Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.09.2016


BPatG 06.09.2016 - 35 W (pat) 1/15

(Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren – "Bekämpfen von Feldmäusen" –Vereinbarkeit von § 2 Nr. 3 GebrMG mit Art. 3 und 14 GG – zur Prüfungskompetenz der Gebrauchsmusterstelle)


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
35. Senat
Entscheidungsdatum:
06.09.2016
Aktenzeichen:
35 W (pat) 1/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 27. März 2018, Az: X ZB 18/16, Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Bekämpfen von Feldmäusen

1. § 2 Nr. 3 GebrMG, der den Schutz von „Verfahren“ ausschließt, ist vereinbar mit Art. 3 GG und mit Art. 14 GG.

2. Die Prüfungskompetenz der Gebrauchsmusterstelle erstreckt sich bei Gebrauchsmusteranmeldungen – abgesehen von den drei in § 8 Abs. 1 Satz 2 GebrMG von der Prüfung ausgenommenen Voraussetzungen – auf sämtliche in § 1 Abs. 2 und § 2 GebrMG genannten materiellen Schutzvoraussetzungen (Fortsetzung der Senatsrechtsprechung von BPatGE 46, 211, 214).

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Gebrauchsmusteranmeldung 21   2012 000 187.5

(hier: Eintragungsantrag)

hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richter Eisenrauch und Dipl.-Chem. Dr. Jäger

beschlossen:

1. Die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

2. Zu den Rechtsfragen, ob die Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG mit Art. 14 Abs. 1 und 2 GG, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie mit der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und ihren Zusatzprotokollen vereinbar ist, wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Anmelder und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist Anmelder der Gebrauchsmusteranmeldung 21 2012 000 187.5, die im Wege der Nationalisierung aus der internationalen Anmeldung PCT/EP2012/070150 mit dem Anmeldetag 11. Oktober 2012 hervorgegangen ist. Die Gebrauchsmusteranmeldung, deren Bezeichnung „Bekämpfen von Feldmäusen“ lautet und die ein deutsches Prioritätsrecht vom 11. Oktober 2011 (20 2011 106 640.5) beansprucht, umfasst insgesamt 19 Schutzansprüche, wobei die Schutzansprüche 1 bis 3 wie folgt lauten:

2

„1. Verfahren zum Bekämpfen von Feldmäusen, mit folgenden Schritten:

3

a) eine Feldmausköderstation (10) wird rohrförmig ausgestaltet;

4

a1) wobei das Rohr (12) an beiden Enden (14) offen ist, um ein Eindringen von Feldmäusen zu ermöglichen;

5

b) das Rohr (12) wird aus einem biologisch abbaubaren Material gebildet;

6

c) im Inneren des Rohrs (12) der Feldmausköderstation (10) wird mindestens ein Giftweizenkorn (20) mittig fixiert;

7

c1) wobei das Giftweizenkorn mittels eines wasserfesten Klebers so fixiert wird, dass Erschütterungen diesen Kleber nicht lösen können; und

8

d) mittels eines Wurfvorganges wird die Feldmausköder-station (10) auf die Oberfläche einer von Feldmäusen befalle-nen landwirtschaftlichen Nutzfläche ausgebracht.

9

2. Verfahren nach dem vorhergehenden Anspruch,

10

dadurch gekennzeichnet,

11

dass statt eines Giftweizenkorns (20) ein Gemisch aus einem Köderstoff (18) und einer Giftlinse (20) verwendet wird.

12

3. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,

13

dadurch gekennzeichnet,

14

dass der Wurfvorgang über eine Weite von bis zu 12 m oder bis zu 15 m erfolgt.“

15

An diese Verfahrensansprüche schließt sich ein Nebenanspruch 4 an, der die erfindungsgemäße „Feldmausköderstation“ zum Gegenstand hat. Sodann folgen die unmittelbar oder mittelbar auf den Schutzanspruch 4 rückbezogenen, weiteren Vorrichtungsansprüche 5 bis 19.

