Entscheidungsdatum: 12.11.2013
Abdeckung
1) Die Geltendmachung eines weiteren Nichtigkeitsgrundes im Verfahren vor dem Bundespatentgericht stellt als Erweiterung des Angriffs hinsichtlich des Klagegrundes eine Klageänderung nach § 263 ZPO dar, unabhängig davon, ob sie einen bereits angegriffenen Patentanspruch betrifft oder nicht.
2) Auch wenn im Nichtigkeitsverfahren für den Senat keine Verpflichtung besteht, im Rahmen der Prüfung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes fehlender Patentfähigkeit von sich aus zu ermitteln, worin die im genannten StdT relevanten Beiträge einzelner Druckschriften für die Beurteilung erfinderischer Tätigkeit liegen könnten (BGH Urt. v. 27.8.2013, X ZR 19/12 = GRUR 2013, 1272, Tz. 36 – Tretkurbeleinheit), so ist der Senat andererseits auch nicht gehindert, die vom Kläger nur insoweit herangezogenen und gewürdigten Druckschriften auch in Bezug auf weitere Aspekte dieses Nichtigkeitsgrundes, wie fehlende Neuheit, zu bewerten.
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 1 332 698
(DE 602 00 141)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Engels sowie den Richter Dr. agr. Huber, die Richterin Friehe, den Richter Dipl.-Ing. Univ. Rippel und den Richter Dr.-Ing. Dorfschmidt für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 332 698 (Streitpatent), das am 30. Januar 2002 angemeldet wurde. Das Streitpatent wurde in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 602 00 141 geführt. Das Patent war Gegenstand eines europäischen Beschränkungsverfahrens, die Beschränkungsentscheidung wurde am 1. Dezember 2010 veröffentlicht. Das Patent betrifft eine Kühltruhe für Waren mit verschiebbaren Abdeckungen (Cover for a refrigerated merchandising unit and a merchandising unit with such) und umfasst 8 Patentansprüche, die sämtlich angegriffen sind.
Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 6 in der geltenden Fassung lauten in der Verfahrenssprache Englisch
und in deutscher Sprache
Hinsichtlich der auf die Patentansprüche 1 bzw. 6 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 sowie 7 und 8 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 332 698 in der geltenden B3-Fassung Bezug genommen.
Die Klägerin beruft sich auf folgenden Stand der Technik:
D1/D1a JP 54-23249 A mit Übersetzung D1b
D2 US 3 729 243 A
D3 DE 198 33 958 A1
D4 EP 0 962 729 B1
D5 US 2 793 925 A
D6 EP 0 769 262 A2
D7 DE 198 51 225 A1
D8 EP 0 903 095 A2
Nach Ansicht der Klägerin ist der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig, insbesondere gegenüber dem Stand der Technik in Bezug auf die D1a nicht neu und in Bezug auf eine Kombination der D1/D5 bzw. D5/D1 oder D1/D7 bzw. D1/D8 als nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin sich ferner auf den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung berufen und insoweit geltend gemacht, ursprünglich sei nur eine Parallelität von drei Spuren offenbart worden, nunmehr werde aber eine Parallelität mit beliebig vielen Spuren beansprucht. Sie hat die Auffassung vertreten, dass eine entsprechende Klageerweiterung auch schon im Schriftsatz vom 29. August 2012 enthalten gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 332 698 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im gesamten Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit den am 12. November 2013 überreichten Hilfsanträgen 1 und 2 verteidigt wird, an die sich die Patentansprüche 2 bis 8 in der Fassung nach der B3-Schrift mit dem Rückbezug auf den neuen Patentanspruch 1 anschließen.
Zum Wortlaut der Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 1 und 2 wird auf die Anlagen zur Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei in der Fassung nach dem europäischen Beschränkungsverfahren (B3-Fassung) patentfähig. Sie rügt die auf den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gestützte, in der mündlichen Verhandlung am 12. November 2013 geltend gemachte Klageerweiterung als verspätet. Im Schriftsatz vom 29. August 2012 sei keine Klageerweiterung zu sehen.
Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis (§ 83 Abs. 1 PatG) zugestellt, der jeweils am 7. Oktober 2013 bei den Parteivertretern eingegangen ist, in dem den Parteien jeweils eine Frist nach § 83 Abs. 2 Satz 1 PatG (ein Monat) gesetzt wurde und der auch eine Belehrung gem. § 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 PatG enthielt. Zum Inhalt des qualifizierten Hinweises wird auf Bl. 169 ff. der Akten Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, denn der Senat konnte nicht feststellen, dass dem Gegenstand des Streitpatents der von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit nach Art. II § 6 IntPatÜG iVm Art. 52 bis 57 EPÜ entgegensteht, insbesondere, dass die beanspruchte Lehre gegenüber dem Stand der Technik nicht neu ist oder nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
I.
1. Auf den von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Bust. C EPÜ war nicht einzugehen, da die von der Klägerin insoweit erst in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärte Klageänderung, § 99 Abs. 1 PatG, § 263 ZPO, nach § 83 Abs. 4 PatG als verspätet zurückzuweisen war.
Die Klägerin hat sich erst in der mündlichen Verhandlung im Wege der Klageänderung auf den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung des Inhalts der Anmeldung berufen.
1.1. Der Senat sieht in der Geltendmachung eines weiteren Nichtigkeitsgrundes nach Eintritt der Rechtshängigkeit wegen der hiermit verbundenen Änderung des durch Klageziel und Klagegrund bestimmten zweigliedrigen Streitgegenstands eine Klageänderung nach § 263 ZPO unabhängig davon, ob die hinsichtlich des Klagegrundes geltend gemachte Erweiterung des Angriffs einen bereits angegriffenen Patentanspruch betrifft oder nicht (ebenso BGH Urt. v. 12.12.2006, X ZR 131/02 = GRUR 2007, 309 – Schussfädentransport; Urt. v. 21.4.2009, X ZR 153/04 = GRUR 2009, 933, Tz. 29 – Druckmaschinen-Temperierungssystem II; vgl. auch Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 5. Aufl., Rdnr. 229; BPatG Urt. v. 29.11.2012 – 2 Ni 7/11; a.A. BGH Urt. v. 24.5.1955, I ZR 25/33 = GRUR 1955, 531 – Schlafwagen; a.A. zur Erweiterung auf weitere Patentansprüche: BPatG, Urt. v. 16.5.2013 – 10 Ni 19/11). Es liegt deshalb eine Klageänderung im Sinne einer nachträglichen kumulativen Klagehäufung (§ 260 ZPO) und nicht nur eine Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO vor. Unabhängig hiervon hat bereits der 2. Senat zutreffend darauf hingewiesen, dass mit einer "Klageänderung" nach § 83 Abs. 4 PatG sämtliche klageerweiternden Anträge in Bezug auf Nichtigkeitsgründe und/oder Patentansprüche gemeint sind, unabhängig davon, ob es sich dabei in rechtlicher Hinsicht um eine mit einer Änderung des Streitgegenstands verbundene Änderung i. S. von § 263 ZPO oder lediglich um eine Klageerweiterung nach § 264 ZPO handelt (BPatG, Urt. v. 29.11.2012, 2 NI 7/11 (EP)). Dem schließt sich der Senat an.
