Entscheidungsdatum: 15.08.2017
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die Rechtsverordnung der Antragsgegnerin über den Bebauungsplan "Winterhude 5", mit dem die planungsrechtlichen Grundlagen für Wohnnutzung in einem bisher im Wesentlichen durch ein Autohaus genutzten Blockinnenbereich geschaffen werden sollten. Der Antragsteller ist Eigentümer eines ca. 96 m tiefen im Plangebiet liegenden Grundstücks, das mit einem fünfgeschossigen Vorderhaus mit Ladengeschäften im Erdgeschoss (A. Straße 26), zwei viergeschossigen Hinterhäusern (A. Straße 26a/b) sowie einer dahinter liegenden Werkhalle bebaut ist. Der Zugang zu den Hinterhäusern erfolgt von der A. Straße durch einen zwischen den beiden Ladengeschäften liegenden Tordurchgang. Außerdem bestand vom W. Marktplatz eine ca. 185 m lange befahrbare Privatstraße, die über den Blockinnenbereich auch zur rückwärtigen Seite der Werkhalle führte. Der frühere Eigentümer hatte die Nutzung der Privatstraße durch den Antragsteller bzw. dessen verstorbenen Vater geduldet. Der nunmehrige Eigentümer - ein Bauträger - verweigert dem Antragsteller die rückwärtige Zufahrt. Der Antragsteller ist der Auffassung, dass für die Feuerwehr eine Zufahrt zu seinen Hinterhäusern und zur Werkhalle über den Tordurchgang an der A. Straße nicht möglich sei, und sieht die Antragsgegnerin deshalb in der Pflicht, die rückwärtige Erreichbarkeit seiner Gebäude für die Feuerwehr durch planerische Festsetzungen sicherzustellen, wodurch auch deren (private) "Anfahrbarkeit ... insbesondere der Werkhalle und des hintersten Wohnhauses (hätte) gewährleistet werden können und müssen."
Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag abgelehnt. Die Tordurchfahrt an der A. Straße sei grundsätzlich geeignet, eine Durchfahrt für die Feuerwehr zur Ausführung von Rettungs- und Löscharbeiten zu bilden. Hierauf habe die Antragsgegnerin in der Planung nachvollziehbar abgestellt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit Verfahrensrügen und einer Grundsatzrüge.
1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Verfahrensfehler legt die Beschwerde nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.
a) Die Rüge (Beschwerdebegründung S. 13 f.), das Oberverwaltungsgericht habe das rechtliche Gehör des Antragstellers verletzt und einen aktenwidrigen Sachverhalt festgestellt, indem es die Behauptung der Antragsgegnerin übernommen habe, die lichte Breite der Tordurchfahrt im Vorderhaus des Antragstellers an der A. Straße 26 betrage 3 m, mit der Folge, dass es zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Feuerwehr die Hinterhäuser sowie die Werkhalle des Antragstellers über dessen eigenes Grundstück erreichen könne, ist unschlüssig.
