Entscheidungsdatum: 13.12.2012
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das deutsche Patent 102 27 110
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch sowie der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt, Eisenrauch, Dipl.-Ing. Küest und Dr.-Ing. Großmann
beschlossen:
I. Das deutsche Patent 102 27 110 wird für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 17. Juni 2002 angemeldeten und mit Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. März 2009 erteilten deutschen Patents 102 27 110 (Streitpatent). Das Streitpatent betrifft eine „Antriebsvorrichtung“ für Tore, Garagentore usw. und umfasst in der erteilten Fassung sechs Patentansprüche.
Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung wie folgt:
„1. Antriebsvorrichtung, insbesondere für Tore, Garagentore usw. mit einer in Bewegungsrichtung des Tores verlaufenden Führungseinrichtung (3), insbesondere eine Schiene oder Führungsschiene, einem an dieser fahrenden, einen Elektromotor aufweisenden Schlitten (4) zum Betätigen eines Torblattes (6) und mit Stromzuleitungsmitteln, die den Elektromotor mit einer Stromquelle (12) verbinden, deren Strom an einem Ende (7, 9) der Führungsschiene (3) eingespeist wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Zuleitungsmittel einen an den Enden (7, 9) der Führungseinrichtung (3) in diese steckbaren ersten Einsatzkörper (8) umfassen, der mit einem Anschlusskabel (11) versehen, am Führungskörperende gehalten und derart ausgebildet ist, dass er seine Funktion sowohl an dem einen Ende (7) des Führungskörpers als auch am anderen Ende (9) der Führungskörper erfüllt.“
Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift DE 102 27 110 B4 Bezug genommen.
Die Klägerin greift das Streitpatent in vollem Umfang an. Sie macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Er sei gegenüber dem Stand der Technik insbesondere nicht neu, jedenfalls beruhe er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Patents nicht so hinreichend offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne.
Die Klägerin stützt ihre Klage unter anderem auf folgende vorveröffentlichte Druckschriften:
DE 198 08 696 A1 (D1)
US 3 331 428 (D2)
DE 35 46 282 A1 (D3)
CH 678 964 A5 (D4).
Des Weiteren macht sie eine offenkundige Vorbenutzung durch Torantriebe der Nichtigkeitsbeklagten geltend, die sie anhand von Bedienungsanleitungen zu den Antrieben Sprint S 550N Standard, Sprint S 550N De Luxe (D5), duo Standard, duo 650N De Luxe (D6) sowie anhand der Betriebsanleitungen Sprint 550S, 550SL, duo 500S, 500SL, 650SL sowie marathon 550, 800 und 1100SL (D7) erläutert. Zum Beweis der Vorbenutzung hat sie Zeugenbeweis angeboten.
Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent 102 27 110 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte, die der Nichtigkeitsklage frist- und ordnungsgemäß widersprochen hat,
beantragt,
die Nichtigkeitsklage insgesamt, hilfsweise nach Maßgabe des mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2012 eingereichten Hilfsantrags, abzuweisen.
Die Beklagte hält die Nichtigkeitsklage unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Treu und Glauben für unzulässig. Die Klägerin sei nichts anderes als der verlängerte Arm der Firma S…, Ltd., die in China Tor antriebe, die das Streitpatent verletzten, produziere und diese Antriebe zwecks Veräußerung im deutschen Markt an die vorliegende Nichtigkeitsklägerin liefere. Der Treuewidrigkeitstatbestand ergebe sich aus dem Umstand, dass der Geschäftsführer der Firma S…, Ltd., Herr J… R…, der ehemalige Geschäftsführer der chinesischen Vertriebsgesellschaft der Beklagten sei. Da Herr R… und damit auch die von ihm nunmehr geleitete Firma vertraglich an der Erhebung der vorliegenden Nichtigkeitsklage gehindert gewesen seien, sei die Nichtigkeitsklägerin vorgeschoben worden.
