Entscheidungsdatum: 27.06.2016
Die auf sämtliche Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
a) Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,
ob § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO 1990 bzw. 2013 die sachverständige Konkretisierung eines allgemeinen städtebaulichen Grundsatzes beinhaltet, wonach regelmäßig davon auszugehen ist, dass sich ein nicht kerngebietstypisches und nicht als generell störender gewerblicher Kleinbetrieb im Sinne von § 7 Nr. 8 Buchst. b Halbs. 2 der Bauordnung für Berlin (in der Fassung vom 21. November 1958, GVBl. S. 1087 - BauO BE 58 -) anzusehendes Wettbüro in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 7 Nr. 5 BauO BE 1958 als rücksichtslos darstellt, mit der Folge, dass dieser Grundsatz bei den über das Rücksichtnahmegebot in Form eines gedanklichen Ausgangspunktes bzw. einer normativen Bewertungshilfe für die gebotene Gesamtschau der von dem Vorhaben und seiner Nutzung ausgehenden Beeinträchtigungen sowie die Würdigung und Bewertung, ob diese im Einzelfall für die nähere Umgebung zumutbar sind, berücksichtigt werden kann,
bzw. - anders formuliert -,
ob bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes festgestellte städtebauliche Pläne, die nach § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG als Bebauungspläne gelten, über das nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich wertungsoffene Korrektiv des Rücksichtnahmegebots einer Nachsteuerung durch aus der Baunutzungsverordnung abzuleitende städtebauliche Grundsätze offen sind, die deshalb nicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplans werden, weil sie sich erst in Anwendung einer später in Kraft getretenen Fassung der Baunutzungsverordnung ergeben.
Die Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Sie betreffen nichtrevisibles Landesrecht.
Zum revisiblen Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zählen nur solche Normen, die kraft Gesetzesbefehls des Bundesgesetzgebers oder des aufgrund seiner Delegation tätig gewordenen Verordnungsgebers gelten (BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 3 C 64.89 - BVerwGE 91, 77 <81>). Wird in landesrechtlichen Vorschriften auf Bundesrecht verwiesen oder Bezug genommen, so sind die bundesrechtlichen Vorschriften ebenso wenig revisibel wie die landesrechtlichen, denn sie gelten nicht aufgrund eines Gesetzesbefehls des Bundesgesetzgebers. Auch wenn Lücken des Landesrechts durch entsprechende Vorschriften des Bundesrechts geschlossen werden oder im Rahmen des Landesrechts allgemeine, dem Bundesrecht entnommene Rechtsgrundsätze angewendet werden, handelt es sich nicht um revisibles Bundesrecht. Dasselbe gilt, wenn das Landesrecht Begriffe verwendet, die auch das Bundesrecht kennt, mag sich ihr Inhalt mit dem Bundesrecht decken oder davon abweichen, oder wenn es sich um übereinstimmendes Landesrecht handelt (siehe jüngst BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 2015 - 4 B 42.15 - juris m.w.N.). So verhält es sich hier.
Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der vom Kläger angezeigten Änderung der Nutzung einer Ladeneinheit als Wettbüro hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nach den fortgeltenden städtebaulichen Vorschriften der Bauordnung für Berlin in der Fassung vom 21. November 1958 in Verbindung mit den Festsetzungen des nach § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG übergeleiteten Baunutzungsplans 1958/1960 richte. Das Vorhaben liege nach den Festsetzungen des Baunutzungsplans in einem allgemeinen Wohngebiet. Dort sei es als gewerblicher Kleinbetrieb im Sinne von § 7 Nr. 8 Buchst. b Halbs. 2 BauO BE 58, der nicht als generell störend anzusehen sei, allgemein zulässig. Das Wettbüro verstoße aber gegen das landesrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nach § 7 Nr. 5 BauO BE 58, weil es nach den Umständen des Einzelfalls am konkreten Vorhabenstandort Nachteile und Belästigungen verursache, die für die Wohnnutzung in der näheren Umgebung nicht zumutbar seien, und darüber hinaus nachteilige städtebauliche Auswirkungen habe. Die damit gebotene Beurteilung des Einzelfalls schließe es nicht aus, im Rahmen des in § 7 Nr. 5 BauO BE 58 enthaltenen landesrechtlichen Rücksichtnahmegebots die Regelung des § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO 1990, nach der in einem allgemeinen Wohngebiet Vergnügungsstätten unzulässig seien, als sachverständige Konkretisierung allgemeiner (moderner) städtebaulicher Grundsätze und als Auslegungs- und Anwendungshilfe zu berücksichtigen.
