Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 01.11.2018


BVerwG 01.11.2018 - 4 C 5/17

Privilegierung nicht uvp-(vorprüfungs-)pflichtiger gewerblicher Tierhaltungsanlagen


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
01.11.2018
Aktenzeichen:
4 C 5/17
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:011118U4C5.17.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OVG Lüneburg, 15. Juni 2017, Az: 1 LC 17/16, Urteilvorgehend VG Osnabrück, 17. Dezember 2015, Az: 2 A 58/15
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 BauGB steht bei gewerblichen Tierhaltungsanlagen nicht entgegen, dass es sich bei diesen - jedenfalls in Teilen des Bundesgebiets - um Massenphänomene handeln dürfte.

2. Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 BauGB scheidet grundsätzlich aus, wenn die Gemeinde von ihrer Planungshoheit im Wege der Bebauungsplanung Gebrauch gemacht und auf dieser Grundlage die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Realisierung des Vorhabens nach Maßgabe des § 30 BauGB eröffnet hat.

Tatbestand

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Der Kläger nimmt den Beklagten auf Erteilung einer Baugenehmigung in Anspruch.

2

Er ist Landwirt mit einer Hofstelle im Außenbereich der Beigeladenen, auf der er Schweine hält. Er beabsichtigt den Neubau eines Sauenstalles, den Anbau eines Ferkelaufzuchtstalles, den Neubau eines Güllehochbehälters und die Aufstellung eines Futtersilos nebst Nutzungsänderung sowie den Anbau eines Heizungs- und eines Futtermittellagerraums. Der Betrieb soll durch das Vorhaben um 193 Sauen- und 1 000 Ferkelplätze aufgestockt werden. Künftig sollen 456 nicht tragende Sauen, 2 Eber, 94 Sauen mit Ferkeln und 2 440 Aufzuchtferkel gehalten werden.

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Die Beigeladene hat im Juni 2011 einen "Kriterienkatalog" zur Steuerung der Ansiedlung gewerblicher Tierhaltungsanlagen im Gemeindegebiet beschlossen und dort bestimmte Voraussetzungen niedergelegt, die Erweiterungsflächen für Tierhaltungsanlagen erfüllen müssen, wie etwa bestimmte Mindestabstände zu schutzwürdigen Nutzungen (sog. Haselünner Modell). Werden an die Beigeladene Wünsche zur Neuerrichtung oder Änderung einer Tierhaltungsanlage herangetragen, die dem Kriterienkatalog entsprechen, so stellt sie für das Baugrundstück einen (Angebots-)Bebauungsplan auf, in dem Art (Sondergebiet gewerbliche Tierhaltung) und Maß der baulichen Nutzung, Baufenster, Emissionskontingente und teilweise auch Straßenverkehrsflächen festgesetzt sind. Gleichzeitig ändert sie punktuell den Flächennutzungsplan. In den Begründungen der Pläne wird die Erwartung geäußert, damit der Zulassung gewerblicher Tierhaltungsanlagen auf unbeplanten Außenbereichsflächen den Boden entzogen zu haben. Eine Gesamtabwägung geeigneter und ungeeigneter Standorte im Gemeindegebiet enthalten die Planbegründungen nicht; allerdings wird der Kriterienkatalog dargestellt. Die Beigeladene hat seit Mitte 2011 mindestens sechs solcher Pläne aufgestellt, weitere Pläne sind in verschiedenen Stadien des Aufstellungsverfahrens.

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Der Kläger beantragte zunächst eine Genehmigung auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, stellte seinen Antrag dann aber auf eine gewerbliche Stallhaltung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB um. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass eine Privilegierung als gewerbliche Tierhaltung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ausscheide, da die Beigeladene von ihrem Planungsrecht Gebrauch gemacht und so festgelegt habe, dass Vorhaben der gewerblichen Tierhaltung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB gerade nicht im Außenbereich, sondern nur in für sie festgesetzten Sondergebieten ausgeführt werden sollten. Dies bedeute auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass derartige Vorhaben außerhalb der festgesetzten Sondergebiete nicht mehr zulässig seien.