Die Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 4) räumt selbst ein, dass "zunächst" auch der Antragsteller von der Richtigkeit der Angaben in den Bauakten der Antragsgegnerin ausgegangen sei, in denen eine Durchfahrtsbreite von 3 m angenommen worden sei. Erst ein eigenes Ausmessen habe ergeben, dass die Durchfahrtsbreite von Hauswand zu Hauswand nur 2,92 m betrage. Im Tatbestandsberichtigungsantrag habe der Antragsteller dargelegt, dass die Feuerwehr (bei dieser Breite) mit ihren Lösch- und Gerätewagen nicht passieren und die beiden rückwärtigen Wohnhäuser sowie die Werkhalle nicht erreichen könne. Dass der Antragsteller eine Durchfahrtsbreite von 2,92 m bereits im Normenkontrollverfahren behauptet oder unter Beweis gestellt hätte, ist indes weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 14) behauptet zwar, der Antragsteller habe hierauf "zuletzt" in seinem Tatbestandsberichtigungsantrag hingewiesen, was auf einen wiederholten Vortrag hindeuten könnte. Den Gerichtsakten lässt sich aber entnehmen, dass eine Durchgangsbreite von nur 2,92 m erstmals im Tatbestandsberichtigungsantrag behauptet wurde, während im Zeitpunkt der Entscheidung über den Normenkontrollantrag alle Beteiligten übereinstimmend von der Richtigkeit der in den Bauakten angegebenen Durchfahrtsbreite von 3 m ausgegangen waren. Das Oberverwaltungsgericht hatte deshalb im angegriffenen Urteil keine Veranlassung, an dieser Angabe zu zweifeln und die Frage von sich aus weiter aufzuklären (zum Sich-Aufdrängen einer weiteren Sachverhaltsermittlung von Amts wegen vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Nach dem materiellen Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts war die Frage der tatsächlichen Durchgangsbreite im Übrigen auch nicht entscheidungserheblich. Denn es hat seine Entscheidung selbständig tragend auch darauf gestützt, dass sich die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die sogenannte innere Erschließung auf das jeweilige Baugrundstück bezögen und deshalb der (jeweilige) Grundeigentümer die Zufahrt für die Rettungsfahrzeuge der Feuerwehr grundsätzlich auf eigenem Grund zu schaffen habe; der Hinweis des Antragstellers auf die rechtlich nicht abgesicherte hintere Zufahrt über das Flurstück ... sei daher ungeeignet, das Bestehen eines zweiten Rettungsweges für seine beiden Hinterhäuser aufzuzeigen (UA S. 21).
Dass die Werkhalle des Antragstellers von der Feuerwehr über die Tordurchfahrt von der A. Straße zu erreichen sei, hat das Oberverwaltungsgericht - entgegen der Behauptung der Beschwerde - nicht festgestellt. Deren Erreichbarkeit hat es vielmehr über die im Bebauungsplan festgesetzten Gehrechte auf einer 3,50 m breiten und ca. 185 m langen Fläche im Blockinnenbereich und die als Mindestmaß festgesetzte lichte Durchgangshöhe (im Vorderhaus am W. Marktplatz) auch für größere Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr als gewährleistet angesehen (UA S. 22).
b) Ein Gehörsverstoß ist auch nicht schlüssig dargetan, soweit sich die Beschwerde dagegen wendet, dass das Oberverwaltungsgericht dem angetragenen Beweis auf Einholung einer amtlichen Auskunft der Feuerwehr nicht nachgekommen ist.
Die Rüge geht fehl. Sie scheitert bereits daran, dass der Antragsteller ausweislich der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht (Bl. 221 ff. der Gerichtsakte) den schriftsätzlich angekündigten Beweisantrag im Verhandlungstermin nicht gestellt hat und das Oberverwaltungsgericht - wie dargestellt - von sich aus nicht verpflichtet war, der Frage der Erreichbarkeit der rückwärtigen Gebäude und der Werkhalle des Antragstellers für die Feuerwehr weiter nachzugehen.
Soweit die Beschwerde bemängelt, dass eine Stellungnahme der Feuerwehr nicht zu den Akten gelangt und damit nicht Bestandteil des Abwägungsvorgangs geworden sei, macht sie der Sache nach keinen Verfahrensfehler, sondern eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts geltend, das insoweit weder von einer beachtlichen Verletzung von Beteiligungsvorschriften (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BauGB) noch von beachtlichen Fehlern bei der Ermittlung und Bewertung der abwägungserheblichen Belange (§ 2 Abs. 3 BauGB) ausgegangen ist. Zulassungsgründe sind insoweit nicht geltend gemacht.
c) Im Übrigen ist die Gehörsrüge unsubstantiiert.
