Entscheidungsdatum: 14.03.2017
Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union, ob Art. 11 UVP-RL (juris: EURL 92/2011) der Anwendung des § 215 Abs. 1 BauGB entgegensteht, wenn der Antragsteller eines Normenkontrollverfahrens sich gegen einen Bebauungsplan wendet, durch den die Zulässigkeit eines Vorhabens begründet werden soll, das jedenfalls UVP-vorprüfungspflichtig ist.
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgender Frage eingeholt:
Ist Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012 L 26 S. 1) - UVP-Richtlinie (UVP-RL) so auszulegen, dass die Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht, die einen Rechtsverstoß bei der Beteiligung der Öffentlichkeit im Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans durch eine gemeindliche Satzung für unbeachtlich erklärt, wenn dieser Verstoß trotz entsprechender Belehrung nicht binnen eines Jahres nach der Bekanntgabe des Plans gegenüber der Gemeinde gerügt worden ist und für den Bebauungsplan die Bestimmungen der UVP-Richtlinie über die Beteiligung der Öffentlichkeit gelten?
I
Die Frage stellt sich in einem Streit zwischen einem Grundstückseigentümer und einer Gemeinde über die Wirksamkeit eines Bebauungsplans. Das Plangebiet schließt räumlich an einen auf der Grundlage weiterer Bebauungspläne errichteten Windpark mit 19 Windenergieanlagen an. Er schafft die bauplanungsrechtliche Grundlage für jedenfalls vier weitere Windenergieanlagen. Deren Höhe ist auf 120 m begrenzt. Die Errichtung anderer Bauwerke ist untersagt. Der Antragsteller bekämpft den Plan, weil er auf einem Teil seines im Plangebiet gelegenen Grundstücks eine Schweinemastanlage errichten will.
Im Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan hatte die Gemeinde die Öffentlichkeit beteiligt. Zu diesem Zweck gab die Gemeinde im Juni 2012 im Amtsblatt des Landkreises die Auslegung des Planentwurfs und weiterer Unterlagen bekannt. Diese Bekanntgabe verfehlte die gesetzlichen Anforderungen. Denn es waren zwar die ausliegenden Unterlagen bezeichnet. Es fehlte aber an ausreichenden Hinweisen, welche umweltbezogenen Themen in diesen Unterlagen behandelt werden. Dieser Fehler ist beachtlich nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Die Gemeinde beschloss den Bebauungsplan im Dezember 2012 und gab ihn bekannt. Sie wies darauf hin, dass eine Verletzung einer nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB beachtlichen Verfahrens- oder Formvorschrift unbeachtlich werde, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit der Bekanntmachung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sei. Der Fehler bei der Bekanntmachung der Auslegung wurde gegenüber der Gemeinde innerhalb dieser Frist nicht gerügt.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Plan mit einem zulässigen Normenkontrollantrag. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt (OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Juli 2015 - 12 KN 265/13). Das vorlegende Gericht ist zur Entscheidung über die Revision berufen.
II
Die auf den Fall anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften:
1. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3106)
§ 47
(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit
1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, ...[...].
(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, [...] innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. [...]
2. Baugesetzbuch (BauGB) i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722)
§ 2 Aufstellung der Bauleitpläne
(4) Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 und § 1a wird eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden; [...]
§ 3 Beteiligung der Öffentlichkeit
(2) Die Entwürfe der Bauleitpläne sind mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. Ort und Dauer der Auslegung sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, sind mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen; [...]
§ 10 Beschluss, Genehmigung und Inkrafttreten des Bebauungsplans
(1) Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung.
§ 214 Beachtlichkeit der Verletzung von Vorschriften über die Aufstellung des Flächennutzungsplans und der Satzungen; ergänzendes Verfahren
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn [...]
2. die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Abs. 2 [...] verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn [...] einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben [...]
[...]
(4) Der Flächennutzungsplan oder die Satzung können durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.
§ 215 Frist für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften
(1) Unbeachtlich werden
1. eine nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften, [...]
wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. [...]
(2) Bei Inkraftsetzung [...] der Satzung ist auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hinzuweisen.
3. Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 30. November 2016 (BGBl. I S. 2749)
§ 2 Begriffsbestimmungen
(1) Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen. [...]
(3) Entscheidungen im Sinne des Abs. 1 Satz 1 sind [...]
3. Beschlüsse nach § 10 des Baugesetzbuchs über die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bebauungsplänen, durch die die Zulässigkeit von bestimmten Vorhaben im Sinne der Anlage 1 begründet werden soll, [...]
