Entscheidungsdatum: 07.01.2010
Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde (Bl. 238 bis 240 d.A.) beimisst.
a) Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich klären lassen,
ob die Antragsbefugnis im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO bereits per se aus der Eigentümerstellung und den damit verbundenen privaten Belangen und Interessen "zusammen mit allenfalls hinzuzudenkenden Belangen wie dem angeblichen Schutz vor Einblick" folgt, ohne dass dies einer weiteren Konkretisierung bedürfte, und ob dies auch dann gilt, wenn diese Belange in einem bauordnungsrechtlichen Verfahren keinerlei Bedeutung hätten und eine Antrags- bzw. Klagebefugnis gerade nicht begründen könnten.
Diese Fragen rechtfertigen nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Anforderungen an das Geltendmachen einer Rechtsverletzung im Sinne vom § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht überspannt werden dürfen. Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird (Urteil vom 30. April 2004 - BVerwG 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165; stRspr). An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind grundsätzlich auch dann keine höheren Anforderungen zu stellen, wenn es um das Recht auf gerechte Abwägung geht. Auch insoweit reicht es aus, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen (Urteil vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <218 f.>). Antragsbefugt ist hiernach, wer sich auf einen abwägungserheblichen privaten Belang berufen kann; denn wenn es einen solchen Belang gibt, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass die Gemeinde ihn bei ihrer Abwägung nicht korrekt berücksichtigt hat (Urteil vom 30. April 2004 a.a.O.).
Von diesem rechtlichen Ansatz ist das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Es hat festgestellt, dass sich das teilweise fertig gestellte Gebäude der Beigeladenen aufgrund seiner Lage im rückwärtigen Bereich des Nachbargrundstücks nachteilig auf die Eigentümerinteressen der Antragsteller auswirken kann (UA S. 7). Im Rahmen der Begründetheit hat es dargelegt, dass Belästigungen und Störungen - sei es durch Immissionen, sei es durch den Wohnfrieden störende Einblicksmöglichkeiten - hier auch nicht von vornherein tatsächlich ausgeschlossen oder wegen mangelnder Schutzwürdigkeit unbeachtlich seien (UA S. 10).
b) Zum Rechtsschutzbedürfnis möchte die Beschwerde klären lassen,
ob ein "Rohbau" noch keine (das Rechtsschutzbedürfnis ausschließende) ausreichende Verwirklichung der angegriffenen Festsetzungen eines Bebauungsplans auf dem Nachbargrundstück darstellt, auch wenn durch diesen ohne Weiteres erkennbar wird, wie das Nachbargrundstück genutzt wird, insbesondere, welche "Immissionen" und "den Wohnfrieden störende Einblicksmöglichkeiten" zu erwarten sind.
Diese Frage rechtfertigt ebenfalls nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens. Dass die im Normenkontrollverfahren festgestellte Unwirksamkeit der Planänderung auch einer Fortführung der durch diese Planänderung ermöglichten Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück entgegen steht, lässt sich auf der Grundlage des § 30 Abs. 1 BauGB ohne Weiteres bejahen. Im Übrigen kommt eine das Rechtsschutzbedürfnis ausschließende Verwirklichung einer angegriffenen Festsetzung nach der Senatsrechtsprechung (Beschluss vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 <92>; stRspr) allenfalls dann in Betracht, wenn die Festsetzung im Baugebiet auch räumlich "vollständig verwirklicht" ist, was hier angesichts noch weiterer unbebauter Grundstücke im Geltungsbereich des Änderungs-Bebauungsplans ersichtlich nicht der Fall ist.
c) Als klärungsbedürftig erachtet die Beschwerde ferner die Frage,
ob nur denkbare "potentielle" Störungen bei offen gelassener Prüfung der konkreten Bebauungssituation, die sich - wenn überhaupt - überdies nur als "geringfügig" herausstellen, die Bauleitplanung der Kommune beschränken bzw. "wegwägen" dürfen.
Soweit erkennbar, möchte die Beschwerde damit klären lassen, ob eine Planung auch dann als abwägungsfehlerhaft beanstandet werden kann, wenn in der Abwägung Störungen unberücksichtigt geblieben sind, deren Eintritt das Normengericht zwar für möglich gehalten, aber nicht konkret untersucht hat, und die überdies private Interessen allenfalls geringfügig beeinträchtigen. Auch diese Frage lässt sich, soweit entscheidungserheblich, auf der Grundlage bisheriger Senatsrechtsprechung beantworten. Abwägungserheblich sind alle Belange, die nach Lage der Dinge in die Abwägung eingestellt werden müssen (Urteil vom 12. Dezember 1969 - BVerwG 4 C 105.66 - BVerwGE 34, 301 <309>). Private Interessen sind für die Abwägung erheblich, sofern sie in planungsrechtlich beachtlicher Weise berührt werden (Urteil vom 9. November 1979 - BVerwG 4 N 1.78, 4 N 2. bis 4.79 - BVerwGE 59, 87 <98>) oder - anders ausgedrückt - in der konkreten Planungssituation einen städtebaulichen Bezug haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Bebauungsplan nicht erkennbar waren (Urteil vom 30. April 2004 - BVerwG 4 CN 1.03 - a.a.O. S. 138 m.w.N.). Insofern kann auch das private Interesse am Fortbestand der bisherigen planungsrechtlichen Situation ein in der Abwägung zu berücksichtigender Belang sein, sofern der Dritte von der beabsichtigten Änderung mehr als nur geringfügig in seinen Interessen berührt wird (Beschluss vom 20. August 1992 - BVerwG 4 NB 3.92 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 69).