Auch in der Sache tritt die Beklagte der Nichtigkeitsklage in allen Punkten entgegen. Sie hält den Gegenstand des Streitpatents für patentfähig. Er sei insbesondere gegenüber dem Stand der Technik neu und er beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit - zumindest in der hilfsweise verteidigten Fassung. Die Vorbenutzung des Geräts „marathon 550“, das einen Deckel auf dem Einstellteil aufgewiesen habe, hat sie nicht bestritten.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag der Beklagten, der sich vom erteilten Anspruch 1 nach Hauptantrag dadurch unterscheidet, dass er um die Merkmale des erteilten Unteranspruchs 3 und - bis auf die Bezugnahme auf den zweiten Einsatzkörper - auch um die Merkmale des erteilten Unteranspruchs 4 ergänzt wurde, lautet wie folgt (Änderungen sind unterstrichen):
„1. Antriebsvorrichtung, insbesondere für Tore, Garagentore usw. mit einer in Bewegungsrichtung des Tores verlaufenden Führungseinrichtung (3), insbesondere eine Schiene oder Führungsschiene, einem an dieser fahrenden, einen Elektromotor aufweisenden Schlitten (4) zum Betätigen eines Torblattes (6) und mit Stromzuleitungsmitteln, die den Elektromotor mit einer Stromquelle (12) verbinden, deren Strom an einem Ende (7, 9) der Führungsschiene (3) eingespeist wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Zuleitungsmittel einen an den Enden (7, 9) der Führungseinrichtung (3) in diese steckbaren ersten Einsatzkörper (8) umfassen, der mit einem Anschlusskabel (11) versehen, am Führungskörperende gehalten und derart ausgebildet ist, dass er seine Funktion sowohl an dem einen Ende (7) des Führungskörpers als auch am anderen Ende (9) der Führungskörper erfüllt, dass die Stromzuführungsmittel die Führungsschiene (3) selbst und ein Zugmittel (17) umfassen, die an einem Führungsschienenende (7 bzw. 9) über eine Zugmittelspannvorrichtung (13) mit einem Anschlusskabel (11) verbunden ist, wobei der erste Einsatzkörper (8) einen die Führungsschiene (3) berührenden Kontaktkörper (21) trägt, und dass der erste Einsatzkörper (8, 10) einen die Zugmittelspannvorrichtung (13) tragenden ersten Teil (18) und einen einen umlaufenden Anschlag (22) für das Führungsschienenende (7, 9) bildenden zweiten Teil (19) aufweist.“
Die sich anschließenden Unteransprüche 2, 3 und 4 gemäß Hilfsantrag entsprechen den erteilten Unteransprüchen 2, 5 und 6 gemäß Hauptantrag; hinsichtlich deren Wortlauts wird wiederum auf die Streitpatentschrift DE 102 27 110 B4 verwiesen.
Darüber hinaus hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2012 neue Schutzansprüche 1 bis 6 eines geänderten Hauptantrags überreicht, der sich dadurch auszeichnete, dass an den erteilten Patentanspruch 1 der Nebensatz „wodurch zwei Betriebsfälle gegeben sind“ angefügt worden war. Diesen geänderten Hauptantrag hat der Senat in der mündlichen Verhandlung mit Beschluss als verspätet zurückgewiesen.
Die auf § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 und §§ 1, 4 PatG sowie i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG gestützte Nichtigkeitsklage ist zulässig und auch in vollem Umfang begründet.
I.
Das Streitpatent bezieht sich auf eine Antriebsvorrichtung, insbesondere für Tore. Die Beklagte hat hierzu die folgende, in zutreffender Weise gegliederte Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag vorgelegt:
M1.1 Antriebsvorrichtung, insbesondere für Tore, Garagentore usw.
