Entscheidungsdatum: 27.09.2017
Kommt es in der Folge der strafbaren Manipulation eines Kfz-Wegstreckenzählers zu einem Betrug, besteht zwischen § 263 StGB und § 22b StVG regelmäßig Gesetzeskonkurrenz.
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 20. Dezember 2016, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass im Fall II. 6 die tateinheitliche Verurteilung wegen Anstiftung zum Missbrauch von Wegstreckenzählern entfällt.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen, Betruges in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Anstiftung zum Missbrauch von Wegstreckenzählern, wegen Anstiftung zum Missbrauch von Wegstreckenzählern sowie wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchtem Betrug“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen, geringfügigen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Den vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrügen bleibt der Erfolg aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 4. April 2017 dargelegten Gründen versagt. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:
1. Die Rüge, dass das Landgericht seiner Beweiswürdigung zugrunde gelegt habe, der Mitangeklagte habe sich - ebenso wie der Beschwerdeführer - „zur Sache nicht eingelassen“ (UA 16), während durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesen ist, dass der Mitangeklagte am 15. Dezember 2016 „weiter zur Sache“ aussagte, das Landgericht habe also bei der Urteilsfindung nicht alles verwertet, was Gegenstand der Hauptverhandlung war (§ 261 StPO), ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Auch wenn der Mitangeklagte formal kein Zeuge und deshalb weder zu einer Aussage verpflichtet ist (§ 243 Abs. 5 Satz 1 StPO) noch durch den Beschwerdeführer unmittelbar befragt werden darf (vgl. § 240 Abs. 2 Satz 2 StPO), sind seinen Angaben im Verhältnis zum Beschwerdeführer nicht die Wirkungen einer Einlassung, sondern diejenigen einer Zeugenaussage beizumessen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2005 - 2 StR 4/05, BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. d Fragerecht 5; vom 9. Juni 2009 - 4 StR 461/08, BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. d Fragerecht 7; vom 15. Juni 2010 - 3 StR 157/10, NStZ 2010, 589; EGMR NStZ 2007, 103, 104, Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., MRK Art. 6, Rn. 22). Die Anforderungen an den Rügevortrag richten sich dementsprechend nicht nach den für die Nichtberücksichtigung der Einlassung eines Angeklagten, sondern der Aussage eines Zeugen entwickelten Grundsätzen. Deshalb muss ein Angeklagter, rügt er eine Verletzung von § 261 StPO mit der Begründung, der Tatrichter habe sich im Urteil mit den Angaben eines in der Hauptverhandlung vernommenen Mitangeklagten zu Unrecht nicht auseinandergesetzt, den Inhalt der betreffenden Aussage mitteilen. Ferner muss dargetan werden, dass die Angaben des Mitangeklagten für den Tatrichter zum Entscheidungszeitpunkt erörterungsbedürftig waren und zu welchem Ergebnis die vermisste Berücksichtigung der Aussage geführt hätte (für die Aussage eines Zeugen vgl. BGH, Urteile vom 13. Januar 2005 - 4 StR 469/04, StV 2006, 228; vom 25. August 2005 - 5 StR 205/05, Rn. 4; Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 185).
Den Inhalt der am 15. Dezember 2016 gemachten Angaben des Mitangeklagten trägt die Revision nicht vor.
2. Auch die weiteren Verfahrensrügen genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Soweit der Beschwerdeführer die Zurückweisung des Antrags auf Beiziehung von Ermittlungsakten gegen D. unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung rügt (§ 338 Nr. 8 StPO), genügt der Revisionsvortrag schon deshalb nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil sich aus ihm die konkrete Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil nicht ergibt. Dies muss die Revision im Rahmen ihrer Vortragspflicht jedoch darlegen; die Behauptung, die Beschränkung sei lediglich generell (abstrakt) geeignet, das Urteil zu beeinflussen, genügt nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 327 f. mwN).
Die allgemein gehaltene Behauptung der Revision, im Fall der Kenntnis des Inhalts der betreffenden Akte wären „entsprechende Beweisanträge gestellt worden“, die dazu geführt hätten, dass das Gericht „ein vorsätzliches Handeln seitens des Revisionsführers nicht mehr festgestellt hätte“, erfüllt diese Darlegungsanforderungen nicht.
II.
Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Sie führt im Fall II. 6 der Urteilsgründe wegen einer Korrektur des Konkurrenzverhältnisses lediglich zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs.
1. Das Landgericht hat den Angeklagten in diesem Fall wegen Betruges (§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit Anstiftung zum Missbrauch von Wegstreckenzählern (§ 22b StVG) zu einer Einzelstrafe von einem Jahr verurteilt. Nach den Feststellungen verkaufte er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten ein Kraftfahrzeug an einen gutgläubigen Dritten zu einem Preis von 17.800 Euro. Der Wegstreckenzähler des Pkws war zuvor auf Veranlassung des Angeklagten und des Mitangeklagten von einem Unbekannten manipuliert worden, sodass er statt der tatsächlichen Laufleistung von 333.000 km eine solche von nur 165.303 km auswies. Dem Käufer entstand ein Schaden von mindestens 7.590 Euro.
2. Die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen Betrug im Sinne des § 263 StGB und einer Straftat nach § 22b StVG hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) § 22b StVG wurde durch Gesetz vom 14. August 2005 (BGBl. I 2412) neu in das StVG eingefügt, um mit Blick auf § 268 StGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Februar 1980 - 4 StR 654/79, BGHSt 29, 204) und § 263 StGB Sanktionslücken zu schließen (BT-Drucks. 15/5315, S. 8; vgl. MüKoStVR/Weidig, § 22b StVG, Rn. 1; Humberg, SVR 2011, 164, 165; Blum, NZV 2007, 70). Das Verfälschen der Messung eines Wegstreckenzählers im Sinne des § 22b StVG stellt sich als typische Vorbereitungstat eines Betruges dar, die regelmäßig nicht von einem eigenständigen Unrechtsgehalt geprägt ist (Weidig, aaO, Rn. 2; vgl. dazu allg. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., Vor § 52 Rn. 33). Kommt es in der Folge einer solchen Manipulation zu einer strafbaren Betrugshandlung, tritt § 22b StVG als mitbestrafte Vortat daher regelmäßig im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 263 StGB zurück (ebenso Weidig, aaO, Rn. 9; offen gelassen bei Blum, aaO, S. 71).
b) Die gebotene Änderung des Schuldspruchs nötigt jedoch nicht zur Aufhebung des Ausspruchs über die Einzelstrafe und die Gesamtstrafe. Es kann ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer wegen des verbleibenden Vergehens des Betruges auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte, zumal die Realisierung der Betrugstat mittels der Manipulation des Wegstreckenzählers bei der Strafzumessung hätte berücksichtigt werden dürfen.
Sost-Scheible |
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Cierniak |
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Franke |
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Bender |
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Quentin |
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