Entscheidungsdatum: 30.04.2018
Die Klägerin wendet sich als Nachbarin gegen eine Baugenehmigung für Umbau und Restaurierung einer Gaststätte. Diese soll als Brauhaus über zwei Räume mit Plätzen für insgesamt mehr als 300 Besucher verfügen und jeweils von 9:00 morgens bis 1:00 Uhr früh geöffnet sein. Die Klägerin ist Eigentümerin eines angrenzenden, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks, das in demselben festgesetzten allgemeinen Wohngebiet einer Großstadt wie das Vorhabengrundstück liegt.
Die Vorinstanz hat die Baugenehmigung aufgehoben, weil der Anspruch der Klägerin auf Gebietserhaltung verletzt sei. Ob das Vorhaben der Versorgung des Gebiets nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO diene, könne offen bleiben. Denn es sei jedenfalls nicht gebietsverträglich.
A. Auf die Beschwerde der Beklagten war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache bietet dem Senat Gelegenheit zu klären, ob für die Gebietsverträglichkeit nach dem jeweiligen Charakter eines allgemeinen Wohngebiets zu differenzieren ist, wenn eine Schank- und Speisewirtschaft der Versorgung eines allgemeinen Wohngebiets nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dient. Diese Zulassung der Revision wirkt nur zu Gunsten der Beklagten (BVerwG, Beschluss vom 3. November 2000 - 7 B 116.00 - Buchholz 310 § 139 Abs. 2 VwGO Nr. 3 S. 2).
B. Die Beschwerde des Beigeladenen bleibt erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht ist insoweit auf die fristgerecht vorgetragenen Beschwerdegründe beschränkt (BVerwG, Beschluss vom 11. September 1990 - 1 CB 6.90 - NJW 1990, 3102). Diese zeigen keinen Zulassungsgrund auf.
I. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache legt der Beigeladene nicht dar.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).
Der Beigeladene möchte in einer Revision der Sache nach klären lassen,
wie die räumlichen Grenzen des Gebiets zu bestimmen sind, zu deren Versorgung die Schank und Speisewirtschaft nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dient, und
wie sich die planungsrechtliche Gliederung einer zusammenhängend bebauten Umgebung auf diese Bestimmung auswirkt.
Die Fragen sind nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung nicht auf § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO gestützt, sondern die Baugenehmigung wegen fehlender Gebietsverträglichkeit aufgehoben. Der Senat hätte in einem Revisionsverfahren daher keinen Anlass, zur Abgrenzung des Gebiets nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO Stellung zu nehmen, dessen Versorgung die jeweilige Schank- oder Speisewirtschaft dient.
II. Die Revision des Beigeladenen ist nicht wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
1. Entgegen der Auffassung des Beigeladenen weicht der angegriffene Beschluss nicht in diesem Sinne von dem Beschluss des Senats vom 1. März 1999 - 4 B 13.99 - (Buchholz 406.12 § 14 BauNVO Nr. 14 S. 2 f.) ab. Zu der den letztgenannten Beschluss tragenden Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz BauNVO hat sich die Vorinstanz nicht geäußert.
2. Der Beigeladene bezeichnet auch keine Abweichung zu dem Senatsurteil vom 21. März 2002 - 4 C 1.02 - (BVerwGE 116, 155). Die Beschwerde unterlässt es bereits, dem Senatsurteil und dem angegriffenen Beschluss abstrakte Rechtssätze zu entnehmen, die zueinander in Widerspruch stehen. Ihre Kritik beschränkt sich auf den Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe Prüfungen unterlassen, die der Senat bei Anwendung des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO gefordert habe. Dies ist keine Divergenz. Nur ergänzend sei darauf verwiesen, dass der Senat - entgegen der Annahme des Beigeladenen - in dem angegriffenen Urteil ausdrücklich offen gelassen hat, ob Anlagen für Verwaltungen nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO im Regelfall gebietsverträglich sind, wenn sie der Versorgung des Gebiets dienen (BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 a.a.O. S. 160).
3. Der Beigeladene bezeichnet schließlich keine Abweichung von dem Senatsbeschluss vom 28. Februar 2008 - 4 B 60.07 - (Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19). Er wirft dem Oberverwaltungsgericht vor, die in dem Senatsbeschluss entwickelten Kriterien nicht auf den konkreten Fall angewandt zu haben. Das Aufzeigen einer - behaupteten - fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz nicht (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
III. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch des Beigeladenen auf gerichtliches Gehör nicht verletzt, obwohl es sich in den Gründen des Beschlusses mit dem Ergebnis einer Umfrage zu der für die An- und Abfahrt benutzten Verkehrsmitteln nicht im Einzelnen auseinandersetzt.
Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BVerwG, Urteil vom 20. November 1995 - 4 C 10.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22). Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Teil eines Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von wesentlicher Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Urteile vom 20. November 1995 - 4 C 10.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 23 und vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 42).
Das Oberverwaltungsgericht hat den Vortrag des Beigeladenen ausweislich des Tatbestandes zur Kenntnis genommen (BA S. 5). Es hatte aber nach seinem Rechtsstandpunkt keinen Anlass, sich im Rahmen der Gebietsverträglichkeit mit Verkehrsmitteln für die Anfahrt zu befassen. Insoweit hat es auf die Größe der Gaststätte, die Öffnungszeiten und die Geräusche bei Besuch und Verlassen Lokals verwiesen. Hierfür spielt keine Rolle, mit welchem Verkehrsmittel die jeweiligen Besucher an- und abreisen. Dagegen kam es nach der materiellen Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht darauf an, ob im fußläufigen Einzugsbereich des Vorhabens viele Menschen wohnen und ob sie die Gaststätte nachfragen (BA S. 10).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG, die vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.