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Die Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass das klägerische Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert sei. Die Ausweisung von Sondergebieten für Tierhaltung in Bebauungsplänen, die die Beigeladene vornehme bzw. vorgenommen habe, wenn bestimmte, in ihrem städtebaulichen Konzept (sog. Haselünner Modell) niedergelegte Voraussetzungen erfüllt seien, führe nicht zum Ausschluss der Privilegierung. Das folge aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, zumindest aber daraus, dass § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB durch die Einfügung des § 35 Abs. 3 Satz 4 BauGB (jetzt § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB) einen Inhaltswandel erfahren habe. Wegen der von dem Vorhaben ausgehenden Emissionen sei auch dessen Unterbringung in dem im Zusammenhang bebauten Innenbereich der Beigeladenen nicht möglich. Eine Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung bestehe angesichts der geplanten Tierplatzzahlen nicht. Öffentliche Belange stünden dem Vorhaben nicht entgegen; eine Konzentrationszonenplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB liege nicht vor.

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Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Die beigeladene Gemeinde hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht.

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Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des umstrittenen Vorhabens beurteilt sich nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB. Das Baugrundstück ist Bestandteil des Außenbereichs. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist nicht einschlägig, da der Kläger den Nachweis, dass er über langfristig gesicherte Flächen verfügt, auf denen er das Futter für seinen Tierbestand zum überwiegenden Teil selbst produzieren kann, nicht erbracht hat. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Unstreitig ist ferner, dass das klägerische Vorhaben nicht i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 BauGB einer Pflicht zur Durchführung einer UVP oder UVP-Vorprüfung unterfällt und dem Vorhaben - im Falle seiner Privilegierung - keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens hängt somit davon ab, ob es nach Maßgabe des § 35 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 BauGB privilegiert ist. Das hat das Oberverwaltungsgericht unter Verstoß gegen Bundesrecht bejaht.

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1. Eine privilegierte Zulassung des klägerischen Vorhabens kommt in Frage, wenn i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 Alt. 2 BauGB angenommen werden kann, dass es "wegen ... seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung ... " (siehe hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 10. September 1976 - 4 C 89.75 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 130) "nur im Außenbereich ausgeführt werden soll". Nach der tatrichterlichen Würdigung der Vorinstanz ist bei einer Schweinehaltung im hier letztlich entstehenden Ausbauzustand von solchen Wirkungen auszugehen (UA S. 7 und 12). Dass dieser Würdigung ein materiell fehlerhafter Maßstab zugrunde liegt, ist nicht ersichtlich und wird vom Beklagten auch nicht substantiiert dargetan.

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2. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass es sich bei dem klägerischen Vorhaben um ein solches i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 BauGB handelt, das nur im Außenbereich ausgeführt werden soll. Die rechtlichen Erwägungen, auf die sich das Oberverwaltungsgericht hierbei stützt, stehen nicht in jeder Hinsicht mit Bundesrecht in Einklang.

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a) Mit dem Berufungsgericht ist zwar davon auszugehen, dass die Privilegierung des klägerischen Vorhabens nicht an der Bereitschaft der Beigeladenen scheitert, für gewerbliche Tierhaltungsanlagen, die ihrem städtebaulichen Modell entsprechen, gegebenenfalls geeignete Flächen im Wege der Bebauungsplanung auszuweisen. Die Erfüllung der Merkmale des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die bloße Möglichkeit einer entsprechenden förmlichen Planung besteht. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 14. März 1975 - 4 C 41.73 - (BVerwGE 48, 109 <111>) festgestellt (siehe auch BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1976 - 4 C 62.74 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 127 = juris Rn. 25; ferner Beschluss vom 27. Juni 1983 - 4 B 206.82 - ZfBR 1983, 284 = NVwZ 1984, 169). Andernfalls liefe § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB leer. Denn nach § 9 BauGB lassen sich alle oder fast alle Vorhaben, die für eine Privilegierung im Außenbereich in Betracht kommen, auch durch förmliche Planung ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 14. März 1975 - 4 C 41.73 - BVerwGE 48, 109 <111>).

