Entscheidungsdatum: 05.07.2016
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. November 2015 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragsgegnerin beimisst.
Die in der Beschwerdebegründung enthaltenen Fragen,
- inwieweit bei Gebietsveränderungen durch eine Änderungssatzung das ergänzende Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB Anwendung finden kann,
- ob Gebietsveränderungen stets das planerische Gesamtkonzept in Frage stellen und daher nur eine "Klarstellung" der Gebietsgrenzen im ergänzenden Verfahren durchgeführt werden kann oder ob unwesentliche Gebietsänderungen im Grenz- bzw. Randbereich eines Sanierungsgebiets unter noch zu klärenden Voraussetzungen die Identität der Satzung wahren und daher auch für sie das ergänzende Verfahren zulässig ist,
- ob und wann bei einer Gebietsverkleinerung im Grenzbereich im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB eine zulässige rückwirkende Änderung gegeben ist oder wann die Identität der ursprünglich beschlossenen Satzung mit der im Heilungsverfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB beschlossenen Satzung nicht mehr gegeben und damit eine Verkleinerung des Sanierungsgebiets nicht mehr zulässig ist,
führen schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil sie in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wären. Das Oberverwaltungsgericht hat die umstrittene Sanierungssatzung nicht deshalb für unwirksam erklärt, weil kein ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB hätte durchgeführt werden dürfen, sondern weil die Satzung mit einem erheblichen Abwägungsmangel behaftet ist (UA Rn. 57). Im Übrigen weist die Antragsgegnerin selbst darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Senats Mängel einer städtebaulichen Satzung nicht in einem ergänzenden Verfahren behoben werden können, wenn sie den Kern der Abwägungsentscheidung betreffen und damit die Planung als Ganzes von vornherein in Frage stellen (BVerwG, Beschluss vom 10. November 1998 - 4 BN 45.98 - Buchholz 406.11 § 215a BauGB Nr. 2 S. 6). Wann das der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Die Teilfrage, ob nachträgliche Gebietsveränderungen stets das planerische Gesamtkonzept in Frage stellen, ist ohne weiteres zu verneinen.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen. Die Antragsgegnerin legt nicht dar, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) verletzt hat.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, im Verfahren zu Wort zu kommen, namentlich sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die grundsätzliche Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, auf jedes Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich einzugehen. Das Gericht darf sich vielmehr auf die Gründe beschränken, die für seine Entscheidung leitend gewesen sind (BVerwG, Beschluss vom 1. September 2009 - 4 B 48.09 - juris Rn. 2). Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile eines Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich mit den Argumenten des Beteiligten nicht befasst (BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46> m.w.N.).
Die Antragsgegnerin zeigt schon nicht auf, dass sie die vom Oberverwaltungsgericht vermisste Abwägung im Normenkontrollverfahren thematisiert hat; die Antragsteller bestreiten dies. Die Antragsgegnerin zitiert nur aus der Beschlussvorlage des Oberbürgermeisters für die Ratsversammlung vom 29. Mai 2013, nimmt die von ihr in Bezug genommene Textpassage als Beleg für eine Abwägung und trägt vor, dass dem Oberverwaltungsgericht "dementsprechend" ein entscheidungserheblicher Sachverhalt vorgelegen habe, "zu dem auch begründet vorgetragen wurde" (Beschwerdebegründung S. 4). Das genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. In Wahrheit rügt die Antragsgegnerin nicht, dass das Oberverwaltungsgericht ihr das rechtliche Gehör versagt, sondern dass es aus dem Akteninhalt nicht die ihrer Ansicht nach gebotenen Schlussfolgerungen gezogen hat. Mit Angriffen gegen die Sachverhalts- oder Beweiswürdigung kann ein Verfahrensmangel aber grundsätzlich - so auch hier - nicht bezeichnet werden (BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 1995 - 4 B 197.94 - Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.