftweg unmittelbar aus Griechenland eingereisten Asylbewerber S. (Fall 2 b) aa) (b) der Urteilsgründe), B. I. und A. J. (Fall 2 b) aa) (c) der Urteilsgründe).
aa) Nach dem vom verfassungsändernden Gesetzgeber in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG gewählten Konzept der sicheren Drittstaaten ist der persönliche Geltungsbereich des in Art. 16a Abs. 1 GG gewährten Asylgrundrechts auf Ausländer beschränkt, die nicht aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat eingereist sind, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S. 560) - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) - und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 953) sichergestellt ist. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften hat der verfassungsändern-de Gesetzgeber in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG selbst zu sicheren Drittstaaten bestimmt. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm wie auch aus der Zielsetzung, die der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Drittstaatenregelung verfolgt, ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten unmittelbar kraft Verfassung sichere Drittstaaten sind. Der zweite Halbsatz in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG ("... in dem die Anwendung ... sichergestellt ist") bezieht sich ausschließlich auf "den anderen Drittstaat", mithin auf Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass ein Ausländer in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften generell Schutz vor politischer Verfolgung und vor Weiterschiebung in einen Staat finden kann, in dem ihm politische Verfolgung oder sonstige menschenrechtswidrige Behandlung oder Bestrafung droht; nur für andere Staaten ist diese Annahme noch von der vorgängigen Prüfung abhängig, ob dort ein Schutz entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährt wird (BVerfGE 94, 49, Rn. 159; vgl. BT-Drucks. 12/4152, S. 4). Auch für Griechenland als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ergibt sich damit der Status eines sicheren Drittstaates unmittelbar aus der Verfassung.
bb) Der Umstand, dass zur Tatzeit keine Rücküberstellungen nach Griechenland gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II - VO) erfolgen durften, weil dort eine Umsetzung der Schutzmechanismen für Flüchtlinge entsprechend den Standards der Genfer Flüchtlingskonvention nicht mehr gewährleistet war (vgl. EGMR (GK), NVwZ 2011, 413 [Verstoß gegen Art. 3 und 13 EMRK]; EuGH, NVwZ 2012, 417; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 2 BvR 450/11, juris, Rn. 29; NVwZ 2010, 318; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726, Rn. 26; BVerwG, EZAR NF 65 Nr. 14, S. 3; Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 409) und Deutschland deshalb in Bezug auf aus Griechenland eingereiste Asylbewerber von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II - VO Gebrauch gemacht hat, steht dem nicht entgegen (a.A. Schott-Mehring, ZAR 2014, 142, 146 ff.; Schott, Einschleusen von Ausländern, 2. Aufl., S. 187 f.). Auch wenn Griechenland vor diesem Hintergrund zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Schleusungen nicht mehr uneingeschränkt als "sicherer Drittstaat" im asylverfahrensrechtlichen Sinn einzuordnen war (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 2 BvR 450/11, juris, Rn. 29), hat sich dadurch die verfassungsrechtliche Ausgangslage nicht verändert.
cc) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die einer Rücküberstellung entgegenstehenden Defizite im griechischen Asylverfahren und das generelle Ausüben des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II - VO dazu geführt haben, dass die eingeschleusten Ausländer trotz ihres zwischenzeitlichen Aufenthalts in Griechenland als "Flüchtling" im Sinne von § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK einzustufen sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 2 BvR 450/11, juris, Rn. 29; siehe auch OLG Köln, NStZ-RR 2004, 24). Zwar geht ein Flüchtling seines Schutzes durch Art. 31 Abs. 1 GFK grundsätzlich nicht schon dadurch verlustig, dass er aus einem Drittstaat einreist und nicht direkt aus dem Herkunftsstaat, sofern er diesen Drittstaat nur als "Durchgangsland" nutzt und sich der Aufenthalt in diesem nicht schuldhaft verzögert (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 2 BvR 450/11, juris, Rn. 31 mwN). Durch den Schutz des Art. 31 Abs. 1 GFK entstünde aber lediglich ein den Asylsuchenden betreffender persönlicher Strafaufhebungsgrund, der das bereits verwirklichte Unrecht der unerlaubten Einreise unberührt ließe und deshalb auf die Strafbarkeit des Angeklagten nach § 96 Abs. 1 AufenthG ohne Einfluss wäre (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 2 BvR 450/11, juris, Rn. 22; BGH, Beschluss vom 25. März 1999 - 1 StR 344/98, NStZ 1999, 409 zu § 92 Abs. 4 AuslG; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 195. Ergänzungslieferung 2013, § 95 AufenthG Rn. 68; Gericke in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 95 AufenthG Rn. 118).
d) Der Umstand, dass gegen die noch im Ankunftsbereich der Flughäfen Frankfurt und München von der Bundespolizei kontrollierten syrischen Staatsangehörigen S. (Fall 2 b) aa) (b) der Urteilsgründe), B. I. und A. J. (Fall 2 b) aa) (c) der Urteilsgründe) keine Maßnahmen nach § 18 AsylVfG eingeleitet worden sind, steht der Annahme einer unerlaubten Einreise nicht entgegen.
aa) Eine grenzpolizeiliche Einreisegestattung zur Durchführung des Asylverfahrens nach § 18 Abs. 1 AsylVfG, der als Sondertatbestand die allgemeinen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes über die Anforderungen an eine erlaubte Einreise (§ 14 AufenthG) modifiziert (vgl. BeckOK-AuslR/Hohoff, 6. Edition, AufenthG, § 95 Rn. 33; Winkelmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 95 AufenthG Rn. 53), liegt nicht vor, weil die angeführten Asylbewerber im Zeitpunkt der Kontrolle durch die Beamten der Bundespolizei bereits eingereist waren.