M1.2 mit einer in Bewegungsrichtung des Tores verlaufenden Führungseinrichtung (3), insbesondere eine Schiene oder Führungsschiene,
M1.3 einem an dieser fahrenden, einen Elektromotor aufweisenden Schlitten (4) zum Betätigen eines Torblattes (6) und
M1.4 mit Stromzuleitungsmitteln, die den Elektromotor mit einer Stromquelle (12) verbinden,
M1.5 deren Strom an einem Ende (7, 9) der Führungsschiene (3) eingespeist wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
M1.6 die Zuleitungsmittel einen an den Enden (7, 9) der Führungseinrichtung (3) in diese steckbaren ersten Einsatzkörper (8) umfassen, der mit einem Anschlusskabel (11) versehen, am Führungskörperende gehalten und
M1.7 derart ausgebildet ist, dass er seine Funktion sowohl an dem einen Ende (7) des Führungskörpers als auch am anderen Ende (9) der Führungskörper erfüllt.
Der Gegenstand des vorliegenden Streitpatents, wie er im Rahmen eines Patentnichtigkeitsverfahrens durch Auslegung zu ermitteln ist (vgl. BGH GRUR 2004, 47 ff. - „Blasenfreie Gummibahn I“), ergibt sich anhand der Begriffe, wie sie in anmeldungsspezifischer Form verwendet werden, wie folgt:
Der Begriff „Führungseinrichtung“ wird ausschließlich im Anspruch 1 eingesetzt, der Begriff „Führungskörper“ erscheint ebenfalls nur im Anspruch 1 und ein einziges Mal in der Beschreibung der Figur 1. Sonst wird in der Beschreibung und in den Ansprüchen durchgängig der Begriff „Führungsschiene“ verwendet und auch mit dem Bezugszeichen 3 versehen. Aus den gesamten Unterlagen und auch dem Vorbringen der Beklagten geht nichts hervor, das darauf schließen ließe, dass unter „Führungseinrichtung“ oder „Führungskörper“ etwas anderes zu verstehen wäre als die Führungsschiene. Es ist somit ohne weiteres klar, dass diese drei Begriffe synonym verwendet werden.
Als „Stromzuleitungsmittel“ gilt alles, was dazu dient, den Elektromotor, der sich in dem Schlitten zum Betätigen des Torblatts befindet, mit einer Stromquelle zu verbinden, wobei als „Stromquelle“ insbesondere eine Steckdose angesehen wird. Ein Bestandteil der Stromzuleitungsmittel ist der „Einsatzkörper“. Als Merkmale des „Einsatzkörpers“ sind im Anspruch 1 angegeben, dass er ein Teil der (Strom-)Zuleitungsmittel ist, mit einem Anschlusskabel versehen und in die Führungsschiene an deren Enden steckbar ist. Als weitere Merkmale ist angegeben, dass der Einsatzkörper am Führungskörperende gehalten ist und dass er derart ausgebildet ist, dass er seine Funktion sowohl an dem einen Ende des Führungskörpers als auch am anderen Ende der Führungskörper erfüllt.
Als den hier einschlägigen Durchschnittsfachmann legt der Senat in Übereinstimmung mit den Parteien einen Meister auf dem Fachgebiet der Mechatronik zugrunde.
II.
1. Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage
Der Beklagten ist insoweit zu folgen, als ihr Vortrag, die Nichtigkeitsklage stelle sich als eine treuwidrige Rechtsausübung dar, einen rechtserheblichen Einwand darstellen kann. Zwar ist grundsätzlich jedermann zur Erhebung der Nichtigkeitsklage befugt; nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich aber eine Nichtigkeitsklage auch ohne eine ausdrückliche Nichtangriffsabrede dann als unzulässige Rechtsausübung erweisen, wenn zwischen den Parteien vertragliche Bindungen bestehen (z.B. aus Kauf-, Lizenz-, Anstellungs- oder Gesellschaftsvertrag), die wegen ihrer individuellen Ausgestaltung die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erscheinen lassen (vgl. BGH GRUR 1989, 39, 41 - „Flächenentlüftung“; GRUR1987, 900, 902 - „Entwässerungsanlage“; GRUR 1993, 895 - „Hartschaumplatten“; vgl. auch Schulte/Kühnen, PatG mit EPÜ, 8. Aufl., § 81 Rn. 49 ff.).
