Entscheidungsdatum: 03.06.2010
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde rügt als Verfahrensfehler eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie eine aktenwidrige Feststellung des Sachverhalts. Beide Rügen beziehen sich auf folgende Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 18):
Gemäß § 10 Abs. 3 S. 4 BauGB ist der Bebauungsplan mit seiner Bekanntmachung am 5. Juni 2008 in Kraft getreten. Falls die Antragsgegnerin den Bebauungsplan nicht zu jedermanns Einsicht bereit hält, so liegt darin ein Verstoß gegen § 10 Abs. 3 S. 2 BauGB. Der Bebauungsplan wird dadurch jedoch nicht unwirksam (...).
Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, mit diesen Ausführungen habe das Gericht ihren Vortrag nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Dem ist jedoch nicht zu folgen; die Rüge bleibt daher ohne Erfolg.
Zum einen haben die Antragstellerinnen vorgetragen, an einem bestimmten näher bezeichneten Datum habe der Bebauungsplan nicht im Bauamt der Antragsgegnerin zur Einsicht ausgelegen; vielmehr habe er sich im Amtsraum des Bürgermeisters befunden, so dass ein namentlich benannter Rechtsanwalt an diesem Tag keine Einsicht habe nehmen können. Diesen Sachvortrag hat das Oberverwaltungsgericht offensichtlich zur Kenntnis genommen und gewürdigt; dass es nicht die rechtlichen Schlüsse daraus zieht, die die Antragstellerinnen anstreben, begründet keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Die Antragstellerinnen haben ferner vorgetragen, der Bebauungsplan habe nicht nur für eine kurze Zeit nicht für eine Einsichtnahme zur Verfügung gestanden, sondern werde dauerhaft und systematisch vorenthalten. Daraus ziehen die Antragstellerinnen die rechtliche Schlussfolgerung, dass die Bekanntmachung des Bebauungsplans nicht wirksam erfolgt sei.
Auch dieses tatsächliche und rechtliche Vorbringen hat das Oberverwaltungsgericht ersichtlich zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, der Bebauungsplan sei wirksam in Kraft getreten. Ein Verstoß gegen die Pflicht, den Bebauungsplan zur Einsicht bereit zu halten, führe nicht zur Unwirksamkeit der Bekanntmachung und des Bebauungsplans.
Im Übrigen lässt sich dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts keine Feststellung dahingehend entnehmen, der Bebauungsplan werde dauerhaft und systematisch der Öffentlichkeit vorenthalten und habe zu keinem Zeitpunkt an dem in der Bekanntmachung genannten Ort (Bauamt) zur Verfügung gestanden. Auf diesen Tatsachenvortrag brauchte das Gericht auf der Grundlage seiner rechtlichen und tatsächlichen Würdigung nicht näher einzugehen; ein Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Damit ist dieser Vortrag jedoch entgegen der Beschwerdebegründung (S. 4) nicht unstrittig geworden. Der Vortrag der Antragsgegnerin in einem früheren Schriftsatz bezieht sich auf einen anderen Sachverhalt.
Aus den genannten Gründen bleibt auch die Rüge, die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts seien aktenwidrig, ohne Erfolg. Diese Verfahrensrüge bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt bestehe ein Widerspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es keiner weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts bedarf; der Widerspruch muss also "zweifelsfrei" sein (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. November 1999 - BVerwG 4 BN 41.99 - UPR 2000, 226 und vom 4. Juli 2001 - BVerwG 4 B 51.01). Vorliegend besteht allenfalls ein Widerspruch zwischen den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts und dem Vortrag der Antragstellerinnen.
Die in diesem Zusammenhang hilfsweise erhobene Aufklärungsrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen; insbesondere legt die Beschwerde nicht dar, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung beantragt hätte.
2. Das Beschwerdevorbringen ergibt auch nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.
Die Antragstellerinnen werfen die Frage auf,
welche Rechtsfolgen daraus resultieren, dass der Bebauungsplan nach der Bekanntmachung nicht zur Einsicht bereit gehalten wird.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Sie lässt sich vielmehr auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten.
