Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.09.2014


BPatG 18.09.2014 - 30 W (pat) 546/12

Markenbeschwerdeverfahren – "medipresse (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis – keine Nachahmung des Schweizer Kreuzes


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
18.09.2014
Aktenzeichen:
30 W (pat) 546/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 021 840.4

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 18. September 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen Winter und Uhlmann

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 44, vom 29. August 2012 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wort-/ Bildzeichen

Abbildung

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ist am 15. April 2011 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für die Waren und Dienstleistungen der

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„Klasse 5: Reiseapotheken [Arzneimittel-Sets], Arzneimittel für humanmedizinische Zwecke, Arzneimittel für tierische Zwecke, Arzneimittel für zahnärztliche Zwecke;

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Klasse 35: Entwicklung von Treue- und Bonusprogrammen als Kundenbindungsmaßnahmen für Marketingzwecke, Verkaufsförderung und sonstige verkaufsfördernde Maßnahmen für Dritte durch Entwicklung und Vermittlung von Kundengewinnungs- und treueprogrammen zu Marketingzwecken und zur Beurteilung und Beeinflussung des Konsumverhaltens, Büroarbeiten für andere Kundenbindungssysteme und Incentivierungsprogramme zur Überwachung von Werbemaßnahmen, einschließlich von Büroarbeiten für Kundenbindungsprogramme, vorgenannte Dienstleistungen, insbesondere im Bereich des Gesundheits- und Versicherungswesens; Marketing, Marketing durch Anreize sowie durch Prämienprogramme und durch die Entwicklung von Kundenbindungsprogrammen und Incentivierungsprogrammen (Marketing), Büroarbeiten für Prämienprogrammen in Bezug auf Käuferanreize zur Überwachung von Waren- und Leistungswerbung für Dritte, Werbung für Dritte im Internet;

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Klasse 38: Onlinedienste, nämlich Bereitstellung des Zugriffs auf und Übermittlung von Informationen und Nachrichten aller Art in Bild und Ton im Internet; Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk, Bereitstellen von Telekommunikationsverbindungen zu einem weltweiten Computernetzwerk, Bereitstellung von Internet-Chatrooms, Bereitstellung von Telekommunikationskanälen für Teleshoppingdienste, Kommunikationsdienste mittels Computerterminals, Kommunikationsdienste mittels Telefon, Leitungs- Routing- und Verbindungsdienstleistungen für Telekommunikation, Übermittlung von Nachrichten, Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer, Ausstrahlung von Teleshopping-Sendungen, Verschaffung des Zugriffs zu Datenbanken; Onlinedienste, nämlich Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen und Nachrichten zu medizinischen, veterinär-medizinischen beziehungsweise pharmazeutischen Sachverhalten in Bild und Ton im Internet;

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Klasse 44: medizinische Versorgung; medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; ambulante Pflegedienstleistungen; Aromatherapie; Beratung in der Pharmazie; Betrieb von öffentlichen Bädern zum Zwecke der Körperhygiene; Betrieb von Pflegeheimen; Dienstleistungen einer Blutbank; Dienstleistungen einer Kurklinik; Dienstleistungen eines Arztes; Dienstleistungen eines Chiropraktikers; Dienstleistungen eines Krankenhauses; Dienstleistungen eines Rehabilitationszentrums, eines Sanitäters, eines Zahnarztes, und von Sanatorien; Durchführung von Massagen“

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angemeldet worden.

