Entscheidungsdatum: 14.07.2011
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. November 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die ihr die Antragsgegnerin beimisst.
Die Frage:
"Muss sich bei einem im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan ergangenen, die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes feststellenden Urteil aus dem Tenor zumindest durch Auslegung unter Berücksichtigung der Urteilsgründe ergeben, ob eine Heilungsmöglichkeit nach § 214 Abs. 4 BauGB besteht",
bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Dass sie zu verneinen ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und der bisherigen Rechtsprechung des Senats.
Nach § 47 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG) vom 18. August 1997 (BGBl I S. 2081) wurde zwischen der Nichtigkeit und der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans differenziert. Ist ein Bebauungsplan oder eine Satzung zur Änderung eines Bebauungsplans unter Geltung des § 47 VwGO i.d.F. des BauROG rechtskräftig nicht nur für nicht wirksam, sondern für nichtig erklärt worden, weil die Satzung an einem Mangel leidet, der nicht in einem ergänzenden Verfahren behoben werden kann, steht die fehlende Behebbarkeit des Mangels in einem ergänzenden Verfahren zwischen den Beteiligten des Normenkontrollverfahrens fest (Beschluss vom 14. November 2005 - BVerwG 4 BN 51.05 - Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 21, S. 15).
Mit § 47 Abs. 5 VwGO in der durch das Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau) vom 24. Juni 2004 (BGBl I S. 1359) geltenden Fassung ist die durch das BauROG eingeführte Unterscheidung zwischen der Erklärung einer Satzung für nichtig und für nicht wirksam aufgegeben worden. Mit dieser Änderung hat der Gesetzgeber die Einschätzung der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs aufgegriffen, dass die Unterscheidung zwischen "nichtig" und "nicht wirksam" zu Rechtsunsicherheiten bei der Tenorierung der Normenkontrollentscheidung geführt habe (BTDrucks 15/2250, S. 74). Nunmehr erklärt das Normenkontrollgericht im Fall der Stattgabe die Rechtsvorschrift stets für "unwirksam". Dieser Ausspruch erwächst in materielle Rechtskraft. Raum für Ergänzungen des Tenors über die Feststellung der Unwirksamkeit hinaus gibt § 47 Abs. 5 VwGO nicht (vgl. auch Gerhardt/Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. 1, Stand Mai 2010, § 47 Rn. 109b; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 47 Rn. 120; Giesberts, in: Posser/Wolff, VwGO, 2008, § 47 Rn. 80; a.A. Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 47 Rn. 372). Der Wortlaut des § 47 Abs. 5 VwGO ist eindeutig. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Entscheidung allgemeinverbindlich ist. Damit wird nur bewirkt, dass die Unwirksamkeitserklärung nicht nur zwischen den Beteiligten des Normenkontrollverfahrens, sondern gegenüber jedermann wirkt.
Es besteht auch keine Pflicht des Normenkontrollgerichts - wie die Antragsgegnerin mit ihrer weiteren Frage thematisiert - in den Entscheidungsgründen darzulegen, ob (beachtliche) Satzungsmängel, auf die das Normenkontrollgericht die Unwirksamkeit stützt, einer Heilung im ergänzenden Verfahren zugänglich sind. Schon unter Geltung des § 47 VwGO i.d.F. des BauROG war das Normenkontrollgericht nicht verpflichtet, jeden geltend gemachten Rechtsfehler zu ermitteln und ggf. gerade darauf seine Entscheidung zu stützen, wenn es einen anderen Rechtsfehler im Sinne der Entscheidungsreife für durchgreifend ansieht (Beschluss vom 20. Juni 2001 - BVerwG 4 BN 21.01 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 148). Das Normenkontrollgericht kann, muss sich aber nicht dazu verhalten, ob die Unwirksamkeit eines Bebauungsplans auf Fehlern beruht, die sich im Wege des ergänzenden Verfahrens nicht nachbessern lassen. Weder Antragsteller noch Antragsgegner können das Normenkontrollgericht prozessual zwingen, bestimmte Fehler zu beurteilen und sie als durchgreifend oder umgekehrt als nicht gegeben anzusehen (Beschlüsse vom 20. Juni 2001 a.a.O. S. 63 und vom 6. März 2000 - BVerwG 4 BN 31.99 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 140). Wird ein Bebauungsplan für unwirksam erklärt, liegt es in der alleinigen Verantwortung der Gemeinde, ob sie von der Heilungsmöglichkeit nach § 214 Abs. 4 BauGB Gebrauch macht. Ob ihre Annahme, die Voraussetzungen für die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens seien gegeben, zutreffend ist, ist der Prüfung in einem nachfolgenden Normenkontrollverfahren vorbehalten. Auf eine solche Konstellation bezieht sich auch die von der Beschwerde in Bezug genommene Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juli 2007 - 1 N 07.1624 (ZfBR 2008, 374), wobei der Senat nicht zu entscheiden hat, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs zur Bindungswirkung kraft Allgemeinverbindlichkeit zutrifft.