1.2. Nach § 81 Abs. 5 PatG muss die Klage den Streitgegenstand bezeichnen. Hierzu gehört, dass eindeutig erkennbar sein muss, aufgrund welcher Nichtigkeitsgründe das Patent angegriffen wird (Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 4. Auflage, RdNr. 106). Die Klageschrift enthält vorliegend die eindeutige Angabe, dass (allein) der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend gemacht wird (Bl. 3 der Klageschrift: Art. II § 6 IntPatÜG iVm Art. 52 bis 57 EPÜ).
Dem Schriftsatz vom 29. August 2012 kann entgegen der Ansicht der Klägerin auch bei wohlwollender Auslegung keine Erklärung einer Änderung der Klage und Erweiterung auf den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG) entnommen werden.
Entsprechend hat der Senat im Zwischenbescheid (dort unter I.2) ausgeführt, die Klägerin mache fehlende Patentfähigkeit, insbesondere fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit geltend. Von anderen Nichtigkeitsgründen ist nicht die Rede. Die Klägerin hat dem nicht widersprochen. Hinzu kommt, dass auch dem auf den Hinweis des Senats vom 1.10.2013 Stellung nehmenden Schriftsatz vom 4.11.2013 der Klägerin keine klarstellende Äußerung hierzu oder Klageänderung zu entnehmen ist wie auch die Beklagte in ihren Schriftsätzen vom 10.5.2012 und 15.10.2012 bzw. 7.11.2013 nur Veranlassung gesehen hat, auf den Klagegrund fehlender Patentfähigkeit einzugehen und das Streitpatent, zuletzt mit Hilfsanträgen, insoweit zu verteidigen. Selbst im Schriftsatz vom 4.11.2013 hat die Klägerin ausschließlich Ausführungen zur fehlenden Patentfähigkeit gemacht, insbesondere zur Auslegung und Offenbarung von Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der Druckschrift D1. Nur in diesem Zusammenhang wird in den Schriftsätzen die Frage erörtert, ob eine „unzulässige Erweiterung bzw. fehlende Offenbarung“ vorliegt bzw. dass Teile der Beschreibung und ein Ausführungsbeispiel, welche nicht zur Erfindung gehören, nicht zu einer abweichenden Auslegung herangezogen werden dürften. Die Klägerin kommt in ihren Ausführungen zu dem Ergebnis, dass das in Frage stehende Merkmal C.4 des geltenden Patentanspruchs 1 „parallele Spuren“ deshalb im Sinne der ursprünglichen Offenbarung so auszulegen sei, dass dort die Schienen ungefähr parallele Spuren für die Deckel aufwiesen und ursprünglich nur drei Spuren offenbart worden seien. Merkmal C4 beanspruche ferner allenfalls, dass die Deckel-Spuren benachbarter Schienen zueinander parallel seien, nicht jedoch diejenigen Spuren einer Schiene; die Ausführungen enden dann damit, dass dieses Merkmal in der Druckschrift D1 identisch offenbart sei und nehmen im Hinblick auf eine unzulässige Erweiterung nur bezüglich des mit Schriftsatz der Beklagten vom 15.10.2012 vorgelegten Hilfsantrags und anderer, hinzugefügter Merkmale Stellung.
2. Insoweit bleibt der Senat bei den bereits in der mündlichen Verhandlung geäußerten Bedenken, dass die Klageänderung, in welche die Beklagte nicht eingewilligt hat, im Hinblick auf die nach § 263 ZPO erforderliche Sachdienlichkeit nicht zulässig war, da infolge des mit Klageänderung verbundenen neuen Streitstoffs und insbesondere auch dessen Auswirkungen auf die Beurteilung des weiteren Streitstands die bis dahin erarbeiteten Prozessergebnisse nur bedingt verwertbar gewesen wären und zudem die Verspätung der Klägerin vorwerfbar ist (vgl Zöller ZPO, 29. Aufl., § 263 Rdn. 13). Dies kann letztlich aber dahinstehen, da die Klageänderung jedenfalls wegen Verspätung nach § 83 Abs. 4 PatG zurückzuweisen war.
3. Denn soweit die Klägerin zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (zwischen 15.41 Uhr und 16.20 Uhr, vgl. Bl. 7 f. der Sitzungsniederschrift) den gegen angegriffene Patentansprüche geltender Fassung gerichteten Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung erstmals im Wege der zu Protokoll erklärten Klageänderung geltend gemacht hat, war dieser Angriff gem. § 83 Abs. 4 PatG unter Abwägung der für und gegen eine Präklusion sprechenden Gründe nicht zuzulassen.
Nach dieser Vorschrift kann das Patentgericht eine Klageänderung zurückweisen und bei seiner Entscheidung unberücksichtigt lassen, wenn diese nach Ablauf der hierfür nach § 83 Abs. 2 PatG gesetzten Frist erfolgt ist und die weiteren Voraussetzungen des § 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 PatG erfüllt sind.
3.1. Diese Voraussetzungen für eine Zurückweisung sind vorliegend gegeben. Die mit dem am 7. Oktober 2013 zugestellten Hinweis nach § 83 PatG gesetzte Frist (§ 83 Abs. 2 Satz 1 PatG) von einem Monat zur Ergänzung des Vorbringens und zur Stellung sachdienlicher Anträge war am 12.11.2013 bereits abgelaufen. Der Hinweis nach § 83 PatG enthielt auch eine Belehrung gemäß § 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 PatG. Die Versäumung der Frist wurde durch die Klägerin nicht entschuldigt (§ 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 PatG), ein Verschulden i.S.v. § 276 BGB (hierzu BPatG, Urteil v. 14. 8. 2012, 4 Ni 43/10 (EP) m. w. N. = BPatGE 53, 178 = GRUR 2013, 601 – Bearbeitungsmaschine) ist angesichts des Inhalts der Schriftsätze der Klägerin und zudem des auch eindeutig auf den Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit beschränkten Inhalts des Hinweises offensichtlich; entsprechend wurde auch kein Entschuldigungsgrund glaubhaft gemacht (§ 83 Abs. 4 Satz 2 PatG).
3.2. Auch liegt die weitere Voraussetzung nach § 83 Abs. 4 Nr. 1 PatG vor, dass die Berücksichtigung des neuen, auf den weiteren Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gestützten Angriffs der Klägerin eine Vertagung nach § 227 Abs. 1 ZPO der laufenden mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht hätte. Auch eine solche Vertagung fällt unter die Vorschrift des § 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 PatG (vgl. BPatG, Urteil v. 14. 8. 2012, 4 Ni 43/10 (EP) = BPatGE 53, 178 = GRUR 2013, 601 – Bearbeitungsmaschine). Hierbei wird eine Vertagung nach der Begründung des PatRModG bereits dann von der Regelung des § 83 Abs. 4 PatG als umfasst angesehen, wenn der verspätete Angriff tatsächliche oder rechtliche Fragen aufkommen lässt, die unmittelbar in der mündlichen Verhandlung nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu klären sind (Begr. BTDrs 16/11339 = BlPMZ 2009, 307, 313ff; BPatG Urt. v. 20.11.2012, 3 Ni 20/11 (EP); Urt. v. 29.11.2012, 2 Ni 7/11 (EP); Urt. v. 15.1.2013, 4 Ni 13/11 - Dichtungsring).