8

Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 29. August 2012 wegen eines Verstoßes gegen die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2, 6 und 8 MarkenG zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Wortelement des Anmeldezeichens „medipresse“ setze sich erkennbar aus „medi“ und „presse“ zusammen. „Medi“ sei die nicht selten verwendete Abkürzung von „Medizin, medizinisch“, nicht aber die Abkürzung von „Media, Medium“. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Verkehrskreise „Presse“ als Hinweis auf ein „Gerät zum Auspressen“ wahrnähmen. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen liege vielmehr ein Verständnis von „Presse“ als „Nachrichtenorgan, Ver-/Übermittlungsorgan“ nahe. „Medipresse“ könne daher der beschreibende Aussagegehalt beigemessen werden, bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen handele es sich „um Presse, Nachrichten, Informationen (auch elektronisch) im medizinischen Bereich“; als Fachbegriff fehle dem Zeichen deshalb auch die Unterscheidungskraft. Auch der Bildbestandteil begründe die Schutzfähigkeit nicht. Sprechblasen würden in der Comic-, Umgangs- und Werbesprache und -grafik auch unter Einbeziehung von Flaggen und Wappen von Staaten verwendet.

10

Da der begehrte Markenschutz eine Verwendung in rot und weiß beinhalte, gingen die Verkehrskreise davon aus, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen „Medizinpresse, Medizininformationen und -nachrichten“ darstellten, die aus der Schweiz stammten oder für die Schweiz bestimmt seien. Auch insoweit sei das Anmeldezeichen beschreibend. Wegen der im Anmeldezeichen enthaltenen unbefugten Nachahmung des Schweizer Wappens bzw. der Schweizer Flagge sei das Zeichen auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. Abs. 4 S. 1 MarkenG nicht eintragbar.

11

Der Bildbestandteil des Anmeldezeichens könne auch unbefugterweise wie das Symbol des Roten Kreuzes (rotes Kreuz auf weißem Grund) gebraucht werden, weshalb auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG bestehe, zumal angesichts der medizinischen Waren und Dienstleistungen und des Markenbestandteiles „Medi“ der Gedanke an das „Rote Kreuz“ naheliege.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

13

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 29. August 2012 aufzuheben.

14

Sie trägt vor, der Begriff „Medipresse“ sei nicht freihaltebedürftig. Das Wort „medi“ gebe es in der deutschen Sprache nicht, auch nicht als Abkürzung für „Medizin“ oder „medizinisch“. Ob das in der englischen Sprache anders sei, sei zweifelhaft. Angesprochen seien jedoch ausschließlich deutschsprachige Verkehrskreise. Das deutsche Wort „Presse“, das auch ein „Gerät zum Auspressen“ bezeichne, sei als Substantiv der bestimmende Teil des Gesamtbegriffs und definiere damit den Gesamtbegriff als deutsches Wort. „Medipresse“ sei mithin ein Fantasiewort. Jedenfalls durch den grafischen Zusatz der Sprechblase werde das Anmeldezeichen kennzeichnungskräftig. Selbst wenn man annehmen wollte, dass eine Sprechblase ein übliches Werbegestaltungsmittel sei, so sei sie das nur mit einem Text darin. Ein Kreuz in einer Sprechblase sei kein übliches Werbegestaltungsmittel, vor allem auch deshalb nicht, weil die Sprechblase nach oben offen sei. Insbesondere durch die Kombination des Textes mit der durchbrochenen Sprechblase werde die Schutzfähigkeit begründet.

15

§ 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG sei nicht einschlägig, da das Kreuz nicht heraldisch verwendet werde. Das im Anmeldezeichen verwendete Kreuz unterscheide sich vom Kreuz der Schweizer Flagge schon dadurch, dass die Ecken abgerundet und die Balken dicker seien. Soweit nur der Teil eines Hoheitszeichens verwendet werde, bestehe ein Schutzhindernis nur dann, wenn in der Gesamtschau nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift das Flaggensymbol hoheitlich verwendet werde. Das sei hier aber gerade nicht der Fall. Hier sei das Kreuz ein Kennzeichen für medizinische Produkte. Im Zusammenspiel mit der Sprechblase und dem Wortelement „medipresse“ werde nicht auf die Schweiz hingewiesen und es entstehe beim Publikum auch nicht der Eindruck, dass die Marke aus der Schweiz komme. Das Anmeldezeichen erwecke auch nicht den Eindruck einer Verbindung zum „Roten Kreuz e.V.“, denn das Kreuz des Anmeldezeichens sei weiß.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

17

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens stehen keine Eintragungshindernisse gemäß § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen.