Dagegen wendet sich die Beschwerde. Die von ihr aufgeworfenen Fragen betreffen die Auslegung und Anwendung des § 7 Nr. 5 BauO BE 58 und damit nichtrevisibles Landesrecht. Hieran ändert auch die Kritik der Beschwerde nichts, das Oberverwaltungsgericht habe die Baugebietstypen der Baunutzungsverordnung zwar als "normative Bewertungshilfe", aber (ebenfalls) "gleichsam rechtssatzartig" herangezogen, wodurch der Regelungsgehalt der einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften ausgehöhlt und letztlich durch die Regelungen der Baunutzungsverordnung ersetzt worden sei. Denn - wie ausgeführt - handelt es sich auch dann nicht um revisibles Bundesrecht, wenn Lücken des Landesrechts im Wege der Auslegung durch entsprechende Vorschriften des Bundesrechts geschlossen werden oder im Rahmen des Landesrechts allgemeine, dem Bundesrecht entnommene Rechtsgrundsätze angewendet werden.
Die aufgeworfene Rechtsfrage ist auch nicht deshalb eine solche des Bundesrechts, weil sie allgemeine Fragen der Auslegung und Anwendung des nach § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG übergeleiteten Baunutzungsplans 1958/1960 aufwirft. Nach dieser Vorschrift gelten bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes bestehende baurechtliche Vorschriften und festgestellte städtebauliche Pläne als Bebauungspläne, soweit sie verbindliche Regelungen der in § 9 BBauG bezeichneten Art enthalten. Hiervon ist das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich des Baunutzungsplans 1958/1960 ausgegangen, der somit als übergeleiteter Bebauungsplan fort gilt. Das ändert aber nichts daran, dass der Baunutzungsplan 1958/1960 - nicht anders als ein Bebauungsplan, der auf der Grundlage des Bundesbaugesetzes/Baugesetzbuchs erlassen worden ist - Bestandteil des nicht revisiblen Landesrechts ist (BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 2016 - 4 B 21.15 - Rn. 7).
b) Um die Auslegung und Anwendung nichtrevisiblen Landesrechts geht es schließlich auch, soweit sich die Beschwerde dagegen wendet, dass das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze "zudem" auf weitere, an tatsächliche Verhältnisse anknüpfende Erwägungen zum konkreten Vorhaben wie etwa einem von der Vorinstanz angenommenen sog. trading-down-Effekt gestützt habe, und hierzu verschiedene - aus ihrer Sicht - grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen formuliert. Abgesehen davon haben die von der Beschwerde formulierten Grundsatzfragen größtenteils tatsächliche Annahmen zum Gegenstand, die einer rechtsgrundsätzlichen Klärung entzogen sind.
2. Der Beschwerdevortrag zum Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) verfehlt bereits die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem (unter anderem) in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Diesen Anforderungen genügt der Beschwerdevortrag nicht. Die von der Beschwerde angeführten Entscheidungen (BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 4 C 8.12 - BVerwGE 147, 379 sowie Beschluss vom 6. März 1989 - 4 NB 8.89 - Buchholz 406.11 § 30 BBauG/BauGB Nr. 27) betreffen das in § 15 Abs. 1 BauNVO normierte bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des klägerischen Vorhabens an dem in § 7 Nr. 5 BauO BE 1958 enthaltenen Rücksichtnahmegebot gemessen. Die Beschwerde stellt damit Rechtssätze einander gegenüber, die nicht in Anwendung derselben Rechtsvorschriften aufgestellt wurden.
3. Die geltend gemachten Verfahrensfehler führen nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Zulassung der Revision.
a) Die Beschwerde beanstandet als Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO, dass das Oberverwaltungsgericht angenommen habe, auf der Grundlage des im Ortstermins gewonnenen Eindrucks beständen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den festgestellten Leerständen lediglich um eine normale Fluktuation handele, sowie, dass sich keine Nachnutzer gefunden hätten. Dies führt nicht auf einen Verfahrensfehler.
Fehler in der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen (BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4; stRspr). Die Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung mit der Folge des Vorliegens eines Verfahrensfehlers ist erst dann überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. März 2012 - 8 B 76.11 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 76 Rn. 8, vom 13. Februar 2012 - 9 B 77.11 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7 und vom 5. Juni 2014 - 4 BN 8.14 - BRS 82 Nr. 18 Rn. 3).
Das Oberverwaltungsgericht hat als einen Indikator für einen bereits eingetretenen trading-down-Effekt angenommen, es gebe "keine hinreichenden Anhaltspunkte" dafür, dass die Leerstände nur eine normale Fluktuation seien. Das Vorliegen solcher Anhaltspunkte macht aber auch die Beschwerde nicht geltend. Ihre Kritik richtet sich gegen die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, schon das Fehlen derartiger Anhaltspunkte sei ein Indikator für einen trading-down-Effekt. Dies führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Die Beschwerde zeigt auch keinen Verfahrensfehler auf, soweit das Oberverwaltungsgericht feststellt, es hätten sich derzeit keine Nachnutzer gefunden. Dies ist als Ergebnis einer Ortsbesichtigung ohne weiteres dahin zu verstehen, dass frühere Ladengeschäfte nicht mehr genutzt werden. Dass dies nicht zutrifft, macht die Beschwerde nicht geltend. Dass der bestehende Leerstand auf die Existenz einer Vergnügungsstätte zurückzuführen ist, stellt das Oberverwaltungsgericht, anders als die Beschwerde meint, nicht fest.
b) Die Beschwerde legt auch keinen Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO dar. Denn eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.