Letzteres war der Fall. Der Senat konnte in einer etwa einstündigen Zwischenberatung die Frage nicht abschließend bewerten, ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, nunmehr erstmals von der Klägerin geltend gemacht im Hinblick auf im Sinne einer Zwischenverallgemeinerung und die in Merkmal C4 nicht enthaltene Anzahl paralleler Spuren; insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die mit der Klageänderung verbundenen neuen – auch aus der Sicht des Senats nicht ohne weiteres zu klärenden – rechtlichen Gesichtspunkte nicht nur unmittelbar die Frage einer unzulässigen Änderung des Inhalts der Anmeldung betrafen, sondern zugleich wesentlich für die Erörterung der angegriffenen Patentfähigkeit der erteilten Patentansprüche und der Verwertung der bis dahin erarbeiteten vorläufigen Prozessergebnisse war.
Entsprechend war auch von der Beklagten, die geltend gemacht hatte, eine unzulässige Erweiterung liege nicht vor und die dem neuen Angriff der Klägerin auch im Hinblick auf eine Verspätung entgegengetreten war, nicht zu verlangen, dass sie in der mündlichen Verhandlung zu dem neuen Angriff abschließend Stellung nehmen und ihre Verteidigung des Streitpatents hierauf einrichten musste (vgl. auch BPatG, Urt. v. 29.11.2012 – 2 Ni 7/11 (EP); Urt. v. 21.3.2013 – 10 Ni 14/11 (EP); Urt. v. 13.12.2012 – 10 Ni 6/11). Der Senat hätte der Beklagten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs vielmehr ausreichend Gelegenheit geben müssen, die neuen Aspekte, deren Beurteilung auch der Senat ad hoc in der mündlichen Verhandlung trotz intensiver Zwischenberatung nicht hinreichend klären konnte, zu bewerten und ihre Verteidigung des Streitpatents auf diese insgesamt abzustimmen. Die Zulassung der Klageänderung hätte deshalb auf Antrag eine Vertagung sogar zwingend erforderlich gemacht (Zöller ZPO , 29. Aufl. § 227 Rdn 8a; BPatG Urt. v. 25. 4. 2012, 5 Ni 28/10 (EP) = BPatGE 53,40 – Wiedergabeschutzverfahren; Urt. v. 18.12.2012 – 5 Ni 47/10 (EP)), jedenfalls wäre sie wegen der erheblichen Gründe i.S.v. § 227 Abs. 1 ZPO geboten und damit nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 PatG erforderlich gewesen.
Es bedarf vorliegend keiner näheren Erörterung der Möglichkeit eines zur Vermeidung einer Vertagung – im Übrigen nur auf Antrag – zu gewährenden Schriftsatznachlasses nach § 283 ZPO unter gleichzeitiger Bestimmung eines Verkündungstermins. Denn losgelöst von dem Ergebnis des danach nur möglichen einseitigen Vorbringens der Beklagten, hätte dieser die gebotene Erörterung der bei Zulassung der Klageänderung geänderten rechtlichen Bewertung in einer weiteren mündlichen Verhandlung nicht ersetzen können (vgl. BPatG, Urt. v. 15.1.2013 – 4 Ni 13/11 – Dichtungsring; Urt. v. 28.2.2012 – 3 Ni 16/10 (EU); Urt. v. 16.10.2012 – 3 Ni 11/11 (EP)).
Ebenso kommt eine erweiterte Sachprüfung des Streitpatents auch nicht im Hinblick auf das durchlaufene isolierte Beschränkungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt in Betracht, da dieses – anders als bei Beschränkung eines Patents im Nichtigkeitsverfahren selbst – keine erweiterte (nachträgliche) Sachprüfung auf Zulässigkeit der Änderungen auslöst (BGH GRUR 2011, 607 – Kosmetisches Sonnenschutzmittel III).
II.
1. Das Streitpatent betrifft eine Abdeckung für eine Kühlhandelswarenlagereinheit, wie sie zum Auslegen und Verkauf von Nahrungsmitteln verwendet werden (Beschreibungseinleitung der DE 602 00 141 T3).
In der Streitpatentschrift ist ausgeführt, derartige Kühl- oder Gefrierlagereinheiten seien im Stand der Technik einerseits von oben und entlang beider Seiten frei zugänglich ausgebildet gewesen und hätten so einen freien und ungehinderten Zugang von der Oberseite sowohl durch den Kunden als auch durch das Personal erlaubt (Absatz [0002]). Zur Vermeidung von Energieverlusten seien andererseits Kühl- und Gefrierhandelslagereinheiten mit transparenten Abdeckungen verwendet worden, deren Deckel entweder zum Verschieben oder zum Hochklappen vorgesehen seien. Dabei bestehe gemäß den Ausführungen im Streitpatent bei den im Stand der Technik beschriebenen Varianten mit Verschiebedeckel das Problem, dass beim Entnehmen von Ware oder Wiederbefüllen der Lagereinheit diese lediglich zur Hälfte geöffnet werden könne ([0006] und [0007]). Bei den Varianten zum Hochklappen der Abdeckung ergäbe sich – neben der grundsätzlichen Problematik für kleinere Leute, wie z.B. Kinder – beim Öffnen und Schließen ein Pumpeffekt, der einen Austausch von warmer Luft aus der Umgebung und gekühlter Luft aus der Lagereinheit hervorrufen würde, was zu einem unerwünschten Energieverlust führe [0008].
2. Vor diesem Hintergrund bezeichnet es die Streitpatentschrift als Aufgabe der Erfindung [0009], eine Abdeckung für eine Kühl- und Gefrierhandelswarenlagereinheit zu schaffen, die gleichzeitigen und ungehinderten Zugang zu dem Lagerinnenraum der Handelswareneinheit über ihre gesamte Längsrichtung entlang beider Seiten ohne die vorstehend genannten Nachteile vorsieht. Insbesondere sei es darüber hinaus die Aufgabe der Erfindung, einen unnötigen Energieverlust zu vermeiden, wenn der Deckel der Lagereinheit betätigt wird. Eine weitere Aufgabe sei ferner, eine Abdeckung für eine Handelswareneinheit zu schaffen, die einen guten Zugang zu den Inhalten der Handelswareneinheit von oben von beiden Seiten sicherstelle und dem Kunden und dem Personal erlaube, den Inhalt der Lagereinheit zu begutachten, ohne dass ihre Sicht beeinträchtigt sei.
Nach Überzeugung des Senats ist im vorliegenden Fall ausgehend davon, dass die Aufgabe aus dem Leistungsergebnis des tatsächlich gelösten technischen Problems abzuleiten ist (BGH Urt. v. 27.8.2013, X ZR 19/12 = GRUR 2013, 1272, Tz. 22 – Tretkurbeleinheit), jedoch eine spezifischer formulierte Aufgabe als objektiv zutreffend und damit maßgeblich anzusehen, da im entgegengehaltenen Stand der Technik mit der D1 (JP 54-23249 A, D1a bzw. Deutsche Übersetzung, D1b) eine dem Streitpatentgegenstand wesentlich näherkommende Druckschrift im Verfahren ist, als im Streitpatent diskutiert wurde. Eine maximale Öffnung der Handelswareneinheit mit etwa zwei Drittel der (Ober-) Fläche sowie der beidseitige, ungehinderte Zugang zu den Waren ist in der Einheit der D1 ebenfalls erreicht.