§ 3e Änderungen und Erweiterungen UVP-pflichtiger Vorhaben
(1) Die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht auch für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, wenn [...]
2. eine Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3c Satz 1 und 3 ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann; [...]
§ 17 Aufstellung von Bauleitplänen
(1) Werden Bebauungspläne im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3, insbesondere bei Vorhaben nach den Nummern 18.1 bis 18.9 der Anlage 1, aufgestellt, geändert oder ergänzt, wird die Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der Vorprüfung des Einzelfalls nach § 2 Abs. 1 Satz 1 bis 3 sowie den §§ 3 bis 3f im Aufstellungsverfahren als Umweltprüfung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs durchgeführt. Abweichend von Satz 1 entfällt eine nach diesem Gesetz vorgeschriebene Vorprüfung des Einzelfalls, wenn für den aufzustellenden Bebauungsplan eine Umweltprüfung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs, die zugleich den Anforderungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung entspricht, durchgeführt wird.
[...]
(3) Wird die Umweltverträglichkeitsprüfung in einem Aufstellungsverfahren für einen Bebauungsplan und in einem nachfolgenden Zulassungsverfahren durchgeführt, soll die Umweltverträglichkeitsprüfung im nachfolgenden Zulassungsverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränkt werden.
III
1. Die Frage ist entscheidungserheblich. Gemäß nationalem Recht muss die Revision des Antragstellers erfolglos bleiben. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist der Bebauungsplan inhaltlich nicht zu beanstanden. Unionsrechtliche Fragen stellen sich insoweit nicht. Auch in formeller Hinsicht ist der Plan im Wesentlichen ordnungsgemäß. Der Gemeinde ist aber im Aufstellungsverfahren ein Fehler unterlaufen, der zur Unwirksamkeit des Plans führt. Nach nationalem Recht erstreckt sich die gerichtliche Prüfung auf diesen Fehler nicht.
Die Bekanntmachung der Gemeinde zur öffentlichen Auslegung des Planentwurfs verstieß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme (ABl. L 156 S. 17). § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB verlangt, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und in der ortsüblichen Bekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 CN 3.12 - BVerwGE 147, 206 Rn. 23). Daran fehlte es. Dieser nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtliche Verfahrensfehler ist nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden. Denn niemand hat ihn innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans gegenüber der Gemeinde gerügt. Auf die Rechtsfolge der Unbeachtlichkeit eines nicht fristgerecht gerügten Verfahrensfehlers hatte die Gemeinde nach § 215 Abs. 2 BauGB ordnungsgemäß hingewiesen.
Bei Anwendung des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB müsste das vorlegende Gericht die Revision zurückweisen. Steht Unionsrecht der Anwendung des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB entgegen, müsste das vorlegende Gericht den Bebauungsplan für unwirksam erklären.
2. Der Senat hat Zweifel, ob Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012 L 26 S. 1) - UVP-Richtlinie (UVP-RL) so auszulegen ist, dass die Vorschrift einer Anwendung des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB entgegensteht.
Nach Art. 11 Abs. 1 UVP-RL stellen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen der UVP-RL über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.
a) Für den angegriffenen Bebauungsplan gelten die Bestimmungen der UVP-RL über die Öffentlichkeitsbeteiligung. Anlagen zur Nutzung von Windenergie zur Stromerzeugung (Windfarmen) sind Vorhaben nach Ziff. 3 Buchst. i des Anhangs II der UVP-RL. Bei diesen Projekten bestimmen die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 UVP-RL, ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Art. 5 bis 10 UVP-RL unterzogen werden muss. Die Erweiterung des vorhandenen Windparks bedurfte gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG einer Vorprüfung des Einzelfalls, mit der über die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung entschieden wurde. Der angegriffene Bebauungsplan war nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UVPG eine Entscheidung über die Zulässigkeit dieses Vorhabens, weil er eine Standortentscheidung für die Zulässigkeit eines bestimmten, hinreichend konkreten Vorhabens traf und sich nicht in einer Angebotsplanung erschöpfte (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 14. Oktober 2014 - 8 C 10233/14 - NVwZ-RR 2015, 205 Rn. 37). Die Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der Vorprüfung des Einzelfalls wurde daher nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UVPG im Aufstellungsverfahren als Umweltprüfung im Sinne von § 2 Abs. 4 BauGB nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs durchgeführt. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UVPG entfiel abweichend von § 17 Abs. 1 Satz 1 UVPG die vorgeschriebene Vorprüfung des Einzelfalls, weil für den Bebauungsplan eine Umweltprüfung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs durchgeführt wurde, die den Anforderungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung entsprach. Damit unterstellt der nationale Gesetzgeber Bebauungspläne den Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung nach der UVP-RL, die - wie der verfahrensgegenständliche Plan - die Zulässigkeit eines Vorhabens begründen, das nach dem Ergebnis einer Vorprüfung einer Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen kann.
