Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 27.08.2015


BPatG 27.08.2015 - 30 W (pat) 41/13

Markenbeschwerdeverfahren – "LIQUIDUS JURIS Ihrem Recht verpflichtet (Wort-Bild-Marke)/juris" – Dienstleistungsidentität – zur Kennzeichnungskraft – Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne durch selbständig kennzeichnende Stellung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
27.08.2015
Aktenzeichen:
30 W (pat) 41/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 056 018

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 27. August 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, des Richters Merzbach sowie des Richters Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wort-/Bildzeichen

Abbildung

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ist am 24. September 2009 angemeldet und am 20. November 2009 als Marke unter der Nummer 30 2009 056 018 für die Dienstleistungen der

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„Klasse 45: Juristische Dienstleistungen; Sicherheitsdienste zum Schutz von Sachwerten oder Personen; von Dritten erbrachte persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse“

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in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden.

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Die Eintragung dieser Marke ist am 24. Dezember 2009 veröffentlicht worden.

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Hiergegen hat die Widersprechende am 24. März 2010 Widerspruch erhoben u. a. aus der Wortmarke 304 54 338

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juris

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die seit dem 3. Januar 2006 für die Waren und Dienstleistungen

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„Klasse 9: Bespielte Datenträger in Form von CD-ROMs, insbesondere mit Datenbanken versehene Datenträger zur Verwendung auf dem juristischen Gebiet;

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Klasse 16: Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Gesetzestexte, Kommentare und andere Druckerzeugnisse, alle vorgenannten Waren auf dem juristischen Gebiet;

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Klasse 35: Systematisierung und Zusammenstellung von Daten für ein computergestütztes juristisches Auskunftssystem in Computerdatenbanken;

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Klasse 38: Bereitstellen, Aktualisieren und Warten von Informationen im Internet über ein computergestütztes juristisches Auskunftssystems; Sammeln und Liefern von Nachrichten aller Art aus dem juristischen Bereich; Bereitstellen des Zugriffs zu einem interaktiven Informations- und Forschungsdienst auf juristischem Gebiet über ein weltweites Computernetz und über einen elektrischen Onlineservice;

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Klasse 41: Dienstleistungen eines Verlages (ausgenommen Druckarbeiten), insbesondere Herausgabe von Verlags- und Druckerzeugnissen in elektronischer Form, auch im Internet;

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Klasse 42: Erstellen von Softwareprogrammen, insbesondere Datenbanken und deren Wartung, Administration und Aktualisierung; Programmierleistungen für Dritte; Nachforschungen, Recherchen in Datenbanken und im Internet für steuerberatende sowie verwandte Berufe; elektronisches Übertragen von Daten (Texte und Formulare) zur Verwendung bei rechts- und steuerberatenden sowie verwandten Berufen; Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten zu einer Datenbank in Form eines interaktiven Informations- und Forschungsdienstes auf juristischem Gebiet;

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Klasse 45: Auftragsrecherchen in Rechtssachen; Nachforschungen, Recherchen in Datenbanken und im Internet für rechtsberatende sowie verwandte Berufe“

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eingetragen ist.

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Der Widerspruch richtet sich allein gegen die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 45

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„juristische Dienstleistungen“.

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Die Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 25. Oktober 2011 und vom 26. Juli 2013, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die angegriffene Marke 30 2009 056 018 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 304 54 338 antragsgemäß für „juristische Dienstleistungen“ teilweise gelöscht.

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Zur Begründung ist im Erinnerungsbeschluss ausgeführt, dass zwischen „juristischen Dienstleistungen“ und dem juristischen Auskunftssystem sowie den Recherchediensten der Widersprechenden eine hochgradige Dienstleistungsähnlichkeit bzw. Identität bestehe, da die von dem Oberbegriff „juristische Dienstleistungen“ umfasste „Rechtsberatung“ immer häufiger unter Inanspruchnahme von externen Recherchediensten erbracht werde und Anwälte in Ergänzung ihrer „juristischen Dienstleistungen“ zunehmend auch von der Widerspruchsmarke beanspruchte „Auftragsrecherchen in Rechtssachen“ durchführten. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei von Haus aus durchschnittlich, da das Wort „juris“ als Genitivform des lateinischen Wortes „ius“ in Alleinstellung die geschützten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibe. Die von der Widersprechenden vorgetragene Verbreitung des Systems, die Umsatzzahlen und Marketingausgaben seien beachtlich bzw. amtsbekannt, so dass dem Widerspruchszeichen insgesamt eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme. Daher seien sehr hohe Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, denen die angegriffene Marke in Bezug auf „juristische Dienstleistungen“ nicht genüge.