Ausgehend von der D1 stellt sich der Fachmann daher die objektive Aufgabe, eine möglichst einfache konstruktive Gestaltung der Deckelführung für eine gekühlte Handelswarenlagereinheit zu schaffen, die - unter der Prämisse eines von beiden Längsseiten ermöglichten ungehinderten Zugangs des Kunden zu den Waren - eine Minimierung des Energieverlustes beim Öffnen und Schließen des Deckels gewährleistet.
3. Zur Lösung dieser objektiven Aufgabe lehrt das Streitpatent nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag einen Gegenstand mit folgenden gegliederten Merkmalen:
(A) Abdeckung für eine gekühlte Handelswarenlagereinheit (1) zum Auslegen und Verkauf von Nahrungsmitteln und dergleichen.
(B) Die Lagereinheit (1) weist ein Lagerfach (8) mit einer im Wesentlichen rechteckigen oberen Öffnung (7) auf.
(C) Die Abdeckung hat zwei verschiebbare Deckel (9, 10).
(C.1) Die Deckel (9, 10) sind in zwei Reihen entlang jeder der Längsseiten (2, 4) der Lagereinheit (1) angeordnet, so dass ein Zugriff zu dem Lagerfach (8) von beiden Seiten (2, 4) der Lagereinheit geboten ist.
(C.2) Die Abdeckung ist mit einem Schienensystem mit einer Anzahl von parallel montierten Querschienen (5) zwischen den beiden Längsseiten (2, 4) versehen.
(C.3) Die Deckel (9, 10) sind verschieblich zwischen zwei benachbarten Schienen (5) des Schienensystems montiert.
(C.4) Die Schienen (5) haben separate, parallele Spuren für die Deckel (9, 10) in jeder der Reihen.
(C.5) Die Deckel (9, 10) sind in den Reihen in einer zu den Längsseiten (2, 4) senkrechten Richtung verschieblich.
(D) Die Abdeckung hat eine ortsfeste Deckplatte (6), die sich parallel zu den [Längs-]Seiten (2, 4) entlang des gesamten Mittelbereichs der Lagereinheit (1) erstreckt.
(E) Die Abdeckung ist mit einer gekrümmten Gestalt versehen, bei der die Schienen (5) mit einer konvexen Krümmung konstruiert sind.
4. Maßgeblicher zur objektiven Problemlösung berufener Fachmann ist ein Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, der mehrere Jahre Berufserfahrung aufweist und umfangreiche Erfahrungen in der Entwicklung und Konstruktion von industriellen Kühl- und Gefriergeräten sowie insbesondere mit deren Abdeckungen besitzt.
5. Nach dessen maßgeblichem Verständnis und einer am Gesamtzusammenhang orientierten Betrachtung (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2010 – Xa ZR 149/07, GRUR 2011, 129 - Fentanyl-TTS; Urt. v. 03.06.2004 – X ZR 82/03, GRUR 2004, 845 - Drehzahlermittlung, m. w. N.) ist zu beurteilen, welche technische Lehre Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist und welcher technische Sinngehalt den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit zukommt (BGH, Urt. v. 12.03.2002 – X ZR 168/00, GRUR 2002, 515, 517 - Schneidmesser I; Urt. v. 07.11.2000 – X ZR 145/98, GRUR 2001, 232, 233 - Brieflocher, jeweils m. w. N.). Die Patentschrift stellt deshalb im Hinblick auf die gebrauchten Begriffe auch ihr eigenes Lexikon dar (BGH, Urt. v. 02.03.1999 – X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube; Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf). Der Senat legt danach dem geltenden Patentanspruch 1 folgendes Verständnis zu Grunde:
5.1 Das Streitpatent betrifft nach Patentanspruch 1 eine Abdeckung einer gekühlten Handelswarenlagereinheit („Kühltruhe“), die zum Auslegen und Verkauf von Nahrungsmitteln oder anderer Produkte vorgesehen ist (Merkmal A). Die Lagereinheit weist dabei ein Lagerfach auf, das eine im Wesentlichen rechteckige, obere Öffnung aufweist (B). Die Abdeckung selbst wird durch "zwei verschiebbare Deckel (9, 10)" gebildet (C), die nach Merkmal C.1 in zwei Reihen entlang jeder der Längsseiten der Lagereinheit angeordnet sind, damit ein Zugriff zu dem Lagerfach von beiden Seiten (2, 4) der Lagereinheit möglich ist. Diese beiden Deckel mit den entsprechenden Bezugszeichen (9) und (10) sind in der Streitpatentschrift durchgehend im Sinne von "zwei Reihen von Deckeln" ([0013] im allgemeinen Beschreibungsteil) offenbart. Mit Bezug auf die Ausführungsbeispiele ist zudem präzisiert, dass "eine Anzahl von verschiebbaren Deckeln (9)" sowie "eine Anzahl von verschiebbaren Deckeln (10)" jeweils in verschiedenen Spuren angeordnet sind [0022]). Mit den "zwei Deckeln" sind somit also zwei Arten von Deckeln gemeint, die auf jeder der gegenüber liegenden Seiten platziert sind, was im Übrigen auch durch die Darstellung in den Figuren 1 und 2 gestützt wird, da dort zumindest jeweils zwei Deckel einer Reihe mit den Bezugszeichen (9) bzw. (10) versehen sind. In diesem von den Parteien strittig gesehenen Punkt mag insoweit der Klägerin zuzustimmen sein, dass auch lediglich ein Deckel pro Reihe vom Gegenstand des Anspruchs 1 umfasst sein kann - zumal in Merkmal C ausdrücklich von zwei Deckeln die Rede ist. Einerseits kann eine Reihe prinzipiell auch lediglich ein Element umfassen, darüber hinaus ergibt sich auch aus fachlicher Sicht kein spezieller technischer Aspekt, der aufgrund einer Anordnung nur eines Deckels auf jeder Seite zu einer anderen Betrachtung führen würde.
Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 des Streitpatents
5.2 Die Abdeckung der Lagereinheit ist mit einem Schienensystem versehen, das aus einer Anzahl von parallel montierten Querschienen zwischen den beiden Längsseiten (2, 4) besteht (C.2). Zwischen zwei benachbarten Querschienen (5) sind die Deckel (9) und (10) verschieblich montiert (C.3). Diese Querschienen haben dabei separate, parallele Spuren für die Deckel (9, 10) in jeder der Reihen (C.4), und die Deckel sind demzufolge in den jeweiligen Reihen senkrecht zu den Längsseiten der Lagereinheit verschiebbar (C.5). Entlang des gesamten Mittenbereichs der Lagereinheit weist die Abdeckung eine ortsfeste Deckplatte auf (D), wobei die gesamte Abdeckung gekrümmt ausgebildet ist und die Schienen mit einer konvexen Krümmung konstruiert sind (E).
