Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 03.06.2014


BVerwG 03.06.2014 - 4 BN 14/14

Abwägungserhebliche Einwendungen bei Öffentlichkeitsbeteiligung im Planaufstellungsverfahren


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
03.06.2014
Aktenzeichen:
4 BN 14/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OVG Lüneburg, 20. Februar 2014, Az: 1 KN 75/11, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

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Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Fragen,

welche Anforderungen an die vom Betroffenen zu erhebenden Einwendungen in einem Planaufstellungsverfahren betreffend die Änderung eines Flächennutzungsplans zu stellen sind, und

ob die im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung in einem Planaufstellungsverfahren erfolgten Darlegungen der Betroffenheiten auch noch nach dem Planbeschluss konkretisiert werden können oder der Betroffene damit ausgeschlossen ist.

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Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Welche Anforderungen an die zu erhebenden Einwendungen zu stellen sind, hängt in erster Linie von den Umständen des Einzelfalls ab. In ihrer allgemein gestellten Form ist die erste Frage deshalb nicht entscheidungserheblich. Die Beschwerde lässt jedoch erkennen, dass sie mit der Frage auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 14) zielt, die Antragsgegnerin habe nicht in ihre Planung einstellen müssen, dass bestimmte, vom Antragsteller konkret beabsichtigte Optimierungen der vorhandenen Biogasanlage planbedingt vereitelt werden könnten, weil der Antragsteller es unterlassen habe, diese konkreten Absichten im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung vorzutragen. In der Sache geht es der Beschwerde also darum, wie konkret diese Optimierungsabsichten hätten dargelegt werden müssen, damit sie die Antragsgegnerin in die Abwägung hätte einstellen müssen. Die so eingegrenzte Frage lässt sich auf der Grundlage vorhandener Rechtsprechung ohne Weiteres im Sinne des Oberverwaltungsgerichts beantworten. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215, vom 30. April 2004 - BVerwG 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165 S. 138 und vom 16. Juni 2011 - BVerwG 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41 Rn. 15) sind nur solche privaten Interessen abwägungserheblich, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulichen Bezug haben. Nicht abwägungserheblich sind hiernach unter anderem solche Interessen, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren. Waren - wie mit der Beschwerde vorgetragen - im Zeitpunkt des Einwendungsverfahrens also bereits konkrete Optimierungen der vorhandenen Biogasanlage beabsichtigt, die - wie der Antragsteller meint - durch die Planung vereitelt werden könnten, hätte er diese Absichten der planenden Gemeinde durch fristgerecht erhobene Einwendungen auch konkret zur Kenntnis bringen müssen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 15) hatte der Antragsteller bis zum Ratsbeschluss aber lediglich in allgemeiner Form auf seine „Entwicklungsmöglichkeiten" hingewiesen. Konkretisiert wurden entsprechende Optimierungsabsichten, wie das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat und die Beschwerde auch selbst einräumt, erstmals in einem Gespräch, das knapp sechs Monate nach der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan stattgefunden hatte.

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Die weitere Frage, ob die im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung dargelegten Betroffenheiten auch noch nach der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan nachträglich in abwägungsrelevanter Weise konkretisiert werden können, ist bereits nach dem Gesetzeswortlaut eindeutig zu verneinen. § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB erklärt für die (rechtliche Beurteilung der) Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung für maßgebend. Ist in diesem Zeitpunkt ein beachtlicher Abwägungsfehler nicht festzustellen, wird die einmal rechtmäßig getroffene Abwägungsentscheidung nicht nachträglich dadurch fehlerhaft, dass sich die Sach- oder Rechtslage nach der Abwägung geändert hat (vgl. z.B. Uechtritz, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2. Aufl. 2014, § 214 Rn. 110 m.w.N.; zur nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage im Fall einer fehlerhaften Abwägung vgl. jüngst auch Urteil vom 27. März 2014 - BVerwG 4 CN 3.13 - Rn. 27). Soweit in der älteren Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 29. September 1978 - BVerwG 4 C 30.76 - BVerwGE 56, 283 <289>) für den Fall gravierender Ereignisse zwischen Beschlussfassung und Bekanntmachung des Plans bezweifelt worden ist, ob der Plan gleichwohl so in Kraft gesetzt werden darf, ist dies hier ohne Belang, weil ein derartiger Fall - auch nach dem eigenen Vortrag der Beschwerde - ersichtlich nicht vorliegt.

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2. Die Revision ist auch nicht wegen einer Abweichung des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

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Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26). Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerde nicht. Es fehlt schon an der Bezeichnung eines die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatzes. Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die Anforderungen an die zu erhebenden Einwendungen überspannt. Damit macht sie der Sache nach lediglich eine unzutreffende, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts missachtende Rechtsanwendung geltend. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist damit nicht dargetan.

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3. Der behauptete Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision.

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Die von der Beschwerde als Verfahrensrüge erhobene Rüge der Aktenwidrigkeit bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf. Die Verfahrensrüge der Aktenwidrigkeit verlangt ferner eine genaue Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus dem vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll (Beschluss vom 2. November 1999 - BVerwG 4 BN 41.99 - UPR 2000, 226). Daran fehlt es hier.

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Die Beschwerde benennt zwar konkrete Textstellen in dem angegriffenen Urteil, die sie für aktenwidrig hält, nämlich insbesondere die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, der Antragsteller habe lediglich in allgemeiner Form auf seine „Entwicklungsmöglichkeiten" hingewiesen. Sie stellt dem aber keine konkreten Textstellen aus dem vorinstanzlichen Verfahren gegenüber, aus denen sich der behauptete Widerspruch ergeben soll. Soweit die Beschwerde geltend macht, aus den Verfahrensakten ergebe sich „im Gegenteil", dass der Antragsteller die mit der Planung verbundenen Einschränkungen der Nutzung seines Hofgeländes in mehreren Einwendungsschriften während der Einwendungsfristen - teilweise unter Benennung der konkreten geplanten Änderungen der baulichen Anlagen zum Zwecke der Biomassenutzung - dargestellt habe, betrifft dieser Vortrag ersichtlich das Interesse des Antragstellers, Biomasseanlagen auf seiner gesamten Hofstelle und nicht bloß auf einem im Norden gelegenen Streifen errichten zu können. Die planerische Abwägung dieses Interesses hat das Oberverwaltungsgericht an anderer Stelle (UA S. 13) geprüft und als rechtlich unbedenklich angesehen. Das Oberverwaltungsgericht hat also klar zwischen dem Interesse des Antragstellers, bei der Errichtung von Biomasseanlagen durch die Planung nicht auf den im Norden gelegenen Grundstücksstreifen beschränkt zu werden, und dem Interesse an der beabsichtigten Optimierung der vorhandenen Biogasanlage unterschieden. Die angebliche Aktenwidrigkeit der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu den beabsichtigten Optimierungen der vorhandenen Biogasanlage ist insoweit nicht dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Gleiches gilt, soweit die Beschwerde behauptet, „weitere Konkretisierungen" der Betroffenheiten des Antragstellers seien durch die Bezugnahme auf bestimmte Stellungnahmen von Behörden und anderen Stellen erfolgt. Auch soweit die Beschwerde auf die Sitzungsniederschrift des Rates der Antragsgegnerin hinweist, behauptet sie selbst nicht, dass in der Ratssitzung die behaupteten Optimierungsabsichten hinsichtlich der vorhandenen Biogasanlage näher konkretisiert oder dargestellt worden wären.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.