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Bei der Beurteilung der für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr relevanten klanglichen Ähnlichkeit beider Zeichen sei auf Seiten der angegriffenen Marke allein auf die Wortbestandteile „LIQUIDUS JURIS“ abzustellen, welche gegenüber den Bildelementen und den weiteren, sich in einem anpreisenden Werbeslogan erschöpfenden Wortbestandteile „Ihrem Recht verpflichtet“ deutlich hervorträten. Auch wenn diese beiden Wortbestandteile im Zeichen gleichwertig neben- bzw. untereinander angeordnet seien, so werde die kraft Benutzung im Kollisionszeitpunkt gesteigerte Kennzeichnungskraft und die damit verbundene besondere herkunftshinweisende Funktion der Widerspruchsmarke „juris“ vom Verkehr auch dann wahrgenommen, wenn sie ihm als Zeichen nicht isoliert, sondern als Bestandteil eines anderen, jüngeren Kombinationszeichens begegne. Aufgrund der Bekanntheit der Widerspruchsmarke „juris“ werde der Verkehr bei Begegnungen im mündlichen Geschäftsverkehr zu einem nicht unbeachtlichen Teil irrtümlich zur Annahme gelangen, dass das Zeichen „LIQUIDUS JURIS“ auf die Widersprechende hinweise, so dass der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch den Wortbestandteil „JURIS“ geprägt werde. Die Wortfolge „LIQUIDUS JURIS“ weise auch keinen einer selbstständig kollisionsbegründenden Wirkung von „JURIS“ entgegenwirkenden gesamtbegrifflichen Inhalt auf, da die Zusammenstellung der aus dem Lateinischen stammenden Worte „LIQUIDUS“ mit der Bedeutung „flüssig, fließend, klar“ und „JURIS“ als Genitivform von „ius“ mit der Bedeutung „des Rechts“ selbst für den Teil des Verkehrs, der des Lateinischen mächtig sei, keinen Sinn ergebe.

22

Aber selbst wenn man eine Prägung der angegriffenen Marke durch den Wortbestandteil „JURIS“ und eine sich daraus ergebende unmittelbare Verwechslungsgefahr verneinen würde, bestünde möglicherweise aufgrund der identischen Übernahme der Widerspruchsmarke in das angegriffene Zeichen eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt eines gedanklichen Inverbindungbringens im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbs. MarkenG, da der Bestandteil „JURIS“ aufgrund der untereinander erfolgten Anordnung gegenüber „LIQUIDUS“ sowie der fehlenden gesamtbegrifflichen Einheit wie eine „Marke in einer Marke“ wirke. Dies bedürfe letztlich aber im Hinblick auf die festgestellte unmittelbare Verwechslungsgefahr keiner abschließenden Entscheidung.

23

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers. Einen bestimmten Sachantrag hat er nicht gestellt; die angekündigte Beschwerdebegründung ist nicht eingereicht worden.

24

Die Widersprechende hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

26

Die Beschwerde ist zulässig. Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist weder ein konkreter Antrag noch eine Beschwerdebegründung erforderlich. Fehlt wie vorliegend ein Antrag, muss von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang ausgegangen werden (vgl. Ströbele/Hacker-Knoll, Markengesetz, 11. Aufl., § 66 Rdnr. 41, 42).

27

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Daher hat die Markenstelle zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet (§ 43 Abs. 2 S. 1 MarkenG).

28

Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2013, 923, Nr. 34 – Specsavers – Gruppe/Asda; GRUR 2010, 1098, Nr. 44 - Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Nr. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2011, 915, Nr. 45 - UNI; BGH GRUR 2014, 488, Nr. 9 - DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 235, Nr. 15 - AIDA/AIDU). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2014, 382, Nr. 14 – REAL-Chips; GRUR 2013, 833, Nr. 30 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 1103, Nr. 37 - Pralinenform II; EuGH GRUR 2008, 343 Nr. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM).

29

Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen zu besorgen.

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1. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke juris ist überdurchschnittlich.

31

Dabei geht der Senat zunächst davon aus, dass die Widerspruchsmarke von Haus aus über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt.

