Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.09.2018


BPatG 06.09.2018 - 30 W (pat) 803/18

Designbeschwerdeverfahren – Nichtigkeitsverfahren - "medizinisches Steckgerät" - zur Wirksamkeit eines Beschlusses der Designabteilung – Fehlen der dritten erforderlichen Unterschrift des weiteren Beisitzers – wesentlicher Verfahrensmangel – Zurückverweisung an das DPMA - Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
06.09.2018
Aktenzeichen:
30 W (pat) 803/18
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 34 Buchst a GeschmMG 2004
§ 23 Abs 2 S 1 GeschmMG 2004
§ 23 Abs 4 S 3 GeschmMG 2004
§ 23 Abs 4 S 4 GeschmMG 2004
§ 23 Abs 4 S 5 GeschmMG 2004

Tenor

In der Designnichtigkeitssache

...

betreffend das Design 40 203 865-0001

(hier: Nichtigkeitsverfahren N 3/17)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-richts in der Sitzung vom 6. September 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. von Hartz

beschlossen:

1. Der Beschluss der Designabteilung 3.5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. März 2018 wird aufgehoben und die Sache zur Entscheidung an das DPMA zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Be-schwerdeverfahrens dem DPMA vorbehalten.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 30. April 2002 angemeldeten und am 8. Juli 2002 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Designregister eingetragenen Designs 40 203 865-0001, das ein medizinisches Steckgerät darstellt.

2

Gegen das eingetragene Design hat die Antragstellerin mit am 27. Januar 2017 beim DPMA eingegangenem Schriftsatz Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 34a DesignG gestellt. Die Antragsgegnerin und Designinhaberin hat dem Antrag widersprochen.

3

Mit Beschluss vom 12. März 2018 hat die Designabteilung 3.5 des DPMA den Löschungsantrag kostenpflichtig zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde von dem Vorsitzenden sowie einer Besitzerin unterschrieben. Die dritte Unterschrift fehlt. Gleiches gilt für das Beratungsprotokoll, in welchem die Beschlussfassung vom gleichen Tage dokumentiert wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 456 und 457 ff. der VA Bezug genommen.

4

Dieser Beschluss wurde der Antragstellerin am 16. März 2018 und der Antragsgegnerin am 20. März 2018 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 12. April 2018 hat die Antragstellerin Beschwerde gegen den den Löschungsantrag zurückweisenden Beschluss eingelegt.

5

Der Senat hat mit Schreiben vom 9. Mai 2018 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die angefochtene Entscheidung der Designabteilung ohne Sachprüfung aufzuheben und die Sache an das DPMA zurückzuverweisen. Der angefochtene Beschluss sei formell mängelbehaftet, weil die Unterschrift des zweiten Beisitzers – des Regierungsdirektors K... – auf dem Originalbeschluss fehle. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Regierungsdirektor K... an der Entscheidung mitgewirkt habe, da die Unterschrift auch auf dem Beratungsprotokoll der Designabteilung vom 12. März 2018 fehle.

6

Die Beteiligten haben sich zu diesem Schreiben nicht geäußert.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

8

Die Beschwerde ist zulässig. Der angefochtene Beschluss der Designabteilung 3.5 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 12. März 2018, mit dem der Löschungsantrag zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben. Die Sache wird an das DPMA zur Entscheidung zurückverwiesen, da das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet, § 23 Abs. 4 Satz 4 DesignG i. V. m. § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG. Nach Aktenlage muss davon ausgegangen werden, dass die Designabteilung bei der angefochtenen Entscheidung nicht ordnungsgemäß besetzt war.

9

1. Die Designabteilung beschließt im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens nach § 34a DesignG gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 DesignG grundsätzlich mit drei rechtskundigen Mitgliedern. Sofern die Entscheidung nicht bereits in einem Anhörungstermin verkündet worden ist, wird die Entscheidung erst mit der Unterschrift der an der Entscheidung mitwirkenden Mitglieder der Designabteilung existent und erlangt erst mit der Zustellung an die Beteiligten Außenwirkung. Das bei einer internen Beratung erarbeitete Beratungsergebnis stellt nur ein vorläufiges Ergebnis dar, da die Entscheidung jederzeit noch geändert werden könnte.