5.3 Insbesondere das Merkmal C.4 bedarf hierbei einer eingehenden Betrachtung sowie der fachgerechten Auslegung, da dieses Merkmal seitens der Parteien strittig interpretiert wurde. Die Klägerin sieht in Bezug auf die „parallelen Spuren“ die Schienen derart ausgestaltet, dass in einer Reihe nebeneinander liegende Spuren eines Deckels (9 oder 10) parallel angeordnet sind, d.h. in gleichem Abstand voneinander und in der gleichen (gekrümmten) Fläche liegend verlaufen. Somit wären die Spuren aller Deckel einer Reihe einerseits parallel und würden zudem in einer (gekrümmten) Ebene liegen. Die Klägerin verweist dabei insbesondere auf die Offenbarung in Absatz [0013] der Streitpatentschrift, wonach „die Schienen als Profile mit drei Spuren konstruiert“ sind, „die Positionieren der Abdeckung in drei parallel erstreckenden Ebenen erlauben“. Hier und auch in der gesamten Patentschrift und insbesondere in Verbindung mit Absatz [0010] wäre der Bezug auf die horizontale Parallelität gegeben, der somit auch für das Merkmal C.4 herangezogen werden müsse.
Demgegenüber sieht die Beklagte nach Merkmal C.4 die Spuren jeder Schiene als vertikal parallel an. Würde sich die Parallelität der Spuren nämlich auf die räumliche Anordnung der Spuren benachbarter Schienen beziehen, also horizontal, so wäre ihrer Ansicht nach der Begriff „separat“ in Merkmal C.4 redundant gebraucht, so dass der Fachmann eine derartige Auslegung nicht heranziehen würde. Die Parallelität der in jeder der Schienen vorliegenden Spuren entsprechend C.4 bedeute deshalb vielmehr, dass die übereinander geschobenen Deckel in parallel geführten Spuren verlaufen. Die sich in parallelen „Ebenen“ erstreckenden Deckel seien dabei nicht auf ebene Flächen beschränkt, sondern umfassten auch gekrümmte Flächen („planes“), die in Form von Zylinderoberflächen einen gemeinsamen Kreismittelpunkt aufweisen würden. Auf Nachfrage des Senats, wie dann das Ausführungsbeispiel gemäß Absatz [0014] zu bewerten sei, wonach „die Krümmung nicht notwendiger Weise eine kreisförmige Krümmung sein muss“, hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass diese Variante wohl nicht unter den Patentanspruch 1 fallen dürfte. Zu den Ausführungen der Beteiligten im Hinblick auf die Auslegung des Merkmals C.4 wird auch auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Der Senat sieht in seiner Auslegung des Merkmals C.4 entsprechend der Auffassung der Beklagten die Spuren in einer Schiene als parallel vertikal übereinander liegend an. Die jeweiligen Spuren der Schienen liegen somit auf einer vertikalen Ebene und sind gekrümmt parallel zueinander. Zwar irritiert in Merkmal C.4 gegebenenfalls der Zusatz „in jeder der Reihen“, da hieraus ein Bezug auf die horizontale Anordnung der Spuren gegeben sein könnte, wie die Klägerin auch gemeint hat. Doch sind die „separaten und parallelen Spuren“ in C.4 den (jeweiligen) Schienen (5) zugeordnet und stellen Eigenschaften dieser Schienen dar. Nachdem in Merkmal C.2 bereits formuliert ist, dass das Schienensystem aus „parallel montierten Querschienen (5)“ besteht, wäre eine weitere Auslegung der parallel angeordneten Spuren in einer Ebene (gekrümmte Fläche) lediglich eine redundante Formulierung, die sich als selbstverständlicher Aspekt bereits direkt aus C.2 ergibt. In Absatz [0013] ist in dem noch allgemeinen Beschreibungsteil der Streitpatentschrift zudem ausdrücklich formuliert, dass die Schienen „als Profile mit drei Spuren konstruiert“ sind, die ein „Positionieren der Abdeckung in drei parallelerstreckenden Ebenen erlauben“. Sofern die (gekrümmten) Ebenen jedoch parallel vorliegen, sind aus logischen Erwägungen auch die entsprechenden Spuren in dem gleichen Sinne parallel, d.h. sie liegen vertikal parallel (mit konstantem Abstand voneinander) übereinander. Der prinzipiell gleiche Sachverhalt ist in Absatz [0022] mit Bezug auf die Ausführungsbeispiele der Figuren 1 bis 3 formuliert, wonach „die Schienen (5)…drei im Wesentlichen parallele Spuren“ haben, „in denen die Abdeckplatten (6, 9, 10) verschiebbar angeordnet sind“. Damit sind die parallelen Spuren den einzelnen Schienen zugeordnet.
Da gemäß Merkmal C.4 die parallelen Spuren für die Deckel jedoch „in jeder der Reihen“ vorliegen, ist der Beklagten insoweit allerdings nicht zuzustimmen, dass diese parallelen Spuren in den Reihen nur lediglich vorliegen können – nicht jedoch müssen. C.4 verlangt die Ausgestaltung der parallelen Spuren in den Schienen über den (gesamten) Bereich der den potentiellen Öffnungsbereich darstellenden Reihen. Allerdings bedingt der anspruchsgemäße Wortlaut keine drei durchgehend parallele Spuren in den Reihen, so dass im Bereich der jeweiligen äußeren Drittel der Abdeckung auch nur zwei parallele Spuren vorliegen können. Der Fachmann wird bei stationär angeordneter Mitten-Deckplatte selbstverständlich nicht zwingend diese dritte Spur im äußeren Bereich der Abdeckung vorsehen.
III.
Der Senat konnte nicht feststellen, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik vorweggenommen ist oder sich hieraus in naheliegender Weise ergibt und damit nicht patentfähig i. S. v. Art. 138 (1) a) EPÜ ist.
1. Die Abdeckung für eine gekühlte Handelswarenlagereinheit nach dem Patentanspruch 1 ist gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu.
1.1 Aus der D1 (JP 54-23249 A, D1a bzw. deutsche Übersetzung, D1b) ist eine Kühltruhe zum Auslegen und Verkauf von Waren und damit eine gekühlte Handelswarenlagereinheit bekannt (Beschreibung der D1b, Seite 3, Zeilen 50 bis 52 i.V.m. den Figuren, D1a), die ebenfalls über eine Abdeckung verfügt (Merkmal A der Merkmalsgliederung). Die Abdeckung der Kühltruhe besteht einerseits aus einer ortsfesten Deckplatte (durchsichtige Festplatte 18), die sich parallel zu den Längsseiten der Kühltruhe entlang des gesamten Mittelbereichs erstreckt
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Kühltruhe der D1 nach den Figuren 1, 2 und 4
(Merkmal D), zudem sind zwei verschiebbare Deckel (schiebbare, durchsichtige Türen (22) und (23), Seite 2, Zeile 15) beiderseits der mittigen Deckplatte vorhanden (Merkmal C). Die Lagereinheit der D1 weist zudem ein Lagerfach (Kühlabteil 7) auf, das eine im Wesentlichen rechteckige Öffnung besitzt (Figuren 1 und 2; Merkmal B).