32

Dass juris eine sachbezogene Abkürzung (Akronym) für „Juristisches Informationssystem“ darstellt und als solche zur Beschreibung der maßgeblichen Dienstleistungen dienen könnte, ist nicht erkennbar. Eine entsprechende allgemeine Verwendung in diesem Sinne lässt sich nicht nachweisen. Die Widersprechende bietet ihre Dienstleistungen unter dem (Firmen)schlagwort juris an, nicht jedoch unter ihrer vollständigen, aus dem Rubrum ersichtlichen Firmenbezeichnung. Das von der Widersprechenden betriebene „juristische Informationssystem“ in Form einer computergestützten Datenbank ist im geschäftlichen Verkehr dementsprechend auch nur unter dem Markenwort juris bekannt. Ein Verständnis von juris als Abkürzung für „Juristisches Informationssystem“ erschließt sich für den Verkehr auch nicht ohne weitere analysierende Überlegungen, wie eine Hervorhebung der zur Bildung des Begriffs juris erforderlichen Buchstaben in der Sachbezeichnung „Juristisches Informationssystem“ verdeutlicht. Soweit die Widersprechende die Widerspruchsmarke aus diesem Sachbegriff entwickelt hat, ist dies ebenfalls unerheblich, da einem aus einer beschreibenden Sachangabe entwickelten, aber aus sich heraus als Abkürzung nicht erkennbaren und/oder nicht gebräuchlichen Wortzeichen grundsätzlich eine normale, durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzusprechen ist (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 145).

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Ein verminderter Schutzumfang ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei juris um die Genitivform des lateinischen Begriffs „ius“ (= Recht) handelt, welche gleichbedeutend entweder gemäß der lateinischen Schreibweise mit „i“ („iuris“) oder aber auch mit „j“ („juris“) geschrieben wird. Wenngleich juris im inländischen Sprachgebrauch als Wortbildungselement in Begriffen wie „Jurisprudenz“ oder „Jurisdiktion“ Verwendung findet und zudem jedenfalls dem juristischen Fachverkehr seiner Bedeutung entsprechend in lateinischen Fachbegriffen wie „Corpus Iuris Canonici“ oder „Corpus Iuris Civilis“ begegnet, so lässt sich eine beschreibende Verwendung von juris in Alleinstellung als eigenständiges Kurzwort bzw. Sachangabe in Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen aus dem juristischen Bereich nicht feststellen. Dass es sich bei diesem Begriff um die Genitivform des lateinischen Begriffs „ius“ mit der Bedeutung „des Rechts“ handelt, werden ohnehin nur die Teile des Verkehrs erkennen, die zumindest über Grundkenntnisse der lateinischen Sprache verfügen; für die übrigen angesprochenen Verkehrskreise besteht hingegen schon mangels konkret definierbaren Begriffs- und Bedeutungsgehalts kein Anlass, darin eine rein beschreibende Sachangabe zu sehen. Aber selbst für diejenigen, die juris in seiner begrifflichen Bedeutung erfassen, stellt sich die grammatikalisch nicht korrekte Verwendung der Genitivform als eine originelle bzw. verfremdende Abwandlung der Sachangabe „ius“ dar. Auch wenn fachkundigen Kreisen der beschreibende Anklang von juris nicht zuletzt aufgrund seiner Verwendung in den vorgenannten Wortkombinationen nicht verborgen bleiben wird, kann dem Zeichen daher insgesamt eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft i. S. eines sprechenden Zeichens nicht abgesprochen werden.

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Dem Senat ist weiterhin aus eigener Sachkunde bekannt, dass das unter der Widerspruchsmarke juris betriebene computergestützte Rechtsinformationssystem seit vielen Jahren gerade unter Anwälten, Richtern, aber auch Angehörigen und Mitarbeitern von Behörden, Universitäten, Unternehmen und anderen Organisationen weit verbreitet ist und umfassend durch diese genutzt wird, was auch das Bundespatentgericht in seiner Rechtsprechung bereits festgestellt hat (vgl. BPatG 33 W (pat) 108/04 – pro juris / juris; veröffentlich in PAVIS PROMA). Die sich daraus ergebende Bekanntheit hat die Widersprechende vor der Markenstelle durch Angaben zu Umsatz und Marketingausgaben in Zusammenhang mit dem Rechtsinformationssystem untermauert; der Markeninhaber ist diesem Vorbringen nicht entgegengetreten. Eine für die Bekanntheit der Widerspruchsmarke relevante Änderung in Bezug auf Nutzung und Verbreitung des Systems ist in den vergangenen Jahren nicht eingetreten. Die Widersprechende ist nach wie vor Marktführerin auf diesem Gebiet. Aufgrund dieser langjährigen intensiven Benutzung der Widerspruchsmarke für ein computergestütztes Rechtsinformationssystem und der daraus folgenden allgemeinen Bekanntheit des Widerspruchszeichens innerhalb der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr relevanten juristischen Fachverkehrskreise ist der Widerspruchsmarke jedenfalls in Bezug auf die in den Klassen 35 und 38 beanspruchten Dienstleistungen „Systematisierung und Zusammenstellung von Daten für ein computergestütztes juristisches Auskunftssystem in Computerdatenbanken“ bzw. „Bereitstellen, Aktualisieren und Warten von Informationen im Internet über ein computergestütztes juristisches Auskunftssystems; Sammeln und Liefern von Nachrichten aller Art aus dem juristischen Bereich; Bereitstellen des Zugriffs zu einem interaktiven Informations- und Forschungsdienst auf juristischem Gebiet über ein weltweites Computernetz und über einen elektrischen Onlineservice“ sowohl für den Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke im Jahr 2009 als auch im Entscheidungszeitpunkt eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft beizumessen.

