Entscheidungsdatum: 05.02.2019
Verfahren zum Herstellen eines Zahnmodells
Werden Teilmerkmale eines Patentanspruchs in ein „oder“-Verhältnis gesetzt, so ist durch Auslegung im Einzelfall zu klären, ob mit einer derartigen Formulierung eigenständige technische Lehren nebeneinander stehen und diese deshalb nebengeordnete Lehren bilden, die auch für die Beurteilung der Patentfähigkeit isoliert zu betrachten sind, oder ob nur aufzählend die Alternativen eine einzige gemeinsame Lehre bilden, für welche die Neuheit in Bezug auf sämtliche Alternativen einheitlich zu betrachten ist (vgl. auch BGH Urt. v. 10.2.2018, X ZR 118/16).
Letzteres kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn sich für die einzelnen Alternativen sprachlich kein gemeinsamer, begrifflich abschließender Oberbegriff bilden lässt oder die erfindungsgemäße Lehre erkennen lässt, dass die aufzählend zur Auswahl gestellten Alternativen austauschbar sind.
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 2 345 387
(DE 60 2006 044 294)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Engels, die Richterin Kopacek, die Richterin Dipl.-Phys. Zimmerer sowie den Richtern Dipl.-Chem. Dr. Wismeth und Dipl.-Ing. Veit
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 2 345 387 wird für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung hinausgeht:
1. A method of manufacturing a dental model of at least a part of an upper jaw and/or a lower jaw comprising the steps of:
a. obtaining a three-dimensional model of at least the said part of the upper jaw and/or a lower jaw by either impression scanning, in-the mouth scanning, CT, MR or x-ray scans, scanning of a positive model or a combination thereof,
b. manufacturing a dental model from the obtained three-dimensional model,
characterized in that at least one implant analog is included in the dental model by printing said implant analog directly as a part of the dental model,
the method further comprising the step of attaching the surface of the three-dimensional model to a CAD base prior to manufacturing.
2. The method of claim 1, wherein the dental model is at least partially manufactured in plastic, polymers, wax, gypsum or ceramics.
3. The method of any of the claims 1 to 2, further comprising the step of inverting the surface orientation of the tree-dimensional model prior to manufacturing.
4. The method of any of the claims 1 to 3, further comprising the step of obtaining a virtual solid model from the three-dimensional model prior to manufacturing.
5. The method of claim 4, further comprising the step of including at least one articulator interface into the virtual solid model.
6. The method of any of the claims 4 to 5, further comprising adding the model of a pre-manufactured interface/base in the virtual solid model.
7. The method of any of the claims 1 to 6, further comprising the step of sectioning the three-dimensional and/or virtual solid model prior to manufacturing.
8. The method of claim 7, wherein positioning means are included in at least one subsection obtained by sectioning.
9. The method of claim 8, wherein said sectioning and positioning means allows for the removal and reinsertion of parts of the produced dental model, such as the removal and reinsertion of the model of a preparation.
10. The method of any of the claims 1, wherein both the Maxilla and Mandible models are manufactured.
11. The method of claim 1, wherein the position and orientation of an Implant is found by scanning the impression and/or positive model of a healing abutment.
12. The method of claim 11, wherein the position and orientation of said implant is found by aligning the data from said scanning with pre-determined information of the healing abutment, such as a CAD model.
13. The method of claims 11 or 12, wherein said healing abutment comprises one or more marks allowing for the identification of one or more characteristics of said healing abutment and or implant to which said healing abutment is/were connected.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte 2/3 und die Klägerin 1/3.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 345 387, deutsches Aktenzeichen DE 60 2006 044 294 (Streitpatent), das aus der am 30. November 2006 unter Beanspruchung der Prioritäten DK 200501693 vom 30. November 2005 und DK 200600259 vom 23. Februar 2006 angemeldeten Teilanmeldung EP 2345387 A2 hervorgegangen ist. Dieser liegt als frühere Anmeldung die Stammanmeldung 06828736.6 (veröffentlicht als WO 2007/062658) zum Patent 1 957 005 zugrunde. Das Streitpatent trägt gemäß der deutschen Übersetzung die Bezeichnung „Herstellung eines Dentalmodells“ und betrifft ein System und ein Verfahren zum Erstellen eines dreidimensionalen Modells der Zähne und des Bisses durch Scannen und Ausrichten von Gebissabdrücken (vgl. NK2a Abs. 1). Das Streitpatent umfasst 16 Patentansprüche, die sämtlich angegriffen sind.
Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch:
In der deutschen Übersetzung lautet Patentanspruch 1:
Wegen des Wortlauts der übrigen Ansprüche 2 bis 16 wird auf die Streitpatentschrift in der B1-Fassung verwiesen.
Die Klägerin hat mit der Klage ursprünglich geltend gemacht, dass das Streitpatent in der erteilten Fassung gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 IntPatÜG wegen unzulässiger Erweiterung des Inhalts der Anmeldung, fehlender Ausführbarkeit und fehlender Patentfähigkeit nichtig sei.
Als Stand der Technik legt sie folgende Dokumente vor:
D1 US 2004/0133293 A1 („Durbin“)
D2 US 5885078 A („Cagna“)
D3 WO 2007/005490 A2 („Powell“)
D4 An immediately loaded CAD/CAM-guided definitive prothesis:
A clinical report, Christopher B. Marchack, The Journal of Prosthetic Dentistry 2005, Volume 93 Number 1, S. 8–12 („Marchack“)
D5 WO 2004/075771 A1 („Swaelens“)
D6 EP 0 708 624 B1 („Andersson“)
D7 EP 1 062 916 B1 („Traber“)
D8 WO 2008/051130 A1 („Andersson II“)
D9 US 2004/0023188 A1 („Paviovskaia“).
Die Klägerin hat mit ihrer Klage geltend gemacht, dass das Streitpatent in der geltenden Fassung bereits deswegen nichtig sei, weil sein Gegenstand über den Inhalt der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe und die Ausführbarkeit der Lehre nach Merkmal 1.3.1 bzgl. des „virtuellen Schlitzes“ nicht hinreichend offenbart werde, der in den Anmeldeunterlagen an keiner Stelle erwähnt werde. Ebenso wenig sei offenbart, wie der Fachmann das erfindungsgemäße Verfahren nach Variante 2 des Anspruchs 2 durchführen könne, also ein Implantatanalog unmittelbar mit dem Dentalmodell zusammen herstellen könnte.
Patentanspruch 1 des Streitpatents sei weder in der Fassung nach Hauptantrag noch in einer der Fassungen nach den Hilfsanträgen patentfähig. Der Erfindungsgegenstand erschöpfe sich darin, klassische handwerkliche Schritte eines Zahntechnikers in einen CAD/CAM-Prozess zu integrieren.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Streitpatent nehme zu Unrecht die Prioritäten der DK 200501693 vom 30. November 2005 und der DK 200600259 vom 23. Februar 2006 in Anspruch. Es fehle an der gemäß Art. 87 Abs. 1 EPÜ erforderlichen Erfindungsidentität. Keines der Prioritätsdokumente offenbare ein Verfahren zur Herstellung eines Dentalmodells mit einem Implantatanalog und insbesondere nicht die Verfahrensschritte nach Merkmalsgruppe 1.3.
Patentanspruch 1 nach Hauptantrag sei insbesondere nicht neu gegenüber D3. D3 offenbare ein Rapid-Prototyping-Verfahren zur Herstellung eines Dentalmodells. Ziel der D3 sei es, die aus Scandaten gewonnene 3D Darstellung einer Mund-/Kiefersituation zur Herstellung eines Dentalmodells zu verwenden. Die D3 sehe auch vor, dass das herzustellende Dentalmodell (wenigstens) ein Implantatanalog beinhalte. Die Positionen der Implantatanaloge seien bereits im virtuellen 3D Modell vorzusehen. Die D3 sehe zudem auch vor, dass das Implantatanalog zusammen mit dem Restmodell hergestellt werde. Auch im klassischen Gipsmodell der D3 müsse das Implantatanalog berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob es körperlich bereitgestellt worden sei oder nicht. Das in der D3 nicht enthaltene Merkmal „the method further comprising the step of attaching the surface of the three-dimensional model to a CAD base prior to manufacturing“ werde vom Fachmann mitgelesen. Dies ergebe sich aus Fig. 11 der D3.