b) Art. 11 Abs. 1 UVP-RL verlangt einen Zugang zu einem Gericht (oder einer anderen Stelle), um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit eines solchen Hoheitsaktes anzufechten. Die Vorschrift beschränkt dabei keineswegs die Gründe, die mit einem Rechtsbehelf nach dieser Vorschrift geltend gemacht werden können. Auch Art. 11 Abs. 4 UVP-RL lässt eine solche Beschränkung nicht zu (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683_1] - Rn. 76 f.).
§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beschränkt nicht von vornherein die Gründe, auf die ein Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gestützt werden kann. Ein Normenkontrollantrag ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur innerhalb eines Jahres nach der Bekanntmachung des Bebauungsplans zulässig. Innerhalb dieser Frist ist ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB beachtlich. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB lässt einen Verstoß unbeachtlich werden, wenn weder der Antragsteller noch irgendjemand sonst den Fehler binnen der Frist eines Jahres nach der Bekanntmachung des Plans gegenüber der Gemeinde hinreichend substantiiert rügt. Die Rüge kann auch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen werden. Die Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB verlangt aber auch in diesem Fall, dass die Rüge innerhalb dieser Frist bei der Gemeinde eingeht. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beschränkt also nicht die Gründe, auf welche ein Rechtsbehelf bei seiner Erhebung gestützt werden kann. Die Norm verhindert aber die gerichtliche Prüfung von bestimmten Gründen, die gegenüber der Gemeinde nicht fristgerecht geltend gemacht wurden. Auf diese Gründe kann die Entscheidung über den Normenkontrollantrag - wie auch jede sonstige gerichtliche Entscheidung über die Gültigkeit des Bebauungsplans - nicht mehr gestützt werden, wenn sie nach Fristablauf ergeht.
Der Europäische Gerichtshof wird um Klärung gebeten, ob Art. 11 Abs. 1 UVP-RL so auszulegen ist, dass er einer solchen Regelung entgegensteht. Dies wird im Schrifttum im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683_1] - Rn. 75 ff. angenommen (Berkemann, DVBl. 2016, 205 <214>; Bunge, NuR 2016, 11 <18>; Schlacke, in: Hebeler/Hofmann/Proelß/Reiff
c) Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts sollte Art. 11 Abs. 4 UVP-RL erwogen werden. Die Norm schließt die Möglichkeit eines vorausgehenden Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.
Die Rüge nach § 215 Abs. 1 BauGB dient der verwaltungsbehördlichen Überprüfung. Die Gemeinde soll auf die Rüge hin prüfen, ob sie Anlass hat, einen Fehler in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB zu beheben. Die Rüge nach § 215 Abs. 1 BauGB ist allerdings kein Erfordernis, um ein gerichtliches Normenkontrollverfahren einzuleiten. Für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags spielt sie keine Rolle. Das Überprüfungsverfahren nach § 215 Abs. 1 BauGB braucht dem gerichtlichen Verfahren daher nicht vorauszugehen und tut dies in der Regel auch nicht. Rügen nach § 215 Abs. 1 BauGB werden in der Praxis vielmehr überwiegend bei Einleitung oder während des Normenkontrollverfahrens erhoben.
Ungeachtet dieser Abweichungen von Art. 11 Abs. 4 UVP-RL dient § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB einem Zweck, den die Richtlinie billigt. Art. 11 Abs. 4 UVP-RL berechtigt den Mitgliedstaat, das verwaltungsbehördliche Überprüfungsverfahren innerhalb einer bestimmten Frist zu eröffnen, Verwaltungsakte nach Fristablauf bestandskräftig werden zu lassen und so gerichtlicher Überprüfung zu entziehen. Diesen Weg wählt der nationale Gesetzgeber bei Bebauungsplänen nicht. Solche Pläne werden nach § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung erlassen. Bei beachtlichen Rechtsverstößen sind sie von Beginn an und zeitlich unbegrenzt unwirksam. Dies gilt unabhängig vom Gewicht eines Verstoßes und bei Verfahrensfehlern unabhängig davon, ob sie sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB schränkt diese Grundsätze ein. Beschränkt auf bestimmte Rechtsverstöße, etwa solche des Verfahrensrechts, wirkt die Vorschrift vergleichbar einer Regelung über die Bestandskraft von Verwaltungsakten. Denn sie entzieht Rechtsverstöße der gerichtlichen Prüfung. Unterbleibt eine Rüge, sind nach Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung des Bebauungsplans nur noch bestimmte Fehler beachtlich. Dies sind insbesondere inhaltliche Fehler wie das Fehlen der städtebaulichen Erforderlichkeit, unzulässige Festsetzungsinhalte und Fehler im Abwägungsergebnis.