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2. Beide Marken können sich nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage bei identischen Dienstleistungen begegnen, insbesondere auch soweit die Widerspruchsmarke über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt.

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Denn jedenfalls bei den für die Widerspruchsmarke in den Klassen 35 und 38 eingetragenen Dienstleistungen „Systematisierung und Zusammenstellung von Daten für ein computergestütztes juristisches Auskunftssystem in Computerdatenbanken“ bzw. „Bereitstellen, Aktualisieren und Warten von Informationen im Internet über ein computergestütztes juristisches Auskunftssystems“ – für die sie auch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft in Anspruch nehmen kann - handelt es sich um „juristische Dienstleistungen“, wie sie die angegriffene Marke in Klasse 45 beansprucht.

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Ihrem Gegenstand und Inhalt nach beschränken sich „juristische Dienstleistungen“ nicht auf Rechtsdienstleistungen i. S. von § 2 RDG, wonach Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten ist, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert (vgl. § 2 Abs. 1 RDG); sie gehen vielmehr darüber hinaus. So können diese Dienstleistungen auch juristische Tätigkeiten umfassen, die in keinem Bezug zu einem konkreten Streitfall stehen wie z. B. die Erstellung von Rechtsgutachten oder die Erteilung allgemeiner (Rechts-)Auskünfte. Unter den weit gefassten Oberbegriff „juristische Dienstleistungen“ können ferner auch solche fallen, bei denen juristische Informationen auf konkrete Anfrage und gegen Entgelt im Rahmen von individuellen Beratungssituationen bereitgestellt und übermittelt werden, sowie auch solche, bei denen als (abstraktes) Ergebnis einer Abfrage juristische Informationen zur Verfügung gestellt werden, wie es bei der Widersprechenden mit dem von ihr betriebenen computergestützten Rechtsinformationssystem der Fall ist.

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Aufgrund der Identität zwischen den „juristischen Dienstleistungen“ der angegriffenen Marke und den vorgenannten Dienstleistungen der Widerspruchsmarke bedarf es keiner Erörterung, ob eine Waren-/und Dienstleistungsähnlichkeit zwischen „juristischen Dienstleistungen“ und weiteren Waren und/oder Dienstleistungen der Widerspruchsmarke besteht.

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3. Die Vergleichszeichen weisen ferner eine mittlere Zeichenähnlichkeit auf.

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Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (z. B. BGH GRUR 2013, 833, Rn. 45 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Rn. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Rn. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Rn. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729 Rn. 23 - MIXI). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 237). Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Rn. 19 - ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Rn. 28 - THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Rn. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2010, 235, Rn. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, Rn. 32 - METROBUS; GRUR 2006, 60, Rn. 17 - coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2014, 382, Nr. 25 – REAL-Chips; GRUR 2010, 235, Rn. 18 - AIDA/AIDU m. w. N.; vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 254 m. w. N.).

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Aufgrund der graphischen Ausgestaltung der angegriffenen Marke sowie der zusätzlichen Wortbestandteile „LIQUIDUS“ und „Ihrem Recht verpflichtet“ kommt eine für die Gefahr von Verwechslungen hinreichende Zeichenähnlichkeit der sich danach in ihrer Gesamtheit deutlich voneinander unterscheidenden Marken von vornherein nur dann in Betracht, wenn die Übereinstimmung in dem Begriff juris kollisionsbegründend wirkt.

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Mit der Markenstelle ist davon auszugehen, dass im Rahmen einer die Verwechslungsgefahr begründenden klanglichen Zeichenähnlichkeit auf Seiten der angegriffenen Marke trotz deren Ausgestaltung als Wort-/Bildmarke allein die Wortbestandteile „LIQUIDUS JURIS“ maßgebend sind, da der Verkehr erfahrungsgemäß dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform die prägende Bedeutung zumisst (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rdnr. 433). Auch die weiteren Wortbestandteile „Ihrem Recht verpflichtet“ treten im Gesamteindruck hinter „LIQUIDUS JURIS“ zurück, da diese deutlich kleiner geschrieben sind und sich zudem in einem anpreisenden Werbeslogan erschöpfen, welcher jeder individualisierenden Unterscheidungskraft entbehrt. Für den Verkehr besteht daher kein Anlass, diese Wortfolge bei mündlicher Benennung der Marke zu berücksichtigen.