Der primäre Ansatz für die fehlende erfinderische Tätigkeit seien die Schriften D4 und D5. Die D4 sehe die Erstellung eines 3D Modells vor, wie es sich schon aus der Verwendung der CT-Scans ergebe. Auf Basis des erhaltenen 3D Modells werde ein Dentalmodell hergestellt, das auch ein Implantatanalog enthalte. Ausgehend von D4 würden dem Fachmann alle erforderlichen Handlungsanweisungen für die angegriffene Lehre gegeben. Es sei für den Fachmann im Hinblick auf z. B. Figur 5 der D4 naheliegend, aufgrund der bereits vorhandenen Daten auch das Implantatanalog in einem Guss mit dem Modell bereitzustellen, wenn er die Prozesse vereinfachen wollte. Die D5 offenbare ebenfalls Verfahren zur Herstellung und Verwendung dentaler Aufbauten, sowie Verfahren zur Platzierung von Implantaten nebst Hilfsmitteln dazu und offenbare wie der Vorgang der Verwendung von Implantatanalogen im Rahmen von CAD/CAM-Techniken umgesetzt werde. In einem virtuellen Zahnmodell würden Aussparungen eingeplant, die, übersetzt in das physische Modell, zu Löchern führten, die mit einem Implantatanalogon bestückt werden könnten. Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hauptantrag sei nicht erfinderisch gegenüber D1. Insbesondere zeige die D1, dass einem dreidimensionalen virtuellen Modell CAD-Basen hinzugefügt werden könnten. Abbildung 3 der D1 zeige sodann mit den Bezugszeichen 302 und 304 diese CAD-Basen (vgl. Abs. [0030]). Die D7 lehre dem Fachmann darüber hinaus, dass und wie nicht nur Oberflächenstrukturen, sondern auch im Kiefer befindliche Strukturen, nämlich Implantate, digital erfasst und im Rahmen von CAD/CAM-Verfahren zur Herstellung von Zahnersatzteilen verwendet werden könnten. Vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung sei es für den Fachmann danach ohne eigene erfinderische Tätigkeit naheliegend, diese Erkenntnisse zu kombinieren und ein anspruchsgemäßes Kiefermodell im Wege der CAD/CAM-Herstellung zu fertigen, das wenigstens ein Implantatanalog aufweise.
Patentanspruch 1 sei auch in den jeweiligen Fassungen nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 nicht patentfähig.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das europäische Patent 2 345 387 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent in der Fassung nach dem in der mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2019 eingereichten Hauptantrag verteidigt wird, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit den bisherigen Hilfsanträgen 1 bis 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 24. September 2018, einschließlich der zu Anspruch 1 jeweils hinzukommenden Merkmale, unter Streichung der bisherigen abhängigen Ansprüche 2 und 12, verteidigt wird.
In der verteidigten Fassung gemäß dem in der mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2019 eingereichten Hauptantrag hat Patentanspruch 1 in der Verfahrenssprache Englisch folgenden Wortlaut:
A method of manufacturing a dental model of at least a part of an upper jaw and/or a lower jaw comprising the steps of:
a. obtaining a three-dimensional model of at least the said part of the upper jaw and/or a lower jaw by either impression scanning, in-the mouth scanning, CT, MR or x-ray scans, scanning of a positive model or a combination thereof,
b. manufacturing a dental model from the obtained three-dimensional model,
characterized in that at least one implant analog is included in the dental model by printing said implant analog directly as a part of the dental model,
the method further comprising the step of attaching the surface of the three-dimensional model to a CAD base prior to manufacturing.
Wegen des Wortlauts der Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 wird auf Bl. 202 ff. d. A. verwiesen, geändert durch die in Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß Hauptantrag vom 5. Februar 2019 hinzukommenden Merkmale.
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und erachtet das Streitpatent für patentfähig. Die Nichtigkeitsklage sei nicht begründet. Patentanspruch 1 sei sowohl in der Fassung nach dem geltenden Hauptantrag als auch in den jeweiligen Fassungen nach den Hilfsanträgen patentfähig.
Die Erfindungsidee liege auch aus Sicht der Beklagten nicht in der Verbesserung einzelner Scanverfahren und Methoden, sondern darin, sich computerunterstütztes Arbeiten zu eigen zu machen und hierdurch zu ermöglichen, dass einerseits auf ein Gipsmodel verzichtet werden kann, andererseits aber auch jederzeit das Model mit dem Implantatanalog ausdrucken zu können und damit auch die handwerkliche Arbeit zu verringern. Auch wenn erfindungsgemäß keine spezielle Ausgestaltung des Implantatanalogs gelehrt werde, so finde sich im Stand der Technik weder eine Lehre noch eine Anregung der integralen Herstellung eines Implantatanalogs mit einem Modell.
Das im geltenden Hauptantrag enthaltene Merkmal „the method further comprising the step of attaching the surface of the three-dimensional model to a CAD base prior to manufacturing“ sei in Abs. [0065] mit Verweis auf die Figuren 16, 9a, 9b, 10a und 10b erläutert. Insbesondere die Figur 16 zeige sehr deutlich, wie das dreidimensionale Modell 1600 an einer CAD-Basis 1601 angebracht sei. Ein solches Anbringen der Oberfläche des dreidimensionalen Modells an einer CAD-Basis vor dem Herstellen des Zahnmodells, d. h. in der virtuellen Verarbeitung, sei in D3 nicht beschrieben. Figur 11 in D3 betreffe nur einen „stone cast“ und lehre daher keine virtuelle Basis. Auch in Figur 12 finde sich keine CAD-Basis. Das Mitlesen einer solchen Basis sei zu verneinen. Das Gipsmodell der D3 stelle kein Implantatanalog zur Verfügung, dort befinde sich eine Aussparung.
Im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachte fehlende erfinderische Tätigkeit gegenüber D4 und D5 vertritt die Beklagte die Auffassung, in D4 werde die Bereitstellung hergestellter Implantatanaloge nicht angesprochen. Wie sich aus S. 9 linke Spalte ergebe, würden die Analoge im Nachhinein am Modell eingesetzt. Auch D5 zeige keine integrale Herstellung eines Implantatanalogs mit einem Modell, sondern nur ein Modell mit Löchern (38), in welche dann die Implantatanaloge eingeführt würden. Der Fachmann finde deshalb in beiden Schriften keine Anregung, um zur Lehre des Streitpatents zu gelangen.
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt allen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2019 verwiesen.
Der Senat hat den Parteien einen frühen qualifizierten Hinweis vom 13. Juli 2018 nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet (vgl. Bl. 176 ff. d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Soweit das Streitpatent in der erteilten Fassung im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung nicht mehr verteidigt wird, war es mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404, 405 – Carvedilol II; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 82 Rdn. 119 m. w. Nachw.).
Soweit das Streitpatent in der Fassung gemäß Hauptantrag verteidigt wird, ist die Klage abzuweisen, denn der Senat konnte nicht feststellen, dass sich der gegen diese zulässig beschränkte Fassung der Ansprüche gerichtete Nichtigkeitsangriff im Hinblick auf den von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, § 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ, Art. 52, Art. 56 EPÜ) als begründet erweist.
Auf die Zulässigkeit der jeweiligen Anspruchsfassungen bzw. die Patentfähigkeit der jeweiligen Gegenstände gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 kam es bei dieser Sachlage nicht an.
I.
1. Der Gegenstand des Streitpatents bezieht sich auf den Bereich der Herstellung von Zahnersatz wie Kronen, Brücken, Abutments und Implantaten (siehe Streitpatent Abs. [0001]).