Im vorliegenden Fall hat allerdings zwischen der Beklagten und der Klägerin nie eine vertragliche Bindung bestanden. Vorgetragen hat die Beklagte lediglich, dass ein Vertragsverhältnis, aus dem ein besonderes Vertrauensverhältnis folgen solle, nur zwischen ihr und einer Zulieferfirma der Klägerin - nämlich der Firma S… …, Ltd., bzw. deren Geschäftsführer Herrn J… R… - be standen habe. In solchen Fällen, in denen ein Dritter - gegebenenfalls auch als sogenannter „Strohmann“ - klagt, gilt aber, dass dessen Nichtigkeitsklage dann nicht unzulässig sein kann, wenn er ein ins Gewicht fallendes eigenes gewerbliches Interesse an der Vernichtung des Streitpatents hat (vgl. BGH GRUR-RR 2010, 136, 137, Rz. 17 - „sealing lamina“). Vorliegend steht ein solches eigenes Interesse der Klägerin zur Seite. Es folgt bereits aus dem Umstand, dass die Klägerin von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents verklagt worden ist (vgl. BGH a. a. O., Rz. 18).
2. Begründetheit der Nichtigkeitsklage
a) Die von der Beklagten erstmals in der mündlichen Verhandlung im Rahmen eines geänderten Hauptantrags vorgelegten Patentansprüche 1 bis 6 waren gemäß § 83 Abs. 4 PatG als verspätet zurückzuweisen. Der Beklagten war mit Zwischenbescheid vom 22. August 2012 eine angemessene Äußerungsfrist im Sinne von § 83 Abs. 2 PatG gesetzt worden, wobei die Beklagte am Ende des Bescheids auch über die Möglichkeit der Zurückweisung einer nach Fristablauf geänderten Verteidigung belehrt worden war. Die Zurückweisung des neuen Hauptantrags rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass die Einbeziehung der neuen Patentansprüche in die mündliche Verhandlung nicht ohne Vertagung und damit nicht ohne eine deutlichen Verzögerung des Verfahrens möglich gewesen wäre (vgl. zu dieser Tatbestandsvoraussetzung der Zurückweisung: Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., § 83 Rn. 15); der am erteilten Patentanspruch 1 angefügte neue Nebensatz „wodurch zwei Betriebsfälle gegeben sind“ war in seiner Tragweite hinsichtlich Zulässigkeit und Patentfähigkeit nicht ohne weiteres überschaubar. Für die Klägerin war es unter den gegebenen Umständen - worauf sie selbst auch hingewiesen hat - nicht zumutbar, sich aus dem Stand zum neuen, verteidigten Anspruchssatz zu äußern (vgl. BGH GRUR 2004, 354, 355 - „Vertagung“). Hierbei hat die Beklagte auch keine Gründe vorgetragen, aus denen sich eine Entschuldigung dafür hätte ergeben können, warum sie erst in der mündlichen Verhandlung die Verteidigung des Streitpatents nochmals geändert hat.
b) Der Nichtigkeitsgrund der unzureichenden Offenbarung (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) liegt nicht vor. Zwar werden in Patentanspruch 1 die Begriffe „Führungskörper“ und „Führungsschiene“ nebeneinander benutzt; es ist aber für den Fachmann eindeutig erkennbar, welches Teil der Antriebsvorrichtung damit gemeint ist (s. o. unter I.). Bei Merkmal 1.7 handelt es sich um ein funktionelles Merkmal, welches die eindeutige Anweisung gibt, einen (ersten) Einsatzkörper so zu gestalten, dass er die Funktion der Stromzuleitung sowohl an dem einen wie auch an dem anderen Ende des Führungskörpers erfüllt.
c) Die Klage ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Patentfähigkeit (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) in vollem Umfang begründet. Das Streitpatent hat weder in der erteilten Fassung noch in der Fassung gemäß Hilfsantrag Bestand.