Die lediglich zwei Deckel der D1 sind entlang der beiden Längsseiten der Kühltruhe derart angeordnet, dass beim Öffnen der Deckel ein Zugriff zum Lagerfach von beiden Längsseiten möglich ist (Merkmal C.1, vgl. Auslegung des Merkmals unter II. 5.). Hierzu werden die Deckel senkrecht zur Längsseite nach innen verschoben (Figur 3; Merkmal C.5). Zum Führen der Deckel bzw. „Türen“ weist das Abdeckungssystem der D1 ein Schienensystem auf, das aus einer Anzahl von parallel montierten Querschienen (Schienen 14 und 15, insbesondere Figuren 1 und 4) besteht, die zwischen den Längsseiten der Kühltruhe angebracht sind (Merkmal C.2). Die auf der jeweiligen Seite der Kühltruhe angebrachten Schienen sind dabei offensichtlich parallel zueinander, wie den Figuren zu entnehmen ist. Die an jeder Längsseite der Kühltruhe liegenden Deckel sind gemäß den Figuren ebenso verschieblich zwischen zwei benachbarten Schienen des Schienensystems montiert (Merkmal C.3).
Aus der D1 ist das Merkmal C.4, wonach die Schienen separate, parallele Spuren für die Deckel aufweisen, nicht bekannt, da für jede Deckelebene eigene Schienen vorgesehen sind und damit jede Schiene nur eine Spur aufweist. Zwar sind die Schienen der D1 auch mit einer konvexen Krümmung konstruiert, die Abdeckung der D1 ist jedoch nicht mit einer gekrümmten Gestalt gemäß dem ersten Teil des Merkmals E versehen.
1.2. Die weiteren Druckschriften wurden seitens der Klägerin nicht hinsichtlich der Neuheitsbetrachtung herangezogen und bedürfen deshalb insoweit keiner weiteren Betrachtung, da die Darlegung, welche bestimmten technischen Informationen der Fachmann einer bestimmten Entgegenhaltung oder bestimmten Entgegenhaltungen entnehmen kann und unter welchem Aspekt diese das Klagebegehren rechtfertigen sollen, Aufgabe der Klägerin ist. Der Senat ist deshalb auch im Rahmen des im Nichtigkeitsverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 87 Abs. 1 PatG jedenfalls nicht verpflichtet, von sich aus zu ermitteln, worin diese relevanten Beiträge liegen könnten (weitergehend BGH Urt. v. 27.8.2013, X ZR 19/12 = GRUR 2013, 1272, Tz. 36 – Tretkurbeleinheit). Der Senat sieht sich insoweit nicht gehindert, die von der Klägerin nur im Rahmen der Prüfung erfinderischer Tätigkeit herangezogenen und gewürdigten Druckschriften, wie vorliegend insbesondere die D5 und D8, auch in Bezug auf Neuheit (Art. 54 EPÜ; § 3 PatG) zu bewerten. Dies gilt auch, wenn die Darlegung der Klägerin – wie vorliegend – keine vollständige Merkmalsanalyse enthält, sondern nur eine Würdigung im Hinblick auf die technische Bedeutung einzelner Merkmale für ein Naheliegen, zumal nach bisheriger Rechtsprechung auch bei EP-Patenten die fehlende Neuheit keinen eigenständigen Nichtigkeitsgrund bildet, sondern nur einen unterschiedlichen rechtlichen Aspekt fehlender Patentfähigkeit i.S.v. Art. II § 6 Abs. 1 lit. 1 IntPatÜG; § 138 Abs. 1 lit. a EPÜ; §§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG; hierzu Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 5. Aufl., Rdn. 63; vgl auch BGH Urt. v. 27.8.2013, X ZR 19/12 = GRUR 2013, 1272, Tz. 36 – Tretkurbeleinheit; Keukenschrijver/Busse, PatG, 7. Aufl., § 21 Rdn. 28 und 30). Die insoweit maßgeblichen Schriften D5 und D8 können jedoch die Neuheit der Lehre nach Patentanspruch 1 nicht in Frage stellen.
Aus der D5 (US 2 793 925 A) ist eine Kühl- oder Gefriertruhe bekannt, die an beiden Längsseiten der Truhe senkrecht zur Längsseite verschiebbare ebene Abdeckungen aufweist (Figuren). Die durchsichtigen Abdeckungen der Lagereinheit (transparent sliding panel cabinet cover, Patentanspruch 1) sind derart ausgelegt, dass sie sich beim Öffnen senkrecht zur Längsseite übereinander schieben (to slide in parallel spaced relation one across). Da hier eine feststehende Mittelplatte nicht vorhanden ist, ist ein gleichzeitiger Zugriff von beiden Seiten eines "Deckelpaares" nicht möglich.
Das Dokument D8 (EP 0 903 095 A2) beschreibt eine Tiefkühltruhe, die um eine Achse schwenkbar zu öffnende Deckel aufweist. Die Deckel sind nicht in Schienen geführt und somit bereits nicht verschiebbar ausgestaltet.
2. Die nach Patentanspruch 1 beanspruchte Lehre beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie ergab sich für den Fachmann zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik (Art. 56 EPÜ).
2.1 Ausgehend von der auch seitens der Klägerin als nächst liegende Druckschrift angesehene D1, welche der Fachmann im Anmeldezeitpunkt des Streitpatents auf der Suche nach einer Verbesserung und Problemlösung ohne Weiteres als geeignetes Ausgangsdokument erkannte, war ihm eine Kühltruhe mit Abdeckung bekannt, welche jedenfalls nicht die durch die Merkmale C.4 und E nach Patentanspruch 1 bestimmte Ausgestaltung der Abdeckung mit der insoweit beanspruchten gekrümmten (vertikal) parallelen Spurenführung der Schienen für den Deckel aufwies. Die D1 beschreibt und zeigt in ihren Figuren lediglich Schienen (14, 15), die gleichermaßen die Spuren für die Bewegung der Deckel über die Seitenrahmen (24) darstellen bzw. die Lage der durchsichtigen Festplatte (18) fixieren (Figuren 4 und 6). Diese Schienen bilden somit für jede Ebene der Deckel und der Festplatte eine eigene Spur. Damit sind in der D1 bereits keine Schienen mit mehreren Spuren offenbart. Gemäß der Figur 4 sind die bezeichneten Schienen - die lediglich Absätze der jeweiligen Seitenwand darstellen - auch nicht vertikal übereinander angebracht, so dass die gekrümmten Bahnen der Schienen (bzw. deren Spuren) auch nicht auf einer (vertikalen) Ebene liegen.
Die D1 definiert die Geometrie der Schienen der beweglichen Deckel (14, 15) in der Weise, dass diese "die gleiche Krümmung in unterschiedlichen Ebenen" aufweisen, "die durch die Kreisbogen mit zwei unterschiedlichen Kreismittelpunkten (O, O') und dem gleichen Radius (R, R')" gebildet werden (Seite 3, Zeilen 30 - 36). Diese Vorgabe hat das Ziel, "dass alle Bestandteile der beiden Türen identisch sind und dadurch die Türen günstiger produziert werden können" (Seite 5, Zeilen 95 f.). Wie diese beiden - identischen - Türen (22, 23) jedoch in der Kühltruhe positioniert bzw. geführt werden, ist aus der D1 nicht ersichtlich. Denn die Figur 4 offenbart eine seitlich versetzte Anordnung an der einen Seite des Blendrahmens (Seite 3, Zeile 31), die assoziiert, dass die Schienen-Führung auf der anderen Seite entsprechend (symmetrisch zur Mittenachse) gestaltet ist, wodurch die Türen der verschiedenen Ebenen zumindest unterschiedliche Größen besitzen würden. Die explizite Offenbarung der Verwendung identischer Türen - die zudem aufgrund der Konstruktion gleicher Schienen-Radien für den Fachmann erkennbar offensichtlich angestrebt wird - legt diesem nun eine Positionierung der Schienen vertikal übereinander nahe. Er wird die Schienen als entsprechende Ausbuchtungen auf der Innenseite des Blendrahmens so vorsehen, dass die Schienen (22) und (23) vertikal übereinander zu liegen kommen. Damit sind jedoch die Schienen - und damit die durch sie charakterisierten Spuren - immer noch nicht parallel zueinander, da sie radial (und in Querrichtung) versetzte Mittelpunkte aufweisen.