§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB erscheint damit als Regelung innerhalb des von Art. 11 Abs. 4 UVP-RL eröffneten Spielraums: Art. 11 Abs. 4 UVP-RL gestattet dem Mitgliedstaat, einen Hoheitsakt nach Ablauf von Fristen für behördliche Überprüfungsverfahren der gerichtlichen Kontrolle vollständig zu entziehen. Dahinter bleibt § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB zurück. Denn die Norm entzieht den Hoheitsakt nicht vollständig der gerichtlichen Kontrolle, sondern nur hinsichtlich einzelner Rechtsverstöße.
d) Das vorlegende Gericht hält § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB aus Gründen der Rechtssicherheit für gerechtfertigt. Der Europäische Gerichtshof hat es nicht für erwiesen gehalten, dass eine umfassende Kontrolle der sachlichen Richtigkeit einer Entscheidung dem Grundsatz der Rechtssicherheit abträglich sein könnte (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683_1] - Rn. 79). Generalanwalt Wathelet hat in seinem Schlussantrag vom 21. Mai 2015 in der Sache C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:344_1] insoweit die Ausschlussfristen für die gerichtliche Anfechtung von Entscheidungen der Verwaltungsbehörde für ausreichend gehalten (Rn. 118). Bei Bebauungsplänen führt der Ablauf der Ausschlussfrist für den Normenkontrollantrag indes nicht zur Rechtssicherheit. Denn auch nach Ablauf der Frist kann in jedem gerichtlichen Verfahren, etwa beim Streit um Baugenehmigungen, die Unwirksamkeit eines Bebauungsplans geltend gemacht werden.
§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB hat für die Rechtssicherheit besondere Bedeutung, wenn eine verbreitete Verwaltungsübung gemessen an späteren höchstrichterlichen Entscheidungen mangelhaft erscheint. So entsprach vorliegend die Auslegungsbekanntmachung der Gemeinde im Jahr 2012 der damals üblichen Praxis. Weitergehende rechtliche Anforderungen formulierte das Bundesverwaltungsgericht erstmals in seinem Urteil vom 18. Juli 2013 (4 CN 3.12 - BVerwGE 147, 206 Rn. 23). Im Lichte dieser Rechtsprechung dürfte eine Vielzahl von zuvor erlassenen Bebauungsplänen an einem Mangel im Aufstellungsverfahren leiden. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB gewährleistet, dass ein solcher Mangel nicht noch nach Jahren in einem gerichtlichen Verfahren erstmals geltend gemacht und die planungsrechtliche Grundlage für bereits errichtete Gebäude wieder in Zweifel gezogen werden kann. Entsprechend hat der Vertreter des Bundesinteresses in Übereinstimmung mit der Bundesregierung auf die Bedeutung des § 215 BauGB für die Investitionssicherheit in Deutschland hingewiesen.
e) Die Rügeobliegenheit nach § 215 Abs. 1 BauGB genügt nach Auffassung des vorlegenden Gerichts auch im Übrigen dem Unionsrecht.
Soweit unionsrechtliche Vorschriften fehlen, ist es Aufgabe der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Modalitäten dürfen nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die der entsprechenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - C-115/09 [ECLI:EU:C:2011:289] - Rn. 43). Dem genügt § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Die Norm behandelt Verstöße gegen Vorschriften, die ihren Ursprung im Unionsrecht haben, nicht anders als Verstöße gegen Vorschriften aus dem nationalen Recht. Auch das Gebot der Effektivität ist beachtet. Die Rügefrist ist mit einem Jahr ausreichend bemessen. Zudem ist die Gemeinde nach § 215 Abs. 2 BauGB verpflichtet, bei Inkraftsetzung des Bebauungsplans auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hinzuweisen. Unterbleibt ein solcher Hinweis, tritt die Rechtsfolge des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB nicht ein. Dies stellt sicher, dass die Betroffenen ihre Rügeobliegenheit effektiv wahrnehmen können.