aa) Hauptantrag der Beklagten
Der druckschriftlich zitierte Stand der Technik steht der Antriebsvorrichtung gemäß dem erteilten Anspruch 1 nicht patenthindernd entgegen. Keine der Entgegenhaltungen zeigt einen Einsatzkörper, der in eine Führungsschiene steckbar ist. Die D1 zeigt lediglich einen Deckel (40), der auf das Ende einer Führungsschiene aufgeklipst wird. Der Deckel selbst ist zwar so gestaltet, dass er auch auf das gegenüberliegende Ende der Führungsschiene aufgeklipst werden könnte. Da dieser Deckel aber nicht in die Führungsschiene steckbar ist, kann der Entgegenhaltung keine Anregung entnommen werden, einen Einsatzkörper entsprechend zu gestalten.
Bei der Antriebsvorrichtung gemäß der D4 sind an beiden Enden der Führungsschiene Abschlussstücke (16) vorgesehen. Beide Abschlussstücke sind gleichartig (Spalte 3, Zeilen 8 bis 10) und dienen zum Spannen der Kette und zur Befestigung der Führungsschiene an einer beliebigen Halterung oder Wandfläche. Aus der Entgegenhaltung ist nicht erkennbar, dass die Anschlussstücke in die Führungsschiene steckbar wären. In dieser Druckschrift findet sich auch kein Hinweis darauf, Abschlussstücke zur Stromzuleitung zu verwenden.
Die D2 und die D3 betreffen elektrische Antriebsvorrichtungen für Tore; sie zeigen aber keine Abschlussstücke an der Führungsschiene. Diese Druckschriften können daher auch keine Anregung zur Ausgestaltung solcher Abschlussstücke geben.
Weiterhin wird die neuheitsschädliche Vorbenutzung der Antriebsvorrichtung für Garagentore „marathon 550“ geltend gemacht. Hierzu hat die Beklagte die Vorbenutzung des in der mündlichen Verhandlung präsentierten Torantriebs „marathon 550“ einschließlich der Tatsache, dass das Gerät einen Deckel auf dem in die Führungsschiene steckbaren Teil aufgewiesen habe (was von der Klägerin mit Nichtwissen bestritten wurde) zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Die Antriebsvorrichtung „marathon 550“ ist für den Antrieb von Garagentoren bestimmt und umfasst eine in Bewegungsrichtung des Tores verlaufende Führungsschiene, einen an dieser fahrenden, einen Elektromotor aufweisenden Schlitten zum Betätigen eines Torblattes und Stromzuleitungsmittel, die den Elektromotor mit einer Stromquelle verbinden. Der Strom für den Elektromotor wird an einem Ende der Führungsschiene eingespeist. Die Stromzuleitung erfolgt mittels eines Anschlusskabels über ein Steuergehäuse, das deshalb ein Zuleitungsmittel ist. Das Steuergehäuse als Zuleitungsmittel umfasst einen Körper, der in das eine Ende der Führungsschiene steckbar, also in die Führungsschiene einsetzbar ist und somit ein Einsatzkörper ist. Im eingesteckten Zustand ist dieser Einsatzkörper am Ende der Führungsschiene gehalten. Die vorgelegte Antriebsvorrichtung „marathon 550“ wurde von Seiten der Beklagten durch einen Deckel ergänzt, der die sonst offene Seite des in die im Querschnitt C-förmige Führungsschiene gesteckten Einsatzkörpers abdeckt und Teile aufweist, die über das lichte Innenprofil der Führungsschiene vorstehen. Der derart ausgerüstete Einsatzkörper lässt sich um eine Achse, die senkrecht auf der Befestigungsebene der Führungsschiene steht, um 180° drehen und dann in das andere Ende der Führungsschiene stecken. Dabei stört der auf dem Einsatzkörper angebrachte Deckel nicht, da bei dieser Art von Drehung der Deckel weiterhin auf der sonst offenen Seite der im Querschnitt C-förmigen Führungsschiene zu liegen kommt.