Die Beschwerde meint, angesichts der vom Oberverwaltungsgericht (UA S. 26) festgestellten "nachlässigen Führung der Planaufstellungsakten durch die Antragsgegnerin, die zunächst offenkundig unvollständig" gewesen seien, die der Antragsteller auch gerügt habe, und des Fehlens einer Erklärung der Antragsgegnerin, dass die Akten vollständig seien, sei das Oberverwaltungsgericht - auch jenseits der Frage des vorbeugenden Brandschutzes - verpflichtet gewesen, die Verfahrensakten zurückzugeben oder dem Normenkontrollantrag bereits aus diesem Grunde stattzugeben. Indes fehlt jeder Vortrag dazu, inwieweit das von der Beschwerde unterstellte Fehlen von Schriftstücken in den Behördenakten entscheidungserheblich gewesen sein soll. Die Behauptung des Antragstellers, die Antragsgegnerin und der Bauträger hätten bei der Aufstellung des Bauleitplans kollusiv zusammengewirkt, auf die sich die gerichtliche Feststellung zur Führung der Planaufstellungsakten bezieht, hat das Oberverwaltungsgericht als lediglich spekulativ bzw. substanzlos zurückgewiesen und dies eingehend begründet. Eine substantiierte Auseinandersetzung mit dieser Begründung fehlt. Welche sonstigen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte berührt sein könnten, bleibt im Dunkeln.
Soweit die Beschwerde das rechtliche Gehör durch den Beschluss der Vorinstanz über den Tatbestandsberichtigungsantrag vom 22. August 2016 als verletzt ansieht, verhilft ihr dies schon deshalb nicht zum Erfolg, weil dieser Beschluss gemäß § 119 Abs. 2 Satz 2 VwGO unanfechtbar ist.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
Die für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage,
ob das erkennende Gericht verpflichtet ist, nachlässig geführte Planungsakten der Antragsgegnerin jedenfalls dann zur Aufarbeitung an die Planungsbehörde unter Aussetzung des Verfahrens und mit Auflagen zur Neuordnung der Akten zurückzugeben, wenn ihm zu Beginn des Verfahrens solche Akten vorgelegt werden, jedenfalls dann, wenn Schriftstücke fehlen,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie bedarf, soweit sie den Fall aufwirft, keiner Beantwortung in einem Revisionsverfahren. Denn sie stellt sich nach dem Beschluss der Vorinstanz vom 22. August 2016 nur insoweit, als das Tatsachengericht zwar "zunächst" von offenkundig unvollständigen Akten ausgegangen ist, es aber im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung die Vollständigkeit der Akten hinsichtlich der für die Abwägung der Belange betreffenden Umstände angenommen hat. In einem solchen Fall ist die von der Beschwerde gestellte Frage zu verneinen.
Dies folgt aus allgemeinen Grundsätzen: Das auf effektiven Rechtsschutz gerichtete Verfahrensgrundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Verwaltungstätigkeit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich vollständig nachzuprüfen (stRspr, z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <49> und vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <20>). In tatsächlicher Hinsicht trägt dem der Untersuchungs- oder Amtsermittlungsgrundsatz Rechnung, der die Verwaltungsgerichte dazu verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorzulegenden behördlichen Urkunden und Akten sind hierbei ein wichtiges Erkenntnismittel. Die Vorschrift will sicherstellen, dass der Sachverhalt so umfassend wie möglich aufgeklärt wird und nicht nur die aktenverwaltende Behörde, sondern auch der im Prozess beteiligte Bürger von allen Vorgängen Kenntnis erlangen und diese zur Grundlage seines Vorbringens im Rechtsstreit machen kann. Vor dem Hintergrund dieser doppelten Zwecksetzung umfasst die Vorlagepflicht nur solche Urkunden und Akten, deren Inhalt der umfassenden Sachaufklärung durch das Gericht und der Gewinnung von Grundlagen für die Führung des anhängigen Prozesses durch die Beteiligten überhaupt dienlich sein kann (BVerwG, Urteil vom 9. November 1962 - 7 B 91.62 - BVerwGE 15, 132).
Die Pflicht zur Vorlage entscheidungserheblicher Behördenakten wird durch gerichtliche Anforderung aktualisiert (Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 99 Rn. 9). Ausmaß und Intensität der gerichtlichen Aktenanforderung bestimmen sich wiederum nach den Maßstäben des Amtsermittlungsgrundsatzes. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. BVerwG, Beschluss vom 17. November 1998 - 2 B 22.98 - juris Rn. 5 m.w.N.) verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei nicht ausdrücklich beantragt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.