(1) Der Begriff der Einreise bestimmt sich nach der Verordnung (EG) 562/2006 vom 15. März 2006 (Schengener Grenzkodex), die im Rahmen ihres Geltungsbereiches der nationalen Regelung in § 13 AufenthG vorgeht. Nach Art. 20 Schengener Grenzkodex dürfen Binnengrenzen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden. Der damit verbundene Wegfall jedweder Grenzübergangskontrolle und der Abbau aller Grenzübergangsstellen führt dazu, dass sich der Grenzübertritt nicht mehr nach § 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, sondern nach § 13 Abs. 2 Satz 3 AufenthG richtet. Ein Ausländer ist daher an einer Binnengrenze bereits dann eingereist, wenn er die Grenzlinie (physisch) überschritten und das Hoheitsgebiet des Zielstaates betreten hat (vgl. BeckOK-AuslR/Dollinger, 6. Edition, AufenthG, § 13 Rn. 9; Fränkel in HK-AuslR, § 13 AufenthG Rn. 20; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 2014, § 13 AufenthG Rn. 18; Ritter, ZAR 2000, 69; Westphal/Stoppa, NJW 1999, 2137, 2138). Reist der Ausländer mit einem Binnenflug (Art. 2 Nr. 3 Schengener Grenzkodex) ein, gilt nach Art. 2 Nr. 1b Schengener Grenzkodex der "Flughafen" als Binnengrenze. Dies hat zur Folge, dass der für die Vollendung der Einreise maßgebliche (physische) Grenzübertritt nicht schon mit dem Überfliegen der (geografischen) Grenzlinie stattfindet (so aber Stoppa in Huber, Aufenthaltsgesetz, § 95 Rn. 117), sondern erst mit dem Betreten des Hoheitsgebietes des Zielstaates am Flughafen erfolgt (vgl. OLG München, EZAR NF 57 Nr. 10; GK-Aufenthaltsgesetz/Mosbacher, § 95 Rn. 99). Nicht erforderlich ist es hingegen, dass der Passagier eines Binnenfluges (vgl. Art. 2 Nr. 3 Schengener Grenzkodex) auch schon in den öffentlichen Bereich des Flughafengeländes gelangt ist oder den Flughafenbereich verlassen hat. Beide Gesichtspunkte knüpfen an die in § 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG geregelte Grenzsituation an und setzen voraus, dass der Flughafen eine Grenzübergangsstelle ist, an der Grenzübertrittskontrollen stattfinden (vgl. Westphal in Huber, Aufenthaltsgesetz, § 13 Rn. 17). Dies ist aber nur bei ankommenden Flügen aus Drittstaaten der Fall, bei denen der Flughafen als Außengrenze gilt (Art. 2 Nr. 2 iVm Art. 2 Nr. 1b Schengener Grenzkodex) und Grenzübergangsstelle (Art. 2 Nr. 8 Schengener Grenzkodex) ist, nicht aber bei Binnenflügen (zur notwendigen Trennung der Passagierströme aus ankommenden Binnenflügen und Flügen aus Drittstaaten vgl. Anhang VI Nr. 2.1.1 zum Schengener Grenzkodex; Nanz, ZAR 1994, 99, 101; Haas, Die Schengener Abkommen und ihre strafprozessualen Implikationen, 2001, S. 52 f.).
(2) Danach hatten S. , B. I. und A. J. den Tatbestand der unerlaubten Einreise im Sinne von § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG bereits vollständig verwirklicht, als sie im nichtöffentlichen Bereich der Flughäfen in Frankfurt/Main und München von Bundespolizeibeamten angetroffen wurden und erstmals ein Asylersuchen anbrachten.
bb) Der Umstand, dass die Beamten der Bundespolizei keine Zurückschiebung nach § 18 Abs. 3 iVm Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG, § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) veranlasst haben, hat den aufgrund ihrer Einreise aus einem sicheren Drittstaat von der grundrechtlichen Asylgewährung nach Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossenen Ausländern zwar nach § 26a Abs. 1 Satz 3 iVm § 18 Abs. 4 Nr. 2 AsylVfG einen einfachgesetzlichen Zugang zum Asylrecht eröffnet (vgl. Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 26a AsylVfG Rn. 10; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 195. Ergänzungslieferung 2013, § 26a AsylVfG Rn. 8; Schmidt-Sommerfeld in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 26a AsylVfG Rn. 2). An der zu diesem Zeitpunkt bereits vollendeten unerlaubten Einreise ändert dies aber nichts (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, NVwZ 2010, 1510 Rn. 8).
2. Die weitere Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin