Entscheidungsdatum: 12.03.2013
Dichtungsring
1. Erschöpft sich die patentgemäße Lösung nur in der handwerklichen Maßnahme, eine bekannte, technisch weniger anspruchsvolle Lösung - hier einer Querschnittsverringerung des Dichtungsrings - hinzunehmen bzw. der technisch anspruchsvolleren Lösung hinzuzufügen, so begründet ein solcher in Kauf genommener "handwerklicher Rückschritt" ebenso wenig eine erfinderische Tätigkeit wie eine nur handwerkliche Weiterbildung des Standes der Technik.
2. Der Sachprüfung eines im Nichtigkeitsverfahren angegriffenen Unteranspruchs bedarf es nur - was vorrangig zu klären ist und wofür in der Rechtsprechung Auslegungsregeln entwickelt worden sind - wenn der Wille des Patentinhabers auf dessen (isolierte) Verteidigung gerichtet ist.
3. Anders als bei der Verteidigung des Streitpatents durch Neuformulierung eines Patentanspruchs mittels Aufnahme von Merkmalen aus verfahrensgegenständlichen Patentansprüchen, welche immer oder jedenfalls dann einer eigenständigen Sachprüfung bedürfen, wenn der Patentinhaber sie isoliert verteidigt, bietet die mögliche Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung keinen Anlass für eine vorsorgliche Beschäftigung und Recherche durch die Klägerin. Eine derartige Forderung würde die der Klägerin obliegende Prozessförderungspflicht auch vor dem Hintergrund des von § 83 PatG intendierten besonderen Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erheblich überspannen und andererseits die Beklagte über Gebühr von ihrer entsprechenden Verpflichtung entlasten.
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das deutsche Patent 42 30 806
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Engels sowie den Richter Dr. agr. Huber, die Richterinnen Friehe und Dr.-Ing. Prasch und den Richter Dr.-Ing. Dorfschmidt
für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 42 30 806 wird im Umfang der Patentansprüche 3 und 4 für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des wegen Ablaufs der maximalen Schutzdauer erloschenen deutschen Patents 42 30 806 (Streitpatent), das am 15. September 1992 angemeldet wurde. Es betrifft einen Dichtungsring aus einem Gummi-Hohlkammerprofil und ein Verfahren zu seiner Herstellung und weist 6 Patentansprüche auf, von denen die Ansprüche 3 und 4 angegriffen sind.
Die Patentansprüche 3 und 4 lauten:
3. Dichtungsring aus einem Gummi-Hohlkammerprofil, wobei zwei Stirnseiten des Profils miteinander verbunden sind, und mit einer schlauchartigen Auskleidung der Innenwandung, wobei die Auskleidung die Stoßstelle der Stirnenden beidseitig großflächig überlappt und mit der Innenwand verbunden ist, beispielsweise durch Vulkanisation, gekennzeichnet durch eine Anordnung der schlauchartigen Auskleidung an der Innenwandung des Hohlprofils (1) derart, dass sie den lichten Querschnitt des Profils verringert.
4. Dichtungsring nach Anspruch 3, gekennzeichnet durch ein Trägerelement (6), welches der Innenkontur des Dichtungsrings (1) angepasst ist und die Auskleidung während deren Verbindung mit der Innenwand abstützt, wobei die Oberfläche des Trägerelementes (6) eine Verbindung der Auskleidung mit dem Trägerelement (6) verhindert.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Gegenstände der vorgenannten Ansprüche seien nicht patentfähig; insbesondere seien sie nicht neu und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Sie beruft sich insoweit auf die Druckschriften
D1 DE 37 35 730 C2
D2 US 4 257 630 A mit deutscher Übersetzung D2a
D3 US 4 331 833 A mit deutscher Übersetzung D3a
sowie auf eine offenkundige Vorbenutzung.
Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent 42 30 806 im Umfang der Patentansprüche 3 und 4 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit Patentanspruch 3 folgende Fassung erhält (Hilfsantrag 1 vom 8. Januar 2013):
3. Dichtungsring aus einem Gummi-Hohlkammerprofil, wobei zwei Stirnseiten des Profils miteinander verbunden sind, und mit einer schlauchartigen Auskleidung der Innenwandung, wobei die Auskleidung die Stoßstelle der Stirnenden beidseitig großflächig überlappt und mit der Innenwand durch Vulkanisation verbunden ist,
gekennzeichnet durch
eine Anordnung der schlauchartigen Auskleidung an der Innenwandung des Hohlprofils derart, dass sie den lichten Querschnitt des Profils verringert,
wobei die Kanten an den beiden Enden des Dichtungsringes, die zwischen sich die Stoßfuge bilden, keine Abrundung oder Abschrägung aufweisen.
weiter hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit Patentanspruch 3 folgende Fassung erhält (Hilfsantrag 2 vom 15. Januar 2013):
3. Dichtungsring aus einem Gummi-Hohlkammerprofil, wobei zwei Stirnseiten des Profils miteinander verbunden sind, und mit einer schlauchartigen Auskleidung der Innenwandung, wobei die Auskleidung die Stoßstelle der Stirnenden beidseitig großflächig überlappt und mit der Innenwand durch Vulkanisation verbunden ist,
gekennzeichnet durch
eine Anordnung der schlauchartigen Auskleidung an der Innenwandung des Hohlprofils derart, dass sie den lichten Querschnitt des Profils verringert,
wobei die Kanten an den beiden Enden des Dichtungsringes, die zwischen sich die Stoßfuge bilden, keine Abrundung oder Abschrägung aufweisen,
wobei die schlauchartige Auskleidung durch eine schlauch- oder folienartig ausgebildete Schicht einer Vulkanisationsmasse gebildet wird.
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass die Hilfsanträge verspätet seien, hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrags 2 hat sie Vertagung beantragt.
In der Sache beruft sich die Klägerin darauf, dass der Gegenstand von Patentanspruch 3 nach Hilfsantrag 1 unzulässig erweitert und unklar sei und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Auch der Gegenstand von Patentanspruch 3 nach Hilfsantrag 2 sei unzulässig erweitert, da er nur im Zusammenhang mit einem Trägerelement offenbart sei.
Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis nach § 83 PatG am 31. August 2012 zugeleitet, in dem den Parteien eine Frist von einem Monat zur abschließenden Stellungnahme nach § 83 Abs. 2 PatG gesetzt und sie gem. § 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 PatG belehrt wurden. Auf Bl. 207 ff. der Akten wird Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt ihr trotz Ablaufs der maximalen Schutzdauer des Streitpatents am 15. September 2012 nicht das nach Erlöschen des Streitpatents erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da ein Rechtsstreit der Beklagten gegen die Klägerin wegen Verletzung der angegriffenen Patentansprüche des Streitpatents vor dem OLG Düsseldorf anhängig ist. Dies begründet für die Klägerin ein eigenes rechtliches Interesse an der rückwirkenden Vernichtung des Streitpatents im angegriffenen Umfang und damit an der Fortführung der Klage (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2009, 745 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; GRUR 2008, 90 - Verpackungsmaschine).
Die Klage ist auch begründet, da die Gegenstände der angegriffenen Patentansprüche 3 und 4 des Streitpatents weder in der erteilten noch in der mit Hilfsantrag 1 beschränkt verteidigten Fassung patentfähig sind (§§ 22, 21 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 PatG).
Hilfsantrag 2 war wegen Verspätung zurückzuweisen (§ 83 Abs. 4 PatG).
I.
1. Die mit der Teilnichtigkeitsklage angegriffenen Ansprüche des Streitpatents betreffen einen Dichtungsring, der aus einem Gummi-Hohlkammerprofil hergestellt ist. Figur 1 der Streitpatentschrift zeigt einen Querschnitt eines solchen Hohlkammerprofils zur Herstellung eines Dichtungsringes. Die stirnseitigen Enden eines entsprechenden Profils, welches Fig. 2 von der Seitenansicht im Bereich der Stoßstelle mit schräger Schnittkante zur Vergrößerung der Vulkanisationsfläche zeigt, werden hierzu miteinander verbunden (Fig. 3). Nach den Angaben der Streitpatentschrift ist aus dem Stand der Technik nach der D1 bereits bekannt, die Kanten der aneinander stoßenden Stirnenden abzuschrägen, um nicht nur den eigentlichen Spalt mit Vulkanisationsmasse zu füllen, sondern um ebenso diese keilförmigen Bereiche auszufüllen. Damit soll eine vergrößerte Vulkanisations- und gleichzeitig Verbindungsfläche geschaffen werden, wobei zwischen bzw. an den beiden Hohlprofilenden eine besonders belastbare Verbindung geschaffen wird (Spalte 1, Zeilen 7 ff.). Bei den nach dem Stand der Technik gefertigten Dichtungsringen kann es bei der Herstellung beim Zusammenfügen der zu einem Ring zu verbindenden Kanten zur Bildung von Hohlräumen zwischen den beiden Hohlprofilenden kommen, die die Haltbarkeit beeinträchtigen (Spalte 1, Zeilen 25 bis 30).
Die Beschreibung bezeichnet es demgegenüber als Aufgabe der Erfindung, einen Dichtungsring nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 3 zu schaffen, bei dem eine besonders gute Dichtigkeit im Bereich der Nahtstelle sichergestellt ist, und der auch bei Verwendung schlecht vulkanisierbarer Gummiqualitäten zuverlässig und hochbelastbar dicht ist (Spalte 1, Zeilen 60 ff.).
Etwas unklar bleibt die in der Streitpatentschrift jedoch bezüglich des Verfahrens in Spalte 1, Zeilen 53 ff. genannte weitere Aufgabenstellung, da gegenüber der dort bezeichneten Vereinfachung des Produktionsablaufs durch Verringerung der Handarbeit (manuelles Abschrägen der Kanten der Stirnenden) mit der im zweiten Ausführungsbeispiel (Figuren 4 und 5) gezeigten Lehre gerade keine gegenüber der D1 vereinfachende Lösung erzielt wird - wie noch zu erläutern sein wird. Denn auch hier ist eine nach der D1 qualitativ vergleichbare Abschrägung der Kanten vorhanden, von dem sich das Streitpatent im Hinblick auf die aufgabengemäße Vereinfachung eigentlich abgrenzen will.
Ferner erhält der Fachmann aus der Streitpatentschrift keinen Hinweis, was mit dem Kern (Trägerelement 6) im fertigen Dichtungsring passiert. Informationen hierzu sind lediglich aus der in der Beschreibung des Streitpatents in Bezug genommenen D1 erhältlich, die einen gattungsgemäßen Dichtungsring umfasst und seitens der Streitpatentschrift als Ausgangspunkt der Erfindung angesehen wird. In der D1 ist beschrieben (Spalte 2, Zeilen 58 ff.), dass der Kern (Trägerelement) im Dichtungsring verbleiben kann (ausvulkanisierter Gummi, Kunststoff, Metall oder Keramik) oder auch mechanisch zertrümmert sowie durch ein Lösungsmittel über Ventilöffnungen aufgelöst und entfernt werden kann (Gips). Demgegenüber ist in der Streitpatentschrift in einem Ausführungsbeispiel beschrieben (Spalte 3, Zeilen 37 ff.), dass bei der Vulkanisation bewusst „eine Lagefixierung des Trägerelementes (6)“ durch ein Anvulkanisieren des Kerns an das Hohlprofil sichergestellt werden soll, damit während des Vulkanisierens kein Verrutschen stattfindet. Ob und wie die Verbindung später wieder gelöst wird, ist nicht beschrieben. Im Widerspruch zu einem damit anzunehmenden Verbleiben des Kerns im Bereich der Stoßfuge ist jedoch die in Merkmal 3.3 gewählte Formulierung eines „lichten Querschnitts“ zu sehen, die dem Fachmann vermittelt, dass lediglich die schlauchartige Auskleidung den Querschnitt verringert. Zudem sind in der Zeichnung des Trägerelements (Figur 6) keine Durchströmöffnungen enthalten, die einen Verbleib des Trägerelements in dem Dichtungsring nahelegt, wie es bei der D1 bei der Variante der Fall ist, bei dem das Trägerelement in dem Dichtungsring verbleibt. Letztlich vermittelt die Streitpatentschrift hierzu keine eindeutige Aussage, so dass für den Fachmann der Verbleib des Trägerelements unerheblich erscheint.
2. Zur Lösung der oben genannten Aufgabe lehrt Patentanspruch 3 gemäß erteilter Fassung ein Verfahren mit folgenden gegliederten Merkmalen:
3.1 Dichtungsring aus einem Gummi-Hohlkammerprofil, wobei zwei Stirnseiten des Profils miteinander verbunden sind,
3.2 der Dichtungsring weist eine schlauchartige Auskleidung der Innenwandung auf,
3.2.1 wobei die Auskleidung die Stoßstelle der Stirnenden beidseitig großflächig überlappt und
3.2.2 die Auskleidung mit der Innenwand verbunden ist, beispielsweise durch Vulkanisation,
dadurch gekennzeichnet, dass
3.3 die schlauchartige Auskleidung an der Innenwandung des Hohlprofils derart angeordnet ist, dass die schlauchartige Auskleidung den lichten Querschnitt des Profils verringert.
3. Der Gegenstand nach Anspruch 3 betrifft einen Dichtungsring, der aus einem Gummi-Hohlkammerprofil hergestellt ist, wobei (die) zwei Stirnseiten des in der Regel aus einem linearen Hohlkammerprofil bestehenden Gummikörpers miteinander verbunden sind (Merkmal 3.1). Neben der (offensichtlichen) direkten Verbindung der Stirnflächen ist dabei auch eine schlauchartige Auskleidung an der Innenwandung des Dichtungsrings vorgesehen (Merkmal 3.2), die mit der Innenwandung in beliebiger Form verbunden ist, wobei als beispielhafte Verbindung eine solche durch Vulkanisation genannt ist (Merkmal 3.2.2). Diese schlauchartige Auskleidung soll dabei die Stoßstelle der Stirnenden großflächig überlappen (Merkmal 3.2.1), wie Fig. 3 am Beispiel der Ausgestaltung als zu vulkanisierende Gummifolie (9) beispielhaft zeigt. Die Größe der Überlappung bemisst sich dabei in Bezug auf die Breite der Fügeverbindung des Ringspaltes und muss groß genug sein, um über Scherkräfte die Krafteinleitung in die Auskleidung zu erlauben und damit die im Wesentlichen durch Zugspannungen belastete Stoßverbindung der Stirnenden zu entlasten.
Die an der Innenwandung des Hohlprofils angebrachte schlauchartige Auskleidung ist zudem derart angeordnet, dass sie den lichten Querschnitt des Profils verringert (Merkmal 3.3). Damit ist die Auskleidung also nicht in die Innenwandung „eingelassen“, sondern baut sich (zumindest teilweise) auf diese auf (Fig. 3). Eine streng zylindrische (Außen-) Kontur der schlauchartigen Auskleidung (des Schlauchabschnitts) erscheint dabei nicht erforderlich. Die in den Figuren 4 und 5 dargestellte Ausführungsform umfasst ebenso mit Vulkanisations- oder Klebstoffmasse ausgefüllte abgeschrägte Kanten („Zwickel“), welche keilförmige Hohlräume bilden.
Beim Gegenstand des Patentanspruchs 3 handelt es sich somit um einen Dichtungsring aus einem Gummi-Hohlkammerprofil, der hohen Anforderungen genügen muss und in der Regel zumindest auch hohen Belastungen ausgesetzt ist, da für die Herstellung dieser Fügeverbindung ein hoher Aufwand notwendig ist. Da eine außenseitige „Umkleidung“ oder ein Ummanteln des Dichtungsrings mit einer Manschette aus Gründen der Dichtfunktion ausscheidet, erfordert die Verbindung der schlauchartigen Auskleidung an der Innenseite eines Hohlkammerprofils durch Kleben oder Vulkanisieren beispielsweise einen Kern innerhalb des Dichtungsringes, so dass unter Druck und gegebenenfalls erhöhter Temperatur die notwendige Verbindungsqualität erzielt werden kann. So soll insbesondere eine gute Dichtigkeit im Bereich der Nahtstelle sichergestellt werden, die auch bei Verwendung schlecht vulkanisierbarer Gummiqualitäten zuverlässig und hoch belastbar dicht ist (Spalte 1, Zeilen 60 ff. der Streitpatentschrift).
4. Der unter Berücksichtigung seines technischen Sinngehalts auszulegende Begriff „schlauchartige Auskleidung“ in Merkmal 3.2 bedarf der weiteren Erläuterung. Hierbei sind im Rahmen der Auslegung der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen. Die Bestimmung des Sinngehalts eines einzelnen Merkmals muss stets in diesem Kontext erfolgen (BGH Urt. v. 17.7.2012, X ZR 117/11 = GRUR 2012, 1124 - Polymerschaum). Unter Einbeziehung des Merkmals 3.2.1, in dem gesagt ist, dass die Auskleidung die Stoßfläche großflächig überlappt, entnimmt der angesprochene Fachmann, dass die Überlappung dabei so groß ist, dass eine wirkungsvolle Kraftübertragung über die Auskleidung sowie eine geeignete „Abschottung“ der eigentlichen Stoßfuge gewährleistet sein soll. Der Fachmann wird dabei die Länge des schlauchartigen Abschnitts und damit die Überlappungsbereiche derart wählen, dass diese Funktionen gesichert sind.
Die schlauchartige Auskleidung an der Innenseite des Hohlkammerprofils dient dabei aus fachlicher Sicht nicht allein der Vergrößerung der Fügefläche, sondern verhindert zudem unter Lastbedingungen auch die auf der Innenseite des Kammerprofils im Falle einer nicht ganz optimalen Fügeverbindung kritische Kerbwirkung im Bereich der stirnseitigen Stoßfuge. Da der Druck eines Fluids im Kerbgrund direkt und zudem auch senkrecht zur Stirnfläche angreifen kann, ist die Belastung dort besonders kritisch. Ferner kann sich auch durch das im Inneren des Hohlprofils im Betrieb eingesetzte Fluid ein Korrosionseffekt im Kerbgrund der Verbindung ergeben, der durch eine schlauchartige Auskleidung dort bereits prinzipiell verhindert werden kann. Somit wird ein um die Stoßfuge herum angeordneter Bereich von innen durch die Auskleidung abgedeckt und abgedichtet (Spalte 2, Zeilen 9 ff.). Da auch ein korrosiver Angriff des abzudichtenden Mediums von außen erfolgen kann, wirkt die innere Auskleidung einem frühzeitigen Versagen hierdurch ebenfalls entgegen.
5. Zur Lösung der objektiven, und auch in der Patentschrift angesprochenen Problemstellung ist als Fachmann vorliegend ein Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Kunststofftechnologie zu sehen, der bereits mehrjährige Erfahrungen mit der Konstruktion oder Fertigung von Dichtungen besitzt. Er kennt sich dabei auch mit speziellen, wie z. B. druckmittelbetriebenen Dichtungen aus.
II. Hauptantrag
Die nach Patentanspruch 3 gemäß Hauptantrag beanspruchte Lehre ist i. S. v. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG nicht patentfähig; sie mag zwar neu sein, beruht jedoch zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Denn sie ergab sich für den angesprochenen Fachmann zum Zeitpunkt der Anmeldung in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik D1 und D2.
1. Die Druckschrift DE 37 35 730 C2 (D1) ist das Dokument, von dem auch die Streitpatentschrift als nächst liegendem Stand der Technik ausgeht. Sie beschreibt einen mit einem Druckfluid beschickbaren Dichtring, der aus einem Gummi-Hohlprofil besteht und bei dem im Stoßbereich zwei kompatible, schräg verlaufende Stirnflächen durch eine vulkanisierte Gummimasse verbunden sind (Patentanspruch 1; Merkmal 3.1 der Merkmalsgliederung des Patentanspruchs 3 des Streitpatents).
Der Dichtungsring weist eine Auskleidung der Innenwandung des Hohlkammerprofils auf, die einen beidseitig der Stoßfuge flach keilförmig abgetragenen Bereich einnimmt (Figuren 2 und 3). Dieser Bereich ist in der D1 als Ringspalthohlraum (21) bezeichnet und wird durch die Vulkanisationsmasse ausgefüllt. Neben der Füllung der Stoßfuge werden dabei „auch zwei ringförmig im Bereich des Innenmantels (12 und 12‘) … der beiden Hohlprofil-Enden (10 und 10‘) verlaufenden Schichten (31 und 32) … erzeugt“ (Spalte 3, Zeilen 34 bis 40). Dieser Bereich ist - losgelöst von der Vulkanisiermasse im eigentlichen Stoßflächen-Spalt - als „schlauchartig“ zu bezeichnen (Merkmal 3.2). Diese Betrachtung ist insbesondere deshalb geboten, weil auch in der Streitpatentschrift die Anbindung der anvulkanisierten Stoßfuge an die sich daran anschließende schlauchartige Auskleidung ebenso vorliegt (s. insbesondere Figur 5) und als „schlauchartige Auskleidung“ definiert ist (BGH GRUR 1999, 909 - Spannschraube). Die Auskleidung ist dabei, wie von der Lehre im Streitpatent umfasst und als fakultative Lösung genannt, durch eine Vulkanisation mit der Innenwand verbunden, auch wenn diese in der D1 lokal radial eingerückt ist. Diese an der Innenseite des Hohlkammerprofils angebrachte Auskleidung der D1 gemäß der Figur 3 fluchtet - anders als die den lichten Querschnitt des Hohlprofils verringernde schlauchartige Auskleidung nach Merkmal 3.2.1. - mit der Innenseite des Hohlprofils und liegt mit der Außenseite des inneren Zwickels an dem Innenmantel (12) des Dichtungsrings an.
Der Fachmann wird die beidseitige Überlappung der Stoßstelle durch die in die keilförmigen Freiflächen (Zwickel) eingefüllte Vulkanisiermasse auch als großflächig ansehen (Merkmal 3.2.1), da diese Fläche gemäß der Darstellung in der Figur 3 im Vergleich zum Stoßquerschnitt ein Mehrfaches beträgt. Explizit ist in der D1 auch formuliert, dass mit dem Ausführungsbeispiel nach Figur 3 erreicht wird, dass neben der Verbindung über die Stoßfuge sich diese Verbindung „auch noch über eine relativ große Fläche entlang des Innenmantels 12 bzw. 12‘ sowie… erstreckt“.
a. Wenn danach auch in der D1 nicht gelehrt wird, dass die schlauchartige Auskleidung den lichten Querschnitt des Hohlprofils verringert (Merkmal 3.3), weil die dort erwähnte Problemstellung gerade ihre Lösung in der Schaffung eines Ringspalthohlraums unter Beibehaltung des Profilquerschnitts findet, so erkennt der Fachmann daran, dass die Lösung der D1 einen hohen fertigungstechnischen Aufwand aufweist. Denn einerseits sind die an der Stoßstelle der Verbindung gegebenenfalls manuell zu fertigenden Anschrägungen vorzusehen, andererseits sind diese nach außen und nach innen gerichteten Hohlräume (Zwickel) mit Vulkanisationsmasse zu füllen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass diese Verfüllung möglichst vollständig und ohne Lufteinschlüsse erfolgt, während gleichzeitig der lichte Querschnitt des Hohlprofils nicht verringert werden soll. Unter Zuhilfenahme eines „verlorenen“ Kerns ist dabei gerade die Verfüllung des „inneren Zwickels“ problematisch, da diese Stelle in der Fügeposition weder sichtbar noch zugänglich ist.
b. Der ständig nach Verbesserung und/oder Vereinfachung bestrebte Fachmann hat somit - insbesondere wenn er die Vergrößerung der Vulkanisationsfläche auf einfache Weise erzielen, wirtschaftlicher herstellen und den Anteil an Handarbeit verringern möchte (Spalte 1, Zeilen 53 ff.), Anlass, sich im Stand der Technik nach geeigneten Lösungen umzusehen. Dabei beschränkt sich der Fachmann bei der Suche nach einer Problemlösung nicht nur auf den Stand der Technik, der unmittelbar mit Dichtungsringen zu tun hat, sondern er erweitert seine Betrachtungen grundsätzlich im Hinblick auf die Optimierung von stirnseitigen Fügeverbindungen von Gummi-Hohlkammerprofilen.
2. Bei seiner Ausschau nach einer Lösung für eine vereinfachte Herstellung stößt der Fachmann auch auf die D2 (US 4 257 630 A), die eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Verbinden eines Schlauches beschreibt, wobei zwei Segmente eines elastischen Schlauches zusammengefügt werden, um einen durchgängigen Schlauch großer Länge zu bilden (Beschreibungseinleitung).
a. Die D2 offenbart ein Gummi-Hohlkammerprofil, bei dem die Stirnseiten zweier, aus mehreren Komponenten zusammengesetzten Schlauchenden miteinander verbunden werden bzw. sind (Patentanspruch 1). Die Schlauchsegmente gemäß dem Ausführungsbeispiel der D2 bestehen aus einem inneren elastomeren Auskleidungsschlauch (elastomeric inner liner tube 32’, 32’’), einer darüber liegenden textilen Verstärkungslage (textile reinforcement ply 34’, 34’’) und einer äußeren elastomeren Abdeckschicht (outer elastomeric cover ply 36’, 36’’). Während auf der äußeren Schlauchseite die oberste Schicht (hose portions 30’, 30’’) im Bereich der Stoßfuge abgetragen und neben einer Verstärkungsschicht (reinforcement material 22) auch eine weitere Abdeckschicht (uncured elastomeric cover stock 24) aufgetragen wird, erfolgt sowohl in der Stoßfuge selbst, wie auch zusätzlich auf der Innenseite der Fuge eine Anbindung mit den zu vulkanisierenden Materialien (20 und 18, uncured tube stock packing und uncured sealing stock). Dadurch ergibt sich im thermisch vernetzten Zustand nach der Vulkanisation eine Auskleidung auf der Innenwand des verbundenen Schlauchs an der Stoßfuge, die als schlauchförmig anzusehen ist (annulus of sealing elastomer, Patentanspruchs 1). Diese innere Auskleidung überlappt dabei die Stoßstelle beidseitig und großflächig (Figur 3) und ist derart angeordnet, dass sie den lichten Querschnitt des Profils verringert (Merkmal 3.3).
Somit offenbart auch die D2 bereits alle Merkmale des Gegenstands des Anspruchs 3 nach dem Hauptantrag mit der Ausnahme, dass anstelle eines stirnseitig verbundenen Dichtungsrings ein stirnseitig verbundener Schlauch beschrieben ist.
b. Der Fachmann erkennt ohne Weiteres, dass er mit der in der D2 gelehrten Inkaufnahme einer Verringerung des Profilquerschnitts auf die aufwändige Ausgestaltung der Stirnflächen und Bildung von Hohlräumen nach der D1 verzichten kann oder insoweit noch eine zusätzliche Optimierung bzw. der Sicherstellung einer besonders guten Dichtigkeit im Bereich der Nahtstelle durch Beibehaltung des Vorteils der vergrößerten Fügefläche sicherstellen kann. Hierbei steht der Umstand, dass die D2 die Verbindung eines Schlauchs statt eines Dichtrings lehrt, der Anwendung dieser Lösung erkennbar nicht entgegen. Der Fachmann zieht die D2 für die Herstellung eines streitpatentgemäßen Dichtungsrings auch deshalb in Betracht, weil dort das Grundprinzip einer stirnseitigen Hohlkammerprofil-Verbindung aus einem vulkanisierbaren Material (Gummi) dargestellt ist. Auch die weiteren wesentlichen Aspekte der Fügeverbindung werden dem Fachmann bereits gelehrt, wonach vulkanisierbares Material in die Stoßfuge und eine schlauchförmige Auskleidung an der Innenseite des Hohlprofils zur Stärkung der Fügeverbindung angebracht ist und ein „verlorener Kern“ im Inneren des Hohlprofils als „Gegenformkörper“ verwendet wird.
c. Im Unterschied zum erfindungsgemäßen Dichtungsring weist zwar bei der Schlauchverbindung nach der D2 die äußere Kontur keine funktionelle Eigenschaft im Sinne einer Dichtfläche auf und kann somit entsprechend der Innenseite zur „aufbauenden“ Verstärkung mit herangezogen werden. Der Fachmann erkennt jedoch, dass er lediglich den Teil der Lösung der D2 übernehmen kann, der sich auf die Verbindung der Innenwandung beschränkt, wenn er die sich ihm stellende Aufgabe lösen will. Dies gilt insbesondere unter der Voraussetzung, dass der Fachmann im Hinblick auf seine konkrete Aufgabe und die von ihm ins Auge gefasste Verwendung des Dichtungsringes in der Reduzierung des lichten Querschnitts im Bereich der Fügefläche - entsprechend der Lösung des Streitpatents - kein Hindernis sieht, weil er beispielsweise die in der D1 angesprochene Konstanz einer Biegeelastizität oder eines gleichförmigen Dehnungsverhaltens nicht benötigt. Selbstverständlich ist ihm dabei aufgrund seines fachlichen Wissens klar, dass er die entsprechende „aufbauende“ Verstärkung an der Außenumfangsfläche wegen der an der äußeren Umfangsfläche vorliegenden Dichtfläche nicht benötigt. Er wird somit lediglich den Teil der Lösung realisieren, der ihm zur Erreichung seiner Zielsetzung geeignet erscheint.
3. Insoweit bedurfte es für den Fachmann nach Überzeugung des Senats nicht einmal des Rückgriffs auf die D2. Denn er zieht bereits aus der D1 ohne Weiteres die Erkenntnis, dass je nach Wunsch und konkreter technischer Vorgabe die dort gelehrte Lösung eines Dichtungsringes ohne Verringerung des lichten Querschnitts des Profils auch eine solche impliziert, welche eine Querschnittsverringerung und hierdurch bedingte technische Nachteile in Kauf nimmt, weil es hierauf aufgrund der jeweils gestellten Anforderung gegebenenfalls nicht ankommt. Denn die Ausgestaltung des Dichtungsrings der D1 hat gerade zum Ziel, den „Profilquerschnitt…im Verlauf des Profils über die Verbindungsstelle hinweg unverändert“ zu belassen, „so dass Unstetigkeitsbereiche mit möglichen Formabweichungen oder Elastizitätsänderungen weitestgehend vermieden werden. Die Qualität des Dichtringes“ kommt „damit der eines einstückigen Produkts sehr nahe“ (Spalte 1, Zeilen 45 bis 51).
a. Ist die Wahl aus bekannten technischen Lösungen - hier mit oder ohne Querschnittsreduzierung des Hohlprofils -in das Belieben des Fachmanns gestellt (BGH Urt. v. 24.9.2003, X ZR 7/00 = GRUR 2004, 47 - Blasenfreie Gummibahn I), so begründet diese keine erfinderische Tätigkeit. Dies gilt auch, wenn die konkrete Wahl von den aufgabengemäßen, konkreten technischen Anforderungen der im Blickfeld stehenden Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands abhängt. Hierbei sind auch sonstige, nicht-technische Vorgaben einzubeziehen; so z. B. mit Bezug auf Kosteneffizienz und Produktivität (BGH Urt. v. 25.9.2012, X ZR 10/10 = GRUR 2013, 160 - Kniehebelklemmvorrichtung; Urt. v. 20.12.2011, X ZB 6/10 = GRUR 2012, 378 - Installiereinrichtung II).
b. Insoweit kann der Dichtungsring gemäß Anspruch 3 wegen der hiermit verbundenen technischen Nachteile eher auch als technische Vorstufe anstatt als erfinderische Weiterentwicklung der Lösung gemäß der D1 angesehen werden. Die patentgemäße Lösung erschöpft sich damit nur in der handwerklichen Maßnahme, eine bekannte, technisch weniger anspruchsvolle Lösung - hier einer Querschnittsverringerung des Dichtungsrings - hinzunehmen bzw. der technisch anspruchsvolleren Lösung hinzuzufügen. Ein solcher in Kauf genommener „handwerklicher Rückschritt“ begründet aber ebenso wenig eine erfinderische Tätigkeit wie eine nur handwerkliche Weiterbildung des Standes der Technik. So ist es auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Fachmann in den Funktionen denkt, die das von ihm zu konstruierende Bauteil erfüllen muss und immer den Kostenaufwand im Blick haben muss. Er wird deshalb bei Neukonstruktionen darauf achten, nicht über das hinaus zu gehen, was mit Blick auf die zu erfüllenden Funktionen erforderlich ist. Ein Verharren auf einer naheliegenden Konstruktion kann nicht allein deshalb als erfinderisch bewertet werden, weil diese Nachteile aufweist und zu erwarten war, dass der Fachmann den Gegenstand mit anderen Merkmalen konstruieren und weiterentwickeln wird (BGH Urt. v. 25.9.2012, X ZR 10/10 = GRUR 2013, 160 - Kniehebelklemmvorrichtung).
4. Demnach konnte ein Fachmann ausgehend von der D1 und unter Heranziehung der ihm bekannten Lösung aus D2 zum Gegenstand des Anspruchs 3 nach Hauptantrag gelangen, ohne dass es hierzu einer erfinderischen Tätigkeit bedurfte.
III. Hilfsantrag 1
Der Gegenstand des Patentanspruchs 3 nach Hilfsantrag 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsantrag 1 des Patentanspruchs 3 lautet wie folgt (Änderungen und Ergänzungen gegenüber dem Anspruch 3 nach Hauptantrag in Fettdruck):
3.1 Dichtungsring aus einem Gummi-Hohlkammerprofil, wobei zwei Stirnseiten des Profils miteinander verbunden sind,
3.2 der Dichtungsring weist eine schlauchartige Auskleidung der Innenwandung auf,
3.2.1 wobei die Auskleidung die Stoßstelle der Stirnenden beidseitig großflächig überlappt und
3.2.2a die Auskleidung mit der Innenwand durch Vulkanisation verbunden ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
3.3 die schlauchartige Auskleidung an der Innenwandung des Hohlprofils derart angeordnet ist, dass die schlauchartige Auskleidung den lichten Querschnitt des Profils verringert,
3.4 wobei die Kanten an den beiden Enden des Dichtungsringes, die zwischen sich die Stoßfuge bilden, keine Abrundung oder Anschrägung aufweisen.
1. Es kann dahinstehen, ob die Änderung bzw. Aufnahme der beiden Merkmale 3.2.2a und 3.4 eine zulässige Beschränkung des Patentanspruchs 1 erteilter Fassung darstellt, insbesondere ob der Rechtsansicht der Klägerin zu folgen ist, dass die nunmehr beschränkte Lehre eine unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung darstelle und zu einer unklaren Anspruchsfassung führe.
2. Denn die so eingeschränkte Lehre nach Patentanspruch 3 rechtfertigt jedenfalls keine andere Bewertung im Hinblick auf ein Naheliegen, ausgehend von der D1 i. V. m. der D2. Denn diese Druckschrift lehrt ebenfalls eine Gestaltung, bei der die Kanten der die Stoßfuge bildenden stirnseitigen Enden der Innenwandung (hose end 32‘ und 32‘‘, Spalte 4, Zeile 41 oder elastic inner liner tube 32‘ und 32‘‘, Spalte 4, Zeilen 21 und 22) keine Abrundungen oder Abschrägungen aufweisen. Auch die Verbindung der Innenwandungen von Gummi-Hohlkammerprofilen erfolgt typischerweise im Stand der Technik - wie die D1, D2 belegen - durch Vulkanisation. Demnach ist auch der Gegenstand des Patentanspruchs 3 nach Hilfsantrag 1 nahe gelegt.
3. Die Beklagte hat den angegriffenen Unteranspruch 4 nicht gesondert verteidigt. Insoweit bedarf es nach Auffassung des Senats bei der Überprüfung erteilter Patente nur einer Sachprüfung, wenn - was vorrangig zu klären ist und wofür in der Rechtsprechung Auslegungsregeln entwickelt worden sind (BGH Beschl. v. 27.6.2007, X ZB 6/05 = GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II; BGH Beschl. v. 27.2.2008, X ZB 10/07 = GRUR-RR 2008, 456 - Installiereinrichtung; Beschl. v. 22.9.2009, Xa ZB 36/08 = GRUR 2010, 87 Schwingungsdämpfer; BPatG Urt. v. 29.4.2008 GRUR 2009, 46 - Ionenaustauschverfahren) - der Wille des Patentinhabers auf eine (isolierte) Verteidigung des Anspruchs gerichtet ist. Wenn es hierzu auch keines förmlichen Antrags bedarf, so hat auch die Erörterung in der mündlichen Verhandlung, welche insbesondere auch den Umfang der Verteidigung des Streitpatents nach den Hilfsanträgen umfasste, keinen auf eine gesonderten Verteidigung dieses Unteranspruchs gerichteten Willen der Patentinhaberin erkennen lassen. Einer Sachprüfung des Patentanspruchs 4 nach Hilfsantrag 1 bedurfte es bereits deshalb nicht, weil es dem Patentinhaber freisteht, ob er das Patent nur mit bestimmten Ansprüchen (Anspruchssätzen) verteidigt und der Senat hieran gebunden ist (BGH Beschl. v. 27.6.2007, X ZB 6/05 = GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II). Ob bei gebotener Sachprüfung eines Patentanspruchs diese Prüfung verkürzt erfolgen kann, ob ferner eine Darlegungslast des Patentinhabers einzubeziehen ist (so wohl BGH Urt. v. 25.9.2012, X ZR 10/10 = GRUR 2013, 160 - Kniehebelklemmvorrichtung; Urt. v. 29.9.2011, X ZR 109/08 = GRUR 2012, 149 - Sensoranordnung) und ob für bisher ungeprüfte Patentansprüche die materielle Beweislast dem Patentinhaber aufzuerlegen ist (hierzu Keukenschrijver/Busse, PatG, 7. Aufl. (2013), § 82 Rdn. 69 und Rdn. 86), ist eine andere, vorliegend nicht mehr entscheidungserhebliche Frage.
Unabhängig von der Frage, ob es danach einer Sachprüfung des Patentanspruchs 4 bedarf, ist auch nicht ersichtlich oder vom Patentinhaber geltend gemacht, aus welchem Grund das in den kennzeichnenden Teil aufgenommene Trägerelement (6), welches unbestritten auch in der D1 gezeigt wird (Kern 4), zu einer anderen Beurteilung der Patentfähigkeit gegenüber Patentanspruch 3 führen soll.
IV. Hilfsantrag 2
Patentanspruch 3 nach Hilfsantrag 2 weist gegenüber dem Patentanspruch 3 nach Hilfsantrag 1 noch folgendes zusätzliche und angehängte Merkmal 3.5 auf:
3.5 wobei die schlauchartige Auskleidung durch eine schlauch- oder folienartig ausgebildete Schicht einer Vulkanisationsmasse gebildet wird.
1. Mit der weiteren Einschränkung ist ein neues Merkmal gegenüber dem Patentanspruch nach Hilfsantrag 1 hinzugekommen, das den Dichtungsring durch ein „product-by-process-Merkmal“ gegenständlich charakterisiert. Nachdem bereits das Teilmerkmal 3.2.2a („durch Vulkanisation“) verfahrensspezifischer Art ist, erfolgt die Beschränkung des Dichtrings durch das Merkmal 3.5 mittels eines weiteren herstellungsrelevanten Verfahrensschritts.
Die schlauchartige Auskleidung wird nun aus einer Vulkanisationsmasse gebildet, die bereits als „Halbzeug“ in schlauch- oder folienartiger Gestalt ausgebildet ist. Damit kann beispielsweise Rohgummi als Folie um das Trägerelement gewickelt oder als beidseitig offener Strumpf über den Träger gezogen werden, bevor dieser in die beiden Hohlprofilenden eingeführt wird.
Ob mit dem angeführten product-by-process Merkmal - wie im Regelfall - keine Beschränkung auf solche Erzeugnisse verbunden ist, die tatsächlich mittels dieses Verfahrens hergestellt worden sind, oder ob dies ausnahmsweise gewollt ist, ist durch Auslegung zu bestimmen (vgl. BPatG Urt. v. 21.9.2010, 3 Ni 12/09 (EU); zur Beschränkung des Schutzbereichs: BGH Urt. v. 8.6.2010, X ZR 71/08 - Substanz aus Kernen oder Nüssen).
2. Diese durch den Hilfsantrag 2 aufgeworfenen schwierigen Rechtsfragen bedürfen vorliegend keiner abschließenden Bewertung. Denn der Anregung der Klägerin folgend war der erst in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2013 gestellte Hilfsantrag 2 gem. § 83 Abs. 4 PatG unter Abwägung der für und gegen eine Präklusion sprechenden Gründe zurückzuweisen. Nach dieser Vorschrift „kann“ das Patentgericht eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents zurückweisen und bei seiner Entscheidung unberücksichtigt lassen, wenn dieses Vorbringen nach Ablauf der hierfür nach § 83 Abs. 2 PatG gesetzten Frist erfolgt ist und die weiteren Voraussetzungen § 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 PatG erfüllt sind. Hierbei folgt der Senat der Rechtsauffassung, dass grundsätzlich in normal gelagerten Fällen - auch aus den Gründen der Gleichbehandlung und Rechtssicherheit - die Präklusion angewendet werden sollte, wenn eine Verletzung prozessualer Sorgfaltspflichten klar auf der Hand liegt. Eine Nichtanwendung bleibt in der Regel solchen Fällen vorbehalten, in denen über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gestritten werden kann oder aus sonstigen Gründen der Billigkeit ein Anlass besteht, trotz Fristversäumung noch Vorbringen zu berücksichtigen, (hierzu BPatG Urt. v. 20.6.2012, 5 Ni 57/10 (EP); BPatG Urt. v. 25.4.2012, 5 Ni 28/10 = BPatGE 53,40 - Wiedergabeschutzverfahren). Eine derartige Ausnahme liegt vorliegend nicht vor.
a. Mit qualifiziertem Hinweis vom 28. August 2012 hatte der Senat den Parteien seine vorläufige Ansicht mitgeteilt, wonach Patentanspruch 3 erteilter Fassung ausgehend von der D1 in Verbindung mit dessen Fachwissen oder D2 nahegelegt sei. Gleichzeitig wurden die Parteien über die möglichen Folgen einer Fristversäumung gem. § 83 Abs. 4 PatG belehrt. Diese Belehrung umfasst ausdrücklich den Hinweis, dass auch eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents zurückgewiesen werden kann. Die Zustellung dieses Hinweises an die Beklagte erfolgte am 31. August 2012. Diese äußerte sich hierzu nach Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 in der Sache und nochmals mit Schriftsatz vom 8. Januar 2013 unter erstmaliger Geltendmachung des hilfsweise gestellten Patentanspruchs 3 nach Hilfsantrag 1. Die Verteidigung mit Patentanspruch 3 nach Hilfsantrag 2 erfolgte erst verspätet in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2013.
b. Die Versäumung der Frist wurde durch die Beklagte nicht entschuldigt (§ 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 PatG); entsprechend wurde auch kein Entschuldigungsgrund glaubhaft gemacht (§ 83 Abs. 4 Satz 2 PatG), so dass an einem Verschulden der Beklagten kein Zweifel besteht.
c. Die Berücksichtigung der Verteidigung der Beklagten mit der Fassung des Patentanspruchs 3 nach dem Hilfsantrag 2 hätte eine Vertagung der bereits begonnenen mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht. Auch eine solche fällt unter die Vorschrift des § 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 PatG (vgl. BPatG, Urteil v. 14.8.2012, 4 Ni 43/10 (EP) m. w. N. - Bearbeitungsmaschine). Hierbei wird eine Vertagung nach der Begründung des PatRModG bereits dann von der Regelung des § 83 Abs. 4 PatG als umfasst angesehen, wenn eine verspätete Verteidigung des Beklagten mit geändertem Patent tatsächliche oder rechtliche Fragen aufkommen lässt, die unmittelbar in der mündlichen Verhandlung nicht - oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand - zu klären sind (Begr. BTDrs 16/11339 S. 31 ff. = BlPMZ 2009, 307, 315).
aa. Die Klägerin hat insoweit zu Recht geltend gemacht, dass sie vor der mündlichen Verhandlung nicht mit einer derartigen Fassung des Patentanspruchs 3 rechnen musste und auch keine Veranlassung hatte, sich mit einem durch Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung beschränkten Gegenstand wie nach Hilfsantrag 2 zu befassen. Sie hat auch zutreffend geltend gemacht, dass sie losgelöst von der Frage einer zulässigen Änderung des Patentanspruchs und der insoweit gebotenen rechtlichen Erörterung insbesondere ausreichend Zeit für die Befassung mit der neuen technischen Sicht und für eine Recherche benötige. Diese sei insbesondere auf die bisher nicht in Rede Ausgestaltung der Auskleidung durch eine schlauch- oder folienartig ausgebildete Schicht zu richten, deren isolierte Verteidigung die Beklagte auch erst in der mündlichen Verhandlung angekündigt habe. Hierzu bedürfe es einer Vertagung.
bb. Der Senat teilt diese Auffassung der Klägerin. Denn zur Wahrung des rechtlichen Gehörs und der Möglichkeit einer ausreichenden Befassung mit der geänderten Lehre des Patentanspruchs 3 wäre in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eine Vertagung unumgänglich gewesen wäre. Auch die Einräumung eines Schriftsatznachlasses nach § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 283 ZPO hätte wegen des danach nur möglichen einseitigen Vorbringens eine Vertagung nicht ersetzen können (BPatG Urt. v. 28.2.2012; 3 Ni 16/10 (EU)). Die vorliegend gebotene Vertagung ist danach auch nicht in das Ermessen des Senats gestellt, sondern erfordert angesichts der verfassungsrechtlichen Garantie des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör eine zwingende Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots (BGH Urt. v. 13.1.2004, X ZR 212/02 = GRUR 2004, 354 - Crimpwerkzeug I; BPatG Urt. v. 25.4.2012, 5 Ni 28/10 (EP) = BPatGE 53,40 - Wiedergabeschutzverfahren). So ist auch anerkannt, dass eine Vertagung bereits zwingend geboten ist, wenn sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung mit einer Tatsachen- oder einer Rechtsfrage konfrontiert sieht, auf die sie sich nicht "aus dem Stand" auseinanderzusetzen vermag und zu der sie sachlich fundiert nur dann Stellung nehmen kann, wenn sie angemessene Zeit für Überlegung und Vorbereitung hat (BGH Urt. v. 13.1.2004, X ZR 212/02 = GRUR 2004, 354 - Crimpwerkzeug I). Vorliegend kommt entscheidend hinzu, dass insbesondere auch trotz der eingeplanten Dauer einer mehrstündigen mündlichen Verhandlung jedenfalls die zu gewährleistende Möglichkeit einer hinreichenden Recherche des Standes der Technik bei einem Angriff der Patentfähigkeit eine Vertagung erforderte, zumal den Parteien bereits regelmäßig am Gerichtsort keine technischen Mittel für eine Recherche zur Verfügung.
Der Umstand, dass die Lehre nach dem mit Hilfsantrag 2 verteidigten Patentanspruch möglicherweise im Verletzungsverfahren thematisiert worden ist, rechtfertigt auch keine andere Bewertung. Denn die mit § 83 PatG verbundene besondere Verfahrensförderungspflicht der Parteien im Zusammenhang mit dem qualifizierten Hinweis und die in § 83 Abs. 4 PatG bestimmte Präklusion beziehen sich auf die Prozesssituation im Nichtigkeitsverfahren. Insoweit besaß die Beklagte insbesondere aufgrund der im qualifizierenden Hinweis geäußerten Auffassung des Senats, die angegriffenen Patentansprüche seien nicht patentfähig, genügend Anlass und ausreichend Zeit, die angegriffenen Patentansprüche fristgemäß durch Einreichung geänderter Fassungen zu verteidigen (vgl. weitergehend BPatG, Urteil vom 16.10.2012, 3 Ni 11/11 (EP). Dies gilt umso mehr, wenn die in Rede stehende Fassung im Verletzungsverfahren thematisiert worden sein sollte. Eine Erklärung dafür, weshalb die Beklagte nicht wenigstens mit Schriftsatz vom 8. Januar 2013 - wenn auch verspätet, aber noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung - auch einen zweiten Hilfsantrag eingereicht hat, hat sie nicht abgeben.
cc. Der Klägerin ist ferner zuzustimmen, dass für sie auch aus sonstigen Gründen keine Veranlassung bestand, sich bereits vorsorglich und in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung mit einer erstmaligen Verteidigung des Streitpatents durch Neuformulierung eines Patentanspruchs mittels Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung zu beschäftigen. Allein der Umstand, dass die so beschränkte Lehre in der Beschreibung Erwähnung findet, rechtfertigt keine andere Bewertung. Denn anders als bei der Aufnahme von Merkmalen aus verfahrensgegenständlichen Patentansprüchen, welche immer oder jedenfalls dann einer eigenständigen Sachprüfung bedürfen, wenn der Patentinhaber sie isoliert verteidigt, bietet die allein denkbare Möglichkeit der Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung keinen Anlass für eine vorsorgliche Beschäftigung und Recherche durch die Klägerin. Eine derartige Forderung würde die der Klägerin obliegende Prozessförderungspflicht auch vor dem Hintergrund des von § 83 PatG intendierten besonderen Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erheblich überspannen und andererseits die Beklagte über Gebühr von ihrer entsprechenden Verpflichtung entlasten. Der verspätete Hilfsantrag 2 war deshalb zurückzuweisen (vgl. auch BPatG Urt. v. 28.2.2012, 3 Ni 16/10; Urt. v. 25.4.2012, 5 Ni 28/10 (EP) = BPatGE 53,40 - Wiedergabeschutzverfahren; Urt. v. 18.12.2012, 5 Ni 47/10 (EP).
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 709 ZPO.