Konsequenter Weise ist dann der Abschlussdeckel, der ursprünglich an dem Ende der Führungsschiene eingesetzt war, in dem nun der Einsatzkörper steckt, an dem gegenüberliegenden Ende einzusetzen. Die zwischen dem Einsatzkörper und dem Deckel gespannte Kette, die das Zugmittel ist, verläuft dann auch parallel zur Achse der Führungsschiene, also nicht schräg zu ihr, aber, bezogen auf die Ausgangssituation, in einer bezüglich der Symmetrieebene des Querschnitts der Führungsschiene gespiegelten Lage. Es ergibt sich daraus ohne weiteres, dass auch der Schlitten um 180° gewendet einzubauen ist. Dies ergibt sich aber bei der Montage von selbst, da sich die Montage des Schlittens immer an der Kette orientiert. Eine derart zusammengebaute Antriebsvorrichtung ist betriebsfähig, denn der Schlitten ist in der Führungsschiene verfahrbar und es kann damit ein Tor bewegt werden. Dem widerspricht auch nicht, dass bei der vorbenutzten Antriebsvorrichtung die Öse zum Anschluss der Stange, mit der der Schlitten mit dem Torblatt verbunden wird, auf der dem Tor abgewandten Seite des Schlittens befindet, denn es kann von einem Durchschnittsfachmann ohne Weiteres erwartet werden, zwei sich bewegende Teile in geeigneter Form zu verbinden. Außerdem ist die Ausbildung der Stange zum Verbinden des Schlittens mit dem Torblatt nicht Gegenstand des Anspruchs 1.
Die Antriebsvorrichtung „marathon 550“ weist also sämtliche gegenständlichen Merkmale der Antriebsvorrichtung nach Anspruch 1 auf und der Einsatzkörper ist derart ausgebildet, dass er seine Funktion sowohl an dem einen als auch am anderen Ende der Führungsschiene erfüllt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist also nicht neu.
bb) Hilfsantrag der Beklagten
Die Antriebsvorrichtung nach Anspruch 1 des Hilfsantrags umfasst gegenüber dem erteilten Anspruch 1 noch die Merkmale,
- dass die Stromzuführungsmittel die Führungsschiene selbst und ein Zugmittel umfassen,
- dass das Zugmittel an einem Führungsschienenende über die Zugmittelspannvorrichtung mit einem Anschlusskabel verbunden ist,
- dass der erste Einsatzkörper einen die Führungsschiene berührenden Kontaktkörper trägt und
- dass der erste Einsatzkörper einen die Zugmittelspannvorrichtung tragenden ersten Teil und einen umlaufenden Anschlag für das Führungsschienenende bildenden zweiten Teil aufweist.
Bei der vorbenutzten Antriebsvorrichtung „marathon 550“ erfolgt die Stromzuführung zu dem Elektromotor im Schlitten einerseits über die Führungsschiene selbst, andererseits über die als Zugmittel dienende Kette. Die Kette ist an einem Ende der Führungsschiene an einer Spannvorrichtung befestigt und die Spannvorrichtung ist mit einem der beiden Anschlusskabel verbunden. Der von den Zuleitungsmitteln umfasste, in die Führungsschiene steckbare Einsatzkörper trägt eine die Führungsschiene berührende Feder, über die der Strom in die Führungsschiene eingeleitet wird. Der von den Zuleitungsmitteln umfasste Einsatzkörper trägt an einer seiner Seiten die Zugmittelspannvorrichtung und das Ende der Führungsschiene schlägt mit seinem gesamten Umfang an einer Wandung des Einsatzkörpers an, die somit einen umlaufenden Anschlag bildet.
Die vorbenutzte Antriebsvorrichtung weist also auch alle Merkmale der Antriebsvorrichtung nach Anspruch 1 des Hilfsantrags auf. Diese Antriebsvorrichtung ist somit ebenfalls nicht neu und somit nicht bestandsfähig. Auf die Patentfähigkeit der nicht gesondert verteidigten Unteransprüche kommt es somit nicht an.
III.
Als im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren in vollem Umfang unterlege Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Dies folgt aus § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 PatG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.