16

Die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) hat die Auffassung vertreten, daß mit den Schutzansprüchen 1 bis 3 ein Verfahrensschutz beansprucht würde. Ein solcher Schutzgegenstand sei aber gemäß § 2 Nr. 3 GebrMG von der Eintragung als Gebrauchsmuster ausgeschlossen. Nachdem der Beschwerdeführer auf den letzten Beanstandungsbescheid der Gebrauchsmusterstelle mit Eingabe vom 13. Oktober 2014 nur noch um eine beschwerdefähige Entscheidung nach Aktenlage gebeten hatte, hat die Gebrauchsmusterstelle des DPMA mit Beschluss vom 23. Oktober 2014 die Anmeldung zurückgewiesen. Der Beschluss wurde hierbei durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes, was im Sinne von § 291 ZPO in die Kunde des Senats gestellt ist, und „mit Zustimmung der Referatsleitung“ erlassen.

17

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 27. November 2014 wirksam Beschwerde eingelegt.

18

Der Beschwerdeführer trägt vor, die Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG sei nicht anzuwenden, da sie in der von der Gebrauchsmusterstelle vorgenommenen Auslegung gegen höherrangiges Recht verstoße. Die Zurückweisung seiner Gebrauchsmusteranmeldung sei unvereinbar mit Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls vom 20. März 1952 zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sowie unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG.

19

Der Senat hat mit Beschluss vom 2. November 2015 der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 77 Satz 1 PatG anheimgegeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten. Neben der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen, verfassungsrechtlichen Problematik, sah der erkennende Senat auch die Frage nach der Prüfungskompetenz der Gebrauchsmusterstelle als erörterungswürdig an. Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2016 hat die Präsidentin ihren Beitritt zu dem Beschwerdeverfahren erklärt.

20

Der Beschwerdeführer zieht nicht in Zweifel, daß die Gebrauchsmusterstelle des DPMA die Prüfungskompetenz besitzt, Anmeldungen auf der Grundlage der in den Katalogen des § 1 Abs. 2 und 3 GebrMG und des § 2 GebrMG festgeschrieben, materiellen Schutzausschließungsgründe zu prüfen und gegebenenfalls zurückzuweisen.

21

Der Beschwerdeführer ist allerdings der Auffassung, daß es sich bei dem Schutzausschließungsgrund, wie er in § 2 Nr. 3 GebrMG für „Verfahren“ geregelt sei, um keine verfassungsgemäße Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG handle. Damit liege ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie vor. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb das Gebrauchsmustergesetz Verfahrenserfindungen mit einem Schutzausschlussgrund belege. Die in den Gesetzesmaterialien erwähnte Gefahr einer „Marktbeunruhigung“, die von einem Schutzrecht ausgehe, das weder auf Neuheit noch auf das Vorliegen eines erfinderischen Schritts geprüft worden sei, sei kein nachvollziehbares Argument. Es sei nämlich nicht erkennbar, weshalb der Mangel, ein ungeprüftes Recht zu sein, speziell bei Verfahrensgebrauchsmustern zu gesteigerten Schwierigkeiten führen sollte. Die Privilegien eines Gebrauchsmusterschutzes, wie z. B. geringere Kosten und rascher Schutzrechtserwerb, dürften dem Erfinder eines Verfahrens nicht vorenthalten werden. Letztlich handle es sich bei der Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG um eine unverhältnismäßige und daher verfassungswidrige Einschränkung.