18

1. Die Eintragung des Zeichens Abbildung scheitert zunächst nicht an dem Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft.

19

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 611, Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2013, 731, Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rn. 7 - Starsat; GRUR 2010, 825, 826, Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230, Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611, Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949, Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. –abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rn. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826, Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006).

20

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken bzw. die Wortbestandteile von Wort-/Bildmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Rn. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Rn. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

21

Hinsichtlich der bildlichen Ausgestaltung einer Wort-/Bildmarke gilt sodann, dass der Marke - unbeschadet der gegebenenfalls fehlenden Unterscheidungskraft der Wortelemente - als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden kann, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (vgl. BGH GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN; GRUR 2001, 1153 - antiKALK), wobei an die Ausgestaltung aber umso größere Anforderungen zu stellen sind, je kennzeichnungsschwächer die fragliche Angabe ist (vgl. BGH GRUR 2008, 710, Rn. 20 - VISAGE; GRUR 2009, 954, Rn. 17 - Kinder III; vgl. auch BPatG GRUR 1996, 410, 411 - Color COLLECTION). Erforderlich ist eine den schutzunfähigen Charakter der übrigen Markenteile aufhebende, kennzeichnungskräftige Verfremdung im Gesamteindruck der Marke (vgl. auch EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1017, Rn. 73, 74 - BioID). Dabei vermögen einfache geometrische Formen, bloße Verzierungen oder beschreibende Bildzeichen, an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, keine Unterscheidungskraft zu begründen (BGH GRUR 2001, 1153 - antiKALK).

22

Nach diesen Grundsätzen kann dem angemeldeten Wort-/Bildzeichen in seiner Gesamtheit das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

23

Der Wortbestandteil des Zeichens „medipresse“ setzt sich aus zwei Wortelementen zusammen, die infolge der abweichenden Gestaltung der einzelnen Elemente – „medi“ ist in Fettdruck gehalten, „presse“ nicht – als einzelne Elemente wahrgenommen werden.

24

Das Element „medi“ stellt kein eigenständiges Wort der deutschen Sprache dar und ist auch keine gängige Abkürzung. Es ist aber als Wortbestandteil in vielen Wörtern aus dem Bereich der Medizin (abgeleitet aus dem lateinischen Wort medicus „der Arzt“: Medikament, Medizin, medizinisch), der Medien (abgeleitet aus dem lateinischen Wort „medius“ für „der mittlere“: medial, Media, Mediaman) sowie als Wortstamm von Wörtern wie Meditation, Mediation, Medium bekannt (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage, Mannheim, 2006, CD-ROM). Entsprechendes gilt für den englischen Sprachkreis. Eine eindeutig feststehende Abkürzung für „Medizin“ ist „medi“, anders als „med.“ (z. B. „Dr. med.“, oder „Med.-Dir.“ für „Medizinaldirektor“) in der deutschen Sprache nicht. Es ist aber als Namensbestandteil für Produkte und Leistungen im Zusammenhang mit der Medizin verbreitet (BGH I ZB 92/08 Beschluss vom 16. Juli 2009 – medi/mediline; BPatG 28 W (pat) 2/95 – MEDI MATE/Medinette; 25 W (pat) 48/07 – MEDI.AS/medi-Verband; 26 W (pat) 13/09 - med1BOX/ medi-Verband; 30 W (pat) 60/07 - MediVerm/medi ich fühl mich besser; EuG T-0470/09 – medi) und wird dort als Hinweis auf medizinische Waren und Dienstleistungen verstanden.

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Das Wort „Presse“ bezeichnet allgemein entweder eine „Vorrichtung, Maschine, durch die etwas unter Druck zusammengepresst, zerkleinert, geglättet oder in Form gepresst wird“, eine „Druckmaschine“ (veraltet), oder die „Gesamtheit der Zeitungen und Zeitschriften, ihrer Einrichtungen und Mitarbeiter bzw. die Beurteilung von etwas durch die Presse“ (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage, Mannheim, 2006, CD-ROM).

