Entscheidungsdatum: 27.10.2010
Auch eine am Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB orientierte Belehrung löst die Präklusionswirkung des § 47 Abs. 2a VwGO aus, da sie nicht geeignet ist, bei Betroffenen einen rechtserheblichen Irrtum hervorzurufen und sie davon abzuhalten, während des Planaufstellungsverfahrens Einwendungen zu erheben.
Die Antragstellerinnen wenden sich gegen den Ausschluss zentrenrelevanten Einzelhandels in einem im Januar 2008 beschlossenen und bekannt gemachten Änderungsbebauungsplan der Antragsgegnerin.
Bei der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs gab die Antragsgegnerin folgenden Hinweis:
Stellungnahmen zur Planung können während des Auslegungszeitraumes schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei der Stadt Mannheim abgegeben werden. Nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen können bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan unberücksichtigt bleiben. Ein Antrag nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist unzulässig, soweit mit ihm Einwendungen geltend gemacht werden, die vom Antragsteller im Rahmen der Auslegung nicht oder verspätet geltend gemacht wurden, aber hätten geltend gemacht werden können.
Die Antragstellerinnen haben während des Auslegungszeitraums keine Einwendungen erhoben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat ihren Normenkontrollantrag als unzulässig abgelehnt. Die Antragstellerinnen seien mit ihren Einwendungen nach § 47 Abs. 2a VwGO in formeller Hinsicht präkludiert. Die im Normenkontrollverfahren erhobenen Einwendungen hätten sämtlich schon im Zeitpunkt der öffentlichen Auslegung geltend gemacht werden können. Der Präklusion stehe nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin in ihrem Hinweis den Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB und nicht den nicht identischen Wortlaut des § 47 Abs. 2a VwGO verwendet habe. Beide durch dasselbe Gesetz eingeführten Vorschriften seien untrennbar und widerspruchsfrei miteinander verzahnt. Der Hinweis rufe keinen Irrtum über die Notwendigkeit der Erhebung von Einwendungen hervor. Er lasse keinen Zweifel daran, dass Einwendungen erhoben werden müssen, um keinen Rechtsverlust zu erleiden. Der Hinweis erfülle die notwendige Warnfunktion und führe dem Betroffenen erkennbar vor Augen, dass Einwendungen, die geltend gemacht werden können, auch rechtzeitig geltend zu machen seien, um die Unzulässigkeit eines Normenkontrollantrags zu vermeiden.
Gegen diesen Beschluss haben die Antragstellerinnen die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt. Sie halten die erfolgte Belehrung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB im Hinblick auf die abweichende Rechtsfolge nach § 47 Abs. 2a VwGO für unzureichend, da sie verschleiere, dass es möglich sei, sich mit der Erhebung nur einer einzigen Einwendung später sämtliche Rechtsschutzmöglichkeiten offen zu halten.
Die Antragsgegnerin verteidigt den angegriffenen Beschluss. Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt.
Der Senat kann ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 i.V.m. §§ 141, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Revision der Antragstellerinnen ist unbegründet. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs, mit dem dieser den Normenkontrollantrag als unzulässig abgewiesen hat, steht mit Bundesrecht im Einklang.
Die Antragsteller sind mit ihren erstmals im Normenkontrollverfahren erhobenen Einwendungen nach § 47 Abs. 2a VwGO präkludiert. Die Präklusionswirkung gemäß § 47 Abs. 2a VwGO tritt nur ein, wenn in der Bekanntmachung der Auslegung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde und die Bekanntmachung sowie der Hinweis ordnungsgemäß waren. Das ist hier der Fall. Dem Eintritt der Präklusionswirkung gemäß § 47 Abs. 2a VwGO steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin während der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs in ihrer Belehrung den in § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB vorgesehenen Wortlaut verwendet hat.
1. Allerdings ist der Revision zuzugeben, dass der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB einerseits und derjenige von § 47 Abs. 2a VwGO andererseits dahin verstanden werden können, dass sie unterschiedliche Rechtsfolgen umschreiben (ebenso Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 13. Januar 2010 - 15 N 09.135 - DVBl 2010, 387 = BauR 2010, 745).
Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB in der durch das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. Dezember 2006, BGBl I S. 3316, geänderten Fassung ist bei der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs darauf hinzuweisen, dass ein Antrag nach § 47 VwGO unzulässig ist, soweit (Hervorhebung hier) mit ihm Einwendungen geltend gemacht werden, die vom Antragsteller im Rahmen der Auslegung nicht oder verspätet geltend gemacht wurden, aber hätten geltend gemacht werden können.
Demgegenüber ist nach § 47 Abs. 2a VwGO in der durch dasselbe Gesetz vom 21. Dezember 2006 geänderten Fassung der Antrag einer natürlichen Person, der einen Bebauungsplan zum Gegenstand hat, unzulässig, wenn die den Antrag stellende Person nur (Hervorhebung hier) Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können, und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist. Hierzu ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass § 47 Abs. 2a VwGO für die Zulässigkeit nur verlangt, dass der Antragsteller bei der Planaufstellung überhaupt rechtzeitig Einwendungen erhebt und jedenfalls eine dieser Einwendungen im Normenkontrollverfahren geltend macht. Er ist nicht gehindert, sich im Normenkontrollverfahren auch auf solche Einwendungen zu berufen, die er zuvor nicht geltend gemacht hat (Urteil vom 24. März 2010 - BVerwG 4 CN 3.09 - BauR 2010, 1051 Rn. 14).
Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB kann dagegen dahin ausgelegt werden, dass ein Normenkontrollantrag teilweise - nämlich hinsichtlich der nicht rechtzeitig erhobenen Einwendungen - unzulässig ist. Dass ein solches Verständnis naheliegt, wird durch die Gesetzgebungsmaterialien noch verstärkt. Denn während des Gesetzgebungsverfahrens ist die Notwendigkeit gesehen worden, den (im Gesetzentwurf der Bundesregierung mit § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB noch identischen) Wortlaut für § 47 Abs. 2a VwGO in der genannten Weise zu ändern. Diese Änderung geht auf eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zurück und sollte dazu dienen, das Gewollte präziser zum Ausdruck zu bringen, nämlich dass der Antrag unzulässig ist, wenn der Antragsteller ausschließlich Einwendungen geltend macht, die er im Rahmen der Beteiligung nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BTDrucks 16/3308 S. 20). Der Vertreter des Bundesinteresses hat im Revisionsverfahren hierzu ergänzend vorgetragen, mit der Änderung habe zur Vermeidung von Missverständnissen klargestellt werden sollen, dass die Präklusion nicht zu einer Teilunzulässigkeit des Normenkontrollantrags führen könne. Eine solche - von der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs nicht beabsichtigte - Fassung hätte zu prozessrechtlichen Problemen führen können, da z.B. das Verhältnis eines teilweise unzulässigen Normenkontrollantrags zur Qualität der Normenkontrolle als Verfahren der objektiven Rechtskontrolle unklar geblieben wäre. Dass diese Änderung des Wortlauts von § 47 Abs. 2a VwGO nicht auch für die Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB übernommen worden ist, dürfte als Redaktionsversehen anzusehen sein (so auch Korbmacher, in: Brügelmann, BauGB § 3 Rn. 69).
2. Die von der Antragsgegnerin verwendete, am Wortlaut von § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB orientierte Belehrung ist jedoch nicht geeignet, bei Betroffenen einen rechtserheblichen Irrtum hervorzurufen und sie davon abzuhalten, während des Planaufstellungsverfahrens Einwendungen zu erheben.
Ob der Hinweis über die Obliegenheit, Einwendungen zu erheben, ordnungsgemäß ist, beurteilt sich nach den Grundsätzen, die in der Rechtsprechung für Rechtsbehelfsbelehrungen entwickelt worden sind (Beschluss vom 31. Oktober 1989 - BVerwG 4 NB 7.89 - BRS 49 Nr. 31 = Buchholz 406.11 § 2a BBauG Nr. 11 zu § 155a BBauG 1979). Eine derartige Belehrung darf keinen irreführenden Zusatz haben und darf insbesondere nicht geeignet sein, einen Betroffenen vom rechtzeitigen Geltendmachen von Einwendungen oder Rügen abzuhalten. Nur ein Irrtum über Voraussetzungen oder Rechtsfolgen einer Einwendung oder eines Rechtsbehelfs, die den Betroffenen davon abhalten, sich überhaupt, rechtzeitig und in der richtigen Form zu äußern, ist geeignet der Belehrung ihre Wirksamkeit zu nehmen (vgl. Urteil vom 21. März 2003 - BVerwG 4 C 2.01 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 83 zum Vertretungszwang). Dies ist hier nicht der Fall.