22

Die Verfassungswidrigkeit von § 2 Nr. 3 GebrMG ergebe sich auch anhand des Gleichbehandlungsgrundsatzes, wie er in Art. 3 Abs. 1 GG festgeschrieben sei. Wenn sich der Gesetzgeber dazu entschließe, neben dem Patentrechtssystem auch ein Gebrauchsmustersystem zu schaffen, so dürfe er nicht ohne hinreichenden Grund zusätzliche, von patentgesetzlichen Regelungen abweichende, Schutzausschlüsse festschreiben. Im vorliegenden Fall würden - mangels erkennbarer Differenzierungsnotwendigkeit - die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten Erfinder und das Gemeinwohlinteresse nicht in ein gerechtes und ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden. Dazu hat der Beschwerdeführer vom Senat unwiderlegt vorgetragen, man könne in der Praxis zwischen solchen Erfindern, die in erster Linie Verfahrenserfindungen machten, und Erfindern, die in erster Linie Vorrichtungserfindungen machten, unterscheiden. Im Übrigen seien spätestens mit dem Inkrafttreten von § 2 Nr. 3 GebrMG diese beiden Gruppen geschaffen worden, weil damit alle Erfinder von Verfahren vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen worden seien. Dabei geht der Beschwerdeführer nicht etwa von einer Verpflichtung des Gesetzgebers aus, in jedem Fall einen Gebrauchsmusterschutz schaffen zu müssen. Vielmehr meint der Beschwerdeführer, wenn der Gesetzgeber einen Gebrauchsmusterschutz schaffe, dann müsse er gleichmäßig für alle Erfinder geschaffen werden. Der Schutzausschluss für Verfahrenserfindungen bedeute eine unmittelbar wirkende Ungleichbehandlung zweier voneinander abgrenzbarer, grundsätzlich aber vergleichbarer Personengruppen. Ins Gewicht falle hierbei auch, daß es außerhalb des Einflussbereichs eines Erfinders liege, ob seine Innovation eine Verfahrenserfindung oder keine Verfahrenserfindung sei. Art. 3 Abs. 1 GG begründe für die Ungleichbehandlung solcher vergleichbarer Personengruppen einen strengeren Prüfungsmaßstab, der hier nicht eingehalten worden sei.

23

In der am 15. Mai 2016 durchgeführten, mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer beantragt,

24

1. den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Oktober 2014 aufzuheben und die Gebrauchsmusterstelle anzuweisen, das Gebrauchsmuster in der beantragten Form einzutragen;

25

2. hilfsweise das Beschwerdeverfahren auszusetzen und die Sache im Hinblick auf § 2 Nr. 3 GebrMG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen;

26

3. hilfsweise die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zuzulassen.

27

Die Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts war in der mündlichen Verhandlung vertreten und hat keinen Antrag gestellt. Sie geht – wie der Beschwerdeführer – von einer unbeschränkten Prüfungskompetenz der Gebrauchsmusterstelle für § 1 Abs. 2 und 3, § 2 GebrMG aus. Anders als der Beschwerdeführer hält die Präsidentin § 2 Nr. 3 GebrMG für vereinbar mit dem höherrangigem Recht, auf das sich der Beschwerdeführerin beruft.

28

Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

29

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

30

1.1  Der angefochtene Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des DPMA vom 23. Oktober 2014 ist hinsichtlich der funktionalen Zuständigkeit der handelnden Beamtin nicht zu beanstanden. Grundsätzlich gilt zwar, dass Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle durch den Leiter oder die Leiterin, also durch ein rechtskundiges Mitglied des DPMA, gefasst werden müssen (§ 10 Abs. 1 GebrMG). In § 2 Abs. 1 Nr. 1 g) WahrnV ist jedoch bestimmt, daß auch Beamte und Beamtinnen des gehobenen Dienstes mit Zustimmung des Leiters oder der Leiterin der Gebrauchsmusterstelle eine Anmeldung aus sachlichen Gründen zurückweisen dürfen, wenn der Anmelder nicht widersprochen hat. Ein solcher Fall ist auch dann gegeben, wenn - wie hier - ein Anmelder auf den letzten Beanstandungsbescheid nur noch mit der Bitte um eine beschwerdefähige Entscheidung reagiert hat.

31

Unschädlich ist zudem, daß im angefochtenen Beschluss statt von einer Zustimmung eines Leiters oder einer Leiterin der Gebrauchsmusterstelle (zur Zurückweisung der Anmeldung) von einer „Zustimmung der Referatsleitung“ die Rede ist. Der Begriff „Referatsleitung“ ist zwar unpassend, da er sich auf die organisatorische Eingliederung der Gebrauchsmusterstelle im Gefüge des DPMA bezieht und damit dem Charakter der Gebrauchsmusterstelle als Teil der öffentlichen Verwaltung, die von Gesetzes wegen besondere Aufgaben der Rechtspflege wahrnimmt, nicht gerecht wird. Dennoch ist klar, daß mit dem Hinweis, daß eine „Zustimmung der Referatsleitung“ vorliege, kenntlich gemacht werden soll, daß das in § 2 Abs. 1 Nr. 1 g) WahrnV geregelte Zustimmungserfordernis beachtet wurde.

32

1.2  Die Gebrauchsmusterstelle hat ferner im Rahmen ihrer Prüfungskompetenz gehandelt, als sie die hier in Rede stehende Anmeldung wegen eines Verstoßes gegen den in § 2 Nr. 3 GebrMG geregelten Schutzausschluss für Verfahren zurückgewiesen hat. Diese Sichtweise wird sowohl vom Beschwerdeführer als auch von der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts geteilt.

33

Der erkennende Senat hat zwar in einer Reihe jüngerer Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass keine rechtliche Grundlage dafür existiere, die es der Gebrauchsmusterstelle erlaube, im Eintragungsverfahren materielle Schutzhindernisse zu prüfen (vgl. z. B. die Beschlüsse vom 29. Oktober 2009, Az. 35 W (pat) 6/07, und vom 11. Januar 2010, Az. 35 W (pat) 14/08). Diese Rechtsauffassung beruhte auf der Annahme, daß die Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 GebrMG, die auf die Eintragungsvoraussetzungen der §§ 4, 4a und 4b GebrMG verweist, so zu verstehen sei, daß damit die Prüfungskompetenz der Gebrauchsmusterstelle generell auf die formalen Schutzhindernisse beschränkt sei.

34

Unter Aufgabe dieser Rechtsprechung kehrt der Senat zu seiner früheren Rechtsprechung zurück. Danach ist es der Gebrauchsmusterstelle lediglich untersagt, die von Gesetzes wegen ausdrücklich in § 8 Abs. 1 Satz 2 GebrMG genannten Schutzvoraussetzungen der Neuheit, des erfinderischen Schritts und der gewerblichen Anwendbarkeit zu prüfen (vgl. BPatG BlPMZ 2000, 55, 56 - „Doppelmotivkarte“; BPatGE 46, 211, 214 - „Ermüdungsfreies Computergerät“). Nur so lässt sich der Wille des Gesetzgebers verwirklichen, die in § 1 Abs. 2 GebrMG genannten Gegenstände in den Grenzen von § 1 Abs. 3 GebrMG, sowie die in § 2 genannten Erfindungen, Pflanzensorten und Tierarten vom Gebrauchsmusterschutz auszuschließen. Ein solcher Ausschluss kann nur im Eintragungsverfahren durchgesetzt werden, weil es für die allermeisten eingetragenen Gebrauchsmuster zu keinem Löschungsverfahren nach §§ 15 ff. GebrMG und damit zu keiner verbindlichen Prüfung ihrer Schutzfähigkeit kommt (vgl. die Jahresberichte des Deutschen Patent- und Markenamts z. B. für die Jahrgänge 2006 bis 2015).

35

Dass die Schutzhindernisse nach § 1 Abs. 2 und 3 und nach § 2 GebrMG notwendig im Eintragungsverfahren geprüft werden müssen, wenn sie durchgesetzt werden sollen, wird an dem Schutzhindernis nach § 2 Nr. 1 GebrMG besonders deutlich. Danach werden Erfindungen, deren Verwertung offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstieße, nicht als Gebrauchsmuster geschützt. Zwar bedeutet die Eintragung eines Gebrauchsmusters keine Billigung der Erfindung oder ihrer Verwertung. Dennoch hat ein solcher staatlicher Akt zwingend zu unterbleiben, wenn die Erfindung mit fundamentalen rechtsethischen Postulaten kollidiert (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl., § 2 Rdnr. 11). Daß mit der Schaffung des Schutzausschlussgrundes für „biotechnologische Erfindungen“ in § 1 Abs. 2 Nr. 5 GebrMG auch die Verwirklichung ethischer Anliegen des Gesetzgebers sichergestellt werden sollte, wird in der Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen ausdrücklich angesprochen (vgl. BlPMZ 2005, 95, 99).

36

Der Bundesgerichtshofs hat im Rahmen von Rechtsbeschwerdeverfahren - soweit ersichtlich - nie Zweifel an der hier festgestellten Prüfungskompetenz der Gebrauchsmusterstelle angedeutet (vgl. z. B. GRUR 2006, 135 f. - „Arzneimittelgebrauchsmuster“; GRUR 2004, 495 ff. - „Signalfolge“). Die Kommentarliteratur geht ganz überwiegend von einer Prüfungskompetenz der Gebrauchsmusterstelle im Eintragungsverfahren für § 1 Abs. 2 und 3, § 2 GebrMG aus (vgl. Busse/Keukenschrijver PatG 7. Auflage 2013, § 8 GebrMG Rdnr. 4; Benkard/Goebel/Halle/Nobbe Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 8 GebrMG Rdnr. 4 ff.; Eisenrauch in Fitzner/Lutz/Bodewig, PatRKomm, GebrMG, § 8 Rdnr. 5 ff.; a. A. noch im Anschluß an die hier aufgegebene Rechtsprechung des Senats: Bühring/Schmid Gebrauchsmustergesetz, 8. Auflage 2011, § 8 Rdnr. 5).

37

2. Die Gebrauchsmusterstelle hat die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen, da diese ein Verfahren umfasst, das nach § 2 Nr. 3 GebrMG vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen ist.

38

Auch insoweit, als sich die Anmeldung nicht auf ein Verfahren bezieht, was hinsichtlich der Vorrichtungsansprüche 4 bis 19, die die „Feldmausköderstation“ zum Gegenstand haben, zutrifft, konnte der Beschwerde nicht stattgegeben werden. Der Beschwerdeführer hat die Eintragung des Gebrauchsmusters mit einem Satz von Schutzansprüchen begehrt und im Übrigen keine weitere Erklärung abgegeben. In einer teilweisen Gewährung des Gebrauchsmusters wäre somit eine Abweichung vom Gewollten und damit ein Verstoß gegen den Antragsgrundsatz zu sehen (vgl. hierzu BGH GRUR 1980, 716 ff. - „Schlackenbad“; GRUR 1997, 120 ff. - „Elektrisches Speicherheizgerät“ und GRUR 2007, 862 ff. - „Informationsübermittlungsverfahren II“).

39

Der erkennende Senat sieht in der Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG eine zulässige Inhaltsbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Hinsichtlich des Eigentumsschutzes folgt zudem nichts anderes aus Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls vom 20. März 1952 zur EMRK, da Art. 14 GG in jeder Hinsicht den Anforderungen dieses internationalen Übereinkommens entspricht.

40

2.1 Mit dem Beschwerdeführer geht der Senat davon aus, dass die vermögensrechtlichen Befugnisse eines Erfinders eine Rechtsposition darstellen, die dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG unterfallen (vgl. BVerfGE 36, 281, 290 f.). Ferner hat der Beschwerdeführer zu Recht vorgetragen, daß der Gesetz-geber bei der Schaffung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen muss. Es ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BVerfGE 100, 226, 240 f.; BVerfGE 36, 281, 290 f.). Das hat der Gesetzgeber bei der im Jahr 1990 durchgeführten Neuordnung des Gebrauchsmusterrechts durch das „Gesetz zur Stärkung des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie“ (PrPG) getan. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers genügt § 2 Nr. 3 GebrMG den Anforderungen an einen gerechten Interessenausgleich.

41

§ 2 Nr. 3 GebrMG berührt nicht den Kernbereich der Eigentumsgarantie, denn bereits das auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland geltende nationale und internationale Patentrecht für Verfahrenserfindungen gewährt vollständigen Eigentumsschutz und vollständigen gewerblichen Rechtsschutz. Für den verbleibenden Bereich, dem Schutz der Eigentumsverfassung, hat der Gesetzgeber hinsichtlich der Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit einen zum Teil erheblichen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 13. Aufl., Art. 14 Rn. 36). Hierbei ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei Inhalts- und Schrankenbestimmungen um so größer, je stärker der soziale Bezug der Eigentumsposition ist und andere Personen von einem zu schaffenden eigentumsrechtlich verfestigten, subjektiven Recht betroffen sein würden (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann, Kommentar zum GG, 13. Aufl., Art. 14 Rn. 15; BVerfGE 100, 226, 241). Das ist für den vorliegenden Fall wesentlich, weil die Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des geistigen Eigentums stets auch den „fundamentalen Grundsatz“ des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs berühren und insoweit kritisch gesehen werden müssen (vgl. EuGH GRUR Int. 1995, 144, 146 [Rz. 22 ff.] - „Generics ./. Smith Kline and French Laboratories“; Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., Einl. Rn. 100).

42

Die Gesetzesbegründung zur Schutzausschlussregelung des § 2 Nr. 3 GebrMG (vgl. Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) mit Gesetzesbegründung BlPMZ 1990, 161, 195, 197) liefert - nach wie vor - brauchbare Erwägungen. In dieser Begründung heißt es u. a. zur Beschlußempfehlungen des Rechtsausschusses:

43

„Die Öffnung des Gebrauchsmusterschutzes solle allerdings dort ihre Grenze haben, wo das ungeprüfte Schutzrecht Gebrauchsmuster die Rechtssicherheit erheblich gefährden würde und der Gebrauchsmusterschutz aufgrund seiner dann mangelnden Bestandskraft ins Leere ginge. Diese Grenze wäre nach Ansicht des Rechtsausschusses bei den Verfahrenserfindungen überschritten. Tatsächlich müssten eingetragene ungeprüfte „Verfahrensgebrauchsmuster“, die - wegen Fehlens von Zeichnungen oder von Darstellungen chemischer Formeln – von Dritten in keiner Weise auch nur einigermaßen zuverlässig auf ihre Schutzfähigkeit und ihren Schutzumfang überprüft werden könnten, zu einer erheblichen Marktbeunruhigung führen, die insbesondere wegen des von den beteiligten Kreisen dargelegten mangelnden Bedürfnisses des Gebrauchsmusterschutzes für derartige Erfindungen nicht vertretbar wäre.“

44

Die Bedeutung von Zeichnungen und von Darstellungen in Form von chemischen Formeln ist deshalb von grundlegender Bedeutung, weil mit diesen ein technischer Gegenstand unmittelbar zur Anschauung gebracht wird. Zeichnungen und erläuternde Darstellungen in Form von chemischen Formeln sind ein entscheidendes Medium zur schnellen und vollständigen Erfassung eines technischen Gegenstandes und seiner Ausführungsformen. Die Gesetzesbegründung (vgl. BlPMZ 1990, 197) weist zu Recht darauf hin, daß dieser Vorteil nicht nur den Schutzumfang, den ein technisches Schutzrecht entfaltet, betrifft, sondern auch dessen Schutzfähigkeit. Die unmittelbare Anschauung durch Zeichnungen ist insbesondere dann von entscheidendem Nutzen, wenn die Schutzfähigkeit eines Gebrauchsmustergegenstandes von druckschriftlichen Vorveröffentlichungen abhängt, die zwar nach der IPC als einschlägig ermittelt wurden, die aber nur in wenig bekannten Sprachen oder fernöstliche Schriftzeichen vorliegen.

45

Hierbei ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, dass Verfahren einer zeichnerischen Darstellung nicht zwingend entzogen sind und - umgekehrt - Vorrichtungserfindungen und Stoffe, wie z. B. Legierungen, nicht immer einer verständlichen, grafischen Darstellung zugänglich sein müssen (vgl. z. B. bei: R. König, GRUR 2001, 948, 950). Entscheidend ist aber, daß gerade bei der Anmeldung von Verfahrenserfindungen eine Verdeutlichung durch Zeichnungen regelmäßig als überflüssig angesehen wird und oft unterbleibt. Vor diesem Hintergrund ist es gut nachvollziehbar und beruht es auf einem ausgewogenen Interessenausgleich, wenn der Gesetzgeber im Interesse Dritter für Verfahrenserfindungen keinen Gebrauchsmusterschutz gewährt.

46

2.2 Die Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG steht auch nicht im Widerspruch zum allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

47

Der Gleichheitssatz ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 129, 49, 69; Schmidt-Bleibtreu/Klein/Krieger, Kommentar zum GG, 13. Aufl., Art. 3 Rn. 32 f.). Auch wenn man entsprechend dem unwiderlegten Vortrag des Beschwerdeführers von Vorrichtungserfindern einerseits und Verfahrenserfindern andererseits als zwei voneinander unterscheidbaren Personengruppen ausgeht, zeigt sich, daß die Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

48

Beim allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 133, 1, 13). Der allgemeine Gleichheitssatz ist dann nicht verletzt, wenn am Regelungsgegenstand gemessene, hinreichende Sachgründe vorhanden sind, die eine Differenzierung verfassungsrechtlich rechtfertigen (BVerfGE 129, 49, 69). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.