26

„Medipresse“ ist kein lexikalisch nachweisbarer Begriff. Die Wortschöpfung ist stark angelehnt an den Begriff „Medizinpresse“. Dieser bezeichnet die Gesamtheit der Fach- und Patientenzeitschriften, die einen beachtlichen Umsatz erzielen und ein bedeutendes Informations- und Werbemedium für die Pharmaindustrie darstellen.

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Für die Waren der Klasse 5 und die medizinischen und Gesundheitsdienstleistungen der Klasse 44 kann dem Wortelement „medipresse“ ungeachtet seiner grafischen Elemente an sich schon das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, weil „medipresse“ wegen des Elementes „Presse“ auch bei Gleichsetzung der Wortschöpfung mit „Medizinpresse“ keine sinnvolle Sachaussage für diese Waren und Dienstleistungen enthält. Dass derartige Waren und Dienstleistungen in einschlägigen Presseorganen beworben oder besprochen werden, stellt keinen engen Sachzusammenhang zu ihnen her. Zu der weiteren denkbaren Bedeutung „medizinische Vorrichtung zum Zusammendrücken“ gelangt man allenfalls durch eine für die Beurteilung der Unterscheidungskraft unzulässige analysierende Betrachtungsweise und über mehrere Gedankenschritte.

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Für die Dienstleistungen der Klasse 35 und 38 kommt dem Wort-/Bildzeichen jedenfalls in seiner Gesamtheit Unterscheidungskraft zu. Dabei ist neben dem Umstand, dass die Wortschöpfung „medipresse“ nicht ohne Weiteres mit dem Sachbegriff „Medizinpresse“ gleichgesetzt werden kann, da eine entsprechende Verwendung des Begriffs nicht nachweisbar ist, die Grafik des Zeichens zu berücksichtigen. Diese besteht aus einem weißen Kreuz auf dunklem Grund in einer Sprechblase. Die Oberkante des Kreuzes schließt am oberen Rand der Sprechblase und ist nach oben geöffnet. Das weiße Kreuz auf dunklem Grund erinnert einerseits an die Schweizer Flagge und kann dadurch als Hinweis auf die Schweiz verstanden werden. Es ist aber auch ein verbreitetes Symbol für medizinische Leistungen, das man auf Verbandskästen, Erste-Hilfe-Einrichtungen etc. findet. Im Zusammenhang mit dem Begriff „medipresse“ wird es deshalb in erster Linie als medizinisches Symbol verstanden werden.

29

Auch die Sprechblase ist als anpreisendes Stilmittel üblich, um die Aufmerksamkeit des Adressaten auf den Inhalt der Sprechblase zu konzentrieren. Die Verbindung des Kreuzsymbols mit einer Sprechblase ist jedoch ungewöhnlich. Üblicherweise sind Sprechblasen nicht mit derartigen Symbolen, sondern mit Texten gefüllt. Die konkrete grafische Ausgestaltung dahingehend, dass Kreuz und Sprechblase nach oben hin geöffnet sind, weicht ebenfalls von der werbeüblichen Gestaltung einer Sprechblase ab.

30

In der Summe und der konkreten Zusammenfügung seiner Elemente kann dem angemeldeten Zeichen daher ein Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Da es auf die Gesamtbetrachtung und nicht auf eine Analyse der Einzelelemente ankommt, ist das Zeichen in seiner Gesamtheit geeignet, als betrieblicher Herkunftshinweis für die beanspruchten Dienstleistungen zu dienen.

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2. Auch ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist nicht gegeben, weil das Anmeldezeichen keinen glatt beschreibenden Charakter aufweist.

