Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 19.07.2018


BVerwG 19.07.2018 - 4 B 27/18

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
19.07.2018
Aktenzeichen:
4 B 27/18
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:190718B4B27.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 27. Februar 2018, Az: 3 S 2445/17, Urteilvorgehend VG Karlsruhe, 5. August 2014, Az: 4 K 1370/12, Urteil

Gründe

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Die auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.

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a) Die Frage,

ob bei der Bestimmung der Grenzen der näheren Umgebung eines Baugrundstücks allein auf die vorhandene Bau- und Nutzungsstruktur abgestellt werden kann, ohne dass die mit der Bau- und Nutzungsstruktur und ihrer baulichen Nutzung untrennbar verbundenen Immissionen zu berücksichtigen sind, die geeignet sind, die bodenrechtliche Situation des Baugrundstücks zu prägen,

ist nicht klärungsbedürftig. Nach der Rechtsprechung des Senats, der sich der Verwaltungsgerichtshof angeschlossen hat (UA S. 11 f.), reicht die "nähere Umgebung" so weit, wie sich das geplante Vorhaben auf die Umgebung auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <380>; Beschlüsse vom 10. Juni 1991 - 4 B 88.91 - juris Rn. 3 und vom 13. Mai 2014 - 4 B 38.13 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 217 Rn. 7). Zu den Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf seine Umgebung gehören auch seine Immissionen (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2018, § 34 Rn. 36).

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b) Die Frage,

ob die Zäsurwirkung einer Straße auch dann ohne weitergehende Feststellungen bejaht werden kann, wenn von dieser Straße selbst erhebliche Immissionen (Lärm, Verkehr) ausgehen,

ist nicht grundsätzlich klärungsfähig. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob eine Straße die nähere Umgebung abgrenzt. Dies gilt auch im Fall einer - wie hier - unterschiedlichen Nutzung auf beiden Straßenseiten (Roeser, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand April 2018, § 34 Rn. 17). Bei der Beurteilung spielt die Höhe der Verkehrsbelastung eine mitentscheidende Rolle (vgl. BVerwG, Urteil des Senats vom 15. Dezember 1994 - 4 C 13.93 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 172).

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c) Die Frage,

ob die Annahme eines faktischen allgemeinen Wohngebiets im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO ausgeschlossen ist, wenn von einer unmittelbar angrenzenden Straße Verkehrsimmissionen ausgehen, bei welchen die Neuplanung eines allgemeinen Wohngebiets abwägungsfehlerhaft wäre, weil gesunde Wohnverhältnisse (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) nicht mehr gewahrt wären,

ist auf einen Sachverhalt zugeschnitten, den der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Das Berufungsurteil enthält keine Feststellungen zu den Auswirkungen des Lärms von der Spielberger Straße auf die maßgebliche nähere Umgebung des Baugrundstücks. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts scheidet die Zulassung der Revision aus, wenn ein Berufungsgericht eine Tatsache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, sondern lediglich die Möglichkeit besteht, dass die Rechtsfrage nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung entscheidungserheblich werden könnte (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Dezember 1998 - 9 B 197.98 - juris Rn. 6 und vom 28. November 2005 - 4 B 66.05 - ZfBR 2006, 159). Es widerspräche dem Ziel der Grundsatzrevision, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (stRspr; BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>), wenn die Revision wegen Fragen zugelassen würde, deren Entscheidungserheblichkeit nicht feststeht.

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2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen einer Abweichung des Berufungsurteils von den Entscheidungen des Senats vom 21. November 1980 - 4 C 30.78 - (Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 79) und vom 10. Juni 1991 - 4 B 88.91 - (juris) zuzulassen.

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Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch eine präzise Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45 und vom 17. Februar 2015 - 1 B 3.15 - juris Rn. 7). Der Kläger entnimmt dem Berufungsurteil den Rechtssatz, dass eine stark befahrene Straße eine eindeutige Zäsur bei der Bestimmung der näheren Umgebung nach § 34 BauGB darstelle, wenn durch sie Gebiete mit vollständig anderen Bau- und Nutzungsstrukturen getrennt würden. Das geht am Inhalt der Berufungsentscheidung vorbei. Der Verwaltungsgerichtshof ist in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung davon ausgegangen, dass eine Straße bei einer beidseitig andersartigen Siedlungsstruktur eine trennende Funktion haben kann, aber nicht stets hat (UA S. 12). Sollte er der Spielberger Straße zu Unrecht eine trennende Wirkung zugesprochen haben, läge darin eine fehlerhafte Rechtsanwendung. Mit ihr lässt sich eine Divergenz nicht begründen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).

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3. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.

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a) Der Kläger wirft dem Verwaltungsgerichtshof vor, dadurch gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen zu haben, dass er sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob in Anbetracht der Verkehrslärmvorbelastung des Gebiets des unwirksamen Bebauungsplans "Badwiesen" dort überhaupt ein faktisches allgemeines Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB angenommen werden kann. Die Rüge verfehlt den Anwendungsbereich des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Norm verpflichtet das Gericht, seiner Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen (BVerwG, Beschluss vom 19. August 2008 - 3 B 11.08 - NVwZ 2008, 1355 Rn. 6). Sie schützt die Verfahrensbeteiligten nicht davor, dass das Gericht aus dem Sachverhalt nicht die gebotenen Rechtsfolgen zieht.

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b) Der Kläger rügt als weitere Verstöße gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dass der Verwaltungsgerichtshof den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe ohne belastbare Feststellungen angenommen, der umstrittene Imbiss sei keine der Versorgung des Gebiets dienende Gaststätte (UA S. 16) und die vorher auf dem Baugrundstück betriebene Eisdiele sei ein Fremdkörper (UA S. 14). Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung enthält keinen generellen Maßstab für den Aussage- und Beweiswert einzelner zum Prozessstoff gehörender Beweismittel, Erklärungen und Indizien. Die Verwaltungsgerichte müssen den Aussage- und Beweiswert der verschiedenen Bestandteile des Prozessstoffes nach der inneren Überzeugungskraft der Gesamtheit der in Betracht kommenden Erwägungen bestimmen. Dabei sind sie lediglich an den Inhalt der Akten sowie die Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze gebunden und müssen gedankliche Brüche und Widersprüche vermeiden (BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - NVwZ 2007, 1196 Rn. 16). Dass der Verwaltungsgerichtshof diesen Anforderungen nicht gerecht geworden wäre, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht. Namentlich ist sein Befund, der Imbiss des Klägers halte nur ein eingeschränktes Speisenangebot vor (UA S. 16), nicht aktenwidrig. Der Kläger macht nicht geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof unter Missachtung der Angaben in der Baugenehmigungsakte von einer zu niedrigen Anzahl an Gerichten ausgegangen sei, sondern kritisiert, dass der Verwaltungsgerichtshof aus der Speisekarte einen unzutreffenden Schluss gezogen habe. Damit ist ein Verfahrensmangel nicht aufgezeigt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.