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Die Privilegierung des Vorhabens des Klägers ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei gewerblichen Tierhaltungsanlagen - jedenfalls in Teilen des Bundesgebiets - um Massenphänomene handeln dürfte. Zwar hat der Senat zu Windenergieanlagen entschieden, dass § 35 Abs. 1 Nr. 5 (jetzt Nr. 4) BauGB Vorhaben der in der Vorschrift bezeichneten Art privilegieren wolle, die singulären Charakter hätten, jedenfalls nicht in einer größeren Zahl zu erwarten seien (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1994 - 4 C 20.93 - BVerwGE 96, 95 <104>). Diese Wertung kann gewerblichen Tierhaltungsanlagen, die nicht uvp-(vorprüfungs-)pflichtig sind, aber nicht (mehr) entgegengehalten werden. Das folgt aus der Einfügung des Halbsatzes 2 in § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB durch das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 (BGBl. I S. 1548). Der Gesetzgeber hat nicht die Augen davor verschlossen, dass die Anzahl der errichteten und zur Genehmigung gestellten gewerblichen Tierhaltungsanlagen in den letzten Jahren stark zugenommen hat (vgl. BT-Drs. 17/11468 S. 14). Gleichwohl hat er nicht alle diese Anlagen von der Privilegierung ausgenommen, sondern gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 BauGB nur solche, die einer UVP-(vorprüfungs-)Pflicht unterliegen.

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b) Bundesrechtswidrig ist allerdings die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass der Kläger mit seinem Vorhaben nicht auf Innenbereichsflächen der Beigeladenen, namentlich auf die bereits durch Bebauungspläne ausgewiesenen Sondergebiete für gewerbliche Tierhaltung verwiesen werden kann.

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Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hängt die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 BauGB u.a. davon ab, ob das Vorhaben nicht auch im Innenbereich ausgeführt werden kann. Dies aber entscheidet sich nicht nach der Beschaffenheit von Innenbereichen "im allgemeinen", sondern nach der Beschaffenheit des Innenbereichs "hier und so", also des Innenbereichs der jeweiligen Gemeinde (BVerwG, Urteile vom 9. Juni 1976 - 4 C 42.74 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 128 = juris Rn. 18 und vom 7. Mai 1976 - 4 C 62.74 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 127 = juris Rn. 26; Beschlüsse vom 27. Juni 1983 - 4 B 206.82 - ZfBR 1983, 284 = NVwZ 1984, 169 und vom 26. März 2014 - 4 B 3.14 - BauR 2014, 1129 = juris Rn. 12), mithin nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten (BVerwG, Beschluss vom 2. März 2005 - 7 B 16.05 - NuR 2005, 729 = juris Rn. 7) im Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag. Es kommt somit darauf an, ob das Vorhaben in der Gemeinde, in der es errichtet werden soll, in einem Gebiet nach § 30 oder § 34 BauGB oder ggf. im Fall der Aufstellung eines hierfür in Betracht kommenden Bebauungsplans nach § 33 BauGB zugelassen werden könnte (BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 1983 - 4 B 206.82 - NVwZ 1984, 169 = juris Rn. 3). Insofern steht § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB unter dem Vorbehalt der bauplanungsrechtlichen Absicherung von Vorhaben durch Bebauungspläne oder durch § 34 BauGB (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2018, § 35 Rn. 55b).

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Unter Wiedergabe dieser Rechtssätze hat sich das Oberverwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt, dass die Überplanung einzelner, vor wie nach der Planung außerhalb eines Bebauungszusammenhangs gelegener Flächen mit Sondergebieten für die in Rede stehende Nutzung zum Ausschluss der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht genüge. Folglich müssten die im Gebiet der Beigeladenen existierenden, d.h. bereits durch Bebauungsplanung ausgewiesenen Sondergebiete für gewerbliche Tierhaltungsanlagen hier von vorneherein außer Betracht bleiben, weil dem Bundesverwaltungsgericht als eine die Privilegierung ausschließende Planung nicht eine auf bestimmte Vorhaben zugeschnittene "Briefmarkenplanung" nach dem Vorbild der Beigeladenen, sondern Gewerbe- oder Industriegebiete in einem größeren Bebauungszusammenhang vorgeschwebt hätten, und § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB wie die übrigen Privilegierungstatbestände erkennbar Vorhaben, die "in die freie Landschaft" gehörten, von solchen Vorhaben habe trennen sollen, die dies nicht täten; eine Planung wie die der Beigeladenen ändere aber nichts daran, dass die damit ermöglichten Vorhaben in der freien Landschaft stünden und dort die Grundfunktionen des Außenbereichs - Erholung und Landwirtschaft - im Ansatz ebenso beeinträchtigten wie ungeplante Vorhaben. Diese Auffassung ist mit Bundesrecht nicht vereinbar; das Oberverwaltungsgericht hat die Rechtsprechung des Senats insoweit missverstanden.