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3. Die Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. § 8 Abs. 4 MarkenG sind ebenfalls nicht erfüllt. Danach sind Zeichen nicht eintragbar, die Staatswappen, Staatsflaggen oder andere staatliche Hoheitszeichen oder Wappen eines inländischen Ortes oder eines inländischen Gemeinde- oder Kommunalverbandes oder die Nachahmung eines solchen Zeichens enthalten.

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Der gesetzgeberische Zweck des § 8 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 MarkenG liegt darin zu verhindern, dass öffentliche Hoheitszeichen für geschäftliche Zwecke ausgenutzt oder gar missbraucht werden, zumal sie auch nicht Gegenstand von Monopolrechten einzelner Privater werden dürfen (BPatG GRUR 2005, 679 (680) – Bundesfarben; GRUR 2009, 495 (496) - Flaggenball). Voraussetzung für das Vorliegen des Schutzhindernisses ist also, dass das beanspruchte Zeichen in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise geeignet ist, als Hoheitszeichen in Erscheinung zu treten (BPatG GRUR 2009, 495, 496 – Flaggenball).

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Ob in der Marke ein staatliches Hoheitszeichen nachgeahmt wird, ist dabei nicht durch Rückgriff auf die allein das Markenkollisionsrecht regelnden Vorschriften in § 9 Abs. 1 Nr. 2 und § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG mittels der Prüfung einer etwaigen Ähnlichkeit oder einer Gefahr der Verwechslung der betreffenden Marke mit staatlichen Hoheitszeichen zu ermitteln (vgl. amtl. Begr. MarkenG, BT-Drucks. 12/6581 vom 14. Januar 1994, S. 71). Der Begriff der Nachahmung im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 MarkenG knüpft vielmehr an den in Art. 6ter Abs. 1 Buchst. a der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) enthaltenen Begriff der „Nachahmung im heraldischen Sinn“ an (vgl. amtl. Begr., a. a. O.). Hierunter fallen solche Nachahmungen, die gerade die charakteristischen heraldischen Merkmale aufweisen, die das Hoheitszeichen von anderen Zeichen unterscheidet. Bei dem Vergleich „im heraldischen Sinne” ist auf die (offizielle) heraldische und nicht auf die geometrische Beschreibung des Hoheitszeichens abzustellen, die ihrem Wesen nach wesentlich detaillierter ist. Eine Nachahmung im heraldischen Sinne wird nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass das Hoheitszeichen in bestimmter Weise stilisiert oder dass nur ein Teil von ihm verwendet worden ist (EuGH GRUR Int. 2010, 45 Rdnr. 50 ff. – Ahornblatt; BPatG GRUR RR 2013, 428 – Schweizer Kreuz).

35

Art. 1 des Bundesbeschlusses der Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend das eidgenössische Wappen vom 12. Dezember 1889 lautet wie folgt:

36

„Das Wappen der Eidgenossenschaft ist im roten Felde ein aufrechtes, freistehendes weisses Kreuz, dessen unter sich gleiche Arme je einen Sechstel länger als breit sind.“

37

In gleicher Weise ist die Nationalflagge der Schweiz gestaltet. Die Form der Schweizer Fahne ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Da sie aber auf ein militärisches Feldzeichen zurückgeht, hat sie eine quadratische Form (BPatG GRUR RR 2013, 428 – Schweizer Kreuz).

38

Zwar wurde das vorliegende Bildzeichen abweichend von dieser Farbgebung in Schwarz-Weiß angemeldet. Dies hat jedoch zur Folge, dass auch eine Kombination von weißem Kreuz auf rotem Grund von der Anmeldung mitumfasst ist (vgl. EuG Az. T-0215/06 v. 28. Februar 2008). Denn wenn in der Anmeldung keine bestimmten Farben für das angemeldete Zeichen angegeben werden, kann dieses in jeder beliebigen Farbkombination wiedergegeben werden mit Ausnahme solcher, die eine besondere Bildwirkung hervorbringen (Hacker in Ströbele/Hacker Markengesetz, 11. Aufl. 2014, § 9 Rn. 227.