43

Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann allerdings nicht von einer die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen begründenden Prägung des angegriffenen Zeichens durch den mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Bestandteil „JURIS“ ausgegangen werden, da der Verkehr auch bei Berücksichtigung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den Wortbestandteil „LIQUIDUS“ aufgrund seiner gegenüber „JURIS“ größenmäßig und schriftbildlich identischen Ausgestaltung nicht völlig vernachlässigen und „LIQUIDUS JURIS“ gleichsam mit der Widerspruchsmarke juris gleichsetzen wird.

44

Jedoch kommt der erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke juris eine sich auf die Ähnlichkeit beider Zeichen auswirkende Bedeutung insoweit zu, als sie dazu führt, dass der Verkehr dem identischen Bestandteil „JURIS“ innerhalb des angegriffenen Zeichens eine selbständig kennzeichnende Stellung beimessen wird, jedenfalls soweit sich beide Marken – wie vorliegend - bei identischen Dienstleistungen begegnen können.

45

Für die selbstständig kennzeichnende Stellung eines mit dem Widerspruchszeichen übereinstimmenden Bestandteils in einem mehrgliedrigen angegriffenen Zeichen kann die gesteigerte Kennzeichnungskraft des Widerspruchszeichens sprechen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich bei der übernommenen bekannten älteren Marke um das Firmenschlagwort der Widersprechenden handelt (vgl. BGH GRUR 2009, 484, 491 Nr. 80 – Metrobus; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 466). Dies ist vorliegend der Fall, da die Widersprechende – wie bereits dargelegt – im geschäftlichen Verkehr juris als Firmenschlagwort in Zusammenhang mit dem von ihr betriebenen Rechtsinformationssystem verwendet.

46

Die beiden im angegriffenen Zeichen untereinander angeordneten Wortbestandteile „LIQUIDUS“ und „JURIS“ sind auch nicht in einer der selbständig kennzeichnenden Stellung des Bestandteils „JURIS“ entgegenwirkenden Art und Weise miteinander verbunden oder verschmolzen. Sie sind zwar grammatikalisch-formal als Adjektiv und Substantiv aufeinander bezogen. Sie weisen jedoch keinen für den Verkehr erkennbaren und einer selbständig kennzeichnenden Stellung von „JURIS“ entgegenwirkenden gesamtbegrifflichen Sinn- und Bedeutungsgehalt auf (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 406 ff.). Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, kann den beiden lateinischen Begriffen „LIQUIDUS“ mit der Bedeutung „flüssig, fließend, klar“ und „JURIS“ als Genitivform von „ius“ mit der Bedeutung „des Rechts“ keine nachvollziehbare (gesamtbegriffliche) Bedeutung beigemessen werden; insbesondere kann die Wortfolge „LIQUIDUS JURIS“ entgegen der Auffassung der Markeninhaberin weder grammatikalisch noch begrifflich mit „Klarheit des Rechts“ oder „Rechtsklarheit“ übersetzt werden. Innerhalb des Zeichens stehen daher beide Wörter somit eher unverbunden nebeneinander und behalten daher innerhalb des angegriffenen Zeichens eine gewisse Eigenständigkeit. Diese wird dadurch verstärkt, dass die beiden Begriffe im Zeichen zweizeilig und untereinander angeordnet sind, was ein Wiedererkennen der Widerspruchsmarke in dem angegriffenen Zeichen erleichtert. Bei dieser Sachlage kann insbesondere in Anbetracht der Bekanntheit und der damit verbundenen erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht ausgeschlossen werden, dass die Aufmerksamkeit des Verkehrs auf den mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Bestandteil „JURIS“ gelenkt wird und diesem Bestandteil in der jüngeren Marke die Eignung zukommt, einen Hinweis auf den Betrieb der Widersprechenden zu vermitteln (vgl. dazu BGH GRUR 2009, 484, 491 Tz. 78, 80 - Metrobus; vgl. auch BGH GRUR 2013, 1239, 1243 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 519).

47

4. Ausgehend davon kann dann aber in der Gesamtabwägung angesichts der erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Identität der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden, so dass die Beschwerde gegen die die Löschung der angegriffenen Marke anordnenden Beschlüsse der Markenstelle zurückzuweisen ist.

48

5. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.