Entscheidungsdatum: 21.06.2018
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Landesanwaltschaft hat keinen Erfolg.
I. Die Beschwerde der Landesanwaltschaft als Vertreterin des öffentlichen Interesses ist zulässig. Hieran könnten zwar im Hinblick auf die für jedes Rechtsmittel erforderliche Beschwer Zweifel bestehen. Allerdings setzt nach bisheriger Rechtsprechung die Beschwerde eines Vertreters des öffentlichen Interesses keine formelle Beschwer voraus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 1983 - 9 B 2597.82 - BVerwGE 67, 64 <66>; Urteil vom 19. Januar 1987 - 9 C 247.86 - BVerwGE 75, 337 <339>). Diese läge auch nicht vor, denn die Landesanwaltschaft hat im Normenkontrollverfahren keinen Antrag gestellt. Es reicht jedoch aus, wenn der Vertreter des öffentlichen Interesses mit dem eingelegten Rechtsmittel zumindest inhaltlich eine anderslautende Entscheidung erstrebt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1977 - 1 C 20.74 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 164; Beschluss vom 6. Dezember 1999 - 4 B 75.99 - Buchholz 406.41 Baugestaltungsrecht Nr. 5 = juris Rn. 3). Das ist vorliegend der Fall.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Zulassungsgründe sind entweder nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt oder liegen jedenfalls nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Landesanwaltschaft beimisst (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Die zunächst für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Fragen,
ob es dem aus dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Grundsatz, wonach sicherzustellen ist, dass Normen nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt erlassen werden, genügt, dass bei mehrseitigen Satzungstexten eines Bebauungsplans die Ausfertigung in der Weise erfolgt, dass nur die letzte Seite vom zuständigen Organ unterschrieben ist,
ob es das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG gebietet, dass bei Satzungstexten eines Bebauungsplans, die auf mehreren Seiten abgefasst und die nur auf der letzten Seite vom zuständigen Organ unterschrieben sind und deren einzelne Seiten nicht körperlich miteinander verbunden sind, dass der unterschriebene Teil mit hinreichender Bestimmtheit auf die übrigen nicht ausgefertigten (unterschriebenen) Seiten der Norm Bezug nimmt oder sich eine hinreichend bestimmte Bezugnahme aus den einzelnen Satzungsbestandteilen (Seiten) zur unterschriebenen Seite ergibt, weil nur auf diese Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit (Identität) der Seiten zur Norm ausgeschlossen werden kann
und
ob es das bundesverfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG oder § 10 Abs. 3 BauGB gebietet, dass die einzelnen Seiten eines mehrseitigen Satzungstextes eines Bebauungsplans im Zeitpunkt der Ausfertigung derart körperlich oder gedanklich miteinander verknüpft sind, dass die Zugehörigkeit der jeweiligen Einzelblätter zur ausgefertigten Fassung des Bebauungsplans dauerhaft oder jedenfalls über einen langen Zeitraum gesichert ist und auch bei der Entnahme einzelner Blätter der Zustand des ausgefertigten Originals aus sich heraus unzweifelhaft wiederhergestellt werden kann und letzteres nicht der Fall ist, wenn die Satzung in der Weise ausgefertigt ist, dass nur die letzte Seite unterschrieben ist,
führen nicht zur Zulassung der Revision. Soweit auf sie überhaupt in einer über den konkreten Einzelfall hinausgehenden Weise geantwortet werden kann, zeigen sie keine ungelöste Problematik des Bundesrechts auf.
Art. 26 Abs. 2 Satz 1 der Bayerischen Gemeindeordnung (GO), auf den der Verwaltungsgerichtshof seine Annahme eines Ausfertigungsmangels gestützt hat (UA Rn. 6), ist irrevisibles Landesrecht, dessen Nachprüfung dem Revisionsgericht versagt ist (§ 137 Abs. 1 VwGO). Einen beachtlichen Bezug zum revisiblen Bundesrecht stellt die Beschwerde nicht dadurch her, dass sie sich zur Begründung ihrer Auffassung, wonach das Normenkontrollgericht die Anforderungen an die Ausfertigung von Bebauungsplänen verkannt habe, auf das bundesverfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) bzw. auf § 10 Abs. 3 BauGB beruft. Die Rüge einer Verletzung von Bundes(verfassungs)recht bei der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung nicht revisiblen Landesrechts vermag die Zulassung der Grundsatzrevision nur zu rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundesrechts darlegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 30. Dezember 2016 - 9 BN 3.16 - BeckRS 2016, 114176 Rn. 18 und vom 14. August 2017 - 9 B 3.17 - BeckRS 2017, 123672 Rn. 4). Daran fehlt es hier.
Die Anforderungen, die das Bundes(verfassungs)recht an die Ausfertigung von Landesrecht stellt, sind in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschlüsse vom 4. September 2014 - 4 B 29.14 - UPR 2015, 99, vom 4. September 2014 - 4 B 30.14 - BRS 82 Nr. 227 und vom 4. September 2014 - 4 B 31.14 - ZfBR 2014, 782). Danach verlangt das Rechtsstaatsgebot die Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen (sog. "Identitätsfunktion", "Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion"). Weiteres, insbesondere zu Art und Weise der Prüfung und ihrer Beurkundung, also des (geeigneten) Nachweises, dass diese Identitätsprüfung stattgefunden hat, gibt das Bundesrecht nicht vor. Bundesrecht "wacht" somit lediglich darüber, ob das Landesrecht überhaupt eine angemessene Kontrolle der Authentizität ermöglicht. Hinter diesen Anforderungen kann das Landesrecht mithin nicht zurückbleiben, es kann aber darüber hinausgehen. Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Dass aus dem Rechtsstaatsprinzip nicht nur eine untere, sondern gleichsam auch eine obere Grenze in Bezug auf die an eine Ausfertigung von Bebauungsplänen zu stellenden Anforderungen folgen könnte, legt die Beschwerde nicht dar.
Die weitere Frage,
ob es das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG gebietet, dass ein Ausfertigungsmangel zur Nichtigkeit eines Bebauungsplans führt, der u.a. aus einem mehrseitigen Satzungstext besteht, weil die Satzung in der Weise ausgefertigt ist, dass sie nur auf der letzten Seite vom zuständigen Organ unterschrieben ist,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Gesamtunwirksamkeit des Änderungsbebauungsplans nicht aus dem Rechtsstaatsprinzip, sondern aus dem nicht revisiblen Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO (UA Rn. 28 mit Rn. 6), somit aus einem Verstoß gegen Landesrecht hergeleitet.
2. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass das Normenkontrollurteil von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 1991 - 4 NB 26.90 - (Buchholz 406.11 § 12 BBauG/BauGB Nr. 18) abweicht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). Das ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Annahme der Beschwerde - wie dargestellt - seine Auffassung zum Ausfertigungsmangel entscheidungstragend nicht mit § 10 Abs. 3 BauGB, sondern mit Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO begründet hat. Im Übrigen hat er auch keinen Rechtssatz aufgestellt, wonach es zu Zwecken des § 10 Abs. 3 BauGB nicht genüge, dass der Bebauungsplan durch die Bekanntmachung der Genehmigung bzw. des Beschlusses identifiziert werden könne, es insofern vielmehr auf das Vorhandensein formaler Vermerke auf der Satzung ankomme. Er hat vielmehr aus dem Umstand, dass die Bekanntmachung von Bebauungsplänen nicht durch die Veröffentlichung des Satzungstextes, der Planzeichnung sowie ggf. (weiterer) regelnder Anlagen, sondern im Wege der Ersatzverkündung (§ 10 Abs. 3 BauGB) erfolgt, gefolgert, dass deshalb strengere Anforderungen an die Ausfertigung zu stellen seien (UA Rn. 12).
3. Dem Normenkontrollgericht ist kein Verfahrensfehler unterlaufen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Beschwerde rügt, der 15. Senat des Verwaltungsgerichtshofs hätte die Sache dem Großen Senat des Verwaltungsgerichtshofs vorlegen müssen, weil er mit der angegriffenen Entscheidung von Entscheidungen des 1. und des 25. (jetzt 9.) Senats desselben Gerichts in der Auslegung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO bei Bebauungsplänen abgewichen sei.