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Der Ausschluss des § 35 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 BauGB greift im Falle der Bebauungsplanung nach § 30 BauGB unabhängig davon ein, ob das ausgewiesene Gebiet - bis zur Überplanung - im "Innenbereich", verstanden als Siedlungsbereich oder Ortslage der Gemeinde, oder außerhalb eines solchen Gebiets, mithin im Außenbereich lag. Auch ein ursprünglich im bauplanungsrechtlichen Außenbereich belegenes Grundstück fällt unter § 30 BauGB, wenn es die Gemeinde mit einem Bebauungsplan überplant. Denn maßgeblich für den Entfall der Privilegierung ist, ob die Gemeinde von ihrer Planungshoheit im Wege der Bebauungsplanung Gebrauch gemacht und auf dieser Grundlage die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Realisierung des fraglichen Vorhabens nach Maßgabe des § 30 BauGB eröffnet hat. Ist das der Fall, kann das Vorhaben grundsätzlich im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. April 2011 - 4 B 6.11 - ZfBR 2011, 481 m.w.N.) auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden. Dieses Verständnis ist zum einem dem Gebot größtmöglicher Schonung des Außenbereichs, der als Leitgedanke den gesamten § 35 BauGB beherrscht (so bereits BVerwG, Urteil vom 19. Juni 1991 - 4 C 11.89 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 273; siehe auch Urteile vom 12. März 1998 - 4 C 10.97 - BVerwGE 106, 228 <235 f.>, vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 - BVerwGE 117, 287 <303, 304> und vom 17. Oktober 2012 - 4 C 5.11 - NVwZ 2013, 805 Rn. 19), und zum anderen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geschuldet, der die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme geeigneter Innenbereichsstandorte in den Vordergrund stellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 4 C 2.12 - BVerwGE 147, 37 Rn. 16 zu § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) und zugleich gewährleistet, dass auch den berechtigten Interessen des Bauherrn ausreichend Rechnung getragen wird. Eine Verweisung auf den Innenbereich scheidet folglich aus, wenn es der Bebauungsplanung an der städtebaulichen Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) mangelt, wie z.B. bei einer Planung, die letztlich allein dazu dient, Tierhaltungsanlagen im Gemeindegebiet insgesamt auszuschließen ("Negativplanung"), wenn Vorhaben der fraglichen Art in dem überplanten Gebiet objektiv nicht untergebracht werden können, weil es sich um eine bloße "Feigenblattplanung" handelt oder die festgesetzten Bauräume oder Emissionskontingente hierfür nicht ausreichen, oder wenn der Vorhabenträger nicht in für ihn zumutbarer Weise auf ein entsprechendes Grundstück verwiesen werden kann, etwa weil Grundstücke in dem Bebauungsplangebiet nicht mehr zur Verfügung stehen oder nicht zu angemessenen Bedingungen zu bekommen sind.

