Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 16.04.2019


BVerwG 16.04.2019 - 4 B 55/18

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
16.04.2019
Aktenzeichen:
4 B 55/18
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2019:160419B4B55.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 8. Juni 2018, Az: 20 D 83/15.AK, Urteil

Gründe

1

Die Klägerin, eine Gemeinde in der Umgebung des Verkehrsflughafens D., wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung von Vorfeldflächen auf dem westlichen Betriebsgelände des Flughafens. Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses sind die sog. Bauabschnitte 2009 und 2010, während der Bauabschnitt 2008 bereits zuvor auf der Grundlage einer Unterbleibensentscheidung abgeschlossen worden ist. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beschwerde macht Revisionszulassungsgründe nach § 132 VwGO geltend in Bezug auf das Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) (I.), das Verwaltungsverfahrensrecht (II.) und die Planrechtfertigung (III.); ferner beanstandet sie einen Aufklärungsmangel (IV.). Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

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I. Fragen des Rechts der UVP führen nicht zur Zulassung der Revision.

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1. Die Beschwerde sieht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich des Gegenstands der UVP und rügt insoweit einen Verfahrensfehler.

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a) aa) Nicht zur Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führt die Rechtsfrage,

ob bei der nachträglichen Kumulation von Flughafenausbauvorhaben § 3b Abs. 2 und 3 UVPG in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94, im Folgenden: a.F.) entsprechend anzuwenden ist mit der Folge, dass frühere Änderungen und Erweiterungen eines Flugplatzes, für die keine UVP durchgeführt wurde, in die UVP einzubeziehen sind.

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Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>). Rechtsfragen, die auslaufendem oder ausgelaufenem Recht angehören, kommt regelmäßig grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu, weil diese Zulassungsvorschrift im Wesentlichen auf die für die Zukunft richtungweisende Klärung des geltenden Rechts gerichtet ist. Eine Revisionszulassung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, etwa wenn die Beantwortung der Frage für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Dies ist im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde substantiiert darzulegen (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 17. Mai 2004 - 1 B 176.03 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 29 S. 11, vom 17. Oktober 2012 - 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 Rn. 5 und vom 16. Januar 2014 - 4 B 32.13 - ZfBR 2014, 375 Rn. 13).

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§ 3b Abs. 2 und 3 UVPG a.F. ist mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) mit Wirkung vom 29. Juli 2017 außer Kraft getreten. Die UVP-Pflicht bei kumulierenden Vorhaben regelt nunmehr § 10 UVPG. Die Vorschrift soll auch dem von der Beschwerde angeführten Senatsurteil vom 18. Juni 2015 - 4 C 4.14 - (BVerwGE 152, 219) Rechnung tragen (BT-Drs. 18/11499 S. 82). Dass ungeachtet dessen die zur früheren Rechtslage aufgeworfene Frage noch grundsätzliche Bedeutung haben könnte, legt die Beschwerde nicht dar.

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bb) Die Beschwerde sieht insoweit grundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012 L 26 S. 1 - UVP-RL). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist nationalrechtlich sicherzustellen, dass der Regelungszweck des Art. 2 Abs. 1 UVP-RL - die Gewährleistung der Prüfung von Projekten mit voraussichtlich erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt auf ihre Verträglichkeit - nicht durch eine Aufsplitterung von Projekten umgangen wird (EuGH, Urteile vom 21. September 1999 - C-392/96 [ECLI:EU:C:1999:431] - Rn. 76 und vom 25. Juli 2008 - C-142/07 [ECLI:EU:C:2008:445] - Rn. 44; BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 4 C 4.14 - BVerwGE 152, 219 Rn. 17).

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Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich klären lassen,

ob es mit diesem Regelungszweck zu vereinbaren ist, im Rahmen einer UVP für ein Vorhaben zur Änderung einer UVP-pflichtigen Anlage frühere Änderungen der Anlage, die ohne UVP zugelassen und realisiert wurden, ausschließlich als Vorbelastung zu berücksichtigen, nicht aber als potentiell UVP-pflichtige Änderungen bzw. Vorhaben zu prüfen bzw. als potentiell eine Zusatzbelastung hervorrufende Vorhaben zu berücksichtigen.

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Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Nach dem Urteil des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2013 - 7 C 36.11 - (BVerwGE 148, 155 Rn. 34 ff.) steht es mit den Vorgaben des Unionsrechts in Einklang, im Falle von Erweiterungsvorhaben die UVP-Pflicht allein auf die Erweiterung zu erstrecken. Im Rahmen des konkreten Projektes - etwa der Erweiterung oder Änderung - sind kumulative Auswirkungen mit anderen als Vorbelastung zu berücksichtigenden Projekten in Betracht zu nehmen (a.a.O. Rn. 36). Die Beschwerde legt nicht in Auseinandersetzung mit diesem Urteil und der Argumentation der Vorinstanz dar, warum die aufgeworfene Frage dennoch klärungsbedürftig sein sollte. Der Hinweis auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 21. September 1999 - C-392/96 - [ECLI:EU:C:1999:431] - Rn. 76 und vom 25. Juli 2008 - C-142/07 [ECLI:EU:C:2008:445] - Rn. 44 genügt nicht, weil nicht das "Ob" einer UVP im Streit steht, sondern ihr Gegenstand.

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cc) Die Beschwerde möchte weiter rechtsgrundsätzlich klären lassen,

ob es mit dem Regelungszweck des Art. 2 Abs. 1 UVP-RL zu vereinbaren ist, ein Vorhaben zur Änderung einer UVP-pflichtigen Anlage in einen nicht UVP-pflichtigen und einen UVP-pflichtigen Teil aufzuspalten, wenn zugleich bei Planrechtfertigung und Abwägung (Prüfung der Umweltverträglichkeit) auf das Gesamtvorhaben abgestellt wird.

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Dies führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass bei einer abschnittsweisen Planfeststellung nur das Projekt einer UVP zu unterziehen ist, für das im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der UVP-Richtlinie die Erteilung einer Genehmigung beantragt worden ist (BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 43, vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 Rn. 31 ff., vom 6. April 2017 - 4 A 1.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Rn. 18 und vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 52). Weiteren grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Ihre Ausführungen zur "Besonderheit" des "konkrete[n] Fall[s]" beschränken sich auf eine Kritik im Einzelfall.

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b) Die Beschwerde ist insoweit auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Kläger rügen als Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO, das Oberverwaltungsgericht habe ihren Vortrag übergangen, dass die UVP auf frühere Änderungen zu erstrecken gewesen sei, für die zuvor keine UVP durchgeführt worden war. Der Vorwurf ist unbegründet, weil die Vorinstanz den Vortrag zur Kenntnis genommen und sich mit ihm auseinander gesetzt hat (UA S. 52 ff.).

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2. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Verstoß gegen § 9 Abs. 1b UVPG a.F. verneint. Der Auslegung weiterer, den Bauabschnitt 2008 betreffender Dokumente habe es nicht bedurft (UA S. 45). Jedenfalls könnten die Kläger aufgrund eines (unterstellten) Rechtsfehlers nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses verlangen (UA S. 47 f.).

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Das angegriffene Urteil ist in diesem Punkt auf zwei selbstständig tragende Begründungen gestützt. Die Zulassung der Revision setzt voraus, dass in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt. Denn anderenfalls käme es auf die Begründung, für die ein Zulassungsgrund gegeben ist, nicht weiter an (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 3 B 38.16 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 3). Die Beschwerde legt schon hinsichtlich der ersten Begründung keinen Zulassungsgrund dar, so dass es auf die in Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - (DVBl 2018, 1418) aufgeworfene Frage nicht ankommt.

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Die Beschwerde möchte insoweit rechtsgrundsätzlich klären lassen,

ob bei einem Vorhaben, das nach Anzeige bei der Zulassungsbehörde in Abschnitte unterteilt wird, zu den auszulegenden Unterlagen nach § 9 Abs. 1b Satz 1 UVP a.F. auch die Unterlagen zur Bewertung der Umweltverträglichkeit eines ohne UVP vorab zugelassenen, jedoch in die Betrachtung der Umweltverträglichkeit und der Planrechtfertigung einbezogenen Vorhabenteils bzw. Abschnitts gehören.

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Die Frage bedarf keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung, weil der Fall sie nicht aufwirft. Nach § 9 Abs. 1b UVPG a.F. müssen nicht alle Unterlagen, die möglicherweise zur umfassenden Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind, ausgelegt werden, sondern nur solche, die - aus der Sicht der potenziell Betroffenen - notwendig sind, um den Betroffenen das Interesse an der Erhebung von Einwendungen bewusst zu machen (Anstoßwirkung). Ob dazu Gutachten gehören, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles (stRspr, BVerwG, Urteile vom 10. November 2016 - 9 A 1.15 - BVerwGE 156, 215 Rn. 20 und vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 - Buchholz 445.5 § 12 WaStrG Nr. 3 Rn. 26). Nach den tatrichterlichen Feststellungen kam den ausgelegten Unterlagen die geforderte Anstoßwirkung in Bezug auf den Bauabschnitt 2008 zu (UA S. 46). Der Auslegungspflicht wurde damit insoweit genügt, ohne dass es der Auslegung weiterer Unterlagen bedurft hätte.

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3. Die Revision ist nicht wegen einer Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hinsichtlich des § 4 Abs. 1a UmwRG zuzulassen.

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Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14).

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Eine solche Divergenz legt die Beschwerde nicht dar. Sie möchte dem Beschluss des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2016 - 9 B 65.15 - (Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 20 Rn. 6 und 22) den Rechtssatz entnehmen, dass das erkennende Gericht die Erkenntnismittel "benennen" müsse, auf deren Grundlage es zu der Überzeugung gelange, dass sich ein Verfahrensfehler nicht auf das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens ausgewirkt habe. Dieser Anforderung habe die Vorinstanz nicht genügt. Dieser Vortrag führt nicht auf eine Divergenz, weil der genannte Beschluss einen solchen Rechtssatz nicht aufstellt. Nach dem Beschluss muss die fehlende Kausalität zur Überzeugung des erkennenden Gerichts feststehen, so dass das Tatsachengericht nicht bereits beim Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte eine fehlende Kausalität annehmen darf (a.a.O. Rn. 6, 21 f.). Erkenntnismittel des Gerichts sind dabei die gesamten, vom Vorhabenträger oder der zuständigen Behörde vorgelegten Beweise sowie die gesamten dem Gericht vorliegenden Akten und Planunterlagen, aber auch sonst erkennbare oder naheliegende Umstände (a.a.O. Rn. 5; ebenso BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.15 - BVerwGE 154, 73 Rn. 43). Dass diese Erkenntnisse benannt werden müssten, verlangt der Beschluss nicht. Er spricht in Rn. 6 von den "oben genannten" Erkenntnismitteln und nimmt damit auf die abstrakte Umschreibung der Erkenntnismittel in der vorstehenden Randnummer Bezug. Aus Rn. 22 des angeführten Beschlusses folgt nichts Anderes.

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II. Die Ausführungen zum Verwaltungsverfahrensrecht führen nicht zur Zulassung der Revision.

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1. Die Beschwerde möchte der Sache nach rechtsgrundsätzlich klären lassen,

ob ein Bericht der Anhörungsbehörde, der sich zu den im Anhörungsverfahren erörterten Inhalten nicht äußert, dem § 73 Abs. 9 VwVfG und dem Gebot substantieller Anhörung im Planfeststellungsrecht genügt.

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Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Nach § 10 Abs. 2 LuftVG i.V.m. § 73 Abs. 9 VwVfG NRW gibt die Anhörungsbehörde zum Ergebnis des Anhörungsverfahrens eine Stellungnahme ab und leitet diese der Planfeststellungsbehörde innerhalb eines Monats nach Abschluss der Erörterung mit weiteren Unterlagen zu. Das angegriffene Urteil äußert sich weder dazu, welche Anforderungen von Rechts wegen an die Stellungnahme zu stellen sind, noch stellt es fest, welchen Inhalt die Stellungnahme der Anhörungsbehörde tatsächlich hatte. Es ist indes nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, nach Art eines Gutachtens Rechtsfragen zu klären, die sich die Vorinstanz nicht gestellt und die sie deshalb auch nicht beantwortet hat (BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 2016 - 4 B 10.16 - juris Rn. 5 und vom 6. September 2017 - 4 BN 20.17 - juris Rn. 3). Welchen bundesrechtlichen Klärungsbedarf die Beschwerde in Hinblick auf die Anhörung im Übrigen aufwerfen will, legt sie nicht dar. Namentlich setzt sie sich nicht substantiiert mit der tatrichterlichen Würdigung zum Umgang der Planfeststellungsbehörde mit den erhobenen Einwendungen auseinander (UA S. 51 f.).

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2. Die Beschwerde beanstandet als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO, das Oberverwaltungsgericht habe den Vortrag der Kläger zu den Pflichten der Anhörungsbehörde zwar im Tatbestand erwähnt, aber in seinen rechtlichen Ausführungen übergangen. Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Das Oberverwaltungsgericht hat das Argument zur Kenntnis genommen, aber tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine substantielle Anhörung hinsichtlich der erhobenen Einwendungen nicht erfolgt sei, weder für dargelegt noch für sonst ersichtlich gehalten (UA S. 51 f.). Die Beschwerde zeigt nicht auf, die Behandlung welches konkreten Vorbringens sie vermisst. Sie erwähnt insoweit nur § 73 Abs. 9 VwVfG NRW, der aber in dem von ihr angeführten erstinstanzlichen Vorbringen nicht auftaucht.

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III. Die Ausführungen der Beschwerde zur Planrechtfertigung führen nicht zur Zulassung der Revision.

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1. a) Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich klären lassen,

ob für die Planrechtfertigung des Ausbaus eines Flughafens durch Schaffung zusätzlicher Vorfelder zum Abstellen von Flugzeugen bereits die allgemeine Annahme genügt, der Ausbau liege im öffentlichen Interesse, ohne dass es konkreter Feststellungen zum Bedarf an zusätzlichen Abstellpositionen bedarf.

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Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil der Fall sie nicht aufwirft. Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei seiner Entscheidung zum Bestehen der Planrechtfertigung auf zwei Berichte der airsight GmbH aus den Jahren 2011 und 2016 gestützt (UA S. 77), diese als nachvollziehbar, plausibel und methodisch sachgerecht gewürdigt (UA S. 79) und damit erkennen lassen, dass es allgemeine Aussagen insoweit nicht für ausreichend erachtet.

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b) Die Beschwerde will im Kern klären lassen,

ob bei einer Abschnittsbildung im Luftverkehrsrecht die Planrechtfertigung des einzelnen Abschnitts vor dem Hintergrund der Gesamtplanung zu sehen ist und

bejahendenfalls, ob in einem solchen Fall auf die Anforderung verzichtet werden kann, dass jeder Abschnitt einer eigenen Planrechtfertigung bedarf.

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Es bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass bei einer abschnittsweisen Planung die Planrechtfertigung vor dem Hintergrund der Gesamtplanung zu sehen ist und Abschnitte vor diesem Hintergrund einer eigenen sachlichen Rechtfertigung bedürfen (stRspr, vgl. für Energieleitungen BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 28; für Straßenplanungen BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <255>; für Schienenwege BVerwG, Beschluss vom 9. September 2013 - 7 B 2.13 u.a. - juris Rn. 12). Die Beschwerde hält dem entgegen, bei Verkehrsflughäfen könne jedes Vorhaben einer planfeststellungsbedürftigen Änderung oder Erweiterung so konzipiert werden, dass es keiner Abschnittsbildung bedürfe (Beschwerdebegründung S. 16). Damit wirft sie aber keine Frage der Planrechtfertigung auf, sondern bestreitet die Zulässigkeit einer Abschnittsbildung, die das Oberverwaltungsgericht als Frage der Abwägung behandelt (UA S. 81 ff.) und hinsichtlich derer die Beschwerde rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht geltend macht.

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Die zweite Frage wirft der Fall nicht auf. Nach den tatrichterlichen Feststellungen erfüllen die gebildeten Teilabschnitte jeder für sich eine hinreichende Verkehrsfunktion, namentlich bieten sie die Möglichkeit zum Abstellen von Luftfahrzeugen einschließlich der zum Zugang erforderlichen Verkehrsfläche (UA S. 78 f.). Hiervon unabhängig ist nicht ersichtlich, warum für die planfestgestellten Bauabschnitte eine eigene Planrechtfertigung gefordert wäre. Dieses Erfordernis, das im Recht der Straßenplanung eine eigenständige Verkehrsfunktion des jeweiligen Abschnitts verlangt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 1992 - 4 NB 21.92 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 55 S. 60), soll gewährleisten, dass eine Teilplanung auch dann noch sinnvoll bleibt, wenn sich das Gesamtplanungskonzept im Nachhinein als nicht realisierbar erweist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19. September 2002 - 4 CN 1.02 - BVerwGE 117, 58 <65 f.>). Diese Gefahr besteht indes hinsichtlich der planfestgestellten Bauabschnitte 2009 und 2010 nicht, weil sie das aus drei Bauabschnitten bestehende Gesamtvorhaben zum Abschluss bringen (vgl. UA S. 74).

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Die weiteren Variationen der als grundsätzlich bezeichneten Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Vorbringen genügt den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht, insbesondere bleibt offen, worin sich die Fragen in ihren Feinheiten unterscheiden und woraus sich jeweils die grundsätzliche Bedeutung der einzelnen Frage ergeben soll.

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2. Die Revision ist nicht wegen einer Divergenz zu Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts zur Planrechtfertigung zuzulassen.

32

Die Beschwerde führt im Stil eines juristischen Kommentars Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts zur Planrechtfertigung auf und verweist hierzu auf eine Mehrzahl von Entscheidungen sowohl zur Planfeststellung nach dem Luftverkehrsgesetz (BVerwG, Urteile vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 <118>, vom 5. Dezember 1986 - 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 <233>, vom 8. Juli 1998 - 11 A 53.97 - BVerwGE 107, 142 <145>, vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 182 und vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 34), nach dem Bundesfernstraßengesetz (BVerwG, Urteile vom 5. Juli 1974 - 4 C 50.72 - BVerwGE 45, 309 <312>, vom 22. März 1985 - 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <168> und vom 6. Dezember 1985 - 4 C 59.82 - BVerwGE 72, 282 <285>) und dem Bundesbaugesetz (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 - 4 C 105.66 - BVerwGE 34, 301 <305>), ferner beruft sich die Beschwerde auf Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts zur Abschnittsbildung im Fernstraßenrecht (BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1992 - 4 B 1.92 u.a. - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 S. 89 und Urteil vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <14 f.>). Nach Auffassung der Beschwerde ist diese Rechtsprechung so zu verstehen, dass jedes Vorhaben einer Planrechtfertigung bedürfe und der einzelne Abschnitt eine Planrechtfertigung haben müsse. Die Beschwerde legt indes nicht dar, aus welcher der angeführten Entscheidungen sie welchen bestimmten, die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zum Verhältnis der Planrechtfertigung einer Gesamtplanung zur Planrechtfertigung von Teilentscheidungen nach Maßgabe welcher revisiblen Vorschrift entnehmen möchte. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, dies nachzuholen.

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Im Übrigen geht die Beschwerde am Inhalt des angegriffenen Urteils vorbei. Sie erkennt eine Planrechtfertigung nur als Ausgleich für den durch andere Planungen bewirkten Verlust von Abstellpositionen für Luftfahrzeuge an, während einem Vorhaben die Planrechtfertigung fehle, das zusätzliche Positionen schaffe. Dies widerspricht der Sichtweise des vorinstanzlichen Urteils, das eine Planrechtfertigung auch für einen Zugewinn von dauerhaft drei Stellplatzflächen angenommen hat (UA S. 76 f.).

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3. Einen Verfahrensfehler zeigt die Beschwerde nicht auf.

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a) Die Beschwerde hält für verfahrensfehlerhaft, dass das Oberverwaltungsgericht die Zahl der durch das planfestgestellte Vorhaben und den Bauabschnitt 2008 zu kompensierenden entfallenden Flugzeugabstellpositionen nicht festgestellt habe. In diesem Punkt fordert sie ferner eine weitere Aufklärung. Dies führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Denn nach der insoweit maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung der Vorinstanz (stRspr, BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>) bedarf es für das Erfordernis der Planrechtfertigung keiner exakten mathematischen Ableitung einer bestimmten Anzahl von Vorfeldpositionen am Flughafen (UA S. 77).

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b) Als "offenkundig falsch" und damit als aktenwidrig beanstandet die Beschwerde die Feststellung, die endgültige Vorfeldflächenbelegung im Bereich des Vorhabens Bauabschnitt 2008 solle erst nach Fertigstellung des Bauabschnitts 2010 erfolgen. Denn diese Flächen seien zumindest 2011 im Luftfahrthandbuch verzeichnet. Auf eine Aktenwidrigkeit führt dieser Vortrag nicht. Diese Verfahrensrüge betrifft den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffes (§ 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Rüge der Aktenwidrigkeit verlangt den schlüssigen Vortrag, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben, und zudem eine genaue Darstellung des Verstoßes durch konkrete Angaben von Textstellen aus den vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf (stRspr, BVerwG, Urteil vom 23. November 2016 - 4 CN 2.16 - BVerwGE 156, 336 Rn. 23). Dass die Flächen des Bauabschnitts 2008 bereits im Luftfahrthandbuch verzeichnet sind, schließt aber nicht aus, dass nach dem planerischen Konzept der Beigeladenen die Flächen zunächst vorläufig, aber nicht endgültig belegt worden sind.

37

c) Nach Auffassung der Beschwerde widersprechen die Ausführungen zur Planrechtfertigung den Überlegungen zur Variantenprüfung, die auf das Ziel der Steigerung einer technischen Teilkapazität verweise (UA S. 87). Die inhaltliche Kritik der Beschwerde legt aber keinen Verstoß gegen Verfahrensrecht dar. Sie geht auch daran vorbei, dass die Vorinstanz für einen Überschuss von drei Stellplatzflächen eine Planrechtfertigung angenommen hat (UA S. 76 f.).

38

IV. Das Oberverwaltungsgericht hat die in der mündlichen Verhandlung beantragte Beweiserhebung zu der Behauptung abgelehnt, dass durch den Neubau des Rollwegs Mike, die damit verbundene Vorfelderweiterung und die Schaffung des neuen Abrollwegs B (bzw. P) zusammen mit der Schaffung von acht zusätzlichen Abstellpositionen auf dem Vorfeld West im Zuge des sogenannten Bauabschnitts 2008, jedenfalls aber zusammen mit der Schaffung von Flächen für 14 neue Abstellpositionen durch den Ausbau des Vorfelds West auf dem Flughafen Düsseldorf die Kapazität der baulichen Anlagen des Flughafens erhöht worden sei mit der Folge, dass mit Hilfe dieser Maßnahmen die genehmigte Anzahl von Flugbewegungen erstmals vollständig genutzt und der Nachweis erbracht werden könne, dass während der Tagzeit (6 bis 22 Uhr) durchgehend 45 Flugbewegungen pro Stunde abgewickelt werden könnten. Dies beanstandet die Beschwerde als verfahrensfehlerhaft und begehrt die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

39

Die Verfahrensrüge führt nicht zur Zulassung der Revision. Die Vorinstanz hat den Beweisantrag der Klägerin abgelehnt, weil es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht ankomme (UA S. 97, 118, 125, 130). Einen Verfahrensfehler legt die Beschwerde insoweit nicht dar. Das Tatsachengericht muss nur solche Tatsachen aufklären, die entscheidungserheblich sind. Es muss deshalb auch nur solchen Beweisanträgen entsprechen, die auf die Klärung derartiger Tatsachen abzielen. Andere Beweisanträge kann es ablehnen (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 6 B 59.14 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 11 Rn. 39). Maßgeblich ist dabei die materielle Rechtsauffassung des Tatsachengerichts (BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>). Dass nach dieser Rechtsauffassung die unter Beweis gestellte Tatsache erheblich war, legt die Beschwerde nicht dar, sondern beschränkt sich auf eine Darstellung der von ihr für richtig gehaltenen materiell-rechtlichen Würdigung.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.