2. Die Verfahrensrüge i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO, mit der die Beschwerde geltend macht, das angefochtene Urteil genüge nicht den Begründungsanforderungen gemäß § 108 Abs. 2 VwGO, weil das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan für insgesamt unwirksam erklärt habe, ohne die Frage der Teilbarkeit zu erörtern, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
Nach der für die Beurteilung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung bestand für das Oberverwaltungsgericht kein Anlass, auf die Frage der Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans - beschränkt auf die Festsetzung des Sondergebiets - einzugehen. Das Oberverwaltungsgericht hat ausführlich in Auslegung von Landesrecht dargelegt, dass die Aufstellung des Bebauungsplans v.a. dem Ziel des Schutzes der Innenstadt vor zentrenschädlichen Kaufkraftabflüssen diene (UA S. 20). Es bestünden zwar keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Erforderlichkeit des Bebauungsplans (UA S. 18). Den Festsetzungen für den Einzelhandel in dem Sondergebiet und der Baugrenzen um das Gebäude der Antragstellerin fehle jedoch die Erforderlichkeit. Diese Fehler führten zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans, da diese Festsetzungen mit dem Konzept des Bebauungsplans und des Einzelhandelgutachtens nicht vereinbar seien (UA S. 13 - Unterstreichung durch den Senat). Mit dem wiederholten Hinweis auf "den" Bebauungsplan und die Plankonzeption der Antragsgegnerin bringt das Oberverwaltungsgericht hinreichend klar zum Ausdruck, dass die Planung insgesamt an der Erforderlichkeit gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB scheitert, weil sich die Antragsgegnerin im Hinblick auf die von ihr selbst formulierten städtebaulichen Zielsetzungen nicht konsistent verhalten habe. Von diesem Ansatz her hatte das Oberverwaltungsgericht keinen Anlass, sich mit der Teilbarkeit des Bebauungsplans zu befassen. Der Verfahrensmangel des § 138 Nr. 6 VwGO ließe sich allenfalls dann begründen, wenn die Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren zur Frage der Teilbarkeit vorgetragen und damit dem Oberverwaltungsgericht Anlass zu einer Auseinandersetzung gegeben hätte. Auf Vortrag gegenüber dem Oberverwaltungsgericht, dass sie nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan mit eingeschränktem Inhalt - ohne Sondergebiet - beschlossen hätte, hat die Antragsgegnerin indes verzichtet. Ihr als weitere Verfahrensrüge eingekleideter Einwand, sie habe nicht damit rechnen können, dass das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan für insgesamt unwirksam erklären würde, hilft ihr nicht weiter; auch diese Rüge bleibt erfolglos (dazu unter 4.).
3. Ebenso wenig führt die Rüge, das Urteil genüge den Begründungsanforderungen gemäß § 108 Abs. 2 VwGO auch deswegen nicht, weil das Oberverwaltungsgericht keine Begründung dafür gegeben habe, warum die starke Beschränkung auf einzelne nicht zentrenrelevante Sortimente mit dem Konzept der "Schärfung des Angebotsprofils" und der Stärkung der Innenstadt nicht vereinbar sein solle, zur Zulassung der Revision. Der Vorwurf, es handele sich um einen vollständigen Begründungsausfall, liegt neben der Sache.
Das Oberverwaltungsgericht hat - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats - ausführlich dargelegt, dass ein (allein) durch das Ziel der Stärkung der Zentren durch Konzentration von Einzelhandelsansiedlungen auf die Zentren begründeter Einzelhandelsausschluss nicht weiter gehen dürfe, als eine Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben in den Zentren überhaupt in Betracht komme und mit anschaulichen Beispielen erläutert, dass es an einer städtebaulichen Rechtfertigung des Ausschlusses der nicht in der Liste 2 angeführten nicht zentrenrelevanten Waren fehle, weil dieser Ausschluss nicht allein mit der "Schärfung des Angebotsprofils" und der Vermeidung von Konkurrenzen mit dem "Hauptgeschäftsbereich Innenstadt" begründet werden könne. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist damit ohne weiteres erkennbar, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind (vgl. dazu Beschluss vom 3. April 1990 - BVerwG 9 CB 5.90 - Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 31 S. 9 f.). Der Sache nach setzt die Antragsgegnerin mit ihrer Verfahrensrüge letztlich nur ihre Auffassung, dass die von ihr mit der Planung verfolgten Ziele den Ausschluss der in Liste 1 und 2 nicht aufgeführten Sortimente doch rechtfertigten, der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts entgegen. Soweit sie darüber hinaus rügt, das Oberverwaltungsgericht habe sich auch in diesem Zusammenhang nicht mit einer möglichen Teilwirksamkeit des Bebauungsplans - mit Blick auf die Liste 2 - befasst, beachtet sie erneut nicht, dass sie auf Vortrag hierzu verzichtet hat, mithin das Oberverwaltungsgericht keinen Anlass hatte, darauf einzugehen, ob der Bebauungsplan - wie die Antragsgegnerin mit der Beschwerde vorträgt - dergestalt teilbar wäre, dass er nur mit dem Ausschluss nach Liste 1 und ohne Baugrenzen wirksam bleiben würde.
4. Die Rüge, das Urteil stelle eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, weil das Normenkontrollgericht die Beteiligten nicht darauf hingewiesen habe, dass es den Bebauungsplan trotz der festgesetzten unterschiedlichen Baugebietstypen für insgesamt unwirksam halte, greift nicht.
Es kann keine Rede davon sein, dass die Entscheidung auf neue Gesichtspunkte gestützt worden wäre, mit denen die Beteiligten nicht hätten rechnen können (vgl. dazu Beschluss vom 14. Juni 2011 - BVerwG 4 B 3.11 - juris Rn. 8). Zum einen musste der Antragsgegnerin schon aufgrund der Antragstellung klar sein, dass es der Antragstellerin um einen Angriff auf den Bebauungsplan in seiner Gänze ging. Zum anderen hätte die Antragsgegnerin aus dem Umstand, dass das Normenkontrollgericht seinerseits keine Nachfragen gestellt hat, ohne Weiteres erkennen können, dass das Gericht die Frage der Teilbarkeit nicht für entscheidungserheblich hielt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.