Sofern der Fachmann, ausgehend von der bekannten Kühltruhe der D1 aufgabengemäß den Energieverbrauch senken wollte, so war ihm bei der fachmännischen Analyse bewusst, dass er - in Bezug auf die Optimierung der Abdeckung nach der D1- theoretisch mehrere Möglichkeiten hatte, diese jedoch wegen der damit verbundenen Nachteile tatsächlich nicht in Betracht kamen: So hätte er zwar den Öffnungsbereich verkleinern können, aber um den Preis der angestrebten erleichterten Zugänglichkeit; genauso wenig wollte er den gewünschten vergrößerten Kühlraum unterhalb der Abdeckung gegenüber der flachen Lösung wieder verschenken - der "Freiraum" dient als Puffer gegenüber einem erhöhten "Kühlluftverlust" - wie die Klägerin in ihren Ausführungen anschaulich verdeutlicht hat. Der Fachmann musste deshalb weitere Lösungsmöglichkeiten erwägen. Hierbei ist es nicht auszuschließen, dass er aufgrund seines Fachwissens und des Stands der Technik – wie sie z.B. auch in der D8 dokumentiert wird – erkennen konnte, dass eine gekrümmte Gestaltung der Deckel entsprechend ihrer Führungsbahn vorteilhaft sein würde, da so beim Öffnen und Schließen der Deckel die Verdrängung der Kühlluft minimiert wird, und deshalb auf eine derartige Lösung zurückgriff (BGH Urt. v. 22.11.2011, X ZR 58/10 = GRUR 2012, 261 - E-Mail via SMS). Aufgrund der in der D1 als Sekante ausgebildeten "ebenen und durchsichtigen Platte (27)" (Seite 3, Zeile 46) der Oberfläche der Türen wirken diese beim Schiebevorgang in radialer Richtung dagegen einengend bzw. erweiternd, so dass ein gewisser Pumpeffekt zustande kommt, der den Austausch der Kühlluft mit der Umgebungsluft fördert. Eine in Form der gekrümmten Führung gestaltete Tür beseitigt diesen Effekt, so dass diese Gestaltung der Tür bzw. eines Deckels hinsichtlich des Energieverbrauchs als optimal anzusehen ist. Eine derartige Lösung mag für den Fachmann somit durchaus aufgrund fachmännischer, handwerklicher Überlegungen veranlasst und als erfolgversprechend nahegelegen haben. Darauf kommt es letztlich jedoch nicht an.
Denn durch eine konvexe, gekrümmte Gestaltung der Deckel und eine Positionierung der Schienen bzw. Spuren vertikal übereinander gelangte der Fachmann noch nicht naheliegend zum Gegenstand nach Anspruch 1des Streitpatents. Es verbleiben an Unterschieden zur erfindungsgemäßen Lehre gemäß Merkmal C.4 immer noch, dass die jeweiligen Querschienen der D1 keine (zumindest zwei) separaten Spuren aufweisen und dass die separaten Schienen bzw. Spuren zudem nicht parallel verlaufen. Eine derartige Ausgestaltung der Abdeckung durch diese beiden Teilmerkmale war auch nicht durch die Druckschrift D1 nahegelegt. Für den Fachmann lag es weder auf der Hand noch erhielt er eine Anregung oder einen Hinweis auf die erfindungsgemäße Problemlösung, die nicht-konzentrischen Bahnen der Schienen (22) und (23) in einer Schiene zusammenzufassen: Insbesondere hätte er den eingeschlagenen Lösungsweg verlassen müssen, da die erfindungsgemäße Lösung einer vereinfachten Bauweise zuwiderlaufen würde (keine „Stangenware“) und der Fachmann an einer solchen schon regelmäßig aus Gründen der Kostenersparnis interessiert ist. Auch hatte der Fachmann keinen Anlass, aus anderen Gründen den Vorteil der nicht-konzentrischen Bauweise der Deckelführung aufzugeben, da eine andere Lösung keinen nennenswerten weiteren energetischen Einspareffekt versprach und mit lediglich unterschiedlichen Deckelgeometrien sowohl Fertigung als auch Montage der Abdeckung aufwändiger werden würde. Der Umstand, dass dem Fachmann insoweit mehrere Lösungswege zur Verfügung standen, von denen jeder spezifische Vor- und Nachteile hatte, kann für sich genommen die Annahme einer erfinderischen Tätigkeit zwar nicht begründen (BGH Urt. v. 22.11.2011, X ZR 58/10 = GRUR 2012, 261 - E-Mail via SMS). Vorliegend ist aber im Ergebnis nicht erkennbar, weshalb der Fachmann die Problemlösung in Abkehr vom Stand der Technik und den zuvor beschrittenen Wegen auf dem Weg der Erfindung hätte suchen sollen (BGH Urt. v. 30.4.2009, Xa ZR 92/05 = GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherungseinrichtung) und naheliegend zu einer Ausgestaltung der Abdeckung nach Anspruch 1 gelangt wäre: Der Senat verkennt hierbei nicht, dass für die Frage einer naheliegenden Entwicklungsleistung zu berücksichtigen ist, was der Fachmann aus dem Offenbarungsgehalt einer Schrift unter Einbeziehung seines Fachwissens ableiten konnte (BGH Urt. v. 12.11.2012, X ZR 134/11 = GRUR 2013, 363 - Polymerzusammensetzung).
2.2 Auch die weitere Umschau nach Anregungen für eine Problemlösung und die Heranziehung der Druckschrift D8 führte den Fachmann nicht naheliegend zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Streitpatent.
2.2.1 Die D8 geht bei ihren Überlegungen von Tiefkühltruhen aus, die mit horizontalen Schiebeführungen ausgestattet sind. Da derartige Schiebeführungen im Hinblick auf die "Einhaltung der Hygiene" ([0003]) problematisch seien, da hier "Verunreinigungen leicht eindringen können und schwierig entfernbar sind" [0004], will die D8 gerade weg von derartigen Schiebeführungen, um u.a. einerseits eine leichtgängige Lagerung zu realisieren und andererseits "das oder die Drehlager vor Verschmutzung von außen" zu schützen (Spalte 2, Zeilen 8 - 17). Insofern bringt die D8 den Fachmann eher davon ab, Schiebeführungen zu verwenden, als sie ihn zu konstruktiven Veränderungen diesbezüglich anregt.
Ausführungsbeispiel einer Tiefkühltruhe der D8 in perspektivischer Ansicht
Sofern der Fachmann durch die D8 angeregt gewesen sein könnte, die jeweils gegenüberliegenden Deckel der D1 gemäß der bevorzugten Ausgestaltung nach der Figur 10 (bzw. Figuren 5 bis 8) mit gemeinsamer Drehachse (gemeinsames Drehlager 23) kreisabschnittförmig vorzusehen [0026], so führte auch dies ihn nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents. Denn das Teilmerkmal in C.4, wonach die Schienen separate Spuren aufweisen, ist auch damit nicht nahegelegt, wobei die D8 bereits grundsätzlich keine derartige Anregung zur Ausgestaltung von Schienen geben kann, da sie sich mit dieser Thematik nicht befasst. Demzufolge kann auch das Merkmal C.4 des Gegenstands des Streitpatents durch eine hypothetische Zusammenschau der D1 mit der D8 nicht nahegelegt gewesen sein.
2.2.2. Auch eine Kombination der D1 mit der D5 oder der D5 als Ausgangspunkt der Problemlösung mit der D1 - wie die Klägerin zuletzt argumentiert hat – kann den Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Streitpatents führen.
Die D5 beschreibt und zeigt eine Abdeckvorrichtung für Kühl- bzw. Gefriertruhen, die (de-) montierbar im Sinne von nachrüstbaren Abdeckungen für bereits bestehende Lagereinheiten vorgesehen sind (Beschreibungseinleitung). Gemäß den Figuren 1 bis 3, die die Lager- und Abdeckeinheit in perspektivischer Darstellung zeigen, sind die Kühltruhen in schräger Ansicht gezeichnet, so dass bereits optisch der Eindruck entsteht, dass der Zugriff zu den Kühltruhen lediglich von der vorderen Längsseite erfolgen soll. In der Beschreibung ist in dieser Hinsicht formuliert, dass die verschiebbaren Deckel (sliding panels) senkrecht zu den Längsseiten angeordnet sind, so dass der Kunde die Ware in den rückwärtigen Bereichen der Truhe ebenso gut erreichen kann wie in den vorderen Bereichen („…so that the customer can reach into the rear section of the cabinet with as much ease as in the front sections“, Spalte 1, Zeilen 26 – 32). Da dies als Ziel der Erfindung genannt ist („a further object“), sieht der Fachmann die Kühltruhe als lediglich von einer Seite aus zugänglich an, da ansonsten der notwendige Zugriff (von vorne) auf die im rückwärtigen Teil lagernden Produkte entbehrlich wäre. Insofern offenbart die D5 bereits nicht das Merkmal C.1, wonach
Abdeckvorrichtung für Kühltruhen gemäß der Figur 1 der D5
der Zugriff auf die Lagereinheit von beiden Längsseiten vorgesehen ist. Ferner sind (unbestritten) die beiden kennzeichnenden Merkmale D und E aus der D5 nicht bekannt.
Sofern der Fachmann ergänzend die ihm bekannte D1 heranziehen sollte – die D1 beinhaltet eine einheitliche Konstruktion von Kühltruhe und Abdeckvorrichtung, bei der die Führungen in die Seitenteile der Truhe in Stufen eingelassen sind – so gelangte der Fachmann dennoch nicht zum Gegenstand des Streitpatents. Nicht nachvollziehbar ist bereits, weshalb der Fachmann sich von der beschriebenen Lehre lösen und eine ortsfeste mittlere Deckplatte für die Abdeckvorrichtung der D5 vorsehen sollte (Merkmal D). Denn diese würde bewirken, dass die gesamte Abdeckvorrichtung viel zu tief (nach hinten verlaufend) geraten würde, so dass der Kunde die Ware im rückwärtigen Bereich der Truhe nicht mehr erreichen könnte. Der Fachmann sah zudem gar keine Notwendigkeit, eine ortsfeste mittlere Deckplatte vorzusehen, da er bei einseitigem Zugang zur Kühltruhe eine solche in ihrer Funktion als „Aufnahmebereich“ der beidseitig geöffneten Deckel nicht benötigte.
Auch sah sich der Fachmann aus konstruktiven Gründen an einer derartigen Realisierung gehindert, da er ansonsten die in Patentanspruch 1 der D5 verwirklichte Lösung der Kondensatabstreifung (to wipe condensation) über Rakel (squeegee member 46, 48) hätte vollständig umkonstruieren müssen (Spalte 3, Zeilen 24 – 32, Patentanspruch 1 sowie Figur 9). Eine weitgehende Überlappung der Deckel gemäß der Lösung der D5 findet bei der Ausgestaltung mit einer in etwa ein Drittel der Breite umfassenden feststehenden Mittelplatte bei der Öffnung lediglich eines Deckels nicht statt, so dass eine Kondensatreinigung der Innenseite der Deckel mit der geänderten Konstruktion so nicht erfolgen kann.
Darüber hinaus gab die D1 dem Fachmann auch keine Anregung, die Abdeckvorrichtung mit ihren jeweiligen Deckeln sowie der ganzen Rahmeneinheit (15) inklusive der Führungen (channel runs 26, 27) in gekrümmter Gestalt bzw. mit konvexer Krümmung zu gestalten (Merkmal E). Hierzu hatte der Fachmann auch aus fachlichen Erwägungen keine Veranlassung, da die Konstruktion durch den Aufbau der Abdeckvorrichtung mit ihren Deckeln etwa 5 cm oberhalb der Truhenoberseite positioniert ist, so dass bereits in der vorliegenden flachen Gestaltung ein entsprechender Freiraum oberhalb des Kühlluftstromes vorliegt („…to operate about two inches above the level of the cabinet. This allows the panels to operate above the cold level of the cabinet…”, Spalte 3, Zeilen 37 ff.). Eine (weitere) Vergrößerung der Freifläche durch eine konvex gekrümmte Abdeckung musste dem Fachmann deshalb auch insoweit zur Problemlösung als nicht erforderlich erscheinen.
2.3. Im Ergebnis kann der Senat deshalb nicht feststellen, dass der Fachmann, ausgehend von der D5 auch unter Hinzuziehung der D1 und seines Fachwissens, in naheliegender Weise zum Gegenstand des Streitpatents nach Anspruch 1 gelangen konnte. Der weitere von der Klägerin ursprünglich genannte, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffene Stand der Technik liegt weiter ab und vermag ein Naheliegen der in dem Patentanspruch 1 beanspruchten Merkmalskombination umso weniger zu begründen. Der erteilte Patentanspruch 1 hat somit Bestand.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 6 ist auf eine gekühlte Handelswarenlagereinheit gerichtet und ist ein abhängig formulierter, nebengeordneter Anspruch der gleichen Kategorie. Er weist - in Abhängigkeit von einer Abdeckung für eine gekühlte Handelswarenlagereinheit nach einem der Ansprüche 1 bis 5 - somit zumindest auch die Merkmale des Anspruchs 1 auf. Nachdem der Gegenstand des Anspruchs 1 patentfähig ist, gilt dies somit auch für den Gegenstand des Anspruchs 6.
4. Die Patentfähigkeit der Gegenstände der Patentansprüche 1 und 6 begründet ebenso die Rechtsbeständigkeit der von diesen abgeleiteten und ebenfalls angegriffenen Unteransprüche 2 bis 5 sowie 7 und 8, die zulässige Ausgestaltungen der Erfindung nach den Ansprüchen 1 und 6 enthalten. Sie werden vom jeweiligen beständigen Haupt - und Nebenanspruch getragen, ohne dass es hierzu weiterer Feststellungen bedurfte (BPatGE 34, 215).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 709 ZPO.