10

Nach überwiegender Ansicht bedarf es bei Beschlüssen eines Kollegialgerichts zu ihrer Wirksamkeit der Unterschrift aller mitwirkenden Richter (vgl. BPatG GRUR 2014, 913, 916 (Patentrecht); BPatG, 30 W (pat) 73/10; 28 W (pat) 114/10 (Markenrecht); Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 329 Rn. 42 m. w. N.; Musielak, in: MüKoZPO, 5. Aufl., §329 Rn. 2 mit Nachweisen zur Gegenansicht). Diese Grundsätze finden auch im Designnichtigkeitsverfahren Anwendung. Es sind keine Gründe ersichtlich, von den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen abzuweichen. Durch ihre Unterschrift bringen die zur Entscheidung berufenen Mitglieder zum Ausdruck, dass der Inhalt des Beschlusses ihrer gemeinsamen Willensbildung entspricht und sie dafür die Verantwortung tragen. Dies wird durch die Unterschrift unter die Entscheidung dokumentiert. Nur dieser ist auch Gegenstand der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht.

11

2. Vorliegend fehlt es dem angefochtenen Beschluss an der dritten, erforderlichen Unterschrift des weiteren Beisitzers, wie die den Beteiligten in Kopie übersandten Auszüge der Vorakte belegen. Insoweit besteht Übereinstimmung zu der von der Designabteilung dokumentierten Beschlussprotokollierung, auf welcher ebenfalls die Unterschrift des dritten mitwirkenden Mitglieds der Designabteilung – des Regierungsdirektors K.. – fehlt.

12

3. Die fehlende Unterschrift kann bei einem im schriftlichen Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt erlassenen Beschluss auch nicht nachgeholt werden. Während nämlich verkündete Beschlüsse im Zeitpunkt der Verkündung existent und zugleich wirksam werden, wird bei Entscheidungen im schriftlichen Verfahren der Beschluss erst existent, wenn er - mit den Unterschriften versehen - den Gerichts- bzw. Behördenbereich verlassen hat (vgl. BPatGE 38, 16 f.; BPatG, 33 W (pat) 14/10).

13

4. Unabhängig von der Frage, ob eine wirksame, das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt abschließende Entscheidung überhaupt vorlag, ist mit ihrer Ausfertigung und Zustellung an die Beteiligten mindestens der äußere Anschein eines dem Deutschen Patentamt- und Markenamt zurechenbaren Aktes entstanden. Schon allein deshalb ist es geboten, den Parteien die Gelegenheit zu geben, die auf diese Weise in Erscheinung getretene Entscheidung zu beseitigen (BVerfG NJW 1985, 788; BGH GRUR 1994, 724 – Spinnmaschine).

14

5. Nachdem das Verfahren vor dem DPMA an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 23 Abs. 4 Satz 3 DesignG i. V. m. § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG leidet, war das Verfahren an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

15

Die Zurückverweisung steht im Ermessen des Gerichts. Im Einzelfall ist abzuwägen zwischen dem Interesse an einer erneuten Befassung des Deutschen Patent- und Markenamts mit der Sache einerseits und der Verfahrensbeschleunigung andererseits (BPatG, 30 W (pat) 73/10). Nachdem durch die fehlende Unterschrift des Beisitzers im Beschluss und dem Protokoll über die Beschlussfassung davon ausgegangen werden muss, dass die Entscheidung nicht – wie erforderlich – von drei Mitgliedern getroffen worden ist, besteht ein erhebliches Interesse daran, dass die Designabteilung sich erneut mit dem Nichtigkeitsantrag befasst, um zu einer in gesetzlich bestimmter Besetzung getroffenen Entscheidung zu gelangen.

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6. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war anzuordnen. Nach § 23 Abs. 4 Satz 5 DesignG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2, 1. HS PatG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert. Letzteres ist hier der Fall. Insoweit ist auf den Rechtsgedanken des § 80 Abs. 3 PatG zurückzugreifen. Diese in § 23 Abs. 4 Satz 4 DesignG in Bezug genommene Vorschrift sieht vor, dass das Bundespatentgericht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anordnen kann. Dies ist dann der Fall, wenn es der Billigkeit entspricht, wie zum Beispiel bei einer fehlerhaften Verfahrensführung durch das DPMA (vgl. BPatG, 6 W (pat) 9/11; 11 W (pat) 4/08; Schulte/Püschel, PatG, 10. Aufl., § 73 Rn. 161). Da das Verfahren aufgrund der Beschwerde der Antragstellerin ohne die von ihr begehrte Sachprüfung aufgrund eines Fehlers des DPMA zurückverwiesen wird, ist es sachgerecht, anzuordnen, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

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Im Übrigen bedarf es keiner Kostenentscheidung, da im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung das DPMA über die angefallenen Kosten des Beschwerdeverfahrens entscheidet (vgl. BPatG, 4 Ni 24/09; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 97 Rn. 7).

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