Entscheidungsdatum: 21.02.2011
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin beimisst.
a) Die Frage, ob und inwieweit für den Begriff des zentralen Versorgungsbereichs im Sinne der §§ 1 Abs. 6 Nr. 4, 9 Abs. 2a BauGB auch Entwicklungsperspektiven im Interesse der verbrauchernahen Versorgung zu berücksichtigen sind (Beschwerdebegründung S. 2 f.), rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie das Oberverwaltungsgericht im Sinne der Antragstellerin beantwortet hat. Die Vorinstanz hat angenommen, dass die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche im Sinne der vorgenannten Vorschriften nicht nur den Schutz bereits tatsächlich existierender, sondern auch einen Schutz erst noch zu entwickelnder zentraler Versorgungsbereiche umfasse (UA S. 23, 27, 32). Die Behauptung der Antragstellerin, das Oberverwaltungsgericht lege den Begriff des zentralen Versorgungsbereichs ausschließlich unter Berücksichtigung des Status quo der vorhandenen Nutzungen aus, trifft mithin nicht zu. Das Einzelhandelskonzept der Antragsgegnerin, das das Grundstück der Antragstellerin und dessen unmittelbares Umfeld nicht als zentralen Versorgungsbereich ausweist, ist nicht deshalb unbeanstandet geblieben, weil das Oberverwaltungsgericht die „sehr guten Entwicklungsperspektiven“ des Areals für rechtlich irrelevant gehalten hat, sondern weil die Gemeinde nicht gehalten sei, Teile ihres Gebiets mit bloßem Potenzial zu einem Standort der Nahversorgung auch tatsächlich zu einem entsprechenden zentralen Versorgungsbereich zu entwickeln (UA S. 31 letzter Satz). Hierauf geht die Antragstellerin nicht ein.
b) Auch die Fragen:
Ist bei dem Ziel der Förderung und Steigerung der Attraktivität eines zentralen Versorgungsbereichs bzw. bei einem Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a BauGB ein anderer Maßstab bei den zu erwartenden schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche anzulegen als in den Fällen des § 34 Abs. 3 BauGB?
Wird bei einem Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a BauGB die Schwelle der schädigenden Auswirkungen auf einen zentralen Versorgungsbereich bereits bei einem Kaufkraftabfluss von 4,8 % im Segment Lebensmittel/Reformwaren und 6,8 % im Segment Gesundheits- und Körperpflege, insgesamt 5,3 %, überschritten oder liegt die Schwelle, ab der schädliche Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich zu erwarten sind, noch erheblich unter diesen Werten?
(Beschwerdebegründung S. 29) führen nicht zur Zulassung der Revision. Es bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um das Oberverwaltungsgericht in seiner Ansicht zu bestätigen, dass die auf der Grundlage von § 9 Abs. 2a BauGB planende Gemeinde nicht an den Maßstab der zu erwartenden schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche gebunden ist (UA S. 46). § 9 Abs. 2a BauGB gibt den Gemeinden das Planungsinstrument nicht nur an die Hand, um zentrale Versorgungsbereiche davor zu schützen, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr in substanzieller Weise wahrnehmen können, sondern - wie namentlich in der Betonung der Innenentwicklung in Satz 1 zum Ausdruck kommt - auch als Mittel, um im Rahmen ihres planerischen Gestaltungsspielraums die Attraktivität der Zentren zu steigern oder im Status quo zu erhalten (vgl. auch Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 4 C 21.07 - BVerwGE 133, 310 Rn. 19 zu § 1 Abs. 5 BauNVO). Die Schwelle, ab der Umsatzverlagerungen die Entwicklung und Förderung der Attraktivität eines zentralen Versorgungsbereichs hindern können, lässt sich nicht mit Hilfe fester Prozentsätze markieren (vgl. Urteil vom 11. Oktober 2007 - BVerwG 4 C 7.07 - BVerwGE 129, 307 Rn. 24), sondern ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der gerügten Abweichungen des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des Senats zuzulassen.
Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird. Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
a) Soweit die Antragstellerin rügt, dass das Oberverwaltungsgericht mit seinem Verständnis vom Begriff des zentralen Versorgungsbereichs vom Urteil des Senats vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 4 C 2.08 - (BVerwGE 136, 10 = NVwZ 2010, 590) abgewichen sei (Beschwerdebegründung S. 4, 6, 11), muss die Divergenzrüge schon daran scheitern, dass sich das Senatsurteil zu § 34 Abs. 3 BauGB, das vorinstanzliche Urteil zu § 9 Abs. 2a BauGB äußert. Auch das Urteil vom 26. März 2009 (a.a.O.), dem sich das Oberverwaltungsgericht widersetzt haben soll (Beschwerdebegründung S. 8), befasst sich nicht mit § 9 Abs. 2a BauGB. Es fehlt also an der Voraussetzung, dass die divergierenden Entscheidungen zu derselben Rechtsvorschrift ergangen sein müssen. Ob der Begriff des zentralen Versorgungsbereichs in § 34 Abs. 3 und § 9 Abs. 2a BauGB identisch ist, ist ohne Bedeutung. Soweit sich der Beschluss vom 12. Februar 2009 - BVerwG 4 B 5.09 - (NVwZ 2009, 781) zur räumlichen Abgrenzung zentraler Versorgungsbereiche verhält, sind die Darlegungen allein § 34 BauGB zugeordnet.
b) Von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2002 - BVerwG 4 CN 4.01 - (BVerwGE 116, 296) und vom 22. Januar 1993 - BVerwG 8 C 46.91 - (BVerwGE 92, 8) weicht das angefochtene Urteil entgegen dem Vortrag der Antragstellerin (Beschwerdebegründung S. 8, 11 f., 16, 17 f., 21, 22 f.) nicht ab. Das Oberverwaltungsgericht hat dem höchstrichterlichen Rechtssatz zu § 1 Abs. 3 BauGB, die einzelne Festsetzung eines Bebauungsplans genüge dann dem Maßstab der Erforderlichkeit, wenn sie ihre Rechtfertigung in dem städtebaulichen Konzept der Gemeinde finde, d.h. im Rahmen der Gesamtkonzeption „vernünftigerweise geboten“ sei, keinen davon abweichenden Rechtssatz gegenübergestellt, sondern ihn übernommen (UA S. 25). Auch dem zu § 1 Abs. 3 BauGB aufgestellten Rechtssatz, Gemeinden müssten sich im Hinblick auf die von ihr selbst formulierten städtebaulichen Zielsetzungen konsistent verhalten (Urteil vom 26. März 2009 a.a.O. Rn. 20), hat es keinen anderslautenden Rechtssatz entgegengesetzt. Sollte es die Rechtssätze unrichtig angewandt haben, läge darin keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).
Den Rechtssätzen, die der Senat im Urteil vom 12. Dezember 1969 - BVerwG 4 C 105.66 - (BVerwGE 34, 301) zum Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB (= § 1 Abs. 4 Satz 2 BBauG a.F.) entwickelt hat, hat sich das Oberverwaltungsgericht ebenfalls nicht verweigert. Das Urteil vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - (BVerwGE 48, 56) ist nicht zum bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebot, sondern zu § 17 FStrG ergangen.
3. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.
Die Antragstellerin wirft dem Oberverwaltungsgericht vor, dadurch gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen zu haben, dass es die Passantenfrequenz im gesamten zentralen Versorgungsbereich „Innenstadt“ nicht ermittelt hat. Außerdem sieht sie darin, dass in der mündlichen Verhandlung über Passantenfrequenzen im Teilabschnitt B nicht gesprochen worden ist, einen Verstoß gegen § 86 Abs. 3 und § 104 Abs. 1 VwGO (Beschwerdebegründung S. 9 f.).
Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.; stRspr). Diesen Anforderungen entspricht das Beschwerdevorbringen nicht. Die Antragstellerin zeigt nicht auf, dass die von ihr vermisste Ermittlung der Passantenfrequenz im Teilbereich B mit den Discountern Aldi und Schlecker zu einer Zurechnung der südlich und südwestlich der Eisenbahntrasse und damit auch ihres Grundstücks zum zentralen Versorgungsbereich „Innenstadt“ geführt hätte. Das Oberverwaltungsgericht, dessen materiell-rechtliche Rechtsauffassung für die Erheblichkeit und den Umfang von Tatsachenfeststellungen maßgeblich ist (Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183; stRspr), hat die Einbeziehung des Teilbereichs B und die Nichteinbeziehung des Plangebiets in den zentralen Versorgungsbereich „Innenstadt“ als sachlich gerechtfertigt erachtet, weil beide Bebauungsbereiche schon im Hinblick auf die räumliche Lage nicht vergleichbar seien (UA S. 30). Auf die jeweilige Passantenfrequenz kam es ihm nicht an. Deshalb brauchte die Passantenfrequenz im Teilbereich B in der mündlichen Verhandlung auch nicht erörtert zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.