Entscheidungsdatum: 15.12.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Design 40 2012 000 009.4
(hier: Verschiebung des Anmeldetags)
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 15. Dezember 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Designinhabers wird der Beschluss der Geschmacksmusterstelle (nunmehr: Designstelle) des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. April 2013 aufgehoben.
Die Sache wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen mit der Maßgabe, den Anmeldetag unter Beachtung der am 19. April 2012 eingereichten DVD neu zu bestimmen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Am 28. Dezember 2011 hat der Anmelder einen Antrag auf Eintragung eines Geschmacksmusters als Sammelanmeldung von drei Mustern beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingereicht. Der Anmeldung war ein Datenträger in Form eines USB-Sticks beigefügt.
Mit Kostennachricht vom 30. Januar 2012 (Bl. 7 VA) wurde der Anmelder darauf hingewiesen, dass die digitale Einreichung fehlerhaft sei. Er wurde gebeten, die Darstellungen auf CD bzw. DVD als jpg. nachzureichen. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass die Zuerkennung eines wirksamen Anmeldetages vor einer Mängelbeseitigung nicht möglich sei.
Mit einem am 19. April 2012 beim DPMA eingegangenen Schreiben hat der Anmelder eine DVD eingereicht (Bl. 16 VA). Ausweislich eines in der Akte befindlichen Äußerungsbogens (Bl. 18 VA) ergab deren Prüfung im Scanbereich der Geschmacksmusterstelle am 4. Mai sowie durch die EDV-Abteilung am 7. Mai 2012, dass der Datenträger keine Dateien enthält. Dies wurde dem Anmelder mit einem am 22. Juni 2012 zugestellten Bescheid vom 18. Mai 2012 unter Beifügung des vom Anmelder eingereichten USB-Sticks mitgeteilt mit dem Hinweis, dass ohne Einreichung der Darstellungen kein wirksamer Anmeldetag anerkannt werden könne.
Mit einem am 22. Oktober 2012 beim DPMA eingegangenen Schreiben übersandte der Anmelder Wiedergaben der Muster in Papierform.
Einer mit Bescheid vom 4. Dezember 2012 angekündigten Verschiebung des Anmeldetags auf den Eingangstag der Muster in Papierform am 22. Oktober 2012 widersprach der Anmelder.
Mit Beschluss vom 15. April 2013 hat die Geschmacksmusterstelle den Anmeldetag auf den 22. Oktober 2012 bestimmt, da erst an diesem Tag eine zur Bekanntmachung geeignete Wiedergabe der Muster vorgelegen habe (§ 16 Abs. 5 Satz 2, Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GeschmMG).
Zum Zeitpunkt der Anmeldung am 28. Dezember 2011 seien die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Anmeldetages nicht erfüllt gewesen, da die Anmeldung keine zur Bekanntmachung geeignete Wiedergabe der Muster enthalten habe (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GeschmMG). Soweit der Anmelder der Anmeldung zur Darstellung der angemeldeten Muster einen USB-Stick beigefügt habe, handele es sich dabei nicht um einen nach § 6 Abs. 4 Satz 1, 3 GeschmMV i. V. m. §§ 8 Abs. 5 Satz 3, 11 Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 MarkenV zugelassenen Datenträger.
Eine zulässige Wiedergabe der Muster sei auch nicht mit der am 19. April 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen DVD eingereicht worden, da sich auf dieser DVD keine Dateien befunden hätten. Sie sei vielmehr leer gewesen, so dass es auch an diesem Tag an der erforderlichen geeigneten Wiedergabe der Muster nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 GeschmMG gefehlt habe.
Anmeldetag sei daher der 22. Oktober 2012, da erst an diesem Tag mit den eingereichten Wiedergaben der Muster in Papierform alle Voraussetzungen für die Zuerkennung des Anmeldetages erfüllt worden seien.