In der Beschreibungseinleitung wird ausgeführt, dass für die Bereitstellung eines Zahnersatzes der Zahnarzt nach der Bearbeitung der Zähne oder dem Einsetzen des Implantats normalerweise einen Abdruck des Oberkiefers, des Unterkiefers und eine Bissregistrierung oder einen einzigen Abdruck in einem doppelseitigen Tray („double-sided tray“, auch als „triple Tray“ bezeichnet) nimmt. Durch den Dentaltechniker werden in einem ersten Schritt traditionell das obere und untere Zahnmodell aus den Abdrücken des Ober- bzw. Unterkiefers bzw. einem Abdruck erstellt. Die Modelle bestehen üblicherweise aus Gips und werden oft über die Bissregistrierung in einem Zahnartikulator angeordnet (siehe Streitpatent Abs. [0002]–[0003]).
Bei Verwendung der CAD-Technologie wird ein dreidimensionales Modell der Zähne des Patienten erstellt. Dies erfolgt üblicherweise durch 3D-Scannen eines oder beider Zahnmodelle aus Gips. Die dreidimensionalen Nachbildungen der Zähne werden in ein CAD-Programm importiert, in dem der gesamte Zahnersatz oder ein Brückenunterbau entworfen wird. Das endgültige 3D-Design für den Zahnersatz wird dann z. B. mit einer Fräsmaschine, einem 3D-Drucker, Rapid Prototyping oder anderen Herstellungsgeräten hergestellt (siehe Streitpatent Abs. [0004]).
Als Stand der Technik wird auf die US 2004/0133293 A1 verwiesen, die ein Verfahren und Systeme zur Behandlung von Zähnen, darunter die Erfassung eines digitalen Zahnmodells, das innerhalb der Mundhöhle genommen wurde, die Anpassung des digitalen Modells bei der Planung einer Zahnbehandlung oder dem Entwurf einer Zahnprothese und das Erstellen eines physischen Modells aus dem Original oder den geänderten digitalen Modellen, offenbare (siehe Streitpatent Abs. [0007]).
Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 12 und 13 stammen aus der Streitpatentschrift und zeigen in Fig. 12 die traditionelle Übertragung der Implantatposition und -orientierung vom Patientenmund auf das Zahnmodell und in Fig. 13 ein im Abdruck-Abutment montiertes Scananalog, um die Position und Orientierung des Implantats zu erhalten.
2. Nach Abs. [0015] der Streitpatentschrift wird erfindungsgemäß ein verbessertes Verfahren zum Scannen und Ausrichten von Gebissabdrücken, die als Eingabe für die CAD-Herstellung eines Zahnersatzes verwendet werden, beschrieben. Hierdurch werde die kosten- und zeitintensive Herstellung der Gipszahnmodelle vermieden. Das Abdruckscannen verbessere auch die Qualität, da das traditionelle Gussverfahren und die Segmentierung des Zahnmodells zu Fehlern führen könnten.
Zusammenfassend lehrt das Streitpatent insoweit eine Verbesserung der weitgehend manuellen Herstellung eines Zahnmodells aus Gips durch computergesteuerte Herstellungsverfahren eines Zahnmodells mittels CAD/CAM und stellt dies in den Fokus der Lehre. Hierdurch werde die handwerkliche Arbeit des Zahntechnikers verringert, da auf das Gipsmodell verzichtet wird, und die Präzision des physischen Modells aufgrund der computerunterstützten Fertigung verbessert.
3. Diese Verbesserungen sollen erfindungsgemäß mit dem Verfahren zum Herstellen eines Zahnmodells von wenigstens einem Teil eines Oberkiefers und/ oder eines Unterkiefers nach Patentanspruch 1 gelöst werden, der nach technischen Merkmalen gegliedert lautet:
1. A method of manufacturing a dental model of at least a part of an upper jaw and/or a lower jaw comprising the steps of:
1.1 a. obtaining a three-dimensional model of at least the said part of the upper jaw and/or a lower jaw
1.1.1 by either impression scanning, In-the mouth scanning, CT, MR or x-ray scans, scanning of a positive model or
1.1.2 a combination thereof,
1.2 b. manufacturing a dental model from the obtained three-dimensional model,
characterized in that
1.3 at least one implant analog is included in the dental model, by
1.3.1 printing said implant analog directly as a part of the dental model,
1.4 the method further comprising the step of attaching the surface of the three-dimensional model to a CAD base prior to manufacturing.
4. Als Fachmann sieht der Senat berufen ein Team aus Zahntechniker und Spezialist auf dem Gebiet des CAD/CAM. Der Zahntechniker besitzt mehrere Jahre Berufserfahrung und umfangreiche Erfahrung auf dem Gebiet der Herstellung von dentalen Prothesen. Hinsichtlich des gewünschten automatisierten, computerunterstützten Verfahrens arbeitet in dem Team ein Spezialist (Maschinenbauer, Informatiker) auf dem Gebiet des CAD/CAM (computer-aided design/computer-aided manufacturing) [siehe auch Urteil des Senats vom 6. Mai 2014, 4 Ni 22/12 (EP) – Verfahren zur Erzeugung eines digitalen Datensatzes = GRURPrax 2015, 59 (red. Leitsatz, Kurzwiedergabe), nachgehend BGH, Urteil vom 29. November 2016, X ZR 90/14].
II.
Aufgrund der nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen Auslegung des Inhalts der Patentansprüche und der am technischen Sinn- und Gesamtzusammenhang der Patentschrift orientierenden Betrachtung durch den angesprochenen Fachmann legt der Senat der Lehre nach Anspruch 1 und der Bedeutung der einzelnen Merkmale folgendes Verständnis bei unbefangener Betrachtung durch den angesprochenen Fachmann (BGH GRUR 2008, 878 – Momentanpol II) zu Grunde:
Anspruch 1 nach Hauptantrag betrifft ein Verfahren zum Herstellen eines Zahnmodells, also eines physischen Modells [Merkmal 1.].
1. Zuerst werden dreidimensionale Geometriedaten (virtuelles Modell) von wenigstens dem Teil des Oberkiefers und/oder des Unterkiefers ermittelt [Merkmal 1.1]. Als Methoden zur Datengewinnung werden indirekte und direkte Verfahren genannt, wie das Scannen eines Abdrucks oder eines positiven Modells und das direkte Scannen im Mund, CT, MR oder Röntgen [Merkmal 1.1.1].
Dabei sind die in Merkmal 1.1.1 genannten alternativen Scanmöglichkeiten ebenso wie die in Merkmal 1.1.2 genannten weiteren Alternativen nicht als nebengeordnete unterschiedliche Lehren, sondern als bloße Aufzählung beliebiger Möglichkeiten im Rahmen der Lehre, die dem Fachmann nach seiner Auswahl zur Verfügung stehen, anzusehen. Denn mit dem erfindungsgemäßen Verfahren wird nicht Schutz gesucht für einen Patentgegenstand, der mit einer „oder“-Formulierung mehrere technische Lehren eigenständig nebeneinander stellt (vgl. BGH GRUR 2013, 363 – Polymerzusammensetzung) und die deshalb für die Beurteilung der Patentfähigkeit isoliert zu betrachten sind. Dagegen sollen vorliegend mit den Merkmalen 1.1.1 und 1.1.2 nur aufzählend die unter eine einzige gemeinsame Lehre fallenden Bildgebungsverfahren genannt werden, für welche die Neuheit in Bezug auf sämtliche Alternativen einheitlich zu betrachten ist (vgl. auch BGH Urt. v. 10. Februar 2018, X ZR 118/16). Derartige „aufzählende“ Alternativen nur einer Lehre sind insbesondere dann erforderlich, wenn für die einzelnen Alternativen sich sprachlich kein gemeinsamer, begrifflich abschließender Oberbegriff bilden lässt. So wäre vorliegend der Oberbegriff „Bildgebungsverfahren“ zu allgemein für die zur Auswahl gestellten Verfahren, wohingegen „röntgenologische Bildgebungsverfahren“ als Oberbegriff die Magnetresonanztomographie (MRT) nicht umfassen würde. Was im Einzelfall gemeint ist, muss durch Auslegung unter Berücksichtigung der im Streitpatent den betreffenden Merkmalen zuerkannten Bedeutung für die erfindungsgemäße Lehre ermittelt werden. So zeigt auch die vorliegende Gesamtoffenbarung des Streitpatents, wonach es für die erfindungsgemäße Lehre ohne Bedeutung ist, durch welche Art der zur Auswahl gestellten Datengewinnung, insbesondere direkte oder indirekte Methoden, die dreidimensionalen Geometriedaten ermittelt werden, dass die zur Auswahl gestellten Verfahren austauschbar sind und keine nebengeordneten Lehren bilden.
Für den Fachmann ist dabei selbstverständlich, dass er bei indirekten Methoden aus einem inversen Modell (z. B. Abdruck) invertierte Daten erhält, die für ein (positives) virtuelles Modell erst hinsichtlich der Oberflächenorientierung invertiert werden müssen.
2. Vor der Fertigung des physischen Modells werden die Daten derart weiterbearbeitet, dass nach dem Verfahrensschritt 1.4 der Scan der Oberfläche des Unter- oder Oberkiefers an einer CAD-Basis (CAD base) angebracht wird. Weder im Patentanspruch noch in der Beschreibung wird die Basis näher definiert.
Der Fachmann versteht die Basis als „Grundkörper“, der jedoch nicht zwingend quaderförmig sein muss, sondern der beliebige Formen annehmen kann, die als Grundkörper bzw. Unterteil der gescannten Oberfläche dienen können. Ausgestaltungen der Basis kann der Fachmann dem Abs. [0065] und der Fig. 16 entnehmen. In dieser Ausführungsform wird die geschnittene Scanoberfläche 1600 mit einer Basis 1601 kombiniert (vgl. Streitpatent Abs. [0065]).
3. Anschließend wird aus den 3D-Daten des virtuellen Modells ein Zahnmodell (physisches Modell) hergestellt [Merkmal 1.2].
Durch Anspruch 1 wird vorgegeben, dass im fertig gestellten Zahnmodell ein Implantatanalog enthalten ist [Merkmal 1.3]. Implantatanaloge (implant analog) imitieren in dem Modell eines Kiefers oder Kieferteils das bereits im Kiefer eines Patienten eingesetzte Implantat. Die Lage und Ausrichtung des Implantatanalogs muss präzise dem richtigen Implantat entsprechen, da anhand des Modells mit Implantatanalog Dentalaufbauten wie z. B. Kronen oder Brücken geplant und auf die individuelle Mundsituation des Patienten angepasst werden.
Das Implantatanalog wird erfindungsgemäß direkt als Teil des Zahnmodells gedruckt [Merkmal 1.3.1]. Der 3D-Druck ist ein Verfahren, bei dem Material Schicht für Schicht aufgetragen und so dreidimensionale Gegenstände erzeugt werden. Dabei erfolgt der schichtweise Aufbau computergesteuert aus einem oder mehreren flüssigen oder festen Werkstoffen nach vorgegebenen Maßen und Formen. Beispiele für das 3D-Drucken sind das selektive Laserschmelzen, das Elektronenstrahlschmelzen für Metalle, das selektive Lasersintern für Polymere, Keramik und Metalle, die Stereolithographie und das Digital Light Processing für flüssige Kunstharze und das Polyjet-Modeling sowie das Fused Deposition Modeling für Kunststoffe und Kunstharze.
III.
Die Angriffe der Klägerin nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 IntPatÜG erweisen sich als unbegründet und sind auch von ihr für die mit Hauptantrag einschränkend verteidigte Fassung des Streitpatents nicht mehr inhaltlich fortgeführt worden.
Soweit die Klägerin die ursprüngliche Offenbarung des im erteilten Anspruch vorhandenen Merkmals „adding a virtual slot to the obtained three-dimensional model and mounting said implant analog in the resulting slot of the manufactured dental model“ in Abrede gestellt hat, stellt sich diese Frage wegen der Streichung des Merkmals in der Fassung der Haupt- und Hilfsanträge nicht mehr.
Soweit die Klägerin die Ausführbarkeit des in den erteilten Ansprüchen vorhandenen Merkmals der Integration des Implantatanalogs als integraler Bestandteil des Herstellungsvorgangs angegriffen hat, stellt sich auch diese Frage wegen der Präzisierung des Merkmals 1.3.1 nicht mehr. Soweit die Klägerin zunächst die Ausführbarkeit einer Invertierung der Oberflächenorientierung bestritten hat (Unteranspruch 3 in der Fassung nach Hauptantrag), hat der Senat bereits im qualifizierten Hinweis darauf hingewiesen, dass der Senat insoweit keine Bedenken hat. Die Klägerin hat diese Thematik auch nicht weiter fokussiert. Es bestehen jedoch insoweit keine Zweifel, dass es für den Fachmann selbstverständlich ist, dass das Invertieren der Oberflächenorientierung bei Daten aus einem Abdruckscan erforderlich ist (vgl. auch Streitpatent Abs. [0064]: „To transform the scan from an impression scan 1500 (negative) to a model 1501 (positive) the surface orientation need to be inverted.“). Ebenso weiß der Fachmann aufgrund seines Fachwissens, dass eine Invertierung bei positiven 3D-Daten, z. B. aus CT- oder MR-Daten oder bei Scan eines positiven Modells oder direktem Scan nicht erforderlich ist. Bei Verständnis dieser Lehre aus fachmännischer Sicht ergibt sich deshalb auch ein ausführbares Verfahren.
IV.
Dagegen erweist sich der Angriff nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG auf die nach Hauptantrag zulässig eingeschränkt verteidigte Fassung des Streitpatents als unbegründet, da das danach beanspruchte Verfahren neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gilt (Art. 56 EPÜ). Denn die Klägerin konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass sich das zulässig beanspruchte Verfahren für den Fachmann im Anmeldezeitpunkt in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergab.
Insoweit ist vorliegend der Anmeldezeitpunkt des Streitpatents für den Zeitrang und das Verständnis des Fachmanns entscheidend, da die in der Patentschrift genannten Prioritäten der dänischen Patentanmeldungen (DK 200600259 vom 23. Februar 2006 und DK 200501693 vom 30. November 2005) nicht wirksam in Anspruch genommen sind. Denn in keinem der Prioritätsdokumente wird ein Implantatanalog erwähnt. Damit kann keines der Prioritätsdokumente eine technische Lehre gemäß der Merkmalsgruppe 1.3 beinhalten, die das Einfügen des Implantatanalogs während des Herstellvorgangs des Zahnmodells präzisiert. Es fehlt mithin an der nach Art. 87 EPÜ erforderlichen Erfindungsidentität.
1. Die Ansprüche nach dem geltenden Hauptantrag sind zulässig geändert.
Der Anspruch 1 nach dem Hauptantrag präzisiert die Alternative ii) des erteilten Anspruchs 1
„1. A method of manufacturing a dental model of at least a part of an upper jaw and/or a lower jaw comprising the steps of:
a. obtaining a three-dimensional model of at least the said part of the upper jaw and/or a lower jaw by either impression scanning, in-the mouth scanning, CT, MR or x-ray scans, scanning of a positive model or a combination thereof,
b. manufacturing a dental model from the obtained three-dimensional model,
characterized in that at least one implant analog is included in the dental model, by
i. adding a virtual slot to the obtained three-dimensional model and mounting said implant analog in the resulting slot of the manufactured dental model,
or by
ii. manufacturing said implant analog as an integrated part of the manufacturing process.“,
indem der Herstellungsprozess des Zahnmodells und des Implantatanalogs eingeschränkt wurde auf das Drucken des Implantatanalogs direkt als Teil des Zahnmodells gemäß Merkmal 1.3.1:
1.3.1 printing said implant analog directly as a part of the dental model,
Dies ist in Abs. [0084] der Offenlegungsschrift ursprünglich als Teil der Erfindung offenbart (vgl. Offenlegungsschrift Abs.[0084]: „One important example is printing the implant/analog directly as a part of the model, such that the designed structures e.g. customised abutment or super structure can be mounted directly on the model.“).