39

Der Grafikbestandteil des angemeldeten Zeichens enthält ein weißes Kreuz, das dem Schweizer Kreuz ähnelt. Allerdings ist der obere Balken des Kreuzes verkürzt und endet am Rand der Sprechblase, die in der Breite des Balkens nach oben geöffnet ist. Dadurch entsteht der Eindruck, dass das Kreuz nicht vollständig in der Sprechblase enthalten ist. Das Kreuz entspricht in seiner Balkenlänge und –breite auch nicht dem Kreuz in der Staatsflagge der Schweiz. Die Balken sind breiter als lang und wirken dadurch gestauchter als das Symbol der Schweiz.

40

Bei der Frage, ob das Kreuzsymbol auf rotem Grund eine Nachahmung der Schweizer Nationalflagge im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. Abs. 4 MarkenG ist, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Kreuz, anders als etwa das Ahornblatt in der kanadischen Flagge, vielfältige Bedeutungen in unterschiedlichen Kontexten hat. Vor allem hat das Kreuz eine Bedeutung als zentrales Symbol des Christentums. Daneben ist es ein Symbol für Hilfsleistungen im Bereich der Gesundheitspflege und findet sich in Schwarz-Weiß oder unterschiedlicher farblicher Ausgestaltung regelmäßig im Zusammenhang mit Erste-Hilfe-Leistungen, Krankenhäusern und Apotheken. Schließlich ist es das mathematische Symbol für Plus und wird bei der Anpreisung von Waren und Dienstleistungen häufig als Hinweis auf ein „Mehr“ an Leistungen verwendet.

41

Daher fallen bei der Frage, ob das Kreuzsymbol als Nachahmung des Schweizer Kreuzes anzusehen ist, Abweichungen von der konkreten Ausgestaltung stärker ins Gewicht als bei eindeutig zuzuordnenden Symbolen.

42

Hier führen die konkrete Einbettung in eine Sprechblase und die unvollständige Abbildung von dem Eindruck eines hoheitlichen Bezuges weg. Selbst wenn das Zeichen in den Nationalfarben der Schweiz ausgestaltet ist, wird der Verkehr darin eher einen Hinweis auf das Themengebiet Schweiz als die Anmaßung einer hoheitlichen Befugnis erkennen (Ströbele in Ströbele/Hacker MarkenG, 11. Aufl. 2014, § 8 Rn. 806).

43

Die Verbindung mit dem Begriff „medipresse“ führt zudem von dem Themenkomplex Schweiz weg in Richtung des Themengebietes Hilfe in Gesundheitsfragen.

44

4. Auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 4 MarkenG liegt nicht vor. Das Zeichen enthält nicht das Kennzeichen, ein Symbol oder die Bezeichnung einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation oder deren Nachahmung. Derartige Zeichen werden von § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG nur erfasst, wenn sie nach einer Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz im Bundesgesetzblatt von der Eintragung als Marke ausgeschlossen sind.

45

Die Auffassung der Markenstelle, das Grafikelement Abbildung stelle einen unbefugten Gebrauch des Kennzeichens des „Roten Kreuzes“ dar, verkennt, dass das Kennzeichen des „International Committee of the Red Cross“ diese Voraussetzung nicht erfüllt. § 3 S. 1 DRKG gibt lediglich dem „Deutschen Roten Kreuz e.V.“, also einer rein nationalen Organisation, ein Recht zur Verwendung des Zeichens „Rotes Kreuz auf weißem Grund“. Zudem weicht die konkrete Darstellung selbst in den Farben Rot-Weiß von dem Symbol des roten Kreuzes ab. Denn die schwarz-weiße Darstellung umfasst wegen der konkreten durch die Wahl der Graustufen vermittelten Gestaltung nur ein helles Kreuz auf dunklem Grund, nicht dagegen ein rotes Kreuz auf hellem Grund, das als Nachahmung des Roten Kreuzes wahrgenommen werden könnte.

46

Der Beschwerde war deshalb stattzugeben.