Gegen die Verschiebung des Anmeldetags auf den 22. Oktober 2012 richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass bereits am 28. Dezember 2011 mit dem der Anmeldung beigefügten und die angemeldeten Muster enthaltenden virenfreien und lesbaren USB-Stick eine den Vorschriften entsprechende Wiedergabe der angemeldeten Geschmacksmuster vorgelegen habe. Nach § 6 Abs. 4 GeschmV komme es für die ordnungsgemäße Wiedergabe lediglich darauf an, dass „der Datenträger lesbar“ sei und „keine Viren oder sonstigen schädlichen Programme“ enthalte. Soweit die Verordnung auf eine Internetseite verweise, sei dieser Verweis zu unbestimmt, um eine inhaltliche Einschränkung des Begriffs „Datenträger“ begründen zu können. Unter www.dpma.de direkt seien Hinweise nicht ersichtlich, die Verordnung gebe weder einen konkreten Link („Deep-Link“) noch einen Menüpunkt an, unter dem eine verbindliche Festlegung erfolgen könne.
Jedenfalls sei eine den Vorschriften entsprechende Wiedergabe der angemeldeten Geschmacksmuster mit der am 19. April 2012 beim DPMA eingegangenen DVD eingereicht worden. Entgegen der Feststellung im angefochtenen Beschluss sei der Datenträger auch nicht „leer“ gewesen, sondern habe die angemeldeten Muster als Bilddatei enthalten. Dies habe eine im Rahmen der Akteneinsicht durch den Verfahrensbevollmächtigten des Anmelders durchgeführte Einsichtnahme der DVD im Recherchesaal des DPMA in München ergeben.
Der Anmelder beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses der Geschmacksmusterstelle vom 15. April 2013 festzustellen, dass Anmeldetag der 28. Dezember 2011 ist,
hilfsweise,
dass Anmeldetag der 19. April 2012 ist.
Ausweislich eines Vermerks des Herrn K…, Ref. 2.4.3.d des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Juli 2013 enthält die am 19. April 2012 eingereichte DVD eine Session mit Datum 17. April 2012 und 3 Bilddateien vom Dezember 2011.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist insoweit begründet, als der Anmeldetag unter Beachtung der am 19. April 2012 eingereichten DVD neu zu bestimmen ist; die weitergehende, auf Feststellung des 28. Dezember 2011 als Anmeldetag gerichtete Beschwerde ist hingegen unbegründet.
1. Auf den am 28. Dezember 2011 eingegangenen Antrag auf Eintragung eines Geschmacksmusters als Sammelanmeldung von 3 Mustern fand zunächst das Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz - GeschmMG) Anwendung. Mit dem am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design (Designgesetz - DesignG) sind u. a. der Name des Geschmacksmustergesetzes sowie der Name des Schutzgutes geändert worden. Nach der Übergangsvorschrift in § 74 Abs. 1 DesignG werden Geschmacksmuster, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3799) am 1. Januar 2014 angemeldet oder eingetragen worden sind, ab diesem Zeitpunkt als eingetragene Designs bezeichnet. Übergangsvorschriften für anzuwendendes Recht auf angemeldete Designs fehlen (vgl. § 72 DesignG), so dass für das weitere Verfahren das Designgesetz in der zum 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Fassung Anwendung findet, ergänzt durch die Bestimmungen der Verordnung zur Ausführung des Designgesetzes (Designverordnung - DesignV) vom 2. Januar 2014 (zuvor Verordnung zur Ausführung des Geschmacksmustergesetzes; vgl. zum Ganzen BPatG, Beschluss vom 22. Januar 2015, 30 W (pat) 703/13 - „DE-Flagge“, juris Rn. 9).
2. Der Antrag auf Feststellung des 28. Dezember 2011 als Anmeldetag für die Sammelanmeldung mit drei Mustern ist unbegründet, weil sich nicht feststellen lässt, dass an diesem Tag eine zur Bekanntmachung geeignete Wiedergabe der Muster vorlag (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 DesignG.
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 DesignG ist der Anmeldetag eines Designs der Tag, an dem die Unterlagen nach § 11 Abs. 2 DesignG beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen sind. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 DesignG muss die Anmeldung eine zur Bekanntmachung geeignete Wiedergabe des Designs enthalten, wobei die Anforderungen an eine „geeignete Wiedergabe des Designs“ sowohl in Bezug auf deren Inhalt als auch deren Form nicht im DesignG, sondern in der auf Grundlage der Ermächtigung zur Bestimmung der Anmeldeerfordernisse gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 2 DesignG durch das Bundesministerium der Justiz erlassenen „Verordnung zur Ausführung des Designgesetzes (DesignV)“ bestimmt werden. Die Beachtung dieser Anmeldeerfordernisse ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Anmeldetags nach § 13 Abs. 1 DesignG.
Nach § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 DesignV besteht die Wiedergabe aus bis zu zehn fotografischen oder sonstigen Darstellungen des Musters, welche auf den vom Deutschen Patent- und Markenamt herausgegebenen Formblättern aufzudrucken oder aufzukleben sind. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 DesignV (vormals: § 6 Abs. 4 Satz 1 GeschmMV) können die Darstellungen statt auf einem Formblatt auf einem (digitalen) Datenträger eingereicht werden.
Ob danach auch der vom Anmelder mit seinem Antrag auf Eintragung eines Geschmacksmusters am 28. Dezember 2011 eingereichte USB-Stick als ein solcher zur Wiedergabe geeigneter „Datenträger“ i. S. des § 6 Abs. 4 Satz 1 GeschmMV bzw. „digitaler Datenträger“ i. S. des § 7 Abs. 5 Satz 1 DesignV anzusehen ist, kann offen bleiben. Denn ausweislich der Amtsakte wurde dem Anmelder der eingereichte USB-Stick mit dem Amtsschreiben vom 28. März 2012 (Bl. 9/10 VA) zurückgesandt.
Damit können aber keine Feststellungen mehr dazu getroffen werden, ob und ggf. welche Darstellungen auf dem am 28. Dezember 2011 mit der Anmeldung eingereichten USB-Stick gespeichert waren und damit Gegenstand der Sammelanmeldung waren. Die Designstelle des DPMA hat den USB-Stick nicht ausgelesen, sondern diesen USB-Stick als nicht verwendbar dem Anmelder mit Schreiben vom 28. März 2012 zurückgesandt. Mit Rücksendung des USB-Sticks befinden sich keine Unterlagen mehr in der Amtsakte, welche Rückschlüsse und Feststellungen auf den Inhalt der am 28. Dezember 2011 eingereichten Anmeldung erlauben würden. Eine erneute Übersendung des USB-Sticks ist zwar u. U. möglich; in diesem Falle ließe sich jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, ob die auf dem Datenträger gespeicherten Dateien bzw. bildlichen Wiedergaben auch am Tag des Eingangs der Anmeldeunterlagen auf diesem vorhanden waren. Denn anders als z. B. bei Darstellungen in Papierform, bei denen aufgrund der Perforation der Tag der Einreichung dokumentiert ist - was nachträgliche Änderungen an den Designdarstellungen allerdings auch nicht ausschließt - kann ein Datenträger nach Entfernung aus der Akte bzw. Herausgabe an den Anmelder oder Dritte in seinem Inhalt beliebig verändert werden und bietet daher keine zuverlässige Grundlage mehr für die Feststellung des Inhalts der Anmeldung in Bezug auf die für die Zuerkennung des Anmeldetags zwingend erforderliche Wiedergabe des Designs. Lässt sich damit aber der Inhalt der Anmeldung bzw. die Wiedergabe des Designs am Tag des Eingangs der Anmeldung (gleich aus welchem Grunde) nicht mehr ermitteln bzw. feststellen, kann der Anmeldung dieser Tag nicht mehr als prioritätsbegründender Anmeldetag nach § 13 Abs. 1 DesignG zuerkannt werden.
Unerheblich ist, ob zu der Anmeldung nachträglich Wiedergaben des Designs auf Datenträgern oder in Papierform eingereicht worden sind, da sich daraus ebenfalls nichts dafür ergibt, ob die nachgereichten Darstellungen mit denen auf dem ursprünglich eingereichten und nicht mehr bei der Akte befindlichen USB-Stick übereinstimmen.
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich insbesondere auch dann nicht, wenn man zugunsten des Antragstellers die Einreichung von designgegenständlichen Darstellungen auf einem USB-Stick auf Grundlage der in § 6 Abs. 4 GeschmMV bzw. § 7 Abs. 5 DesignV getroffenen Bestimmungen als eine für die Zuerkennung des Anmeldetags geeignete Wiedergabe des Designs i. S. des § 11 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 DesignG akzeptieren würde und eine Rücksendung des USB-Sticks an den Anmelder daher nicht hätte erfolgen dürfen. Denn dies ändert nichts daran, das ein Anmeldetag nur einer solchen Anmeldung zuerkannt werden kann, deren Inhalt zweifelsfrei feststeht, da ansonsten eine Priorität der Anmeldung zu Lasten Dritter begründet würde, ohne dass die prioritätsbegründenden Voraussetzungen vorgelegen haben. Daher kann auch nicht zugunsten des Anmelders unterstellt werden, dass die auf dem am 28. Dezember 2011 eingereichten USB-Stick enthaltenen den auf der am 19. April 2012 eingereichten DVD evtl. vorhandenen Darstellungen und/oder den am 22. Oktober 2012 in Papierform eingereichten Designs entsprechen.
3. Begründet ist die Beschwerde allerdings insoweit, als die Designstelle festgestellt hat, dass auch am Tag der Einreichung der in der Akte befindlichen DVD (Bl. 16 VA) am 19. April 2012 keine zur Bekanntmachung geeignete Wiedergabe eines Designs nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GeschmMG i. V. m. § 6 GeschmMV vorlag.
Denn ausweislich der in der Amtsakte befindlichen E-Mail des Registraturleiters L… vom 23. Juli 2013 (Bl. 76 VA), der Datenträgerprüfung durch Herrn K…, Ref. 2.4.3.d vom 26. Juli 2013 (Bl. 78 VA) sowie des Vermerks vom 1. August 2013 (Bl. 87 VA) enthält die DVD drei Dateien, nach dem Vermerk des Herrn K… eine Session mit Datum 17. April 2012 und 3 Bilddateien vom Dezember 2011. In den vorgenannten Vermerken ist zwar ausgeführt, dass der Datenträger bei früheren Prüfungen leer gewesen sei. Feststellungen dazu, dass die auf der DVD gespeicherten Dateien nachträglich z. B. bei der Akteneinsicht eingefügt bzw. abgespeichert worden sind, hat die Designstelle jedoch nicht getroffen. Dafür bieten sich dem Senat auch keine Anhaltspunkte. Die Designstelle hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass es sich bei der in der Amtsakte befindlichen DVD nicht (mehr) um den am 19. April 2012 vom Anmelder eingereichten Datenträger handelt; auch insoweit bieten sich dem Senat keine Anhaltspunkte für eine Veränderung oder einen Austausch des Datenträgers.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Anmeldetags nach § 13 Abs. 1 DesingG sind daher unter Berücksichtigung der am 19. April 2012 vom Anmelder eingereichten DVD (Bl. 16 VA), bei dem es sich um einen nach § 6 Abs. 4 GeschmMV bzw. § 7 Abs. 5 DesignV zugelassenen Datenträger handelt, zu prüfen. Enthält diese zur Bekanntmachung geeignete Wiedergaben des Designs i. S. des § 11 Abs. 2 Nr. 3 DesignG und genügt die Anmeldung bezogen auf den Tag des Eingangs der DVD auch den weiteren Anmeldungserfordernissen, ist der Anmeldetag nach dem Tag des Eingangs der DVD zu bestimmen (§ 16 Abs. 4 Satz 2 DesignG).
Für diesen Fall ist anzumerken, dass der Inhalt der Anmeldung und insbesondere der Gegenstand des eingetragenen Designs sich nach den auf der DVD evtl. vorhandenen Darstellungen, nicht jedoch nach den am 22. Oktober 2012 in Papierform eingereichten Designs (Bl. 27 – 35 VA) bestimmt.