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Das Oberverwaltungsgericht stützt seine Auffassung auch auf § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB und verweist darauf, dass es andernfalls Gemeinden ermöglicht würde, für Vorhabentypen nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB durch einzelne "Positivausweisungen" von Sondergebieten in einem (qualifizierten) Bebauungsplan die gleichen Rechtsfolgen, wie sie § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB vorsehe, ohne ein schlüssiges gemeindeweites Standortkonzept herbeizuführen, und sieht darin eine Missachtung des hinter § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehenden Kompromisscharakters. Dem folgt der Senat nicht. Der Gesetzgeber versteht § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB als ein die Privilegierung flankierendes Instrument, durch das die Gemeinde in die Lage versetzt wird, die bauliche Entwicklung im Außenbereich planerisch zu steuern (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 - BVerwGE 117, 287 = juris Rn. 26). Die Norm setzt eine Darstellung im Flächennutzungsplan voraus, bei der eine positive Standortzuweisung mit einer Ausschlusswirkung für das übrige Gemeindegebiet verknüpft wird (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 a.a.O. Rn. 17). Darum geht es hier nicht. Der Vorbehalt der bauplanungsrechtlichen Absicherung gewerblicher Tierhaltungsvorhaben durch Bebauungspläne hat mit dem Planvorbehalt des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nichts zu tun. Er dient vielmehr der Eingrenzung des Anwendungsbereichs des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, da sich nur so die aufgrund der Weite des Tatbestandes bestehende Gefahr abwenden lässt, dass das gesetzgeberische Ziel, den Außenbereich vor einer unangemessenen Inanspruchnahme zu schützen, verfehlt wird (BVerwG, Urteile vom 14. Mai 1969 - 4 C 19.68 - BVerwGE 34, 1 und vom 3. Mai 1974 - 4 C 10.71 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 109); er wirkt zudem nur soweit und solange, wie im Falle der Bebauungsplanung die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Realisierung des fraglichen Vorhabens nach Maßgabe des § 30 BauGB eröffnet ist. Beim Vorbehalt der bauplanungsrechtlichen Absicherung i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 BauGB geht es überdies um die Frage der Privilegierung des Vorhabens, während § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ein nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB privilegiertes Vorhaben voraussetzt und als Rechtsfolge der Konzentrationsflächenplanung anordnet, dass dem privilegierten Vorhaben öffentliche Belange in der Ausschlusszone in der Regel entgegenstehen; damit müssen sich Vorhaben, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 BauGB privilegiert sind, gegebenenfalls (zusätzlich) an einer Konzentrationszonenplanung mit den Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB messen lassen. Die "privilegierungsschädliche" Planung bezieht sich ferner nur auf einen Teilbereich des Gemeindegebiets und nicht auf deren gesamten Außenbereich, weshalb sie diesen grundsätzlich auch nicht in den Blick nehmen muss. Letztlich kommt § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auch keine Sperrwirkung gegenüber anderen Planungen zu. Wie der Senat bereits entschieden hat, hat der Gesetzgeber mit dem Planungsvorbehalt in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB einen zusätzlichen Weg bezeichnet, durch Darstellungen im Flächennutzungsplan die Zulässigkeit privilegierter Vorhaben im Außenbereich zu steuern (BVerwG, Urteil vom 18. August 2005 - 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <141>). Hierauf ist die Gemeinde jedoch nicht beschränkt. Es steht ihr vielmehr frei, etwa durch die Darstellung konkreter qualifizierter Standortzuweisungen im Flächennutzungsplan (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 18. August 2005 a.a.O.) die Ansiedlung von gewerblichen Tierhaltungsanlagen im Außenbereich räumlich zu steuern. Ferner besteht für sie die Möglichkeit, für weite Teile oder den gesamten Außenbereich durch (einfache) Bebauungspläne (§ 30 Abs. 3 BauGB) Standorte für gewerbliche Tierhaltungsanlagen auszuweisen (BVerwG, Urteil vom 18. August 2005 a.a.O.; vgl. auch Söfker, NVwZ 2008, 1273 <1279>).

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Vorliegend kommt es daher darauf an, ob die Sondergebiete für gewerbliche Tierhaltungsanlagen festsetzenden Bebauungspläne der Beigeladenen wirksam, insbesondere städtebaulich erforderlich sind, ob sie objektiv geeignet sind, das klägerische Vorhaben aufzunehmen, und ob schließlich der Kläger in für ihn zumutbarer Weise auf ein entsprechendes Grundstück in diesen Gebieten verwiesen werden kann. Das Oberverwaltungsgericht hat hierzu - von seinem Standpunkt aus konsequent - keine Feststellungen getroffen. Das zwingt zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Bei der Prüfung, ob der Kläger für sein Vorhaben auf die von der beigeladenen Gemeinde bereits ausgewiesenen Sondergebiete für gewerbliche Tierhaltungsanlagen verwiesen werden kann, ist nicht nur den Fragen nachzugehen, ob die Gebiete nach ihrer Größe geeignet sind, die geplanten baulichen Anlagen aufzunehmen, und der Kläger

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die Gelegenheit hat, sich die notwendigen Flächen zu angemessenen Konditionen zu verschaffen, sondern auch in den Blick zu nehmen, ob der Kläger für jede bauliche Anlage auf den Standort der Hofstelle angewiesen ist.