Weiter wurde bei der Erstellung des virtuellen Modells hinzugefügt, dass der Oberfläche des dreidimensionalen Modells eine CAD-Basis hinzugefügt wird:
1.4 the method further comprising the step of attaching the surface of the three-dimensional model to a CAD base prior to manufacturing.
Diese Lehre entspricht dem erteilten Unteranspruch 5
5. The method of any of the claims 1 to 4, further comprising the step of attaching the surface of the three-dimensional model to a CAD base prior to manufacturing,
und ist erläutert in der Offenlegungsschrift Abs. [0076] (vgl. Offenlegungsschrift Abs. [0076]: „To create a basic solid model the cut scan surface can be attached or connected to a virtual base. The virtual base can be created by combining the scan surface with a base model e.g. by combing a CAD base with the scan surface by the creation of a connecting surface between the two surfaces.“).
Beide zusätzlichen Merkmale beschränken den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1. Der Anspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags ist damit zulässig.
Die daran anschließenden Unteransprüche 2 bis 13 entsprechen den erteilten Unteransprüchen 3, 4, 6 bis 12, 14 bis 16 und sind damit ebenfalls zulässig.
2. Die Lehre nach dem geltenden Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags erweist sich als neu im Sinne des Art. 54 EPÜ.
2.1 Die am 11. Januar 2007 veröffentlichte – und damit nach Art. 54 Abs. 3 EPÜ nachveröffentlichte – internationale Anmeldung D3 vom 29. Juni 2006, ist nur zur Neuheit heranzuziehen und beschreibt ein Verfahren zum Herstellen eines Zahnmodells (patient's dentition) (vgl. D3 Abs. [0011]: „According to one process of the current invention, a rapid prototype of a patient's dentition and dental implant analog for use in creating a patient specific prosthetic is provided.“) [= Merkmal 1.].
Grundlage der Herstellung ist ein dreidimensionales Modell (3-D CAD model), das durch Scannen eines Abdrucks (scanning a model) erhalten wird (vgl. D3 Abs. [0011]: „The process scans scanning the model. Scan data are generated from the scan of the model.“, Fig. 12–14). Ebenso sind auch weitere Verfahren zur Gewinnung der 3D-Daten wie direktes Scannen oder CT genannt (vgl. D3 Abs. [0066]: „To create a permanent prosthesis, the dental region is scanned, as described above, from a stone model, from the impression material, or directly in the mouth using a laser scanning technique, a photographic scanning technique or a mechanical sensing technique. FIG. 8 shows stereophotographic imaging, one method used for scanning.“, Abs. [00105]: „According to an alternate embodiment of the present invention, Computed Tomography ("CT") technology is used in place of the previously described scanning to generate a 3-D model of a patient's mouth.“, Fig. 8) [= Merkmale 1.1 und 1.1.1].
Dabei liest der Fachmann aufgrund der angegebenen möglichen Kombination der Daten mit, dass die verschiedenen Verfahren auch kombiniert werden können (vgl. D3 Abs. [0067]: „The graphical imaging program can scan an opposing cast in order to develop an opposing occlusal scheme and relate this information back to the primary model.“) [= Merkmal 1.1.2].
Aus dem virtuellen Zahnmodell (3D CAD model) wird mittels Rapid-Prototyping ein Zahnmodell und ein Implantatanalog (implant analog) gefertigt (vgl. D3 Abs. [0011]: „The method transfers the rapid prototype dimensional information to a rapid prototyping machine. The process fabricates the rapid prototype of the patient's dentition and dental implant analog receptacles on the rapid prototyping machine using the rapid prototype dimensional information.“) [= Merkmal 1.2 ohne 3D-Drucken, 1.3 und 1.3.1].
Insbesondere lehrt die D3 in Abs. [0098] die direkte Herstellung des Implantatanalogs als Teil des Zahnmodells (vgl. D3 Abs. [0098]: „The rapid prototype 1400 is depicted in FIG. 15 and contains implant analogs 1402 (See FIG. 24), 1404 in respective implant analog receptacles 1302, 1304 of the second altered 3-D CAD model 1300. The implant analogs 1402, 1404 may be identical, or may vary depending on the implants placed in the patient.“).
Zum Rapid Prototyping werden in der D3 mehrere Verfahren aufgezählt, u. a. das Laser-Sintern (vgl. D3 Abs. [0097]: „It is contemplated that many rapid prototyping techniques may be utilized with the present invention such as: stereolithography, laminated-object manufacturing, selective laser sintering, solid ground curing, or other known rapid prototyping processes.“).
Das Laser-Sintern gehört zu den 3D-Druckverfahren. Damit ist auch das Drucken („printing“) nach Merkmal 1.3.1 des Patentanspruchs 1 als offenbart anzusehen.
Jedoch offenbart die nachveröffentlichte Druckschrift D3 das Merkmal 1.4 „the method further comprising the step of attaching the surface of the three-dimensional model to a CAD base prior to manufacturing“ weder ausdrücklich, noch wird der Fachmann es mitlesen. So wird in der D3 das virtuelle Modell der Zahnstruktur auf Grundlage eines Scans eines herkömmlichen Gipsmodells (stone cast) erstellt (vgl. D3 Abs. [0093]–[0094]: „The stone cast 1000 is made from an impression of the mouth as previously described. Once the stone cast 1000 is prepared it is scanned using a scanning technique previously described, the scanned data is transferred into a graphical imaging program, such as a Computer Aided Design ("CAD") program so that a three-dimensional ("3-D") CAD model 1100 of the stone cast 1000 is created, as shown in FIG. 12.“). Ein derartiges Gipsmodell enthält jedoch bereits eine Basis (siehe u. a. D3 Fig. 11). Es besteht daher keine Notwendigkeit, einen zusätzlichen Grundkörper (CAD basis) hinzuzufügen. Der Verweis der Klägerin auf Figur 11 als Argument dafür, dass der Fachmann diese technische Anweisung mitlese, geht daher fehl, weil die D3 bereits einen durch den Scan erfassten Grundkörper lehrt.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hauptantrag ist deshalb aufgrund des Merkmals 1.4 gegenüber der D3 neu.
2.2 Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist ebenfalls neu gegenüber dem übrigen Stand der Technik, für welchen die Klägerin selbst fehlende Neuheit nicht mehr geltend gemacht hat, denn keine der übrigen Druckschriften (D1, D2, D4 bis D9) zeigt die Herstellung eines Zahnmodells mit einem Implantatanalog [Merkmal 1.3], bei dem das Implantatanalog direkt als Teil des Zahnmodells gedruckt wird [Merkmal 1.3.1].
2.2.1 Aus der bereits in der Streitpatentschrift genannten Druckschrift D1 ergeben sich alle Merkmale des Oberbegriffs und das Merkmal 1.4. So zeigt die D1 ein Verfahren zum Herstellen eines Zahnmodells von wenigstens einem Teil eines Oberkiefers und/oder eines Unterkiefers (vgl. D1 Abs. [0024]: „For a typical single tooth crown patient, three unique physical models would be made – the upper and lower jaw model of the original digital model and the isolated tooth die.“) [= Merkmal 1.]. Hierzu werden mittels eines Intra-Oral-Scanners dreidimensionale Daten der Zahnstruktur erhalten (vgl. D1 Abs. [0017]: „In the environment of FIG. 1, data obtained by an intra-oral scanner 102 of the dental structures is used to create a digital 3D surface contour of the scanned dental structures.“, Fig. 1 Bezugszeichen (102)) [= Merkmal 1.1.1].
Der Fachmann kannte zum Anmeldezeitpunkt auch andere bildgebende Verfahren zur Aufnahme der Dentalstruktur und wird diese bekannten Maßnahmen im Rahmen fachmännischen Handelns ebenfalls einsetzen bzw. kombinieren [= Merkmal 1.1.2].
Aus diesen Daten wird ein virtuelles Zahnmodell erhalten (digital 3D surface contour of the scanned dental structures) (vgl. D1 Abs. [0017]: „...is used to create a digital 3D surface contour of the scanned dental structures.“) [= Merkmal 1.1].
Da die Daten mittels eines Scanvorgangs der Mundsituation gewonnen werden, muss notwendigerweise zum Erzeugen eines physischen Modells eine weitere Fläche bzw. eine Basis hinzugefügt werden. Dies wird auch in Bezug auf Fig. 3 erläutert. So wird bei der Erstellung des virtuellen Modells das digitale Modell des Kiefers jeweils mit einer Modellbasis verbunden (vgl. D1 Abs. [0029]: „The virtual study model creation process also fuses the digital working model of both jaws with the model bases depicted in FIG. 3. In addition, available Digital X-Ray data for the patient may be registered, scaled and fused with the digital working model data to generate a virtual 3D model that includes a synthesized 3D view of the teeth root structures.“) [= Merkmal 1.4].
Mittels CAD/CAM-Verfahren wird anschließend ein physisches Modell der dentalen Struktur hergestellt (vgl. D1 Abs. [0009]: „Implementations of the above aspect may include one or more of the following. A dental Computer Aided Design (CAD) system can be used to view the digital model and select the teeth that need to be isolated. The dental CAD system can then create 3D digital teeth die models for the selected teeth. A Computer Integrated Manufacturing (CIM) system can create physical study models representative of the original digital dental model and the digital teeth die models.“, Fig. 3) [= Merkmal 1.2].
Es fehlen in der D1 jedoch die Merkmale 1.3 und 1.3.1, wonach das erstellte Modell ein Implantatanalog enthält und dieses als Teil des Zahnmodells ausgedruckt wird. Diese Lehre kann der Fachmann der D1 nicht entnehmen, da der D1 kein Hinweis auf die Herstellung oder Positionierung eines Implantatanalogs zu entnehmen ist.
2.2.2 Die Druckschrift D4 zeigt ein Verfahren zur Herstellung einer Zahnprothese mittels CAD/CAM-Verfahren (vgl. D4 Titel: „An immediately loaded CAD/CAM-guided definitive prosthesis: A clinical report“), insbesondere beschreibt die D4 u. a. das Erstellen einer Zahnprothese mittels CAD/CAM-Technologien, mit denen als Ausgangspunkt ein Dentalmodell erstellt wird (vgl. D4 S. 11 re. Sp.: „A CT scan and specialized surgical planning software is used to produce an accurate stereo-lithography cast.“) [= Merkmal 1.].
Die Daten des Kiefers werden mittels eines zweistufigen CT-Verfahrens aufgenommen (vgl. D4 S. 8: „The patient was prescribed for a maxillary computed tomography (CT), using a double-scan technique, which allowed views of different objects at different densities. The first scan was of the patient with the denture, which included the radiopaque markers and the interocclusal record. The second scan was of the denture only.“) [= Merkmale 1.1.1 und 1.1.2], um hieraus ein dreidimensionales Modell des Kiefers zu erhalten (vgl. D4 S. 8f. re. Sp.: „The CT data ... having the 2 sets of scans superimposed upon each other. One scan was of the osseous tissues and the other the complete denture, which showed the position of the planned denture teeth in relation to the bone. … A 3-dimensional implant planning software program (Oralim; Medicim) allowed the clinicians to evaluate the osseous tissues in relation to the position of the denture teeth. From this information, the sizes and positions of the dental implants were digitally evaluated and placed.“, Fig. 2A) [= Merkmal 1.1].
Diese virtuellen Daten des Kiefers werden verwendet, um damit die Größe und Lage der Implantate zu bestimmen (vgl. D4 S. 9 li. Sp.: „From this information, the sizes and positions of the dental implants were digitally evaluated and placed.“).
Anschließend werden die Daten an ein Fräszentrum übermittelt, um mittels Stereolithographie ein physisches Zahnmodell (cast) zu erzeugen (vgl. D4 S. 9 li. Sp.: „The data was transferred to a milling center (Procera; Nobel Biocare) to fabricate the stereo-lithography cast with the preplanned osteotomy sites of the dental implants.“) [= Merkmal 1.2]. Hierbei liest der Fachmann analog zur D1 mit, dass dem virtuellen Modell eine Basis hinzugefügt wird. Eine derartige Basis ist auch bei dem erstellten physischen Zahnmodell gemäß Fig. 3A der D4 erforderlich, um das Zahnmodell im Artikulator zu befestigen [= Merkmal 1.4].
An den geplanten Positionen der Implantate werden am Zahnmodell Implantatanaloge (implant replicas) eingefügt (vgl. D4 S. 9 li. Sp.: „In these sites, implant replicas were placed, providing the exact positions of the implants (Fig. 2).“) [= Merkmal 1.3]. Am Zahnmodell müssen somit denklogisch Leerstellen enthalten sein, die bereits bei der Erstellung des Zahnmodells vorgesehen sind oder nachträglich erstellt wurden, um darin in einem weiteren Verfahrensschritt die Implantatanaloge anzubringen. Damit unterscheidet sich das Verfahren der D4 von dem gemäß Hauptanspruch beanspruchten Verfahren, bei dem das Implantatanalog direkt als Teil des Zahnmodells ausgedruckt wird [Merkmal 1.3.1].
2.2.3 Die D5 beschreibt ein Verfahren zum Platzieren und Herstellen einer dentalen Suprastruktur, wobei die Planung der Position der Implantate mittels CAD vorgenommen wird und auf Grundlage dieser Planung ein oder mehrere Zubehörteile und/oder ein Zahnmodell (digital cast 35) hergestellt werden (vgl. D5 Abstract, S. 18 Z. 5ff.: „The digital cast 35, a part of which is represented in figure 5, as well as a larger part in figure 7, can for example be made by means of rapid prototyping on the basis of the digital data of the aforesaid CT-scan and the computer planning.“) [= Merkmal 1.].
Es werden dreidimensionale Daten der Mundstruktur entweder durch Scannen eines Abdrucks, Scannen im Mund und/oder Kombination mit einer CT-Bildaufnahme erhalten (vgl. D5 S. 9 Z. 22f.: „In this case, the jaws of the patient or a cast thereof will be scanned, for example with a laser scanner.“, S. 10 Z. 6ff.: „This can be done for example by first scanning the patient with a computed tomography scanner, CT-scanner in short, and by simulating the implants on the CT-scans, as described in the Belgian patent No. 1.011.205.“) [= Merkmale 1.1.1 und 1.1.2].
Nach der Aufnahme der Daten wird ein virtuelles Modell von wenigstens dem Teil des Oberkiefers und/oder eines Unterkiefers erzeugt, wobei mittels eines Rapid-Prototyping-Verfahrens ein physisches Zahnmodell (digital cast 35) hergestellt werden kann (vgl. D5 S. 18 Z. 5–15: „The digital cast 35, a part of which is represented in figure 5, as well as a larger part in figure 7, can for example be made by means of rapid prototyping on the basis of the digital data of the aforesaid CT-scan and the computer planning. … Thus, it is possible to build such a digital cast 35, which is in fact a one-piece model representing both the gums 2 and the bone 5 of the patient.“, Fig. 5) [= Merkmale 1.1 und 1.2]. Der Fachmann wird zwangsläufig den gescannten dreidimensionalen Daten eine CAD-Basis hinzufügen [Merkmale 1.4]. Die bezüglich der D1 und D4 erläuterte Argumentation gilt für die D5 analog.
Bei der Erstellung des Zahnmodells werden die Position und Lage der Implantate berücksichtigt, indem im Zahnmodell Leerstellen vorgesehen sind, in denen Implantatanaloge befestigt werden können (vgl. D5 S. 18 Z. 17–19: „Also holes 38 are left in the digital cast 35 –based of the computer planning– in which implant replicas 39 can be fixed.“). Es wird ein Zahnmodell erhalten, das dem traditionell bekannten Gipsabdruck entspricht, an diesem werden die Implantatanaloge angebracht (vgl. D5 S. 18 Z. 21–25: „Thus a model is obtained, having the shape of the gums 2, and in which implant replicas 39 are found. This is exactly the same as traditional, manually made cast which is normally used in the laboratory to produce a superstructure.“) [= Merkmal 1.3].
Damit unterscheidet sich das gezeigte Verfahren vom Verfahren nach der Anspruchsfassung gemäß Hauptantrag, die das Drucken der Implantatanaloge direkt als Teil des Zahnmodells beinhaltet [Merkmal 1.3.1].
2.2.4 Die Druckschriften D2 und D6 bis D9 zeigen insbesondere nicht die Herstellung eines Implantatanalogs und damit auch nicht die Herstellung des Implantatanalogs als Teil des Zahnmodells [Merkmal 1.3.1]. Sie liegen weiter ab und haben in der mündlichen Verhandlung auch keine Rolle gespielt.
Die im Recherchebericht des Streitpatents genannte D2 lehrt ein Verfahren für die genaue Herstellung und Montage eines Metallgerüsts für Zahnimplantate. Bezüglich der Implantatanaloge (implant analogs 20) wird darauf hingewiesen, diese auf dem Zahnmodell anzubringen (vgl. D2 Sp. 6 Z. 2ff.: „The implant analogs 20 are replicas of actual dental implants, and are placed in the dental model 30 in the exact three-dimensional orientation as that found in the patient's mouth during an impression procedure.“).
Die Druckschriften D6 bis D9 betreffen das Gebiet der Erstellung virtueller Zahnmodelle u. a. zur Herstellung individuell gefertigter, implantatgestützter Zahnersatzteile insbesondere unter Zuhilfenahme von CAD/CAM-Verfahren. Weder die Verwendung noch die Herstellung eines Implantatanalogs werden in diesen Druckschriften erwähnt.
3. Dem Fachmann war die angegriffene Lehre des Streitpatents unter Berücksichtigung des im Verfahren befindlichen Stands der Technik, insbesondere der Druckschriften D4 oder D5, auch nicht nahegelegt.
3.1 Für die Beurteilung, ob eine beanspruchte Lösung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist von dem auszugehen, was der Gegenstand der Erfindung in der Gesamtheit seiner Lösungsmerkmale in ihrem technischen Zusammenhang (BGH GRUR 2007, 1055 – Papiermaschinengewebe) gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (BGH GRUR 2010, 607 – Fettsäurezusammensetzung), wobei verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein können (BGH GRUR 2009, 1039, Rn. 20 – Fischbissanzeiger; GRUR 2009, 382 – Olanzapin) und die Einordnung eines bestimmten Ausgangspunktes als – aus Sicht ex post – nächstliegender Stand der Technik weder ausreichend noch erforderlich ist (zuletzt BGH GRUR 2018, 509 – Spinfrequenz; GRUR 2017, 498 – Gestricktes Schuhoberteil). Vor dem Hintergrund des im Verfahren befindlichen Stands der Technik sieht der Senat in Übereinstimmung mit der Beklagten den Kern und die Leistung der Lehre des Streitpatents darin, ein Verfahren bereitzustellen, in dem gemäß Merkmal 1.3.1 ein Implantatanalog als Teil des hergestellten Dentalmodels ausgedruckt wird.
Hierbei ist für die Beurteilung eines Naheliegens insbesondere zu berücksichtigen, dass erfahrungsgemäß die technische Entwicklung nicht notwendigerweise diejenigen Wege geht, die sich bei nachträglicher Analyse der Ausgangsposition als sachlich plausibel oder gar mehr oder weniger zwangsläufig darstellen und es – abgesehen von denjenigen Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür bedarf, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln kann insbesondere nicht schon deshalb als nahegelegt bewertet werden, weil lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, von dem im Stand der Technik Bekannten zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen. Diese Wertung setzt vielmehr voraus, dass das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen (BGH GRUR 2010, 487 – einteilige Öse).
Danach wurde die erfindungsgemäße Lehre dem Fachmann nach Überzeugung des Senats im maßgeblichen Anmeldezeitpunkt unter Berücksichtigung des im Verfahren befindlichen Stands der Technik nicht nahegelegt, da weder im Stand der Technik ein Ausdrucken des Implantatanalogs als Teil des Modells lehrte noch hierzu Anregungen vermittelte.
3.2 Ausgehend von der technischen Lehre des Streitpatents ergab sich die objektiv zu lösende Aufgabe, eine Verbesserung der weitgehend manuellen Herstellung eines Zahnmodells aus Gips durch computergesteuerte Herstellungsverfahren eines Zahnmodells mittels CAD/CAM zu erreichen. Dadurch wird die handwerkliche Arbeit des Zahntechnikers verringert und die Präzision des physischen Modells verbessert.
Der Senat teilt die Auffassung der Klägerin, dass der Fachmann sein Augenmerk für eine derartige Problemlösung auf die Verfahren nach der D4 oder D5 als einem äußerst relevanten und erfolgversprechenden Stand der Technik richtete. Dort fand er allerdings keinerlei Vorbild oder Anregung, zur Problemlösung den erfindungsgemäß gewählten Weg des Druckens des Implantatanalogs als Teil des Zahnmodells zu beschreiten.
Soweit die Klägerin geltend macht, der Fachmann habe aufgrund seines Fachwissens Anlass gehabt, bei dem Verfahren zur Herstellung des Zahnmodells nach den Druckschriften D4 oder D5 das Implantatanalog direkt als Teil des Zahnmodells zu drucken, kann dem nicht beigetreten werden.
Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass erfahrungsgemäß die technische Entwicklung nicht notwendigerweise diejenigen Wege geht, die sich bei nachträglicher Analyse der Ausgangsposition als sachlich plausibel oder gar mehr oder weniger zwangsläufig darstellen und es – abgesehen von denjenigen Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür bedarf, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln kann insbesondere nicht schon deshalb als nahegelegt bewertet werden, weil lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, von dem im Stand der Technik Bekannten zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen. Diese Wertung setzt vielmehr voraus, dass das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen (BGH GRUR 2010, 487 – einteilige Öse).
Das gilt auch für die Frage, ob der Fachmann nicht unter Heranziehung seines Fachwissens naheliegend zur erfindungsgemäßen Lösung gelangen konnte. So ist nicht nur erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Stand der Technik zu entwickeln, sondern insbesondere musste der Fachmann im Anmeldezeitpunkt des Streitpatents Anlass gehabt haben, den Weg der Erfindung zur Problemlösung zu beschreiten.
Weder aus der D4, noch der D5 ergab sich für den Fachmann eine Anregung, ein Implantatanalog direkt als Teil des Zahnmodells zu drucken. Beide Druckschriften zeigen, ein Implantatanalog am mittels CAD/CAM-Methode hergestellten Zahnmodell zu montieren. Dies entspricht auch der bekannten Methode, die Implantatanaloge am Gipsmodell anzubringen, um darauf die geplante Zahnstruktur zu modellieren (vgl. D5 S. 18 Z. 22ff.: „This is exactly the same as traditional, manually made cast which is normally used in the laboratory to produce a superstructure.“, vgl. auch D7, vgl. D4 S. 9 li. Sp.: „In these sites, implant replicas were placed, providing the exact positions of the implants“ (Fig. 2).
Beim Übertragen der herkömmlichen Technik (Gipsmodell) auf ein digitales Verfahren zur Herstellung des Zahnmodells (CAM/Rapid Prototyping) behält der Fachmann diese Methode der nachträglichen Montage bei. Dieses Vorgehen zeigen auch die Druckschriften D4 und D5, die von einem mittels digitaler Daten erzeugten Zahnmodell ausgehen und darauf das Implantatanalog anbringen.
3.3 Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die CAD/CAM-Methoden bzw. die Rapid-Prototyping-Verfahren wie das 3D-Drucken dem Fachmann als solche bekannt waren. Der Umstand, dass die Kenntnis eines technischen Sachverhalts zum allgemeinen Fachwissen gehört, belegt noch nicht, dass es für den Fachmann nahegelegen hat, sich bei der Lösung eines bestimmten Problems dieser Kenntnis zu bedienen (BGH, Urteil vom 30. April 2009 – Xa ZR 56/05, GRUR 2009, 743 Rn. 37 – Airbag-Auslösesteuerung). Die grundsätzliche Möglichkeit der Verwendung der CAD/CAM-Methoden bzw. der Rapid-Prototyping-Verfahren besagt entgegen der Auffassung der Klägerin gerade nicht, dass für den Fachmann Anlass bestand, das Implantatanalog mittels CAD/CAM-Methoden bzw. der Rapid-Prototyping herzustellen, wobei darüber hinaus das Implantatanalog bereits als Teil des Zahnmodells gedruckt wird.
Über die fehlende Anregung hilft auch nicht der in der Rechtsprechung anerkannte Grundsatz hinweg, dass Veranlassung zur Heranziehung einer technischen Lösung, die als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Fachmanns gehört, bereits dann bestehen kann, wenn es für die Anwendung dieser Lösung zwar kein konkretes Vorbild gibt, die Nutzung ihrer Funktionalität in dem betreffenden Zusammenhang sich aber als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände festzustellen sind, die eine Anwendung als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 11. März 2014 – X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 – Farbversorgungssystem; Urteil vom 26. September 2017 – X ZR 109/15, GRUR 2018, 509 Rn. 113 – Spinfrequenz).
Unbestritten besitzt die Herstellung mittels CAD/CAM-Verfahren und/oder Rapid-Prototyping die Vorteile einer Qualitätssteigerung aufgrund der Fehlervermeidung der handwerklichen Leistung, sie besitzt eine hohe Flexibilität und ermöglicht auch einfache Korrekturen bei der Herstellung des Modells. Diese Verfahren gehörten im Sinne dieser Rechtsprechung als vielfältig anwendbare Mittel zum allgemeinen Fachwissen. Die generelle Eignung eines zum allgemeinen Fachwissen zählenden Lösungsmittels kann aber nur dann als Veranlassung zu ihrer Heranziehung genügen, wenn für den Fachmann ohne weiteres erkennbar ist, dass eine technische Ausgangslage besteht, in der sich der Einsatz des betreffenden Lösungsmittels als objektiv zweckmäßig darstellt.
Als hinreichender Anlass zu ihrer Anwendung könnte das Wissen des Fachmanns um die CAD/CAM-Verfahren daher nur dann genügen, wenn ihm die grundsätzliche Möglichkeit vor Augen stand, die Implantatanaloge ebenfalls als Teil des Zahnmodells herzustellen. Denn nur dann hätte er auf die CAD/CAM-Verfahren als ein ihm zur Verfügung stehendes generelles Mittel zur Herstellung zurückgreifen können. An dieser Voraussetzung fehlt es indessen nach den Vorbildern des Standes der Technik, die für den Fachmann aus den Druckschriften D4 und D5 lediglich die Anregung ergaben, die Implantatanaloge nachträglich hinzuzufügen, wie dies der Fachmann bereits aus den traditionellen Verfahren mit den Gipsmodellen kannte.
Das gilt ebenso für die weiteren, in der Rechtsprechung (siehe aktuell BGH Urt. v. 27. November 2018, X ZR 41/17) anerkannten Ausnahmen und Einschränkungen an das Erfordernis einer veranlassten erfindungsgemäßen Problemlösung, wie für eine beliebige, von einem bestimmten technischen Zweck losgelöste Auswahl aus mehreren Möglichkeiten. Denn die erfindungsgemäße Lösung erweist sich aus den genannten Gründen nicht als beliebig (hierzu BGHZ 156, 179, 189 f. = GRUR 2004, 47, 50 – blasenfreie Gummibahn I; GRUR 2008, 56 Rn. 25 – Injizierbarer Mikroschaum).
Eine andere Bewertung der erfindungsgemäßen Lösung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man weitergehend mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf abstellt, ob die mit einem Merkmal verbundenen besonderen Vorteile oder Wirkungen dann nicht zur Begründung einer erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden können, wenn sie in der Patentschrift nicht offenbart und auch für den Fachmann nicht erkennbar sind (siehe aktuell BGH Urt. v. 27. November 2018, X ZR 41/17 unter Hinweis auf BGH GRUR 1971, 403 – Hubwagen; ferner BGH GRUR 1962, 83 – Einlegesohle; GRUR 1960, 542 – Flugzeugbetankung; vgl. auch Benkard/Asendorf/Schmidt, PatG 11. Aufl. § 4 Rn. 105). Denn unabhängig davon, ob man diesen Ansatz kritisiert, weil hierin nicht mehr auf die objektive Bereicherung des Stands der Technik, sondern mehr auf Belohnungsaspekte abgestellt werde (so Keukenschrijver/Busse, PatG 8. Aufl., § 4 Rn. 78) oder ob man zutreffenderweise berücksichtigt, dass eine objektive Bereicherung des Stands der Technik nur angenommen werden kann, wenn sie auch für den Fachmann erkennbar ist, das heißt offenbart ist oder aufgrund des Fachwissens zugänglich ist (so auch Benkard/Asendorf/Schmidt, PatG 11. Aufl. § 4 Rn. 32), führt auch eine derartige Korrektur vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Denn sowohl in der Patentschrift in Absatz [0075] wie auch wortgleich in der Stammanmeldung (Seite 23 Zeile 35 – Seite 24 Zeile 2) und Teilanmeldung (Abs. 84) wird als wichtiges Beispiel vorteilhafter Möglichkeiten erwähnt, die Implantatanaloge ebenfalls als Teil des Zahnmodells herzustellen, und damit auf die Vorteile ausdrücklich hingewiesen, welche zudem für den Fachmann erkennbar waren.
Soweit in der oben genannten Rechtsprechung und Literatur im Hinblick auf die ausreichende Offenbarung der Vorteile und Wirkungen nur auf die Patentschrift abgestellt wird, muss allerdings nach Auffassung des Senats stattdessen auf den maßgeblichen Offenbarungsgehalt der Anmeldung des Patents abgestellt werden, da deren objektiver Inhalt die Grenzen des zulässigen Patentgegenstands bestimmt und der dort offenbarte Erfindungsgegenstand nicht nachträglich unzulässig erweitert sein darf. Die Patentschrift stellt insoweit in den Grenzen des Verbots der Erweiterung des Schutzbereichs keine zusätzliche Zäsur für einen zulässigen Rückgriff auf den ursprünglichen Offenbarungsgehalt der Anmeldung dar. Offenbarungsdefizite der Patentschrift sind deshalb nur dann erheblich, wenn hierdurch in anderer Hinsicht in die Zäsurwirkung der veröffentlichten Patentschrift eingegriffen wird.
3.4 Die im Übrigen von der Klägerin angeführten Entgegenhaltungen kommen der Erfindung nicht näher als der vorstehend beurteilte Stand der Technik. Sie legen die Lehre des Patentanspruchs 1 daher gleichfalls nicht nahe. Da aus keiner der übrigen entgegengehaltenen Druckschriften das Merkmal 1.3.1 bekannt oder nahegelegt ist, kann auch eine Zusammenschau dieser Schriften nicht zum Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 führen.
4. Nachdem die weiteren Patentansprüche auf den Patentanspruch 1 rückbezogen sind und von diesem getragen werden, ist auch ihr Gegenstand patentfähig.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.