Entscheidungsdatum: 09.12.2010
I.
Das Oberverwaltungsgericht hat dem Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein Betriebsleiterwohnhaus im Außenbereich abgesprochen, weil das Vorhaben dem Gartenbaubetrieb des Klägers nicht diene. Der Kläger könne den Wohnbedarf für sich und seine Familie im Erdgeschoss des vorhandenen Wohnhauses P.weg 4 decken. Ihm stehe nach § 7 eines mit seinen im Obergeschoss lebenden Eltern geschlossenen Vertrages ein Recht auf dauernde Nutzung der bisher genutzten Räume im Erdgeschoss zu. Der Kläger nutze derzeit sowohl den Wohntrakt als auch die als Lager bezeichneten Räume im Erdgeschoss. Er habe im Ortstermin erklärt, dass im westlichen Erdgeschossteil eine betriebliche Nutzung (Abstellraum, Kühlhaus) stattfinde und in einem weiteren Trakt sechs Monate im Jahr Saisonarbeitskräfte wohnten. Bei den gemäß den Angaben des Klägers aus einem Schlafzimmer, einer Küche, einem Wohnraum und einem Badezimmer bestehenden weiteren Trakt handele es sich offenkundig um den im Jahr 1982 zu Wohnzwecken umgenutzten östlichen Teil des Erdgeschosses. Dem entsprechend enthalte der Vertrag einen Nebensatz, wonach die "bisher genutzten Räume" sämtliche Räume im Erdgeschoss seien. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretene Auslegung der vertraglichen Vereinbarung im Sinne einer Beschränkung auf den westlichen Teil des Erdgeschosses verkürze die "bisherige (eigene) Nutzung" auf eine solche im engeren Sinne, welche die Unterbringung von Saisonarbeitskräften als Nutzungsform unberücksichtigt lasse. Für ein solches Verständnis spreche weder der Wortlaut der Vereinbarung noch der vom Kläger mitgeteilte Wohnflächenbedarf der Eltern, für den das Obergeschoss ausreichend sei. Soweit die Unterbringung von Saisonarbeitern in einigen Erdgeschossräumen ein ganzjähriges Wohnen des Klägers und seiner Familie in tatsächlicher Hinsicht ausschließe, habe er es in der Hand, die Arbeitskräfte auf ein Wohnen in der Ortslage zu verweisen und Zugriff auf die Räumlichkeiten zu nehmen. Auf der Gesamtgrundfläche des Erdgeschosses von ca. 193 qm könne der Wohnbedarf der vierköpfigen Familie des Klägers gedeckt werden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der geltend gemachten Verfahrensmängel zuzulassen.
a) Der Kläger greift die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts als unzutreffend an, er habe im Ortstermin erklärt, dass im westlichen Erdgeschossteil eine betriebliche Nutzung (Abstellraum, Kühlhaus) stattfinde und in einem weiteren Trakt sechs Monate im Jahr Saisonarbeitskräfte wohnten (UA S. 13). Tatsächlich seien die Saisonarbeiter im westlichen Erdgeschossteil untergebracht und gehörten die übrigen Erdgeschossräume zum Wohnbereich seiner Eltern. Der Kläger bewertet die Unterstellung von Erklärungen, die er nicht abgegeben habe, als Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der geltend gemachte Verfahrensmangel ist nicht dargelegt. Die Rüge angeblich unrichtiger tatsächlicher Feststellungen des angefochtenen Urteils zum Vorbringen eines Klägers und deren Würdigung durch das Berufungsgericht richten sich gegen dessen Rechtsfindung, nicht gegen das prozessuale Verfahren. Etwaige Unrichtigkeiten oder Lücken bei der Wiedergabe des tatsächlichen Vorbringens des Klägers können ohne Rücksicht darauf, in welchem Teil des Berufungsurteils sie sich befinden (Urteil vom 21. September 2000 - BVerwG 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10 S. 4 f.), nicht als Verfahrensmangel geltend gemacht werden, sondern nur durch einen fristgebundenen Antrag auf Berichtigung oder Ergänzung des Urteils nach Maßgabe der §§ 119, 120 VwGO; sie können deswegen auch nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels führen (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 9. Juni 1970 - BVerwG 6 B 22.69 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 62, vom 21. Dezember 1973 - BVerwG 6 CB 172.73 - Buchholz 448.0 § 25 WPflG Nr. 67, vom 16. November 1992 - BVerwG 11 B 65.92 - Buchholz 310 § 158 VwGO Nr. 6 und vom 14. April 1999 - BVerwG 2 BN 1.98 - juris Rn. 5).
b) Auch die Rügen, das Oberverwaltungsgericht habe seine Hinweis- und Erörterungspflicht (§ 86 Abs. 3, § 104 Abs. 1 VwGO), den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) und die Pflicht zur Klärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg.
Der Senat ist an die vorinstanzliche Feststellung gebunden, der Kläger habe im Ortstermin erklärt, dass im westlichen Erdgeschossteil eine betriebliche Nutzung (Abstellraum, Kühlhaus) stattfinde und in einem weiteren Trakt sechs Monate im Jahr Saisonarbeitskräfte wohnten. Ob die Bindung entfiele, wenn der Inhalt des Berufungsurteils dem Inhalt des Protokolls über die Ortsbesichtigung widerspräche - bei einem Widerspruch zwischen Urteilstatbestand und Sitzungsprotokoll geht letzteres gemäß § 314 Satz 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO vor und nimmt dem Tatbestand insoweit die Beweiskraft (Urteil vom 6. Oktober 1982 - BVerwG 7 C 17.80 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 26) -, kann offen bleiben. Denn ein Widerspruch liegt nicht vor. Im Protokoll über die Ortsbesichtigung heißt es, soweit es vorliegend darauf ankommt: "Im westlichen Erdgeschoss liegt der frühere 'Binderaum'. Dieser wird seit Jahren als Abstellraum genutzt. Nebenliegend ist das Kühlhaus (für Frühlings- und Sommerblumen und Gemüse). Außerdem bewohnen zwei Saisonarbeitskräfte sechs Monate im Jahr einen weiteren Trakt im Erdgeschoss, bestehend aus einem Schlafzimmer mit Küche, einem Wohnraum und einem Badezimmer." Davon abweichende Feststellungen enthält das Berufungsurteil nicht. Protokoll und Urteil unterscheiden sich nur insoweit, als das Protokoll die Erkenntnisquelle nicht nennt. Im Übrigen ist für den Senat nicht ernstlich zweifelhaft, dass die tatrichterlichen Feststellungen im Protokoll auf eine entsprechende Darstellung des Klägers zurückgehen. Es liegt fern, dass die Information von jemand anderem am Ortstermin Beteiligten stammt. Hätte ein anderer als der Kläger Auskunft erteilt, hätte er in der Beschwerdebegründung benannt werden können; denn der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter haben am Ortstermin teilgenommen. Für die inhaltliche Richtigkeit des Protokolls spricht, dass der Kläger nach Erhalt keine Einwände erhoben hat.
Wenn die Nutzung der einzelnen Erdgeschossräume vom Kläger im Ortstermin selbst beschrieben worden ist, brauchte die mit der Beweisaufnahme beauftragte Richterin das Gebäudeinnere nicht zusätzlich zu besichtigen. Das Oberverwaltungsgericht musste in der mündlichen Verhandlung auch nicht zu erkennen geben, dass es der Behauptung, der Wohntrakt im Erdgeschoss gehöre zur elterlichen Wohnung, nicht folgen und § 7 des Vertrages zwischen dem Kläger und seinen Eltern nicht in dem Sinne auslegen werde, dass sich das Nutzungsrecht des Klägers auf den westlichen Teil des Erdgeschosses beschränke und nicht den Wohntrakt im östlichen Teil erfasse. Die Gerichte haben nicht allgemein die Pflicht, die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auf ihre Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen; denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung (vgl. u.a. Urteil vom 13. Mai 1976 - BVerwG 2 C 26.74 - Buchholz 237.4 § 35 HmbBG Nr. 1; Beschluss vom 26. Juni 1998 - BVerwG 4 B 19.98 -
2. Die Revision ist ferner nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst. Die Frage,
inwieweit offenkundige Tatsachen ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden müssen, um sie für die gerichtliche Entscheidung verwerten zu können, wenn die Tatsachen den Beteiligten einerseits nicht mit Sicherheit gegenwärtig sind und sie hiervon auch wissen, dass sie für die Entscheidung erheblich sein können, und andererseits nicht feststeht, dass die Beteiligten keine hinreichende Gelegenheit hatten, auch ohne einen Hinweis auf die fraglichen Tatsachen hierzu Stellung zu nehmen,
würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf Tatsachen gestützt, die aus der Sphäre des Klägers stammen und die er selbst mitgeteilt hat. Es fehlt also schon an Tatsachen, die dem Kläger "nicht mit Sicherheit gegenwärtig" waren. Der Einwand der Kläger, er habe nicht damit rechnen müssen, dass das Oberverwaltungsgericht davon ausgehe, bei dem aus einem Schlafzimmer, einer Küche, einem Wohnraum und einem Badezimmer bestehenden Trakt handele es sich um den im Jahr 1982 zu Wohnzwecken umgenutzten östlichen Teil des Erdgeschosses, findet im Sachverhalt keine Stütze. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass der Erdgeschossbereich in mehr Trakte aufgeteilt ist als in einen betrieblich genutzten im westlichen und einen zu Wohnzecken genutzten im östlichen Teil. Der Kläger nutzt die Grundsatzrüge, um den Sachverhaltsfeststellungen und der Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts seine abweichende Sicht der Dinge entgegenzustellen. Mit seiner auf die Umstände des Einzelfalls zugeschnittenen Kritik am Berufungsurteil lässt sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache indes nicht darlegen.