Die von der Antragsgegnerin verwendete Belehrung ist nicht geeignet, einen von den Festsetzungen eines künftigen Bebauungsplans Betroffenen in diesem Sinn in die Irre zu führen. Vielmehr macht sie dem Betroffenen deutlich, dass er Einwendungen erheben muss, um sich die Möglichkeit eines späteren Normenkontrollantrags zu erhalten (ebenso OVG Münster, Beschluss vom 29. August 2008 - 7 B 915/08.NE - BRS 73 Nr. 56). Eine dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB folgende Belehrung lässt im Vergleich zum Wortlaut des § 47 Abs. 2a VwGO erst recht keinen Zweifel daran, dass Einwendungen erhoben werden müssen, um einen Rechtsverlust zu vermeiden. Dagegen ist es nicht Aufgabe einer derartigen Belehrung, den Betroffenen bereits im Einzelnen darüber zu belehren, unter welchen Voraussetzungen ein späterer Normenkontrollantrag zulässig oder unzulässig sein könnte. Umso weniger hat eine derartige Belehrung - entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen - die Aufgabe, gleichsam taktische Erwägungen zu erleichtern, ob es sinnvoll und Erfolg versprechend ist, einzelne Einwendungen während des Verfahrens nach § 3 BauGB gezielt zurückzuhalten und sie erst im Normenkontrollverfahren geltend zu machen. Die Einführung der Präklusionswirkung soll vielmehr dem Umstand Rechnung tragen, dass bereits im Aufstellungsverfahren Mitwirkungsbefugnisse bestehen, die dem Ziel dienen, die jeweiligen Interessen rechtzeitig dem Abwägungsmaterial zuzuführen. Im Hinblick u.a. auf die Aufgabenverteilung zwischen Plangeber und Verwaltungsgerichten sollen sachliche Einwendungen nicht ohne Not erst im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden (Urteile vom 24. März 2010 - a.a.O. Rn. 14 und vom 26. April 2007 - BVerwG 4 CN 3.06 - BVerwGE 128, 382 Rn. 22). Mit der Belehrung braucht der Betroffene daher nicht darauf hingewiesen zu werden, dass sein Normenkontrollantrag auch dann zulässig sein kann, wenn er einzelne Einwendungen - bewusst - nicht erhebt.
Es spricht entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen auch nichts dafür, dass die am Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB orientierte Belehrung einen Betroffenen insgesamt davon abhalten könnte, Einwendungen zu erheben, weil ihm dies im Hinblick auf die Komplexität der Materie ohne Anwalt nicht möglich wäre. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass der von einer gemeindlichen Bauleitplanung Betroffene eigenständig in der Lage ist, die aus seiner Sicht gegen diese Planung sprechenden Gesichtspunkte und seine Betroffenheit so zu benennen, dass sie von der Gemeindeverwaltung und dem Rat der Gemeinde verstanden und im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden können. Einwendungen müssen so konkret sein, dass die Behörde erkennen kann, in welcher Weise sie bestimmte Belange einer näheren Betrachtung unterziehen soll (Beschlüsse vom 16. Oktober 2001 - BVerwG 4 VR 20.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 165 S. 83 und vom 9. Oktober 2008 - BVerwG 9 PKH 2.08 - Buchholz 407.4 § 17a FStrG Nr. 1 Rn. 4). Rechtskenntnisse werden vom Bürger in diesem Zusammenhang aber nicht erwartet.
Zur Klarstellung ist allerdings hervorzuheben: Die Gemeinden sind nicht gehalten, bei ihren Belehrungen den Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB zu verwenden. Denn die maßgebliche Rechtsfolge ergibt sich aus § 47 Abs. 2a VwGO. Die Gemeinden sind im Sinne einer bürgerfreundlichen Verwaltung vielmehr gut beraten, sich bei ihren Belehrungen am Wortlaut des § 47 Abs. 2a VwGO zu orientieren.