Der Bebauungsplan tritt mit der Bekanntmachung in Kraft (§ 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB). Wird eine Rechtsnorm selbst nicht veröffentlicht, so ist dem Verkündungserfordernis, das für die Entstehung förmlich gesetzter Rechtsnormen unerlässlich ist, nur dann Genüge getan, wenn sich die Betroffenen auf andere Weise verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können (BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 - 2 BvL 25/81 - BVerfGE 65, 283 <291>). Die Bekanntmachung eines Bebauungsplans im Wege der Ersatzverkündung umfasst bei genehmigungsbedürftigen Bebauungsplänen i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 1 BauGB die Bekanntmachung der Erteilung der Genehmigung, bei genehmigungsfreien Bebauungsplänen die Bekanntmachung des Beschlusses des Bebauungsplans (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Die Bekanntmachung muss einen Hinweis zur Identifikation des ausliegenden Bebauungsplans enthalten. Der Hinweis muss nur geeignet sein, das Inkrafttreten neuen Bebauungsrechts in einem näheren Bereich des Gemeindegebiets dem Normadressaten gegenüber bewusst zu machen und denjenigen, der sich über den genauen räumlichen und gegenständlichen Regelungsgehalt des Bebauungsplans informieren will, zu dem richtigen - bei der Gemeinde ausliegenden - Plan zu führen (Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 22.80 - BVerwGE 69, 344 <350>; Beschlüsse vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 28.83 - Buchholz 406.11 § 12 BBauG Nr. 11 - juris Rn. 11 und vom 16. Mai 1991 - BVerwG 4 NB 26.90 - BVerwGE 88, 204 <207 f.> - juris Rn. 16). In der Bekanntmachung ist daher auch darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann (§ 10 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Das Bereithalten des beschlossenen und genehmigten Bebauungsplans zu jedermanns Einsicht bei der in der Bekanntmachung angegebenen Dienststelle ist Teil des sich auf die Rechtsetzung beziehenden - zweistufigen - Verkündungsverfahrens (Urteil vom 5. Dezember 1986 - BVerwG 4 C 29.86 - BVerwGE 75, 271 <272>): Mit der Bekanntmachung und dem Bereithalten des Plans zu jedermanns Einsicht wird der Abschluss eines Rechtsetzungsverfahrens förmlich dokumentiert (Urteil vom 5. Dezember 1986, a.a.O. S. 274). Fehlt es an der Angabe des Orts der Einsichtnahme, liegt ein beachtlicher Bekanntmachungsfehler vor, weil der mit der Bekanntmachung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht wird (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB). Ob die Einsicht an dem in der Bekanntmachung genannten Ort oder an einem anderen Ort erfolgt, betrifft nicht die Wirksamkeit der Bekanntmachung. Der Bebauungsplan tritt unbeschadet des Erfordernisses, dass er in der Folgezeit zu jedermanns Einsicht bereitgehalten wird, mit der Bekanntmachung in Kraft (Beschluss vom 9. Mai 1996 - BVerwG 4 B 60.96 - Buchholz 406.11 § 12 BauGB Nr. 21 - juris Rn. 3). Die Kenntnisnahme muss aber tatsächlich möglich sein. Das Oberverwaltungsgericht hebt daher zutreffend hervor, falls eine Gemeinde den Bebauungsplan nicht zu jedermanns Einsicht bereit halte, liege darin ein Verstoß gegen § 10 Abs. 3 Satz 2 BauGB. Ebenfalls zu folgen ist seiner weiteren rechtlichen Schlussfolgerung, dadurch werde der Bebauungsplan jedoch nicht unwirksam. Mit der Bekanntmachung ist der Bebauungsplan als Satzung (§ 10 Abs. 1 BauGB) eine gültige Rechtsnorm und damit Teil der Rechtsordnung. Eine Rechtsnorm wird aber nicht allein dadurch ungültig, dass die Möglichkeit der Einsicht in das Originaldokument für kürzere oder längere Zeit erschwert ist. Auch das mit der Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 2 BauGB verfolgte Ziel, den Betroffenen und Interessenten einen Einblick in den vollständigen Inhalt des Bebauungsplans zu ermöglichen, rechtfertigt es nicht, den Bebauungsplan unwirksam werden zu lassen, wenn die Gemeinde ihrer entsprechenden Pflicht nicht ausreichend genügt. Vielmehr ist dem gesetzlichen Gebot dadurch Rechnung zu tragen, dass die Einsicht tatsächlich ermöglicht wird. Selbst der Verlust oder Teilverlust des Bebauungsplandokuments führt - wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Beschluss vom 1. April 1997 - BVerwG 4 B 206.96 - BRS 59 Nr. 34 m.w.N.) - nicht schon für sich gesehen zur Ungültigkeit der Norm.
3. Die Divergenzrüge bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (stRspr).
Die Beschwerde benennt als vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 22. November 1983 - 2 BvL 25/81 - (BVerfGE 65, 283) aufgestellten Rechtssatz, dass die Verkündung einen integrierenden Teil der förmlichen Rechtsetzung darstelle, also Geltungsbedingung sei. Die Verkündung bedeute regelmäßig, dass die Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen könnten (vgl. a.a.O. S. 291). Diesem Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht jedoch keinen abweichenden Rechtssatz entgegengesetzt.
Das Oberverwaltungsgericht hat insbesondere keinen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, dass es für die Wirksamkeit eines Bebauungsplans nicht auf die Bekanntmachung ankomme. Hierzu bestand auch kein Anlass, da das Gericht von der Wirksamkeit der Bekanntmachung ausgegangen ist. Auch die Pflicht der Gemeinde, den Bebauungsplan zur Einsicht bereit zu halten, stellt es nicht in Frage.
Aus denselben Gründen scheidet auch die geltend gemachte Abweichung vom Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Dezember 1986 - BVerwG 4 N 2.86 - (BRS 46 Nr. 15) und vom Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Oktober 1986 - III ZR 56/85 - (UPR 1987, 182) aus; die Beschwerde bezieht sich insoweit auf dieselben Rechtssätze wie im genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts.