Entscheidungsdatum: 14.09.2017
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 30. November 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 3 a, II. 3 b, II. 4, II. 5 a und II. 5 b der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über
aa) die Gesamtstrafe,
bb) die Sperrfrist,
cc) den Adhäsionsantrag.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe und mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition, vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, unerlaubten Entfernens vom Unfallort in zwei Fällen und vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, eine isolierte Sperrfrist von vier Jahren angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Die Verfahrensbeanstandung, mit der die Revision einen Verstoß gegen die Mitteilungspflicht über angebliche Verständigungsgespräche gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO rügt, ist in zulässiger Weise erhoben, jedoch – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift an den Senat zutreffend ausgeführt hat – unbegründet. Mit Blick auf den zweiten Teil der Verfahrensrüge, der sich auf ein (unangekündigtes) Aufsuchen des Dienstzimmers der Vorsitzenden Richterin durch die Verteidigung nach Ende des zweiten Hauptverhandlungstages bezieht, bemerkt der Senat ergänzend, dass hier auch keine Gespräche stattgefunden haben, durch die frühere Verständigungsgespräche inhaltlich modifiziert worden wären (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2016 – 1 StR 136/16, NStZ 2017, 56 f.). Vielmehr ergibt sich aus dem Revisionsvorbringen selbst und aus der dienstlichen Erklärung der Strafkammervorsitzenden vom 16. März 2017, dass sie bei dem unangekündigten Besuch seitens der Verteidigung zu einem auf eine Verständigung abzielenden Gespräch oder zu einer Modifikation des früheren Verständigungsvorschlags der Strafkammer gerade nicht bereit war und sich auf solche Erörterungen auch tatsächlich nicht eingelassen hat.
II.
Die Revision hat hingegen mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
1. Die Verurteilungen in den Fällen II. 3 a und II. 5 a der Urteilsgründe, jeweils wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, haben bereits wegen eines Erörterungsmangels in Bezug auf die Voraussetzungen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB keinen Bestand. Denn die Strafkammer verhält sich nicht näher zu der Frage, ob sich der Angeklagte, wie von ihm behauptet (UA 33), zum Zeitpunkt der Fahrten im Besitz einer österreichischen Fahrerlaubnis befand. Hierzu wird im Urteil lediglich ausgeführt, eine etwaige österreichische Fahrerlaubnis des Angeklagten ändere „an der Tatbestandsmäßigkeit der von ihm mit Kraftfahrzeugen unternommenen Fahrten angesichts der Vorschriften der §§ 7 Abs. 1 und 28 Abs. 1 und 4 Nr. 2 und 3 FeV nichts“ (UA 33).
Das Landgericht durfte es indes nur dann offen lassen, ob der Angeklagte im Besitz einer österreichischen Fahrerlaubnis war, wenn auch tatsächlich die Voraussetzungen eines der Gründe nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 FeV vorlagen, aufgrund derer eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erteilte Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigen würde. Zu diesen Voraussetzungen verhält sich das angefochtene Urteil jedoch auch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe nicht.
2. Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II. 3 a und II. 5 a der Urteilsgründe kann auch derjenige in den Fällen II. 3 b und II. 5 b, jeweils wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB, nicht bestehen bleiben.
Die zum Unfall führende Gesetzesverletzung und das sich daran anschließende unerlaubte Sichentfernen vom Unfallort bilden, da sie nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern auch innerlich derart eng miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt des Sichentfernens vom Unfallort nicht ohne Berücksichtigung der Umstände, unter denen es zum Unfall gekommen ist, beurteilt werden kann, einen einheitlichen Lebensvorgang und damit eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 25. März 1982 – 4 StR 705/81, VRS 63, 39, 42; vom 5. November 1969 – 4 StR 519/68, BGHSt 23, 141, 144; Beschlüsse vom 9. November 1972 – 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72, 74; vom 22. Juli 1971 – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185, 186; MüKo-StGB/Zopfs, 3. Aufl., § 142 Rn. 138).
Zwar ist es nicht von vornherein unzulässig, die Verurteilung wegen mehrerer rechtlich selbständiger Taten innerhalb desselben geschichtlichen Vorgangs nur teilweise aufzuheben bzw. bestehen zu lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 1971, aaO; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 318 Rn. 6 ff. und § 353 Rn. 6). Der Senat kann jedoch nicht ausschließen, dass das neue Tatgericht in den Fällen II. 3 a sowie II. 5 a der Urteilsgründe jeweils Feststellungen zu den Unfallgeschehnissen trifft, die in Widerspruch zu den bislang rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen des sich anschließenden unerlaubten Sichentfernens vom Unfallort treten. Die den Fällen II. 3 a und b sowie II. 5 a und b zugrunde liegenden Sachverhalte bedürfen daher insgesamt neuer tatrichterlicher Feststellung.
3. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Fall II. 4 der Urteilsgründe unterliegt ebenfalls der Aufhebung. Die Annahme von Tatmehrheit (§ 53 StGB) zwischen dieser Tat und den zueinander in Tateinheit stehenden Verstößen gegen § 315c Abs. 1 StGB und § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG im Fall II. 5 a der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Mehrere strafbare Gesetzesverstöße stehen zueinander in Tateinheit, wenn die jeweiligen Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Begeht ein Täter, der Rauschgift zu Handelszwecken in einem Fahrzeug befördert (Einfuhrfahrt, Transportfahrt vom Lieferanten zum Depot, Fahrt zu einem Abnehmer etc.) durch das Führen des Transportfahrzeugs weitere Gesetzesverstöße, so stehen diese zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungsmittelhandel im Verhältnis der Tateinheit. Denn ihr Tatbestand wird durch dieselbe Ausführungshandlung verwirklicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Januar 2017 – 4 StR 597/16, NStZ-RR 2017, 123 f.; vom 2. Juli 2013 – 4 StR 187/13, NStZ-RR 2013, 320, 321; vom 5. März 2009 – 3 StR 566/08, StV 2010, 119 f.).
Nach den Feststellungen zu Fall II. 4 der Urteilsgründe waren die in dem vom Angeklagten geführten Fahrzeug verwahrten Betäubungsmittel für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen. Vor diesem Hintergrund hätte erörtert werden müssen, ob die dem Angeklagten unter II. 5 a der Urteilsgründe angelasteten Gesetzesverletzungen bei einer Fahrt begangen wurden, die dem Transport des im Pkw befindlichen Methamphetamins zu Handelszwecken, etwa zu einem Abnehmer, diente und deshalb insoweit Tateinheit anzunehmen war.
4. Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II. 3 a, II. 3 b, II. 4, II. 5 a und II. 5 b der Urteilsgründe und der zugehörigen Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe sowie der gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordneten isolierten Sperrfrist, der das Landgericht die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 3 a und II. 5 a zugrunde gelegt hat (UA 38), nach sich.
III.
Auch die Adhäsionsentscheidung, wonach im Fall II. 5 a der Urteilsgründe der von der Eigentümerin des vom Angeklagten geführten Fahrzeugs geltend gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB festgestellt wurde, hat keinen Bestand.
Es besteht allerdings kein Anlass, gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO von einer Entscheidung abzusehen.
1. Zunächst steht jedoch weder der Zulässigkeit (vgl. § 403 StPO) noch der Begründetheit des Antrags (vgl. § 406 Abs. 1 StPO) entgegen, dass die zur Aburteilung gelangte vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs der Antragstellerin als Eigentümerin des Fahrzeugs keinen strafrechtlichen Schutz vermittelt.
a) Zwar ist das vom Täter geführte Fahrzeug auch dann nicht als fremde Sache in den Schutzbereich des § 315c StGB einbezogen, wenn es – wie hier – ihm nicht gehört (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40, 41 f.; Beschlüsse vom 18. Dezember 1957 – 4 StR 554/57, BGHSt 11, 148, 150; vom 13. Januar 2000 – 4 StR 598/99, NZV 2000, 213; vom 16. April 2012 – 4 StR 45/12, NStZ-RR 2012, 252; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 315c Rn. 15).
b) Die fehlende Einbeziehung des der Antragstellerin gehörenden Fahrzeugs in den Schutzbereich der zur Aburteilung gelangten Vorschrift ändert aber nichts daran, dass ihr als Verletzter im Sinne des § 403 StPO aus der Straftat ein vermögensrechtlicher Anspruch (§ 823 Abs. 1, § 249 BGB) erwachsen und ihr Antrag im Sinne des § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen dieser Straftat begründet ist.
Straftat im Sinne der §§ 403, 406 Abs. 1 Satz 1 StPO ist die Tat im prozessualen Sinn gemäß § 264 StPO (vgl. Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 405 Rn. 4 und 7, § 406 Rn. 2; Zabeck in KK-StPO, 7. Aufl., § 403 Rn. 2; Meyer-Goßner, aaO, § 405 Rn. 3). Für die Frage, ob der Anspruch aus der Tat erwachsen ist, ist hiernach allein der historische Sachverhalt entscheidend, aus dem sich der Anspruch ergibt, nicht aber das Schutzgut des verletzten Strafgesetzes, aus dem der Angeklagte verurteilt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 5 StR 306/13, BGHSt 58, 152, 154; Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 254/09, BGHR StGB § 73 Verletzter 14 [jeweils zu § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB in der bis zum 30. Juni 2017 gültigen Fassung]).
2. Zu Recht rügt der Angeklagte jedoch, dass er zum Entschädigungsantrag in der Hauptverhandlung nicht gehört worden ist, was durch die dazu fehlenden Feststellungen im Protokoll bewiesen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 1990 – 4 StR 519/90, BGHSt 37, 260; Meyer-Goßner, aaO, § 404 Rn. 10).
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Adhäsionsentscheidung und – da es sich um einen behebbaren Verfahrensfehler handelt und das neue Tatgericht ohnehin erneut mit der Sache befasst wird – auch insoweit zur Zurückverweisung zu neuer Verhandlung und Entscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2012 – 4 StR 602/11, StraFo 2012, 236; Meyer-Goßner, aaO, § 406a Rn. 5).
IV.
Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, in den Fällen II. 3 a und II. 5 a der Urteilsgründe das Vorliegen der Voraussetzungen einer Straftat der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs – insbesondere im Fall II. 3 a das Vorliegen einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben einer anderen Person oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert und im Fall II. 5 a ein sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Handeln des Angeklagten – eingehender, als dies bislang erfolgt ist, darzulegen.
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