Die pflichtwidrige Nichtvorlage einer Sache an den Großen Senat eines Oberverwaltungsgerichts wegen Abweichung von einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts (§ 12 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 2 und 3 VwGO) kann einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter (§ 138 Nr. 1 VwGO) darstellen und damit ein im Rahmen der Zulassung der Revision relevanter und rügefähiger Verfahrensfehler gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sein (BVerwG, Beschluss vom 14. September 2006 - 9 B 2.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 44 Rn. 13). In Bezug auf die Feststellung der Abweichung gelten dabei dieselben Anforderungen, wie sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Revisionszulassungsgrund der Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO entwickelt worden sind (BVerwG, Beschluss vom 14. September 2006 a.a.O. Rn. 14). Hieran gemessen liegt im Streitfall ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht nicht vor.
Die Beschwerde entnimmt dem angefochtenen Urteil den Rechtssatz, mit Blick auf die rechtsstaatlich gebotene Rechtsklarheit für den Fall, dass der Bebauungsplan nicht aus einem einzigen Satzungsteil bestehe bzw. dass nicht alle Einzelteile respektive Einzelblätter ausgefertigt seien, müssten alle regelnden Teile des Bebauungsplans - also in der Regel: Planzeichnung(en) sowie alle Einzelblätter der textlichen Festsetzungen - entweder fest miteinander verbunden sein oder aber auf den ausgefertigten Teilen/Blättern in einer Weise auf die nicht ausgefertigten Bestandteile/Blätter der Satzung Bezug genommen werden, die jeden Zweifel an der Identität ausschließe. Demgegenüber - so die Beschwerde weiter - hätten es der 1. und der 25. Senat für eine ordnungsgemäße Ausfertigung ausreichen lassen, wenn bei einer mehrseitigen Planurkunde beide Teile der Satzung - der Text und die Planzeichnungen - ausgefertigt worden seien. Es sei aber nicht gefordert worden, dass eine ordnungsgemäße Ausfertigung nur dann vorliege, wenn alle Seiten eines mehrseitigen Plantextes ausgefertigt worden seien.
Dass der 15. Senat des Verwaltungsgerichtshofs von dem 1. und dem 25. Senat desselben Gerichts damit in einer abstrakten Rechtsfrage abgewichen sein könnte, ergibt sich hieraus nicht. Die Beschwerde übersieht, dass in dem angefochtenen Urteil auf die wesentlichen von ihr zitierten Entscheidungen der anderen Senate des Verwaltungsgerichtshofs tragend abgestellt wurde (vgl. Rn. 8, 10 und 16). Damit stimmt überein, dass der 15. Senat des Verwaltungsgerichtshofs die angefochtene Entscheidung als logische "Fortentwicklung der Rechtsprechung des 1. und des 15. Senats der letzten neun Jahre bei körperlicher Trennung von Planzeichnung und textlichen Festsetzungen" eines Bebauungsplans begreift (UA Rn. 17) und nicht als Abkehr von dieser Rechtsprechung. Damit erschöpft sich die Beschwerde letztlich im Vorwurf einer fehlerhaften Rechtsanwendung. Dies begründet keine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Im Übrigen hat sich der 15. Senat tragend auf die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs anerkannten Grundsätze zur sog. "gedanklichen Schnur" für das Vorliegen einer Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO genügenden Ausfertigung gestützt. Zu keinem anderen Ergebnis gelange man, wenn man mit einer jedenfalls früher vertretenen Rechtsmeinung anderer Senate des Verwaltungsgerichtshofs eine Unterschrift des ersten Bürgermeisters oder seines Stellvertreters auf einem Schriftstück außerhalb der Satzungsurkunde als grundsätzlich ausreichend ansehe; denn auch nach dieser Meinung sei eine "gedankliche Schnur" - im Sinne eines hergestellten gedanklichen Zusammenhangs von Satzungsinhalt und Beurkundung - gefordert. Der 15. Senat des Verwaltungsgerichtshofs hat sich deshalb auch im Einklang mit der Rechtsprechung dieser anderen Senate des Verwaltungsgerichtshofs gesehen. Von einer Abweichung ist auch inhaltlich nicht auszugehen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.