49

Dem Gesetzgeber stand bei der im Jahr 1990 vorgenommenen Reform des Gebrauchsmusterrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung, der lediglich durch das Willkürverbot begrenzt war. Denn bei der Schaffung des § 2 Nr. 3 GebrMG handelte es sich um eine gesetzgeberische Maßnahme auf dem Gebiet der gewährenden Staatstätigkeit, die der Gestaltung der Wirtschaftsordnung und der Eigentumsverfassung dient (zur Wirtschaftsordnung vgl. BVerfGE 70, 191, 201 f.; Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 13. Aufl., Art. 3 Rn. 23; zur Eigentumsverfassung s. die Ausführungen oben unter II.2.1). Weiter folgt ein umfangreicher Gestaltungspielraum aus dem Umstand, daß hier das Maß der Ungleichbehandlung zwischen Verfahrenserfindern einerseits und anderen Erfindern andererseits als äußerst gering einzuschätzen ist. Denn der Gesetzgeber hat bereits im Rahmen des Patentgesetzes einen vollständigen Schutz für Verfahrenserfindungen geschaffen. Der Beschwerdeführer begehrt demnach zusätzlich zum vollständigen Eigentumsschutz und zum vollständigen gewerblichen Rechtsschutz, wie er für Verfahrenserfindungen bereits mit dem Patentrecht gewährt wird, zusätzlich den Schutz durch das Gebrauchsmusterrecht. Neben den geringeren Kosten und dem verfahrensrechtlichen Vorteil der schnelleren Schutzgewährung bringt das Gebrauchsmuster als Schutzrecht für Verfahrenserfindungen gegenüber dem Patentrecht aber keine erheblichen materiellrechtlichen Vorteile. Denn nach seiner Auslegung durch die Rechtsprechung steht § 2 Nr. 3 GebrMG weder der Eintragung eines Gebrauchsmusters mit Product-by-process-Ansprüchen entgegen (BPatG Beschluss vom 27.04.2010, Az.: 35 W (pat) 458/08, Beschluss vom 02.06.2004, Az.: 5 W (pat) 402/03; Busse/Keukenschrijver § 2 GebrMG Rdnr. 7, Bühring/Braitmayer, GebrMG, 8. Aufl., § 2 Rn. 59 ff.) noch der Eintragung eines Gebrauchsmusters für die Verwendung bekannter Stoffe im Rahmen einer neuen medizinischen Indikation (vgl. BGH GRUR 2006, 135 f. - „Arzneimittelgebrauchs-muster“). Daß darüber hinaus ein ins Gewicht fallender praktischer Bedarf für das Verfahrensgebrauchsmuster bestünde, ist im Laufe dieses Beschwerdeverfahrens nicht erkennbar geworden.

50

Ein Gestaltungsspielraum, der nur durch das Willkürverbot begrenzt ist, wird erst dann überschritten, wenn die Entscheidung des Gesetzgebers schlichtweg als willkürlich erscheint (vgl. BVerfGE 38, 225, 229; BVerfGE 118, 79, 100 f.; Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 13. Aufl., Art. 3 Rn. 19). Danach bleiben auch solche gesetzgeberische Regelungen mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, die möglicherweise nicht die gerechtesten und zweckmäßigsten sind (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein/Krieger, Kommentar zum GG, 13. Aufl., Art. 3 Rn. 18). Nach der Überzeugung des Senats ergibt sich aus den oben unter II.2.1 und II.2.2 dargelegten Überlegungen des Gesetzgebers, daß die Schaffung von § 2 Nr. 3 GebrMG keine solche willkürliche Entscheidung war, sondern auf sachbezogene Überlegungen gestützt war, die nach wie vor tragfähig sind.

51

3. Wie vorstehend dargelegt, verstößt die Schutzausschlussregelung des § 2 Nr. 3 GebrMG nach der Überzeugung des Senats nicht gegen höherrangiges Recht. Deshalb kommt das in Art. 100 Abs. 1 GG geregelte Vorlageverfahren nicht in Betracht.

52

4. Die Frage nach der Vereinbarkeit von § 2 Nr. 3 GebrMG mit dem höherrangigem Recht, auf das sich der Beschwerdeführer beruft, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Daher war gemäß § 18 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG zu den unter Nr. 2 des Tenors genannten Rechtsfragen die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zuzulassen.