Diese rechtlichen Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht seiner Prüfung ausdrücklich zugrunde gelegt (UA S. 8 f.). Es hat dabei mit Blick auf die konkrete Situation im Baugebiet festgestellt, dass sich die Planänderung gegenüber der in den jeweils vorderen, straßenseitigen Grundstücksbereichen bereits entstandenen Wohnbebauung als konfliktträchtig und bewältigungsbedürftig erweise, weil sie faktisch erstmals eine Wohnbebauung im rückwärtigen Grundstücksbereich ermögliche, die naturgemäß ein hohes Konfliktpotential berge, indem sie Unruhe in diese Bereiche hineintrage und für die Nachbarn zu Belästigungen und Störungen führen könne (UA S. 9 f.). Das Oberverwaltungsgericht hat damit Gründe für den städtebaulichen Bezug der privaten Interessen der Antragsteller angegeben, die die Schlussfolgerung, die Antragsgegnerin hätte diese Belange in der Abwägung berücksichtigen müssen, auch wenn eine an den Umständen des Einzelfalls orientierte nähere Begründung denkbar und möglicherweise auch wünschenswert gewesen sein mag, tragen. Auf die von der Beschwerde problematisierte Frage, ob diese Belange auch in einem bauordnungsrechtlichen Verfahren zu berücksichtigen wären, kommt es ebenso wenig an wie auf die zuvor erteilte "Zustimmung zur Abweichung".
Davon, dass die privaten Interessen der Antragsteller nur geringfügig beeinträchtigt wären, ist das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen. Die Formulierung, es möge sein, dass sich die potentiellen Störungen angesichts der Größe der betroffenen Grundstücke und der konkreten Bebauungssituation im Ergebnis einer entsprechenden Prüfung als eher geringfügig herausstellen (UA S. 10), bezieht sich auf die nach § 2 Abs. 3 BauGB gebotene Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials durch die planende Gemeinde, deren Ergebnis es selbstverständlich auch sein kann, dass die fraglichen privaten Belange der Antragsteller letztlich doch nur als geringfügig zu bewerten sind und deshalb die Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB nicht maßgeblich beeinflussen. Dies setzt aber einen ordnungsgemäßen Abwägungsvorgang voraus, dessen Fehlen das Oberverwaltungsgericht gerade beanstandet hat.
d) Die von der Beschwerde formulierte Grundsatzfrage,
ob das Normenkontrollgericht der Gemeinde in diesem Zusammenhang eine fehlende "Abwägungsoffenheit" unterstellen darf, ohne dies sachlich zu begründen,
ist nicht entscheidungserheblich, weil das Normenkontrollgericht der Antragsgegnerin eine fehlende Abwägungsoffenheit nicht unterstellt hat. Es hat lediglich darauf hingewiesen, dass, wenn die Planänderung (auch) dazu dienen soll, die illegal begonnene Errichtung des Gebäudes auf dem Nachbargrundstück zu legalisieren, dieses Motiv eine ganz besonders sorgfältige Auseinandersetzung mit den widerstreitenden Interessen erfordere, "weil ansonsten nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich das beschließende Gremium von vornherein an ein bestimmtes Ergebnis gebunden fühlte und es mithin an der erforderlichen Abwägungsoffenheit fehlte" (UA S. 11).
e) Soweit die Beschwerde schließlich klären lassen möchte,
ob sich ein Gericht unter Missachtung des Gewaltenteilungsgrundsatzes an die Stelle einer planenden Gemeinde setzen und letztlich deren Bauleitplanung bestimmen bzw. sogar den Stillstand der städtischen Entwicklung provozieren darf,
ist auf die in § 47 VwGO normierte Befugnis des Oberverwaltungsgerichts zu verweisen, einen Bebauungsplan im Rahmen der prinzipalen Normenkontrolle auf beachtliche Rechtsverstöße zu kontrollieren und gegebenenfalls für unwirksam zu erklären.
2. Die geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.
Der Beschwerdevortrag genügt insoweit schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO (vgl. dazu Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328; stRspr). Die Beschwerde bezeichnet keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz einem (unter anderem) in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Aber auch in der Sache lässt der Beschwerdevortrag eine Divergenz nicht erkennen.
Von den im Urteil des Senats vom 30. April 2004 (BVerwG 4 CN 1.03 a.a.O.) entwickelten rechtlichen Maßstäben für die Antragsbefugnis weicht das Normenkontrollurteil - wie dargelegt - nicht ab. Soweit dort entschieden worden ist, dass das Interesse, mit einem Grundstück in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans einbezogen zu werden, kein abwägungsrelevanter Belang ist, der dem Eigentümer die Antragsbefugnis für eine Normenkontrolle zu vermitteln vermag, ist dies - entgegen der Auffassung der Beschwerde (Bl. 244 d.A.) - vorliegend ohne Belang.
Im Übrigen macht die Beschwerde lediglich geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die rechtlichen Maßstäbe zur Antragsbefugnis unzutreffend angewandt, was die Zulassung der Divergenzrevision nicht zu begründen vermag (Beschluss vom 25. Februar 1997 - BVerwG 11 B 5.97 -